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Review von Andreas Held () | 22.12.2011
Es gibt Spiele, bei denen überlegt man stundenlang, wie man sich eine Einleitung für das Review aus den Fingern saugen könnte. Im Falle des Weihnachts-Releases von Nintendo gibt es dagegen so vieles, worüber man schreiben könnte, dass man sich kaum entscheiden kann: Man könnte die etwas ungünstige Eindeutschung des Titels kommentieren, da man bei einem Titel wie "Straßen des Glücks" auch schnell mal an eine kitschige Seifenoper oder ein Rotlichtviertel denken könnte. Oder man erklärt den Lesern, dass die Serie Itadaki Street in Japan schon 1991 auf dem NES ihr Debüt feierte und seitdem mit zahlreichen Nachfolgern fortgesetzt, bisher aber noch nie in den Westen gebracht wurde. Oder man geht ganz konventionell auf die Parallelen zu Monopoly ein, die das von Square-Enix entwickelte Wii-Brettspiel ohne Zweifel aufweist. Aber egal was man tut, man sollte auf alle Fälle erwähnen, wie geteilt die Meinungen über dieses Spiel sind: In Amerika hat der Titel Wertungen bekommen, die über das komplette Spektrum verteilt sind, und selten gab es in professionellen Reviews so viele widersprüchliche Meinungen zu demselben Spiel zu lesen. In diesem Sinne ist natürlich auch dieser Test nur eine Meinung unter vielen.
Shoppen, Investieren und Fluchen
Die grundlegenden Regeln von Itadaki Street sind schnell erklärt. Vier Spieler bewegen sich abwechselnd über ein Spielfeld, welches in verschiedene Bezirke eingeteilt ist. Jeder Bezirk besteht aus vier Läden, die zunächst leer stehen. Landet ein Spieler auf einem freien Geschäft, kann er dieses einfach kaufen. Danach geht der Laden in seinen Besitz über und alle nachfolgenden Spieler, die auf diesem Feld landen, werden gezwungen, dort einzukaufen. Besitzt man mehrere Läden in einem Bezirk, steigt nicht nur der Wert der verkauften Waren, sondern man hat auch die Möglichkeit, die Kioske und Tante-Emma-Läden zu riesigen Einkaufszentren auszubauen, was den Wert der zu verkaufenden Waren noch einmal enorm steigert. Schließlich werden die Waren so teuer, dass selbst ein einzelner Einkauf den Bankrott eines Spielers bedeuten kann. Außerdem ist es möglich, für einen sehr hohen Preis einen Shop eines Gegner zu übernehmen - auf diese Weise kann man verhindern, dass ein anderer Spieler in einem bestimmten Bezirk eine Übermacht aufbaut, oder aber den letzten noch zu einer kompletten Straße fehlenden Shop mit Gewalt an sich reißen.
Bis hierhin sind die Regeln recht einfach und (abgesehen von den feindlichen Übernahmen) nahezu identisch mit Monopoly. Auch ein Konzept, das den Spielern nach jeder Umrundung des Spielbretts einen bestimmten Geldbetrag zuteilt, existiert in einer abgewandelten Form. Interessant und deutlich strategischer wird das Spielgeschehen erst durch die Aktien. Spieler können mit diesen Papieren in einzelne Bezirke investieren und erhalten dadurch diverse Vorteile: Zum einen zahlt die Bank bei jeder Transaktion im entsprechenden Bezirk einen Geldbetrag an die Aktionäre aus - je mehr Aktien man hat, desto mehr bekommt man. Außerdem steigt mit dem Wert der Läden auch der Wert der Aktien. Zuguterletzt steigt bzw. fällt der Aktienpreis, wenn ein Spieler zehn oder mehr von ihnen gleichzeitig kauft bzw. verkauft. Die Aktien bringen eine strategische Komponente ins Spiel, und während es zunächst noch recht offensichtlich erscheint, wie man diese richtig einsetzt, ergeben sich im weiteren Spielverlauf immer mehr Möglichkeiten, die Wertpapiere geschickt auszuspielen, um sein eigenes Vermögen zu steigern oder gar den Gegnern zu schaden.

Natürlich gibt es noch viele weitere Details, durch die sich das Spiel von Monopoly abhebt. Das Ziel ist nicht das Zermürben aller Gegner, sondern die Anhäufung eines Vermögens in einer festgesetzten Höhe. Und dann sind da ja noch die Minispiele - von denen gibt es aber nur eine Hand voll, sie sind extrem simpel und kurz und meistens reine Glücksspiele. Mit Mario Party oder Wii Party ist Itadaki Street also kaum zu vergleichen. Und auch wenn das alles zunächst sehr kompliziert klingt, hat man die Regeln nach zehn Minuten verinnerlicht, was vor allem daran liegt, dass der Titel den Spielverlauf sehr gut aufbereitet und klar verständlich präsentiert. Außerdem haben die Entwickler einen leichten Modus integriert, in dem insbesondere der komplette Aktienhandel und noch einige weitere Regeln wegfallen - dieser Spielmodus richtet sich vor allem an Eltern, die das Spiel mit ihren Kindern spielen wollen.
Gutes Konzept, gute Umsetzung
Eines ist ganz sicher: Itadaki Street war schon 1991 ein tolles Brettspiel und ist es auch heute noch. Die Menüführung und die allgemeine Bedienung des Titels sind unglaublich intuitiv, sodass man sich sofort überall zurecht findet. Das Wichtigste ist aber, dass die ursprünglichen Entwickler des Spiels die hohe Kunst beherrscht haben, ein simples Regelwerk zu entwickeln, bei dem auf den zweiten Blick einiges dahintersteckt. Und genau das ist es, was ein gutes Brettspiel auszeichnet, denn niemand hat Lust, zunächst stundenlang die Spielregeln auswendig zu lernen - langfristig motivieren kann es jedoch nur, wenn es genug Möglichkeiten zum Taktieren gibt. Diese Gratwanderung meistert Itadaki Street mit Auszeichnung. Ebenfalls extrem gut gelungen ist die Spielbalance: Alle Preise und Boni sind so gut aufeinander abgestimmt, dass sie das Spielgeschehen beeinflussen, aber nicht komplett aus der Bahn werfen. Natürlich wirkt es zunächst befremdlich, wenn die Zielvorgabe lautet, ein Vermögen von 20.000 Goldstücken anzuhäufen, und man dann in einer Transaktion 60 Goldmünzen bekommt - aber die Kunst ist es eben, diese 60 Münzen so klug zu investieren, dass irgendwann 600 und schließlich 6.000 Münzen daraus werden. Bis es so weit ist, dauert es jedoch seine Zeit, denn trotz der sehr hohen Spielgeschwindigkeit kann eine Sitzung gegen die KI schon mal über zwei Stunden dauern. Gegen menschliche Mitspieler kommt man auf den größten Karten noch auf eine deutlich längere Spielzeit, aber der Spielverlauf kann glücklicherweise jederzeit zwischengespeichert und unterbrochen werden. Daher ist Itadaki Street als Multiplayer-Titel für alle, die sich auch mal ein paar Stunden lang mit einer Spielsitzung befassen wollen, bedenkenlos zu empfehlen.

Ein Knackpunkt ist nätürlich der Einzelspieler-Modus. Der ist durchaus vorhanden: In einem Tour-Modus, in dem ihr (aus welchem Grund auch immer) nur mit eurem Mii spielen könnt, stehen 18 Spielbretter zur Verfügung, von denen sechs erst freigeschaltet werden müssen. Jede Karte besitzt eine Zielvorgabe sowie eine Mindestplatzierung, die erreicht werden muss, damit sie als absolviert gilt. Außerdem können für bestimmte Leistungen während des Spielverlaufs diverse Auszeichnungen gesammelt und Marken erworben werden, mit denen man dann Ingame-Outfits für seinen Mii kaufen kann – Auszeichnungen und Marken erhält man auch nach einer Niederlage, sodass es sich immer lohnt, eine Partie zu Ende zu spielen.
Ein Aspekt des Spiels, über den in den USA schon heftig diskutiert wird, ist die KI. Es entsteht leider sehr stark der Eindruck, dass ein höherer Schwierigkeitsgrad der KI-Gegner nicht bedeutet, dass diese klüger handeln, sondern einfach, dass diese deutlich mehr Würfelglück haben. Beim Testen haben sich in mehreren Spielsitzungen gegen die gleichen KI-Gegner beide Extreme gezeigt: Mal hatten sie unverschämtes Würfelglück und mal schien es so, als würden sie sogar ausgesprochenes Pech haben. Trotzdem wirkt es etwas dubios, wenn man sich auf einer großen Map sehr früh vier zusammenhängende Läden sichert und diese teuer ausbaut, dann aber in den kompletten verbleibenden 90 Minuten kein einziger der drei KI-Gegner jemals auf einem dieser Shops landet, sondern sich stattdessen bei jeder Brettumrundung aufs Neue mit unfehlbarer Sicherheit ein bis zwei Felder vor der Kette platziert, um dann eine hohe Augenzahl zu würfeln und über diese hinwegzuschreiten. Aufgrund der Eigenheiten von Zufallsgeneratoren ist es aber natürlich unmöglich, hier genau zu urteilen, und somit wissen leider nur die Entwickler selbst, ob der Wii-Titel wirklich fair programmiert ist.
Lieblose Verwurstung der Lizenzen
“Straßen des Glücks” wirbt damit, dass diverese Charaktere aus den Mario- und Dragon-Quest-Universen zur Verfügung stehen, in denen auch die Spielbretter untergebracht sind. Leider sind diese Gastauftritte ziemlich aufgesetzt. Vor allem die Spielbretter sind eine herbe Enttäuschung, denn statt wie in Mario Party liebevoll gestaltet zu sein, sehen sie bis auf ihre Form alle absolut gleich aus und schweben einfach vor einem austauschbaren 3D-Hintergrund. Hier wäre sicherlich deutlich mehr drin gewesen, was man von einem (fast-)Vollpreistitel, der sich grafisch ohnehin zweckmäßig gibt, auch erwarten könnte. Ähnlich austauschar und aufgesetzt sind die Charaktere: Die Nintendo-Maskottchen zeigen kein Stück ihrer charakteristischen Persönlichkeiten, sondern schreiben uninspirierte und wirklich schlecht geschriebene Dailogfetzen auf den Bildschirm, die man zum Glück vollständig abstellen kann. In dieser Form sind die diversen und durchaus zahlreichen Spielfiguren leider nur ein Werkzeug zum Antreiben der Verkaufszahlen. Dazu kommt das Ärgernis, dass die Mario-Figuren auf der einen und die Dragon-Quest-Figuren auf der anderen Seite stilistisch überhaupt nicht zueinander passen - und der eigene Mii, mit dem man spielen muss, passt optisch zu keinem der beiden Universen.

Anders verhält es sich mit der Musikuntermalung: Die Melodien sind schön komponiert und man erkennt einige Remixe bekannter und weniger bekannter Melodien aus den beiden Universen, während die Musik auf den Spielbrettern auch in mehrstündigen Spielsitzungen nicht negativ auffällt. Auch hier gibt es aber Abzüge für den Einsatz der bekannten Charaktere, denn diese sind absolut stumm und kommunizieren nur über Text miteinander. Mario ohne die Sprachsamples von Charles Martinet ist einfach nicht Mario.
Fazit:
Itadaki Street ist ein tolles Brettspiel, und der Wii-Ableger profitiert in erster Linie von dem Regelwerk, das 1991 für den ersten Teil entwickelt wurde, der damals noch auf dem Famicom erschienen ist. Ansonsten macht der Titel nicht viel richtig: Die Charaktere und Schauplätze sind lieblos eingesetzt und dienen in dieser Form lediglich zum Ankurbeln der Verkaufszahlen. Der Einzelspielermodus sorgt dagegen aufgrund des dubiosen Würfelglücks der KI-Gegner für einigen Frust, ist aber leider ein Pflichtprogramm, wenn man alle Spielinhalte freischalten will. Im Multiplayermodus befindet sich die Software dafür nahe an der Perfektion und ist so gut, wie ein virtuelles Brettspiel eben sein kann. “Straßen des Glücks” eignet sich trotz seines kitschigen Titels in erster Linie für ernsthafte Spieleabende und erwartet von seinen Spielern, dass sie über einen längeren Zeitraum hinweg taktieren und vorausschauend denken. Ein vereinfachtes Regelwerk für Kinder und einige Auswahl- und Einstellungsmöglichkeiten runden das Gesamtpaket ab.
Von Andreas Held
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Wertung für das Spiel Straßen des Glücks |
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6.0 |
Grafik
Zweckmäßige, aber saubere Optik. Die Lizenzen werden nur sehr lieblos genutzt. |
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7.5 |
Sound
Eingängige Musik mit vielen Variationen bekannter Melodien treffen auf stumme Charaktere. |
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8.5 |
Steuerung
Die Menüführung ist genial intuitiv und der Spielverlauf geht somit nach wenigen Minuten problemlos von der Hand. |
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8.0 |
Gameplay
Ein einfach zu erlernendes Regelwerk, das für fortgeschrittene Spieler einige Möglichkeiten zum Taktieren gibt. Wer sich an Spieleabenden gerne an zeitaufwändige, etwas anspruchsvollere Spiele heranwagt, kann bedenkenlos zugreifen. |
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7.5 |
Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) |
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Review:
Straßen des Glücks
Hersteller
Square-Enix
Genre
Brettspiel
Version
PAL
Controller-Voraussetzung
Wii-Remote
Spieler
1-4
Schwierigkeitsgrad
Schwer
Altersempfehlung
Ohne Altersbeschränkung
60-Hz Modus
Ja
480p Modus
Ja
Widescreen Modus
Ja
DS Connectivity
Nein
Dolby Pro Logic II
Nein
Wifi-Connection
Nein
WiiConnect24 Support
Nein
Release
erschienen
Preis (€)
39,99
Innovationsfaktor
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