Special von Andreas Held (mail) | 07.06.2009
Mit der E3 ist es wie mit Weihnachten: Man freut sich wochenlang darauf und kaum ist das Datum gekommen, ist sie auch schon wieder vorbei. Wenigstens fand die Messe in diesem Jahr wirklich zu alter Frische zurück: In den letzten Tagen versorgten wir euch mit durchschnittlich fast zwanzig Newsmeldungen pro Kalendertag, und im Gegenzug stiegen unsere Besucherzahlen fast auf das Doppelte des Jahresmittels. Rein quantitativ gesehen ist also eine deutliche Verbesserung zum letzten Jahr zu erkennen - doch wie hat sich Nintendo qualitativ gezeigt und was konnte im Vergleich zur Konkurrenz geboten werden? Und wie lautet die Antwort auf die Frage, welchen Weg Nintendo in Zukunft gehen wird, die wir uns im Vorfeld der E3 gestellt haben?
Eine bestenfalls durchwachsene Pressekonferenz
Viele werden wahrscheinlich gedacht haben, dass Nintendos einziger Titel für ihre alteingesessenen Fans New Super Mario Bros. Wii sei, das theoretisch auch Mario's Little Big Planet heißen könnte - und abgesehen davon durch das peinliche Propeller-PowerUp und den extrem leichten Demo-Level insgesamt eher lächerlich daherkam. Danach ging es schnurgerade auf Wii Fit Plus und Wii Sports Resort zu, WiiMotion+ wurde ausführlichst vorgestellt und in den kommenden Trailern ging Golden Sun DS als einzige gute Neuankündigung zwischen Trailern zu einem Interaktiven Frauenroman, Modedesigner-Spielen und bereits bekannten Titeln eher unter. Stattdessen brüstete man sich damit, dass Mario & Luigi 3 "schon" im Herbst im Westen erschiene - obwohl der Titel bereits seit Februar in Japan zu haben ist.
Als könne es nicht noch schlimmer kommen, betrat dann Satoru Iwata die Bühne, um den jetzt schon legendären Wii Vitality Sensor vorzustellen. Etwa zeitgleich brachen die Server von eBay zusammen, da zu viele Leute versuchten, eine Wii-Konsole dort einzustellen (Hinweis: Hierbei handelt es sich um eine Übertreibung und eBay funktionierte ganz normal weiter).
Das folgende Friedensangebot an alle Core-Gamer war okay, aber auch nicht mehr gut genug, um den Gesamteindruck zu retten. Super Mario Galaxy 2 ist fast schon ein Add-On, was an sich nicht schlecht ist, da der erste Teil ein sehr gutes Spiel war und Teil 2 sicherlich wieder voller guter Ideen steckt, die trotz der bekannten Engine neue Spielerlebnisse bieten. Die 3rd-Party-Titel, die danach gezeigt wurden, waren schon bekannt, aber immerhin stellt Nintendo nun auch 3rd-Party-Spiele ins Rampenlicht - und es sind ja auch gute Titel. Zum Abschluss folgte dann die mit Sicherheit unvorhersehbarste Ankündigung der Messe, nach der ein neues Metroid von Team Ninja entwickelt wird, das sich auch spielerisch an Ninja Gaiden orientiert. Das waren gute Ankündigungen, allerdings standen zum Schluss zwei Neuankündigungen und fünf Trailer zu klassischen Core-Games, die in 15 Minuten gezeigt wurden, 55 weiteren Minuten gegenüber, die von Wii Sports Resort, Wii Fit Plus und dem Wii Vitality Sensor geprägt wurden. Anders ausgedrückt redete man etwa 80 Prozent der Zeit über Casual-Games, und alteingesessene Nintendo-Fans waren zu Recht frustriert.
Nach der Konferenz ist vor der Messe
Auch wir waren frustriert, und es gab sogar schon einen Verriss zur Pressekonferenz in unserer Datenbank, den wir nur noch hätten freischalten müssen. Dass dieser Artikel letztendlich doch nicht gepostet wurde, lag hauptsächlich daran, dass Nintendo im Nachhinein noch weitere Titeln erwähnen konnte, die man auf der Konferenz wohl vergessen hatte. Plötzlich durfte der Name Pikmin 3 doch wieder laut ausgesprochen werden, ohne dass der Verantwortliche dafür gesteinigt wurde, Sin & Punishment 2 gab es ja auch noch, dann kam aus dem nichts ein Action-RPG namens Monado von Monolith Software zum Vorschein und last but not least wurde im Rahmen der Messe ein neues Zelda für Wii angekündigt.
Alle diese Ankündigungen standen unter einem riesigen "Warum" - warum nämlich wurden diese Titel nicht schon auf der Pressekonferenz gezeigt? Was sich Nintendo dabei denkt, ist klar. Der japanische Konzern setzt momentan voll auf Erweiterung der Zielgruppen und fährt damit sehr erfolgreich, muss jedoch auch exzessives Marketing betreiben, um weiter neue Leute zu gewinnen. Daher ist klar, dass auf der Pressekonferenz, dem Moment der maximalen Aufmerksamkeit, voll auf die neuartigen Spiele gesetzt werden muss - selbst Mitarbeiterinnen einer Frauenzeitschrift könnten sich den Stream angesehen haben, um möglichst viele Infos zum neuen Wii Fit in Erfahrung bringen zu können, und wurden mit frischen Infos zu Style Savvy und Women's Murder Club belohnt, falls sie sich das Bogenschießen mit Wii Sports Resort in voller Länge angesehen haben. Aber ist es deshalb verboten, Iwatas immer gleiche Rede über die Zielgruppenerweiterung vielleicht um fünf Minuten zu kürzen, damit am Ende noch Zeit ist für den Monado-Trailer und eine Entschuldigung, dass Pikmin 3 und das neue Zelda noch nicht so weit sind, um gezeigt zu werden?
Viele Spieler, die seit Jahren keine Nintendo-Konsole mehr ihr Eigen nennen oder noch nie eine hatten, werden vielleicht mit einem Auge auf Nintendo geschielt haben, einfach aus Interesse, ob etwas Interessantes kommen könnte. Und viele von denen werden sich dann sicherlich gedacht haben: "Nur für Mario, Metroid und zwei Rail-Shooter brauche ich keine Wii und Call of Duty ist eh besser als The Conduit." Verübeln kann man es ihnen nicht, denn von Sin & Punishment 2, Monado - Beginning of the World, Red Steel 2, Gladiator AD, The Grinder, Pikmin 3, Another Code R, Zelda 2011, Cursed Mountain, Tatsunoko vs. Capcom, Monster Hunter 3 und dem neuen Projekt der Retro Studios haben sie ja gar nichts mitbekommen. Allein mit Wii-Titeln hätte Nintendo die beiden anderen Konferenzen um das Doppelte übertrumpfen können und zusammen mit Golden Sun DS, Kingdom Hearts 365/2 oder Professor Layton 2 ein richtig gutes Gesamtlineup präsentieren können. Stattdessen hat man zehn Minuten lang Wii Sports Resort gespielt und viele weitere Minuten mit Gerede über Wii Fit Plus und den Wii Vitality Sensor verschwendet.
Was wollt ihr, Nintendo?
Das Problem daran ist diese scheinbare Unentschlossenheit, die Nintendo hier an den Tag legt. Auf der einen Seite sind weiterhin einige 1st-Party-Games in Entwicklung, die sich an alteingesessene Fans richten - nicht mehr ganz so viele wie zu N64- und Gamecube-Zeiten, aber dafür bessert sich der 3rd-Party-Support wieder zusehends. Die Frage ist nur, wer sich diese Spiele kaufen soll, wenn sie nicht richtig beworben werden und sich nachweislich immer mehr Gamer eine der beiden HD-Konsolen holen. The Conduit wäre nicht das erste Core-Game, welches trotz eines Hypes und guter Reviews auf Wii zu einem Flop wird - Excitebots, Little Kings Story und vor allem MadWorld haben vorgemacht, wie es geht, wobei diese drei Spiele eher Nischentitel sind und deshalb insgesamt noch Hoffnung besteht. Trotzdem wäre es sowohl für die Spieler als auch die Entwickler besser, wenn Nintendo genauso viel in die Vermarktung der Core-Titel stecken würde wie in die Entwicklung derselben - denn Super Mario Galaxy und insbesondere Super Smash Bros. Brawl haben eindrucksvoll bewiesen, dass Nintendo auch auf der Wii nicht vor teuer produzierten und aufwendigen Titeln zurückschreckt. Auch an Pikmin 3, das neue Zelda und Super Mario Galaxy 2 können weiterhin hohe Erwartungen gestellt werden. Nintendo hat sich also nicht von den Langzeitfans losgesagt - sie tun nur so. Aber gerade das ist ja das Ärgerliche.
Von Andreas Held
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