WiiWare-Review von Tim Herrmann (mail) | 21.09.2010
Der Zweite Weltkrieg ist für die Videospielbranche geradezu eine Goldgrube. Der verheerendste Konflikt der Menschheitsgeschichte übt auf viele Entwickler eine düstere Faszination aus und obwohl 55 Millionen Menschen im Krieg ihr Leben verloren, geht besonders die amerikanische Branche mittlerweile sehr lax mit der Geschichte um. Während die beiden großen Weltkriegs-Franchises, Call of Duty und Medal of Honor, mittlerweile auf andere Kriege und Fiktion ausgewichen sind, ist die Thematik bei einigen kleineren Projekten immer noch nicht totzukriegen. 65 Jahre nach Kriegsende hat der Weltbrand jetzt auch WiiWare erreicht: Entwickler Legendo (The Three Musketeers) präsentiert auf dem Download-Service die Pearl-Harbor-Trilogy. Im ersten Teil, Red Sun Rising, geht man auf die Geschehnisse des Jahres 1941 und den Angriff der japanischen Fliegerarmeen auf den Pazifikstützpunkt Pearl Harbor ein. Schwermütige Geschichte auf der Plattform für kurzweilige Innovativkonzepte – kann das gut gehen?
Auf den ersten Blick: unspielbar
Bei der Pearl-Harbor-Trilogy, mit deren Thematik Legendo bereits auf dem PC gearbeitet hat, handelt es sich um ein Luftkampf-Actionspiel, bei dem die Geschichte schnell mit kurzen Comic-Strips oder Textsequenzen abgefrühstückt wird, bevor es sofort in die Luft geht, um das amerikanische Vaterland vor den japanischen Armeen zu beschützen (deren Führung sich in einem Pakt mit Hitlerdeutschland und dem faschistischen Italien befand) – allerdings kann man auch aus der Perspektive der Japaner spielen.
In den ersten Sekunden ist der Spieler erst einmal heillos überfordert und kurz davor, die Konsole frustriert wieder auszuschalten. Verwendet man die standardmäßige Bewegungssteuerung (also nicht den optionalen Classic Controller), die entweder mit oder ohne Nunchuk funktioniert, erscheint das Spiel erst einmal schlichtweg unspielbar. Gelenkt wird bei Variante 1 über Neigungen des Nunchuks, während der A-Knopf zum Feuern dient. Das Steuerkreuz der Wiimote ist für merkwürdige Kamerschwenks um 90° bzw. 180° zuständig, während der Control-Stick nur zur Geschwindigkeitsregulierung benutzt wird.
Man wirbelt zunächst hilflos in der Luft herum und versucht, das Fadenkreuz irgendwie über einem der rot markierten Luftgegner zu platzieren, während man von hinten mit Feuersalven beschossen wird, doch es geht einfach nicht. Die Steuerung ist viel zu unsensibel, man trifft nichts und eiert nur ziel- und orientierungslos durch die Luft. Besser geht es da noch mit der Wiimote einzeln, denn da muss man nicht auch noch die zwei Hände unterschiedlich benutzen und unabhängig voneinander neigen, koordinieren und drehen. Durch Neigungen der quer gehaltenen Wiimote wird hier zwar immer noch schwammig und nicht unbedingt präzise gelenkt, allerdings hat man schon etwas mehr Kontrolle. Mit dem 2-Knopf feuert man, das Steuerkreuz regelt die Geschwindigkeit.
Mit der Zeit gewöhnt man sich an die sehr filigrane Bewegungssteuerung und kommt besser damit zurecht. Die weiteren Missionen machen sogar teilweise den Eindruck, als seien sie leichter als der Auftakt, dabei liegt dieser Eindruck einzig und allein daran, dass Teil 1 der Pearl-Harbor-Trilogy knüppelhart und ohne Vorwärmen beginnt und damit einen sehr ruckeligen und rasant-schwierigen Einstieg vorsetzt, der nicht unbedingt jeden zum Weiterspielen motivieren wird.
Auf den zweiten Blick: Solide
Die einzelnen Kapitel geben dem Spieler immer ein bestimmtes historisches Flugzeug in die Hand, mit dem er entweder gegnerische Schiffe oder Flugzeuge versenken bzw. vom Himmel schießen oder eigene Objekte vor Angriffen beschützen soll. Die Aufgaben wiederholen sich mit der Zeit zunehmend und werden noch dazu immer schwieriger, sodass man kaum eine Mission beim ersten Versuch bewältigen kann. Da kämpfen drei amerikanische Flugzeuge gegen gut und gerne zwanzig gegnerische Düser (während immer neue nachkommen), man soll gleichzeitig verhindern, dass sie Torpedos auf das eigene Schiff schießen und sie dann auch noch vom Himmel ballern. Während man ein Flugzeug ins Visier genommen hat, befinden sich dann aber stets schon wieder fünf Gegner hinter einem, um der Schlacht ein Ende zu bereiten. Pearl Harbor Trilogy fängt wegen der gewöhnungsbedürftigen Schwamm-Steuerung knallhart an und macht dann mit dem regulär hohen Schwierigkeitsgrad auch knallhart weiter.
Hat man sich nach ca. einer halben bis einer Spielstunde an eines der Kontrollschemata gewöhnt, kann der Titel seine wahren Qualitäten aber langsam entfalten. Er wird zu einem recht actionreichen kurzweiligen Luftkampfspektakel, das den Spieler ab und zu mit schnellen Erfolgen motiviert und ihn mit einer recht langen Kampagne bei der Stange hält. Das Wort „kurzweilig“ steht dabei im Vordergrund, denn der Titel weigert sich, eine echte Luftkampfsimulation zu sein. Allein schon durch die nie endende Munition und die schnelle und eher unrealistische Steuerung in Zusammenwirken mit fehlender Physik-Engine entsteht nie der Eindruck, hier eine authentische Simulation zu spielen. Aber das will der der Titel auch gar nicht sein, viel mehr versprüht er an allen Ecken und Enden trotz der (im Spielbetrieb) realistischen Grafik starkes Arcade-Feeling. Außerhalb des Gameplays wartet das Flugspiel mit Comic-Optik auf.
Optisch kann Pearl Harbor Trilogy: 1941 – Red Sun Rising (um einmal den kompletten Namen auszuschreiben) insgesamt überzeugen. Zwar ist der Titel nicht so schön, dass er es mit guten Disc-Spielen auf Wii aufnehmen könnte (wie einige Reviews es dem Spiel attestieren), insgesamt wartet er aber mit ganz ordentlichen Grafiken und Effekten auf. Explosionen treten zwar relativ statisch auf und auch auf schlechte, matschige Texturen und auf Copy- und Paste-Modelle muss man sich einstellen, insgesamt bewegt sich der Titel für WiiWare aber immer noch auf gehobenem Niveau.
Fazit: Die Pearl Harbor Trilogy bietet in der ersten Episode kurzweiligen und handwerklich gut entwickelten Luftkampfspaß für WiiWare und füllt damit eine noch nicht besetzte Lücke auf der Download-Plattform. Der Titel fängt zwar wegen der sehr ungewohnten Steuerung viel zu schwer an, mäßigt sich dann aber einigermaßen, wenn man der teilweise schwammigen Bewegungskontrolle Herr geworden ist. Nichtsdestotrotz ist der Schwierigkeitsgrad insgesamt und besonders in späteren Spielteilen zu fordernd angesetzt, sodass auch Frust und viele lästige Neuversuche zum Spielbetrieb gehören. Zwischen den Frustphasen sorgt Pearl Harbor Trilogy: Red Sun Rising aber für schnellen und leichtmütigen Spaß, auch wenn die Geschichte sehr dünn bleibt und die Missionen aneinandergereiht wirken. Der Preis ist für diesen Titel sehr fair und wer an kurzweiligen Luftkampfsimulationen interessiert ist, macht nichts falsch, wenn er nicht von der ersten Spielsekunde an einen optimalen Einstieg und ein schnelles, einfaches Durchspielen erwartet.
Von Tim Herrmann
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