Retro-Review von Burkhart von Klitzing (mail) | 30.08.2007
Die Welt ist nicht immer fair. So manche Lizenzkrücke verkauft sich blendend, ebenso wie der x-te Aufguss ein- und desselben Spiels. Gewagte, gelungene Experimente, die durchweg positive Kritiken einfahren, können stattdessen untergehen, sei es kommerziell oder dahingehend, dass niemals wieder jemand etwas ähnliches versuchte. Gerade die Verquickung von Strategie und Action erlebt dieses Schicksal regelmäßig, wie sich etwa an Battlezone, Rise & Fall oder Actraiser zeigt. Doch Square-Enix gibt uns nun wenigstens die Gelegenheit ihr SNES-Experiment noch einmal zu spielen und vielleicht diesmal ausreichend zu würdigen, was insofern schon belohnt werden sollte, als dass S-E eigentlich keine VC-Software zur Verfügung stellen wollte und es wohl bis auf weiteres auch nicht wieder tun wird. Also: Die Welt ist nicht immer fair, doch wenn wir Gott spielen, können wir ihr Gerechtigkeit bringen.
Actraiser mixt auf nie gesehene Weise zwei gänzlich unterschiedliche Konzepte: Jump ’n Slash und Action-Aufbausimulation, was eigentlich schon fast einen Mix aus vier Genres macht. Als Gott ist es eure Aufgabe, die Welt Region für Region von bösen Kräften zu befreien. Dabei schenkt ihr einem Gebiet zunächst Leben, indem ihr in einem Jump ’n Slash-Abschnitt den Weg zu einem Boss freikämpft und ihn schließlich niederstreckt. Daraufhin flattert ihr in Form eines abgesandten Engels aus der Vogelperspektive durch das Land, bekämpft unendlich spawnende Gegner per Bogen und erteilt den Bewohnern Befehle, in welche Richtung sie ihre Siedlungen ausbauen sollen, bis sie schließlich nach und nach die Monsterhöhlen versiegeln. Unterstützung finden sie nicht nur in eurem Schutz, sondern auch in dem Magieportfolio das beispielsweise Blitze enthält, die Bäume verbrennen und so den Weg freimachen können oder versteckte Items freilegen, die das Leben als Engel oder in den Jump ’n Slash-Abschnitten erleichtern. Mana regeneriert sich durch den Abschuss von Gegnern. Außerdem bewirkt der Anstieg der Bevölkerung gelegentlich Level-Ups, was den Engel ausdauernder macht und ihm mehr Magie zur Verfügung stellt.
So entsteht eine Spirale aus Action, Hektik, planung, gieriger Suche nach Items und permanenter Motivation durch Levelaufstiege oder die Versiegelung von Gegner-Spawnpunkten, garniert durch einen immensen Wuselcharme der Menschen unter einem.
Wenn auch die letzte Höhle erfolgreich geschlossen wurde, steht wieder ein Jump ’n Slash-Level an, in dem endlich das Land befreit werden kann, so dass das nächste Einsatzgebiet bereist werden kann. Eifrige Spieler erhalten für diese Abschnitte in den Aufbau-Gebieten Zaubersprüche, die das Leben weiter vereinfachen und auf jeden Fall interessanter gestalten. Ebenfalls eine positive Erwähnung wert sind die unterschiedlichen Routen, die in einigen der Jump ’n Slash-Level eingeschlagen werden können. So macht auch erneutes Durchspielen Spaß.
Fazit: Actraiser ist ein Unikat der Videospielewelt, dessen spielerisches Experiment voll aufgeht. Motivation, Optik, Sound, Abwechslung; einfach alles stimmt hier. Zwar hat Enix mit Actraiser II einen Nachfolger veröffentlicht, der sowohl die Musik, als auch die Optik tatsächlich noch weiter verbessert hat und somit technisch an der Spitze des SNES mitspielt, doch bot selbst dieser Titel nicht mehr das originelle Konzept des Erstlings, denn die Vogelperspektiven-Level fehlen hier komplett. Wer offen für Genre-Mixturen ist und keine Angst vor einem hohen Schwierigkeitsgrad hat, sollte die 800 Punkte auf jeden Fall investieren.
Von Burkhart von Klitzing
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