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Wii alles begann: Episode VI
Special von Tim Herrmann (mail) | 07.12.2011

Jubiläum! Die Wii-Konsole feiert heute ihr fünfjähriges Bestehen in Europa, am 8. Dezember 2006 kam sie hierzulande auf den Markt. Für uns ist der Konsolengeburtstag jedes Jahr aufs Neue Anlass, um einen Blick zurück zu werfen auf das spielerische Jahr, das hinter der Branche liegt – heute schon zum sechsten Mal. Und was war das für ein Jahr! An genau dieser Stelle haben wir vor 365 Tagen noch wage gemutmaßt, dass es mit der aktuellen Nintendo-Konsole wohl langsam zu Ende geht, dass es um den Software-Nachschub schlecht stehen wird und dass Nintendos Zukunft von vielen Fragezeichen dominiert wird. Heute ist all das Realität: Als hätte sich Nintendo die Voraussagen als To-Do-Liste vorgenommen, sorgte man mit vielen guten, aber auch einigen schlechten Nachrichten für so manchen Gesprächsstoff, räumte einige Fragezeichen ab und setzte viele neue.

Kommt zurück, ihr Fans
2011 war bis ca. November kein sonderlich glückliches Jahr für Nintendo. Finanzielle Verluste, unerwartete Misserfolge und bittere Lektionen weckten den erfolgsverwöhnten Marktführer unsanft auf. 2011 stellt einen Wendepunkt in der langfristigen Strategie für die nächsten Jahre dar – und das werden Fans noch lange zu spüren bekommen.

Nintendo hat gerade viele kleine Probleme, die sich aber doch zu einem großen Thema zusammenfügen: Viele der alten Fans sind im Rausch von Wii und DS auf dem Weg verloren gegangen. Schon seit Jahren posaunen diese Fans das durch alle Internetforen - Nintendo hat es spätestens 2011 auch erkannt und höchst alarmiert Gegenmaßnahmen gestartet. Die Situation wurde kritisch: Wenn selbst ein Spiel wie Wii Play Motion floppt, dessen fast gleichnamiger Vorgänger ca. 30 Millionen Mal über die Theke sauste, schallen alle Alarmglocken. Spätestens dann ist nämlich klar, dass nicht nur die Vielspieler weniger loyal sind als früher. Auch die Wii-Play-Klientel ist jetzt woanders oder hat das Interesse an Wii zumindest verloren. Sie tummelt sich jetzt zum Beispiel auf Smartphones, wo sie ähnliche, wenn nicht gar gleiche Konzepte für wenige Cents oder umsonst bekommt. Die Gelegenheitsspieler interessiert nicht, ob ein Shigeru Miyamoto in den Credits steht. Hauptsache, sie werden ein paar Minuten während der Bahnfahrt unterhalten.

Eine schöne Minispielsammlung, aber weder Verkaufsschlager noch Top-Titel und zu wenig, um ein konsequentes Lineup über neun Monate zu ersetzen: Wii Play Motion (Release: Juni)

Die Wii-Konsole verwaist langsam, denn auch die Vielspieler sind nicht mehr so kompromisslos treu, wie sie es vielleicht einst waren. Die vielen kürzeren oder längeren Durstphasen im Software-Lineup der letzten Jahre haben viele von ihnen verprellt – jetzt fehlen sie bei den Launches großer Titel – oder auch großer Hardware. Wenn neue Technik-Produkte wie der Nintendo 3DS auf den Markt kommen, braucht es die sogenannten Early Adopters, die einer breiteren Öffentlichkeit von der Existenz des Geräts berichten und ihm so einen festen Fuß im Markt verschaffen.

Auf seine traditionellen Fans als Early Adopters konnte sich Nintendo eigentlich immer verlassen – fast blind kauften sie jede Neuheit des Unternehmens. Nicht so plötzlich beim Nintendo 3DS. Der Launch des Systems im März dieses Jahres blieb hinter den hoch gesteckten Erwartungen zurück. Selbst hartgesottene Fans zögerten angesichts des dünnen Lineups in den ersten Monaten und vielleicht auch angesichts des ihrer Ansicht nach nicht ganz überzeugenden Konsolenkonzeptes, das außer einem optischen Effekt nichts wirklich Neues bieten konnte. Nintendo reagierte prompt: Eine drastische Preissenkung, die es so in der Firmengeschichte noch nicht gegeben hat, sollte dem Handheld helfen - und tat das auch. Gleichzeitig startete ein umfangreiches Programm mit geschenkten Download-Spielen, um die restlichen wirklich treuen Fans nicht zu enttäuschen, die sich den Handheld in alter Manier doch gleich gekauft hatten.

Die Botschaft war klar: „Bitte, bleibt bei uns oder kommt zurück, ihr Fans. Alles wird gut. Die großen Spiele, auf die ihr wartet, werden kommen“. Das wird die Devise in den nächsten Jahren sein, die "großen Spiele" werden kommen. Nintendo hat erkannt, dass die Party mit den Casual-Spielern nicht ewig und von allein weiterläuft und dass die treue und stabile Fan-Basis – Zielgruppenerweiterung hin oder her – enorm wichtig ist, wenn neue Hardware auf den Markt kommt, die langfristig erfolgreich sein soll.

Bekannte Marken ohne Ende: Nintendo klotzt auf dem 3DS ab jetzt anstatt zu kleckern. Hier: Luigi's Mansion 2.

Da ist sie schon, die Neue
Neue Hardware ist ein gutes Stichwort. Im März ereignete sich eine Gerüchtewelle, die man so noch nicht kannte. Völlig ohne Zusammenhang wuselten am 15. März 2011 Meldungen durchs Netz, in denen eine neue Nintendo-Konsole sehr konkret und in tiefen Details von anonymen Quellen beschrieben wurde. Und das nicht nur von einer, sondern von unterschiedlichsten Seiten aus Europa, den USA und Japan. Über Project Café rätselte man, über Nintendo Stream oder einfach Wii 2. Es ist weiterhin nicht unmöglich, dass Nintendo die Gerüchte insgeheim selbst lanciert hat, um Aufmerksamkeit auf seine wichtige E3-Konferenz 2011 zu lenken. Anfang April kündigte man seinen Investoren immerhin offiziell an, dass man die Konsole auf der US-Messe ankündigen will.

Die letztendliche Enthüllung bestätigte so ziemlich alles, was man schon zwei Monate zuvor gehört hatte. Das Besondere ist wieder der Controller: Mit einem großen Fast-HD-Touchscreen wird man sein Spiel auf zwei voneinander unabhängigen Bildschirmen steuern. Mikrofon, Gyrosensoren, Lautsprecher, Front- und Innenkameras sowie das volle Knopfportfolio machen den Controller zu einem echten Alleskönner. Der Clou: Man kann das Bild der Konsole jederzeit auf den Controller streamen und so theoretisch ohne eingeschalteten Fernseher spielen.

Nintendos Präsident Satoru Iwata zeigt stolz die neue Konsole Wii U samt Controller. Spiele zeigte er aber noch nicht.

Die größte Überraschung der lang erwarteten Enthüllung war aber der Name: Die nächste Konsole wird wieder den Namen „Wii“ tragen – Wii U soll das System heißen: eine Wii-Konsole for you (U), for me, for everybody. Eine Konsole, auf der sowohl Massenphänomene wie Wii Fit ihre Heimat haben als auch technik- und grafikintensive Blockbuster-Titel für Vielspieler, wie man sie heute auf den HD-Konsolen sieht. Soweit das Marketingkonzept. Details und erste Belege dieses Konzeptes blieb Nintendo auf seiner Konferenz aber erst einmal schuldig.

Handfeste Spiele gab es nicht zu sehen, stattdessen einige Tech-Demos, die Experiences hießen. Ein Video von einem HD-Zelda, das so wohl nie zu einem Spiel wird, war noch das größte Highlight. Allerhand Multiplayer- und Feature-Demos verschwanden aber schnell wieder aus der Erinnerung. Nur Ubisoft zeigte echte Titel, die für Wii U entstehen, viele andere Dritthersteller kündigten immerhin an, in Zukunft auch bestimmte Titel für Wii U entwickeln zu wollen. Und wie stark die Konsole im Vergleich zu PlayStation 3 und XBOX360 nun wirklich wird, ist noch bis heute unklar: Die einen sehen sie ungefähr auf aktuellem Niveau, andere sehen durch viel mehr RAM einen deutlichen Sprung nach vorne. Das nächste Jahr wird uns Aufschluss darüber geben, was Wii U nun wirklich will und kann und ist: Auf der E3 2012 wird es handfeste Infos geben, der Juni wird wieder ein Schlüsselmonat für Nintendo, bevor Wii U im Herbst / Winter 2012 dann startet. Und abzuwarten bleibt auch, unter wie viel Druck Nintendo die Konkurrenz jetzt wirklich gesetzt hat: Kündigen auch Sony und Microsoft nächstes Jahr ihre neuen Konsolen an?

Leere Listen
2012 muss Nintendo aus dem Dornröschenschlaf aufwachen, den es in weiten Teilen des Jahres 2011 geschlummert hat. Zwar hat The Legend of Zelda – Skyward Sword als echter Top-Titel mit seinem so klassischen und doch so neuen Gameplay für viele Durstphasen entschädigt, insgesamt gesehen war 2011 softwareseitig bis November aber ein schwächeres Jahr für Nintendo als 2010, für das man viel Lob aussprechen durfte: Die erste Jahreshälfte war dominiert von gähnender Leere in den Release-Listen. Wo es im letzten Jahr noch ein großes Gamer-Event im Februar gab, gefolgt von Super Mario Galaxy 2 und Metroid – Other M, erschienen mit Mario Sport Mix und Wii Play Motion diesmal zwei recht unspektakuläre Minispielsammlungen. Das verspätete Kirby und das magische Garn kann man nur bedingt zu 2011 zählen. Der Winter war mit Zelda zwar vorzüglich bedient, aber ein einziges Spiel zusammen mit einem weiteren (!) Kirby 2D Jump & Run reicht nicht, um ein ganzes Jahr rückwirkend zu bedienen. Immerhin Xenoblade Chronicles verdient noch eine lobende Erwähnung – die Lokalisierung hat zwar lange gedauert, aber das hat sich gelohnt: Xenoblade ist eines der besten, längsten und intensivsten Spiele dieses Jahres und Nintendo of Europe hat sich viele Freunde gemacht mit der Ankündigung der drei großen Japan-RPGs.

Eines der erfreulichsten Spiele des Jahres: Mit Xenoblade Chronicles machte sich Nintendo of Europe viele Freunde und Nintendo of America zunächst viele Feinde. Mittlerweile ist es auch für die USA angekündigt.

Unterdessen hat sich die schon relativ schwache Drittherstellersituation von 2010 in diesem Jahr zu einem regelrechten Wii-Boykott entwickelt. Kein einziger Dritthersteller wagte noch ein ambitioniertes Exklusivspiel à la Disney Epic Mickey oder Dead Space Extraction für Wii, bei den meisten schwenkte die Politik sogar wieder um von „speziell angepassten Versionen“ zu „billigen Ports“ oder gleich „gar keine Wii-Version“.

Oder kurz gefasst: Die Wii-Konsole verabschiedet sich mit einem Zelda-Feuerwerk, allerdings ein Jahr bevor sie abgelöst wird. Nintendo macht entwicklungsseitig kaum noch Anstalten, sie ernsthaft am Leben erhalten zu wollen. Auch die Download-Plattformen sind Geisterstädte. Zum Glück werden mit Pandora's Tower und The Last Story jetzt noch Titel nachgeschoben, die es noch nicht aus Japan herausgeschafft haben. Ein paar unumgängliche Namen wie Mario Party 9 stehen noch an und sicherlich werden Fans auch noch ein oder zwei, drei andere Marken von Nintendo sehen. Doch noch einen neuen Hochkaräter à la Mario oder Donkey Kong können Fans vergessen.

Stattdessen liegen jetzt alle Kapazitäten auf Wii U und dem Nintendo 3DS. Nintendo muss die beiden Systeme schnell an viele Leute bringen, um langfristig die angepeilte Strategie der Vereinigung von Viel- und Wenigspielern verfolgen zu können. Dazu braucht es einerseits auf dem Nintendo 3DS starke Marken (zumindest Marken, die im Kreise der Vielspieler stark sind): Mario, Mario Kart, Luigi’s Mansion, Kid Icarus, Paper Mario, Animal Crossing und Co. stehen schon jetzt in den Listen oder in den Regalen. Weitere werden sicherlich folgen.

Das fulminante Highlight des 25. Jubiläums der Zelda-Reihe. The Legend of Zelda - Skyward Sword polarisierte zwar, ist aber ein Top-Titel dieses Jahres für Wii.

Auf der anderen Seite steht Wii U. Der Launch muss unbedingt klappen, damit nicht unnötig viel Zeit auf dem Konsolenmarkt verloren geht. Diese bittere Lektion hat Nintendo in diesem Jahr mit dem 3DS gelernt. Dass Wii in Ermangelung neuer Software bis zum Weihnachtsgeschäft wohl nicht besonders gut laufen wird, war zu erwarten. Doch der Nintendo 3DS, der stattdessen die Profite sichern sollte, stand überraschend auch auf wackeligen Beinen. Das Ergebnis: ein Minus unter der Gewinn- und Verlustrechnung. Das hat den Investoren nicht gefallen. Das hat auch Nintendo nicht gefallen.

Eine kurze Zusammenfassung und ein Ausblick: Pleiten, Pech und Pannen bei Hardware-Launches und in der Software-Planung sind für den Publisher und die Fans ärgerlich, aber im Großen und Ganzen kein Beinbruch für ein Unternehmen wie Nintendo, das jahrelang Rekordgewinne gemacht hat. Sicherlich war 2011 nicht gut (wieder: das Weihnachtsgeschäft ausgenommen), auf dem Nintendo 3DS lagen größere Erwartungen, die Wii-Konsole winkt ihrem Ende entgegen und der Drittherstellersupport ist schlechter denn je. Doch daraus entsteht bei den Japanern auch eine neue Schaffenskraft für die nächsten Jahre: Schon jetzt werden mehr und mehr alte Marken aus der Truhe gekramt, nur um den ganz alten, ganz treuen Fans zu gefallen und sie zurückzugewinnen. Deren Wichtigkeit wurde 2011 gleich mehrmals bekräftigt. Ob das „Unterfangen Rückgewinnung“ mit Konsolen gelingen kann, die immer noch die besetzten Markennamen „Wii“ und „Nintendo DS“ tragen, und ob dies kombiniert werden kann mit den neuen Zielgruppen, wird die Zukunft zeigen. Uns steht eine spannende Generation mit Wii U und dem Nintendo 3DS bevor. In einem Jahr wissen wir mehr.

Von Tim Herrmann



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