Unser Netzwerk: NintendoWiiX.net   | NintendoWiiX Forum   | Planet3DS.de
Früher war alles besser?
Special von Andreas Held (mail) | 22.02.2007
Bevor ich mit diesem Artikel anfange, sollten wir zunächst die Zeit etwas zurückdrehen. Vor zwei Jahren war über Nintendos neue Heimkonsole noch nicht viel bekannt, außer, dass Nintendo eine Revolution anzetteln und die Art und Weise, wie Videospiele gespielt werden, für immer verändern wollte. Man gab sich dabei sehr selbstbewusst und wies stolz darauf hin, wie sich vorangegangene Innovationen - wie das Steuerkreuz oder der Analogstick - dauerhaft etabliert haben. Was genau im neuen Controller steckte, blieb damals noch geheim, da Nintendo sich vor Ideenklau schützen wollte, was jedoch im Endeffekt nichts brachte - ein halbes Jahr nach der Enthüllung der Wii-Remote präsentierte Sony stolz ihren eigenen Bewegungssensor, um zumindest die Playstation-Fanboys wieder auf der eigenen Seite zu haben: "Haha, unsere Konsole kann das auch!" Doch Nintendo wollte ja ohnehin neue Zielgruppen erschließen und Leute, die mit Begriffen wie BluRay oder HDMI ohnehin nichts anfangen können, sollten bei der Wahl zwischen einem Wii mit Spiel für 249€ oder einer PS3 ohne Spiel für 599€ leicht eine Entscheidung treffen können. Der Erfolg gibt Nintendo Recht und wenn man inoffiziellen Quellen glauben darf, haben sich weltweit einen Monat nach der Markteinführung knapp zwei Millionen Wii-Konsolen verkauft. Der Bekanntheitsgrad von Wii ist dabei wirklich enorm und ich wurde selbst von dem Telefontechniker, der vor ein paar Wochen meinen Anschluss freischalten musste, auf die kleine, weiße Kiste angesprochen, die den Ehrenplatz neben meinem Fernseher bekommen hat.
Nichtsdestotrotz bleibt die Frage: Hat es Nintendo wirklich geschafft, eine Revolution durchzuführen, oder ist der neue Controller am Ende doch nicht so gut, als dass sich alle Gamer darauf umstellen werden? Viele Leute halten gerne an Bewährtem fest und mit der Xbox 360 und später auch der PS3 gibt es für Leute, die mit der neuartigen Technik nicht zurechtkommen, genug klassische Alternativen. Grund genug also, die Fernbedienung einmal kritisch mit klassischen Controllern zu vergleichen.

Ergonomie
Die erste Frage, die man sich bei einem neuen Controller stellt, ist sicherlich: Wie gut liegt er in der Hand? Bei Nintendos neuem Modell war ich hier ehrlich gesagt sehr skeptisch. Gamepads haben sich in diesem Bereich sehr stark entwickelt, aber Nintendos Wii-Remote erinnerte mit seiner Quaderförmigen gestalt eher an ein NES-Pad. Allen Vorurteilen zum Trotz liegt das weiße Klötzchen allerdings sehr gut in der Hand und selbst die beiden Knöpfe am unteren Ende lassen sich ohne größere Verrenkungen erreichen. Zusammen mit dem Nunchuk, der Kombination, die wohl auch auf lange Sicht am häufigsten benutzt werden wird, avanciert die Wii-Remote zu einem vollwertigen Joypad, welches im Vergleich zu fast allen Vorgängermodellen einen entscheidenden Vorteil hat: Man hält in beiden Händen jeweils ein Teil der Kontrolleinheit, die sich unabhängig voneinander bewegen lassen (wer so lange Arme hat, dass das Verbindungskabel ein Problem darstellt, soll mir bitte ein Foto schicken). Als ich nach mehreren Wii-Sessions mal wieder ein Xbox 360-Pad in der Hand hatte, verspürte ich das Bedürfnis, diesen in der Mitte durchzureißen, um meine Hände wieder unabhängig voneinander bewegen zu können - ein Manko, das mir vorher nicht einmal aufgefallen ist.

Funktionalität
Natürlich bringt die beste Technik nichts, wenn sie nicht richtig funktioniert. Bei alten Joypads war dies kein Problem: Solange die Entwickler keinen größeren Mist bauten, löste ein Druck auf den A-Knopf immer genau das aus, was er tun sollte. Bei der Wii-Remote waren viele potentielle Fehlerquellen vorhanden: Was ist, wenn der Pointer zappelt wie der Mauszeiger bei einer Funkmaus oder Bewegungen ab einer gewissen Geschwindigkeit nicht mehr wahrgenommen werden? Wirklich grobe Klöpse hat Nintendo hier nicht eingebaut, hundertprozentig zufrieden kann man aber auch nicht sein. Zum einen wäre hier eine deutlich wahrnehmbare Verzögerung bei der Umsetzung von Bewegungen zu melden, die sich zwar nicht vernichtend auswirkt, aber durchaus bemerkbar macht: In den Shootersequenzen eines Rayman Raving Rabbits musste ich zum Beispiel immer noch einen Sekundenbruchteil warten, bis das Fadenkreuz mit meinen Bewegungen mitgezogen ist, bevor ich abdrücken konnte. Bei den meisten Spielen wird sich diese Verzögerung nicht mal bemerkbar machen, aber gerade mit der Wii-Remote zu steuernde Musikspiele könnten darunter leiden. Abgesehen davon habe ich manchmal nicht den Eindruck, dass die Konsole meine Bewegungen richtig annimmt. Beim Effet-Training von Wii Bowling kann ich mir zeitweise das Handgelenk verrenken wie ich will und die Kugel rollt trotzdem geradeaus; beim normalen Bowling dagegen hat jeder, der mit meiner Wii-Remote gespielt hat, der Kugel regelmäßig einen unfreiwilligen Linksdrall gegeben und dann nur die äußeren Pins getroffen. Wenn ich darüber nachdenke, könnte das aber auch an meiner Wii-Remote selbst liegen, die mich den Satz "Ich brauche das Armband nicht" schon nach der ersten Minute Wii Baseball bitter bereuen lies. Nintendo ist zwar dafür bekannt, die hauseigenen Geräte sehr stabil zu bauen, aber der Delle in der Hauswand nach zu urteilen, war schon einige Kraft dahinter; dass die fliegende Fernbedienung dabei beinahe noch den Freund einer weiblichen Bekannten erschlagen hätte, der sich im letzten Moment ducken konnte, war wirklich keine Absicht. Ob sich die genannten Probleme mit der Zeit erübrigen oder es mit der Wii-Hardware nicht besser geht, wird sich wohl erst auf lange Sicht zeigen. Momentan haben klassische Controller, was die Zuverlässigkeit angeht, die Nase vorn - die Wii-Remote funktioniert "nur" zu 98% der Zeit korrekt.

Bedienung
Nintendos Hauptargument war es, dass viele Leute nicht spielen wollen, da ein Joypad einfach zu viele Knöpfe hat, in deren Bedienung sich viele Leute nicht einarbeiten wollen. Was für viele von uns in Fleisch und Blut übergegangen ist, war für Neueinsteiger wirklich ein Problem. Meine Tante musste selbst zu NES-Zeiten schon regelmäßig auf das Joypad schauen um A und B auseinanderzuhalten... hier kann man Wii wirklich keinen Vorwurf machen. Zwar hat auch die Wii-Remote noch sieben Knöpfe (mit Nunchuck sind es neun), allerdings brauchen nur die wenigsten Spiele auch nur die Hälfte davon. Zelda oder Red Steel sind wohl ohnehin nicht auf die neue Zielgruppe ausgelegt, die Nintendo erreichen will - aber selbst diese steuern sich besser, da das Pad wie bereits erwähnt besser in der Hand liegt. Wii Sports hingegen spielt sich sehr natürlich und auch Wario Ware wird hier sicher keine Abstriche machen. Man darf gespannt sein, was Nintendo sonst noch in der Hinterhand hat. In jedem Fall war das Experiment, "echte" Bewegungen in ein Spiel umzusetzen, ein voller Erfolg.

Ausblick
Natürlich bin ich kein Prophet und kann deshalb sehr schlecht vorhersagen, mit welchen Eingabegeräten wir in fünf Jahren spielen, aber eins ist sicher: Nintendo hat einen Controller geschaffen, der die seit über einem Jahrzehnt verbreiteten Gamepads ablösen könnte. Ob Nintendo wirklich neue Zielguppen anspricht oder es mehr die Neugier alteingesessener Gamer ist, die sie zum Kauf des neuen Systems animieren wird, ist ebenfalls noch nicht sicher, aber wahrscheinlich wird eine Mischung aus beidem Nintendo letztendlich zum Erfolg verhelfen. Und da erfolgreiche Konzepte für gewöhnlich kopiert werden, könnten auch die PS4 und die Xbox 720 mit Fernbedienungen ausgestattet sein. Zu hoffen bleibt auch, dass die Kinderkrankheiten der Wii-Remote, allen voran die sehr leicht verzögerte Übertragung der Daten, mit der nächsten Konsolengeneration Geschichte sind. Bis dahin werden aber sicher noch einige Jahre vergehen, in denen wir mit Wii sehr viel Spaß haben werden.
Von Andreas Held



© Copyright GameCube X / Nintendo Wii X 2001 - 2023 | All rights reserved