Review von Kevin Jensen () | 25.11.2007
Rockstar Games ist schon eine Erfolgschmiede für sich und wenn sie mal nicht an einem neuen Ableger für Grand Theft Auto arbeiten, lehnen sie sich gediegen zurück und spielen eine Runde Tischtennis. Vor knapp anderthalb Jahren präsentierten sie mit der XBOX-360-Version zu Rockstar Games präsentiert Tischtennis ein sowohl optisches als auch spielerisches Feuerwerk, das gänzlich ohne die Nutzung von Gewalt, rasanten Rennboliden oder heißen Rundungen auskam. Auf Microsofts Heimkonsole, mit einem Netzteil so groß wie die Geisterfalle der Ghostbusters, hat sich das einfache aber geniale Sportkonzept schnell die Federführung gekrallt und binnen kürzester Zeit zum Online-Geheimtipp avanciert. Es war fast nur eine Frage der Zeit, wann Rockstar auf die Idee kommen würde, den chinesischen Volkssport Nummer 1 auf Nintendos Edelweiß loszulassen, damit friedlich-fröhliche Wiimote-Schwinger auf ihre Kosten kommen. Schnell klebt man der Nintendo-Wünschelrute einen Tischtennisschläger auf die Rückseite und das quietschfidele Rumgeschmetter kann losgehen. Wir haben keine Kosten und Mühen gescheut und wagen den Direktvergleich. Was wird wohl siegen: Knackige Grafik in HD-Qualität und klassischem Steuerungskonzept auf dem Sofa oder athletische Schwingübungen in der Wohnzimmerturnhalle?
Erwartungshaltung
Wenn man die Ping-Pong-Begeisterung im Reich der Mitte anschaut, mag man fast schon glauben, dass die Sportart dort entstanden ist. Tatsache ist aber: Tischtennis kommt aus England. Irgendwann Ende des 19. Jahrhunderts etablierte sich das Indoorspiel, damit die Viktorianer auch beim typischen Insel-Dauerregen in den Genuss des beliebten Tennis-Sports kommen konnten. Wenn ein Spiel erfolgreich ist, wird das Konzept gerne kopiert und schnell sprießten Namensvetter wie „Whiffwhaff“, „Gossima“ und „Ping Pong“ wie Pilze aus dem Boden. Es ging sogar so weit, dass John Jaques letzteren Namen als Warenzeichen für Sportprodukte anmeldete und später an die Parker Brothers verkaufte. Mittlerweile gehört der Sport rund um die federleichten Zelluloidbälle zum olympischen Standard und selbst in manch hiesigen Kellerwänden wird mehr oder weniger regelmäßig auf die runde Plastikkugel eingedrescht.
In Betracht auf den Wii-Erfolg wird man schnell bemerken, dass gerade die einfachen Konzepte, wie Tennis oder Bowling aus Wii-Sports, die Massen begeistern. Zwar fühlt sich der Hardcore-Gamer ein wenig vernachlässigt, wenn auf einmal Opi und Omi die Konsole blockieren, doch diese Fakten können nicht verschwiegen werden. Wenn Rockstar Games schon mit einem Grafikblender und einer überragenden Ballphysik ein Spiel zum Höhenflug ansetzt, wie groß muss das Potential sein, wenn die klassischen Tischtennis-Bewegungen real umgesetzt werden können? Enorm. Dementsprechend waren auch unsere Erwartungshaltungen einzuschätzen, als der Silberling erstmals im Laufwerk der Wii rotierte.
Ganz nüchtern betrachtet, haben wir es mit einer eindeutigen Umsetzung zu tun. So bekommt auch der Wii-Spieler die gleichen Features und Spielmodi, die schon auf Microsofts Heimkonsole für den Erfolg sorgten, mit Ausnahme des Onlinemodus. So gibt es weiterhin einen Traingsmodus, der Pflicht für alle Neulinge sein sollte; das klassische Filetstück des Spiels, den Wettkampfmodus, und das Schnellspiel für zwischendurch, den Schaukampfmodus. Des Weiteren gibt es noch zahlreiche Einstellmöglichkeiten in Sachen Steuerung, Sound und freigespielten Boni.
Während man im Wettkampfmodus zahlreiche Turniere bestreitet und seinem Schützling zum Erfolg verhilft, steigt der Schwierigkeitsgrad stetig an, aber auch die Belohnungen wie neue Outfits, Spieler oder Austragungsorte werden reichlicher. Gespielt wird nach den typischen Regeln. Üblich bis elf Punkte oder bis ein Spieler elf Gewinnpunkte erreicht und dabei mindestens zwei Punkte Vorsprung hat. Das Aufschlagrecht wechselt nach zwei Punkten. Dabei ist es im einfachen Schwierigkeitsmodus mit nur ein paar Handgelenkbewegungen möglich, das Spiel für sich zu bestimmen. Erst später wird man eine echte Herausforderung finden und die Stümper von einst sind die Profis von morgen. Erst in den fortgeschrittenen Modi gilt es Spins direkt zu kontern oder es zieht einen direkten Punktverlust nach sich. Ein Spin wird einfach durch den Druck auf die Pfeiltasten der Wiimote aufgeladen und kann beliebig eingesetzt werden. Jeder Drehschlag wird zudem mit einem eigenen Farbton unterlegt, damit der Spieler auch gleich erkennen kann, wie man diesen nun entgegenwirken kann. Auf das ein munteres Hin- und Hergedresche beginnen mag.
Insgesamt gibt es elf fiktive Tischtennisspieler aus aller Welt, die nach und nach freigeschaltet werden können. Während Männlein und Weiblein üblicherweise im Sport getrennt werden, gibt es hier keine Ausnahmen und es wir gemischt gespielt. Gleichberechtigung wird hier groß geschrieben. Der Spaßfaktor bekommt aber einen enormen Boost, wenn nicht alleine sondern im Duo gespielt wird.

Novize oder Scharfschütze?
Die Fluggeschwindigkeit eines Tischtennisballs kann so rasant sein, dass die Reaktionshaltung eines Spielers beinahe den Reflexen eines Formel-1-Fahrers stand halten muss. So musste eine provisorische Lösung her und Rockstar entschied sich dafür, dass man seinen Schlag schon ansetzten kann, wenn der Gegner den Ball berührt. So versucht man in Sachen Steuerung sich auf einen gemeinsamen Nenner zu einigen und gleicht fehlendes Reaktionsvermögen mit Zeitverzögerung aus. Es gibt insgesamt drei Kontrollschemata, die die Möglichkeiten auf verschiedene Art und Weise einschränken oder variieren. Im Standardmodus hält man nur die Wiimote in der Hand und bestimmt dabei mit Schlagrichtung und Geschwindigkeit, wie und wohin der Ball gespielt wird. Mit dem Steuerkreuz kann man eine Spinrichtung bestimmen und ein Druck auf den A-Knopf sorgt für einen kurzen, ein Druck auf den B-Knopf für einen fokussierten Schlag. Im Fokus können Bälle präzise mit Spin an die Tischkante platziert werden, sofern man sich ein wenig eingeübt hat. Während man im Standard-Kontrollschema nicht um die Beinarbeit kümmern muss, ändert sich dies schlagartig, wenn der Konrollfreak oder Scharfschütze den Nunchuck anschließt. Entweder man kann via Nunchuck seinen Schützling direkt bewegen oder man nutzt den Analogstick zur genauen Ballplatzierung.
Jedes Steuerungskonzept hat seine Vor- und Nachteile und ist entweder für Novizen oder Experten geeignet. Wie man die Schmetterbälle, aufgeladenen Spinschüsse oder Fokus-Schläge jedoch über das Netz bringt, ist jedem selbst überlassen. Dennoch, eines haben alle Möglichkeiten gemein, eine 1-zu-1-Umsetzung des Schlages wird nur suboptimal umgesetzt. Für Rotationseffekte, Konter oder Aufladungstechniken müssen die Tasten herhalten.
Präsentation
Während man via XBOX 360-Grafik mühelos mit dem Slogan: „Porentief rein!“ auch für Hautreinheitsprodukte Schleichwerbung starten könnte, sieht es auf Nintendos Wii etwas trister aus. Schwammige Texturen und bei Weitem ist kein „Wow-Effekt“ erkennbar. Selbst auf dem GameCube haben andere Spiele bewiesen, dass man mit anderen 3D-Filtern wesentlich mehr erreichen kann. In diesem Sektor gibt es eindeutig Nachholbedarf, selbst für Wii-Verhältnisse. Was die Animationen angeht, kann man den schüttelnden Zeigefinger getrost wegstecken, denn via Motion-Capturing-Verfahren und einer grandiosen Ballphysik macht das Zuschauen zumindest in Bewegung Spaß.
Außerdem erfüllt auch Rockstar Games präsentiert Tischtennis die üblichen Videospielklischees und so bleibt man auch beim Tischtennissport nicht vor Matrix-Effekten á la Bulltet-Time-Mode nicht verschont. Insgesamt nett, aber mehr nicht.
Seichte elektrische Klänge im Hintergrund, spontane Kommentare vom Publikum und gelegentlicher Applaus und Buh-Rufe sind das Maß aller Dinge. Denn was will man auch mehr erwarten, wenn man ein Tischtennisspiel beobachtet. Für ein wenig Aufmunterung sorgt das gelegentliche Handygedudel im Hintergrund, das die moderne Kommunikationskultur ein wenig auf die Schippe nimmt.
Auch in Sachen Features sieht es düster aus. In diesem Sektor gibt es nicht viel zu sehen… Denn außer der Tatsache, dass zunächst viele Inhalte freigespielt werden müssen, gibt es kaum Inhalte. Der besagte Onlinemodus, dem eigentlichen Kernteils des Multiplayer-Kulttitels, wurde bekanntlich rausgekürzt und somit bekommt man den gleichen Spielspaß nur lokal unter Freunden geboten.
Bis alle Shirts, Stadien und Spieler freigeschaltet werden, kann zwar einige Zeit vergehen, dennoch wären eventuell neue, andersartige Inhalte wünschenswert gewesen.
Fazit:
Natürlich war schon von Anfang an klar, dass man in Sachen Grafik Abstriche machen muss; aber Optik allein macht bekanntlich auch nicht glücklich. Die beiläufigen Mankos hören leider nicht bei der Grafik auf, denn auch der allseits beliebte Onlinemodus wurde kurzerhand wegrationalisiert. Puff, weg ist der Langzeitspielspaßgarant. Als man dann noch bemerkt, dass die Steuerung via Wiimote auch nur eine suboptimale Offenbarung ist, die Schwingbewegungen nur asynchron laufen und noch immer Tasten gedrückt werden müssen, kommt man um das Grübeln nicht herum. Hätte Rockstar Games sich eventuell mehr Zeit lassen sollen, bis man ein perfektes Spiel rausbringen kann? Gab es Probleme beim Online-Support? Spekuliert man jetzt schon mit einem Nachfolger? Fragen über Fragen, die sich leider auch auf den Wertungssektor auswirken. Ohne Onlinemodus und mit einer nur bedingt guten Umsetzung der Tischtennis-Schlagtechnik, reduziert sich der XBOX-360-Geheimtipp auf ein Spielchen für zwischendurch, das kurzweilig für Unterhaltung sorgen kann, aufgrund der Featurearmut jedoch keine Chance auf die Pole-Position hat. In den Grundzügen hat man ein echt gutes Spiel vor sich, doch wurde einfach viel zu viel Potential aus dem Fenster geworfen.
Von Kevin Jensen
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Wertung für das Spiel Rockstar Games präsentiert Tischtennis |
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6.9 |
Grafik
Kein Vergleich zum Original, schwache Texturen und Verschwimmeffekt. |
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6.3 |
Sound
Moderates Gedudel im Hintergrund. |
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7.0 |
Steuerung
Akzeptable Erstlösung, die den Durst nach mehr aber nicht stillt. |
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8.1 |
Gameplay
Überragende Ballphysik, aber fehlender Onlinemodus. |
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7.1 |
Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) |
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