Review von T.Herrmann () | 18.02.2007
Es ist der 4. Februar 2007 und in Amerika ist quasi Feiertag: Super-Bowl. Wenn dort das Finale der National Football League (NFL) steigt, sitzt die Nation fast geschlossen vor den Fernsehern. Der Super-Bowl ist so wichtig, dass sogar verdammt teure, verdammt kreative und technisch verdammt aufwändige Werbespots einzig und allein für die Pausen dieser Sportveranstaltung kreiert werden.
In Amerika gab es wieder einmal Traumquoten mit himmelhohem Marktanteil des Senders. Keine große Überraschung allerdings, schließlich ist der American Football eine der populärsten Sportarten im Land der „unbegrenzten“ Möglichkeiten.
In Deutschland war es zu dieser Zeit schon fast tiefe Nacht. Die Mehrheit der Deutschen war nicht interessiert an den „dick bekleideten Männern, die sich auf dem Platz sinnlos verprügeln“. In unseren Gefilden ist Football sogar noch weniger als ein Nischensport und genießt keine große Aufmerksamkeit, um nicht zu sagen, so gut wie keine Aufmerksamkeit.
Aber der US-Markt ist nun einmal ein sehr wichtiger und somit entwickelt EA Sports auch jedes Jahr aufs Neue einen frischen Lizenztitel mit den Originalspielern und Teams der amerikanischen NFL. Madden heißt das Spiel, das in Amerika Jahr für Jahr tolle Verkaufszahlen vorweisen kann, benannt nach einem großen, ehemaligen Football-Spieler. Auf Wii kommt die Software jetzt auch erstmalig daher - und zwar mit der besonderen Wii-Steuerung. Was der Titel wirklich taugt und ob er in Deutschland und bei Nicht-Football-Fans überhaupt etwas im Disc-Slot der Konsole zu suchen hat, lest ihr jetzt in unserem Test.
Der Einstieg als Grünschnabel
Wie oben gesagt: Wir wollen uns die Frage stellen, ob Leute, die mit dem Football-Sport gar nichts anfangen können, das Spiel überhaupt anrühren sollten. Zu diesem Zweck werfen wir erst einmal einen Blick in das Hauptmenü. Der Grünschnabel wird gleich den Punkt „Learn Madden“ ins Visier nehmen können und auch müssen. Vielleicht fragt ihr euch jetzt, warum es denn eigentlich „Learn Madden“ heißt und nicht „Lerne Madden kennen“ oder etwas in der Art. Einfache Antwort: Wieder einmal haben wir es mit einem Titel ohne deutsche Übersetzung zu tun. Die gesamte Software, mit dem für uns so exotischen Sport, ist in der typischen amerikanischen Landessprache Englisch gehalten und macht es dem absoluten Laien nicht unbedingt leichter, einen roten Faden im Regel- und Taktikdschungel des American Football zu finden. Wenigstens ist die (eher langweilig und trocken gestaltete) Anleitung auf Deutsch, genau wie die Rückseite der Verpackung mit den Lust machenden Werbesprüchen, die einen einfachen Einstieg versprechen. Zur Anleitung muss aber gesagt werden, dass sie die wichtigsten Regeln des Sports grazil unter den Tisch kehrt und es den Spielern verheimlicht, wie man den Football wirklich meistern kann. Einzig über die Steuerung wird sich umfangreich und in erstklassigem Fach-Kauderwelsch ausgelassen…

Doch zurück zum Tutorial, bei dem wir gerade stehen geblieben waren: Hier wird dem Neuling erst einmal die neue Steuerung mit Wii-Remote und Nunchuk beigebracht, die wohl auch Football-Fans erst einmal erlernen müssen. Schließlich ist sie etwas völlig Ungewohntes. Insgesamt ist alles sehr anschaulich gestaltet und die Bewegungen nach oben, unten, zur Seite und in alle anderen Richtungen hat man relativ schnell erlernt. Leider, und das ist der erste und später auch größte Kritikpunkt, bekommt man in dieser Rubrik – wie auch in der Anleitung – nichts von den Regeln mit, sondern erfährt erst einmal nur, „wie“ man „was“ machen „kann“. Nicht aber, „wann“ man „was“ machen „muss“.
Ich, beziehungsweise alle Ahnungslosen sind also erst einmal verwirrt und relativ aufgeschmissen und sehen beim Training zuerst nur skeptisch den dick gepolsterten Männern zu, die sich wie die Wilden aufeinander schmeißen und sich um einen eiförmigen Ball klöppeln.
Besonders freundlich wird es dann, wenn man auf „Play Now“ im Menü klickt. Hier geht es dann mit richtigen Matches zur Sache und man wird überrascht von einer Palette aus Zugmöglichkeiten wie tiefen, mittleren oder weiten Pässen, Kicks und so weiter und so fort… Natürlich hatte ich keinen Schimmer einer Ahnung, welcher Pass jetzt welchen Effekt haben würde und ich wählte deshalb kurzerhand irgendetwas aus. Die darauf folgende Partie verlor ich selbstverständlich peinlich hoch. Mit der Zeit tritt dann der Learning-By-Doing-Effekt langsam ein und man findet sich etwas besser zurecht. Die Auswahl der taktischen Züge bleibt aber trotzdem erst einmal unverständliches Fachchinesisch, sodass man sich mittels der Z-Taste immer vom Spiel selbst, den am besten passenden Zug aussuchen lassen sollte.
Dann schwenkt der Blick aufs Spielfeld, auf dem sich die je elf Spieler gegenüberhocken und den Ball dann zum Quarterback werfen. Dieser darf ihn dann entweder zu einem Mitspieler passen, der nicht aufgrund der Attacke eines Gegenspielers auf dem Boden liegt, oder muss eine kurze Zeit lang durch die Gegend laufen. Dabei wehrt man dann mit Armbewegungen die gegnerischen Attacken ab oder macht mithilfe eines kleinen Nunchuck-Rucks einen Hecht zur Seite. Nur blöd, dass ich nicht im geringsten Multi-Tasking-fähig bin und deswegen irgendwie nicht gleichzeitig daran denken kann, mich zu verteidigen und gleichzeitig den Ball irgendwie loszuwerden… Darüber hinaus geht das Rennen durch die Gegend nicht lange gut, denn sehr bald wird man vier 100-Kilo-Kolosse auf dem virtuellen Leib spüren… Und wenn man es dann einfach nicht über die provisorische orangefarbene Linie schafft, die einen näher zum Ziel bzw. zum Touchdown bringt, kommt schon einmal Frust auf.
Prächtiger Sport mit prächtiger Grafik?
Festzustellen ist aber in jedem Fall, dass die Grafik des Spiels ziemlich hübsch aussieht. Zwar sind die Spieler teilweise etwas kantig geraten und bewegen sich leicht abgehackt, aber die Optik bewegt sich schon auf einem soliden bis guten Niveau. Der Rasen sieht nett aus und auch ansonsten konnten keine Ruckler oder andere Knicke in der Optik festgestellt werden. Selbstverständlich – und jetzt kommt wieder der Standardsatz – kann Wii aber mehr. Mit dem Sound sieht das Ganze nicht viel anders aus: In Menüs und Trainingsphasen hört man lizensierte rockige oder Hip-Hop-Klänge, im Spiel johlen einem die Fans realitätsnah ins Gehörorgan. Dazu gibt es noch zwei männliche Kommentatoren, die bei einer schönen Sportsimulation selbstverständlich auch nicht fehlen dürfen. Mir ist es jedoch so ergangen, dass ich nicht wirklich wahrgenommen habe, was sie mir oder ihren Zuschauern mitteilen wollten, denn erstens war der Störfaktor Sprache vorhanden und zweitens waren die Stimmen teilweise ziemlich leise und das Kreischen des Publikums oder das Ächzen desjenigen, der unter acht Football-Spielern mit dem Ball begraben liegt, haben sie übertüncht. Schade, denn mich hätte es interessiert, was die Experten von meinen raffinierten (wenn auch größtenteils willkürlichen) Zügen hielten…

Wie sieht’s mit den zusätzlichen Features aus?
Wem das 08/15-Spielen mit der Zeit zu langweilig wird, sieht sich einmal weiter im Hauptmenü um und wird dann auf den Punkt „Game Modes“ stoßen. Hier gibt es noch eine Vielzahl an verschiedenen weiteren Spielmodi rund um den Sport. Ob man jetzt die Karriere eines Spielers starten möchte, um ihn in die sagenumwobene „Hall of Fame“ zu bringen, oder ob man sich als kompletter Herr über eine Football-Mannschaft verantwortlich zeigen will: Fast alles ist möglich. Und die beiden Varianten sind nicht einfach nette Gimmicks, sondern ziemlich komplexe Simulationen, in denen auf viele Faktoren geachtet werden muss und die über den Sport hinausgehen. Madden NFL ’07 ist voll gepackt mit zusätzlichen Varianten neben dem eigentlichen Hauptspiel. Dass die meisten dieser Modi simpel und einfach aus den Vorgängern übernommen worden sind, stört wohl nur die hartgesottenen Fans, die schon die vorangegangenen Updates der Updates gespielt haben. Wenn das irgendjemandem immer noch nicht genug ist, wirft dieser einen Blick in den Punkt „Features“, in dem er sich nach bester Sims-Manier beispielsweise einen eigenen Fan entwerfen kann.
Natürlich bietet der Titel auch einen Mehrspielermodus. In diesem lässt sich mit bis zu drei Freunden ein Match bestreiten oder ein paar Minispiele spielen, bei denen zum Beispiel der eine Spieler immer versucht, den eiförmigen Ball ins Tor zu kicken, und die anderen Spieler durch Wedeln ihrer Controller einen Gegenwind zu erzeugen versuchen. Insgesamt ganz nett, aber eher kein Kaufgrund.
Fazit:
Ich bin ein absolut unwissender Neuling auf dem Gebiet des American Footballs und habe beim ersten Einschalten gedacht: „Oh – mein – Gott“. Doch mit der Zeit findet man sich etwas in die Sportart hinein. Wenn mir beigebracht worden wäre, wie ich das Spiel zu spielen habe, hätte ich viele spaßige Aspekte des Spiels sehr viel schneller entdeckt und somit mehr Spaß gehabt. Auch die fehlende vollständige Lokalisierung trägt nicht unbedingt zum besseren Verständnis bei. Für Football-Fans ist das Spiel natürlich toll: Die Steuerung klappt super, ist intuitiv und vermittelt tatsächlich ein besseres Spielgefühl als das konventionelle Knopfdrücken. Dazu kommen die gute technische Präsentation und die moderne Aufmachung. Die vielen Gimmicks und zahlreichen Spielmodi tragen auch zur Klasse von EA’s Titel bei. Meine Wertung setzt sich nun insgesamt zusammen aus mittelmäßigen 6.5 Punkten für das Spiel aus Sicht eines blutigen Anfängers, weil ihnen die Software keinen Schlüssel für die Tür zum Football gibt und aus 8.5 Punkten vom Standpunkt der alteingesessenen Football-Profis, weil sie mit Madden NFL ’07 eine professionelle, gut präsentierte Simulation bekommen, die durch die neue Steuerung noch verfeinert wird.
Von T.Herrmann
|
|
|
Wertung für das Spiel Madden NFL ’07 |
|
|
|
 |
 |
|
 |
|
 |
|
|
8 |
Grafik
Schöne Arenen und Hintergründe, nette Animationen und auch ansonsten sehr schick. Einzige Kritikpunkte sind die etwas abgehackten Bewegungen und die kantigen Personen. |
|
|
 |
|
|
8.7 |
Sound
Rockmusik oder Hip-Hop-Klänge verwöhnen das Ohr während der Trainings und realitätsnahe Soundeffekte samt guter Kommentatoren begleiten das eigentliche Spielgeschehen. |
|
|
 |
|
|
8.5 |
Steuerung
Die Steuerung mit Wii-Remote und Nunchuk funktioniert einwandfrei, alles fühlt sich ziemlich natürlich an und nichts wirkt irgendwie überzogen oder unnötig. |
|
|
 |
|
|
7.7 |
Gameplay
Für Neulinge leider fast nicht zugänglich, dafür gutes Tutorial für die Steuerung und eine große Palette an zusätzlichen Spielmodi neben dem eigentlichen Football-Spiel. |
|
|
 |
|
|
7.5 |
Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) |
|
|

Diskutiert über dieses Spiel in unserem Forum!
|