WiiWare-Review von Tim Herrmann (mail) | 30.05.2011
Auf Wii sind viele Genres abgedeckt, aber das Rennspielgenre hat bisher kaum ein Spiel annehmbar ausgefüllt: Mario Kart Wii sitzt hier unangefochten auf dem Thron, obwohl es als Funracer nicht einmal ein ernstzunehmendes Rennspiel sein will. Viele Publisher versuchten sich an realistischeren und futuristischen Racern, scheiterten aber kläglich an Technik und Spielbarkeit. Ausgerechnet auf WiiWare will der Münchener Entwickler Shin’en nun mit FAST Racing League mit gutem Beispiel vorangehen. Rasen die Entwickler von Iridion, Nanostray und Jett Rocket geradewegs aufs Treppchen oder landen sie mit dem waghalsigen Manöver schmetternd in der Leitplanke?
Es wird einmal, im Jahre 2112
FAST Racing League ist ein futuristischer Sci-Fi-Racer und macht auch gar keinen Hehl daraus, dass es sich klar an Genrevorbildern wie Wipe-Out und F-Zero orientiert. Mit Anti-Gravitationsracern jagt ihr im Jahre 2112 über verschlungene Pisten voller Sprungschanzen, Loopings, Turbo-Boosts und Steilkurven und versucht, Gegner auf die Plätze zu verweisen. Eine Hintergrundgeschichte wie etwa bei F-Zero GX gibt es zwar nicht, allerdings sollte man bei einem Preis von nur 1.000 Wii-Punkten, also 10€, auch nicht allzu überzogene Erwartungen stellen.

Das Spiel bietet einen Single- und einen Multiplayer-Modus, wobei letzterer es bis zu vier Freunden erlaubt, offline über Splitscreen gegeneinander anzutreten. Der Einzelspieler bekommt einen Grand-Prix-Modus kredenzt, in dem er in drei Cups mit jeweils vier Strecken die Meisterschaft erringen soll, und darf sich außerdem an 24 kniffligen Herausforderungen messen. Dazu gesellt sich dann noch der obligatorische Zeitfahrmodus, wo es direkt an die Highscores geht.
Kompromiss- und gnadenlos
Lassen wir den Ballon gleich platzen und die Katze aus dem Sack: Shin’ens FAST Racing League spielt sich fantastisch und ist das Beste, was eine Nintendo-Heimkonsole in diesem Genre seit F-Zero GX gesehen hat: Das High-Speed-Gameplay wird kompromisslos von jedem Spielbestandteil unterstützt.
Die Steuerung stellt sich in drei Varianten auf. Mit dem Classic-Controller ist alles ganz traditionell, mit Wiimote und Nunchuk fühlt sich das nur leicht anders an und für Wagemutige hat sich Shin’en sogar an Bewegungssteuerung übers Wii Wheel herangewagt. Die funktioniert in der Anfängerliga, dem Neutron, noch sehr gut, weil sie gerade sensibel genug ist, ohne fies zu werden. Doch spätestens wenn es in der Protonen- oder Ionenliga gnadenlos schnell wird, sollten Hardcore-Spieler doch eher zur klassischen Variante greifen, die flüssige und filigrane Steuerung über den Stick ermöglicht. Sonst wird er häufiger an Wänden zerschmettern, als ihm lieb ist.

Punkt 2: Der Schwierigkeitsgrad. FAST Racing League ist gnadenlos und lässt den Spieler nur dann gewinnen, wenn er es wirklich fehlerfrei durch einen Lauf schafft. Selbst der kleinste Schlenker kann fatale Folgen haben und den Racer im Graben enden lassen. Der spektakulär inszenierte Crash kostet den Spieler ca. zwei Sekunden. Zwei Sekunden, die ihn schon einmal vom ersten auf den letzten Platz werfen können. Es gibt zwar Geschwindigkeitsunterschiede unter den Flitzern, doch wer die Kurven am besten nimmt und die Extras am besten einzusetzen weiß, kann sich am Ende immer näher heranpirschen oder sich absetzen – doch nie so weit, dass ein Sieg schon sicher ist. Leider bedeutet das manchmal auch, dass man ein Rennen schon als Flop abhaken kann, wenn nur ein kleiner Fehler passiert ist.
Drittens ist auch noch der Sound zu erwähnen, der das atemlose Spektakel mit den Shin’en-typischen Elektromelodien wieder rasant und unnachgiebig untermalt. Das Beste, was FAST Racing League aber zu bieten hat, ist die Grafik. Shin’en hat hier keine Optik auf den Bildschirm gebracht, die "für WiiWare-Verhältnisse gut" oder für Nintendos Konsole im Allgemeinen ganz annehmbar ist. Nein, FAST Racing League gehört schlicht zum Schönsten, was es in fünf Jahren Wii zu sehen gab. Es würde den Rahmen dieses Reviews sprengen, all die fantastischen Licht- und Wassereffekte, die Texturen der Rennstrecke und das Glänzen auf Fahrzeugen und Objekten und vor allem die Engine dahinter genauer zu beleuchten. Gesagt sei nur, dass dieses visuell beeindruckende Stück Software auch noch permanent flüssig mit 60 Bildern pro Sekunde in scharfem 480p läuft. Dass das Ganze auch noch ins 40MB-Limit passt, an dem schon so viele Entwickler gescheitert sind: schier unglaublich.
Phasenwechsel
Dass Shin’en ganz gut bei der Technik ist, hat man in seiner Firmengeschichte schon des Öfteren bewiesen, zuletzt ebenfalls auf WiiWare mit Jett Rocket. Doch eben dieses Jett Rocket war ein buchstäblich schöner Beweis dafür, dass Technik allein ein Spiel nicht in höchste Sphären tragen kann: Das Gameplay war nett, aber nicht derart überragend wie die grafische Verpackung.
Shin’en ist hier jetzt eine merkliche Verbesserung gelungen: Die Münchener hätten sich damit begnügen können, ein schnelles, schönes und flüssiges Sci-Fi-Rennspiel für alle zu entwickeln, die vergeblich auf F-Zero gewartet haben. Doch dieses Mal hat man auch das Gameplay nach vorne getrieben, wenn sich auch einige Ideen wie Loopings, Tunnel oder waghalsige Sprungschanzen beim Level-Design oft wiederholen und die ganze Grundidee auch nicht die neueste ist.

Überall auf der Strecke findet ihr kleine Energiepunkte, die aber bei 300 Kilometern pro Stunde wesentlich kniffliger einzusammeln sind als die unübersehbaren Items in Mario-Kart. Die Energiepunkte in der Racing League werden dazu benutzt, um die "Phase" zu wechseln. Es gibt eine weiße und eine schwarze Phase, die immer auf die jeweilige Gegebenheit des Kurses abgestimmt werden muss. Einen schwarzen Beschleunigungsstreifen kann man nur benutzen, wenn der Racer in der schwarzen Phase ist, sonst hat er bremsende Wirkung. Das gleiche gilt für manchmal zwingend notwendige Sprungfelder. Ein Phasenwechsel kostet einen Energiepunkt. Wer fünf Energiepunkte ergattert hat (was natürlich am einfachsten ist, wenn man in Ruhe vorneweg fährt), kann auch einen Boost hinlegen, der ungefähr eine wertvolle Sekunde bringt, wenn er an den richtigen Stellen eingesetzt wird.
Es ist also sehr gut gelungen, fahrerisches Können und die Extras miteinander zu verbinden und in Balance zu bringen. Wer nur die Pünktchen einsammelt und ansonsten rast wie eine Wildsau, wird genauso wenig Erfolg haben wie derjenige, der jede Kurve minutiös nimmt, dabei aber die Boosts und Energiepunkte vergisst, die man manchmal auch in bestimmten Formationen vorfindet, sodass gleich drei auf einmal eingesammelt werden können. Shin'en erfindet das Genre mit diesen Innovatiönchen zwar nicht neu und bietet keine spielerischen Revolutionen, eine runde Sache ist das Gesamtpaket in Hinsicht auf das Gameplay trotzdem.
Fazit: FAST Racing League ist Shin'ens bisher bestes Spiel f�r WiiWare. Es ist unglaublich, was der Entwickler grafisch mit der oft so unterforderten Hardware anzustellen vermag. Doch diesmal ist es auch toll gelungen, �berlegene Technik mit einem spielerischen Gesamtpaket zu kombinieren, das sich zwar stark an bestehenden Ideen und Serien orientiert, dabei aber in jeder Facette glatt geschliffen ist. Spielbarkeit, Steuerung, Schwierigkeitsgrad, Fahrverhalten und Gameplay-Konzepte sind so gut aufeinander abgestimmt, dass jeder Fan von schnellen Racern � la F-Zero oder WipeOut auf der Stelle zugreifen sollte.
Von Tim Herrmann
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