Unser Netzwerk: NintendoWiiX.net   | NintendoWiiX Forum   | Get Hellcase promo code!
Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2
Review von Tim Herrmann () | 02.08.2011

Nun ist es also vorbei: Nach vierzehn Jahren, in denen Potter-Fans gierig von einem Buch zum nächsten Film rasten, ist die Saga beendet. Der achte Film läuft mit Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 2 in den Kinos und ElectronicArts kann ganz stressfrei an die Videospielumsetzung gehen. Denn die Fußabdrücke, die man mit der Versoftung von Teil 1 hinterlassen hat, sind nicht sonderlich schwer auszufüllen. Sie hatten ungefähr Hobbitgröße. Babygröße. Fötus-Größe. Oder anders gesagt: Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1 war auf allen Konsolen (besonders aber auf Wii) ein geradezu lächerlicher Brocken Software mit armseliger technischer Umsetzung und unfassbar einfallslosem Spielprinzip. Schafft EA es, das Jahrhundertfranchise wenigstens halbwegs anständig zu beenden?

Ein Armutszeugnis von Storytelling
Es gibt viele, die den Potter-Verfilmungen lautstark vorgeworfen haben, zu große Teile der Romanhandlung auszulassen und sich auf die falschen Aspekte zu konzentrieren. Wenn diese vielen allerdings die Videospielumsetzung von HP 7.2 sehen, werden sie entweder nach zwanzig Sekunden heiser vom Brüllen sein oder gleich tot vom Stuhl fallen: Was der Titel an Storytelling bietet, ist schon in gesteigertem Maße lächerlich. Zwar wird die Handlung von eingestreuten, vorgerenderten Videosequenzen vorangetrieben, die recht gut aussehen, doch die Entwickler sparen sich 90% der Geschichte vollständig und schlagen stattdessen nur die absoluten Schlüsselereignisse als Brücken zwischen die Levels. Hölzerne Dialoge, in denen erst einmal erklärt werden muss, warum die Charaktere eigentlich gerade wo sind und warum sie dort was machen, sind die Folge.

Anmerkung zu Bildern in diesem Review: Da EA auch zu Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2 keine Bilder zur Wii-Version veröffentlicht hat, sind hier nur Screenshots aus XBOX360- und PS3-Versionen zu sehen.

So kommt es, dass Harry, Ron und Hermine nach netto ca. fünf Minuten Zwischensequenz bereits so weit sind wie im Film nach anderthalb Stunden. Kein Wunder, wenn Ereignisse wie Visionen von Voldemort eine Viertelsekunde einnehmen und nur durch ein kurz eingeblendetes Bild dargestellt werden. Kein Wunder, wenn außerhalb der Videosequenzen keinerlei Geschichte stattfindet: Zauberer, mit denen man reden könnte, gibt es nicht. Dialoge während des Gameplays gibt es ebenfalls nicht (abgesehen von „Vorsicht!“ oder „in Deckung“). Dadurch macht EA einen altbekannten Design-Fehler: Wer seine Geschichte so abhängig von Videosequenzen macht, der bewirkt, dass die Gameplay-Abschnitte dazwischen zwangsläufig als Unterbrechung der Geschichte empfunden werden und nicht als Fortsetzung des Spiels.

Bei Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 2 stören die Gameplay-Teile (die naturgemäß 90% des Spiels ausmachen) aber nicht, weil sie die Geschichte verzögern. Nein. Sie sind einfach unfassbar langweilig.

Gears of Harry
Ja, der letzte Harry-Potter-Band bietet viel Action und viel Kampf. Ruhiges Erkundungsgameplay wie im Spiel zu Teil 5 hätte wohl keinen Sinn mehr ergeben. Dass Harry Potter von EA zu einem reinrassigen Third-Person-Shooter gemacht wurde, erscheint daher noch vertretbar. Aber Third-Person-Shooter müssen doch nicht so wahnsinnig schlecht gemacht sein wie dieser hier.

Ihr steuert einen Charakter aus dem HP-Universum (entweder Protagonisten wie Harry oder Hermine oder aber Nebencharaktere wie Seamus Finnigan oder Professor McGonagall), lauft durch lineare Korridore und kämpft gegen immer neue Gegnerwellen. Egal, wo Harry gerade ist: Es wird immer gekämpft. Überall. Sei es in den dunklen Grotten von Gringotts, wo es weder im Film noch im Buch größere Schlachten mit Voldemorts Todessern gab, oder im verschlafenen Dorf Hogsmeade, wo die Helden in Buch und Film dem Kampf nur knapp entgingen: kein Level ohne Kampf. Die Entwickler hatten schlicht keine andere Spielidee als den Kampf. Eine beklemmende Leere und Ideenlosigkeit, eine lapidare Lieblosigkeit und eine bemerkenswerte Eintönigkeit durchziehen dieses Spiel von der ersten bis zur letzten Sekunde. Fast schon muss man die Entwickler bemitleiden, denn dieses Gameplay ist eine einzige Depression.



Immerhin haben sich die langweiligen Kämpfe im Vergleich zu Teil 7.1 etwas verbessert, auch wenn das Lob schnell wieder verebbt: Man kann Gegner jetzt besser ins Visier nehmen und sie dann durch wiederholtes Drücken des B-Knopfes mit variablen Zaubersprüchen abknallen (und das darf man durchaus so verstehen, wie es hier steht). Die Charaktere werden jetzt kleiner dargestellt und verdecken nicht mehr den halben Bildschirm. Das macht das Zielen etwas einfacher.

Die sechs verschiedenen Zaubersprüche werden über das Steuerkreuz ausgewählt, was während des (andauernden) Kampfes ziemlich lästig werden kann. Schnelldenker wissen, dass das Steuerkreuz nur vier Kommandos zulässt. Eine Richtung ist für eine Kamerafixierung vorgesehen, die anderen wählen die Sprüche aus. Fortgeschrittene Zauber wie Confringo oder Impedimenta werden aktiviert, indem man zweimal in eine Kreuzrichtung drückt (etwa zweimal unten für Confringo). Da die Zauberer ihre Sprüche während des Kampfes ständig wechseln müssen, ist der Spieler permanent am Doppeldrücken und Zielen und wieder Doppeldrücken.

Schlecht gelöst ist auch diesmal wieder die Kamera, die allein über den zuckenden Pointer gesteuert wird und dadurch ständig am Rotieren ist. Selbst dann, wenn man den Pointer vom Bildschirm abwendet, entschließt sich die Kamera nicht etwa zu ruhen, sondern dreht sich munter und fröhlich wie auf dem Kettenkarussell durch die Gegend, sodass man wirklich gar nichts mehr mitbekommt.

Es wird also von Gameplay-Sekunde 1 bis zum Ende stur durch Drücken des B-Knopfes durchgekämpft. Zum Glück ist wenigstens ein Quäntchen mehr Abwechslung geboten als im direkten Vorgänger. Mal müsst ihr Charaktere beschützen, mal Endgegner besiegen, mal Brücken in die Luft jagen. Jede Aufgabe wird aber dominiert von Duellen mit immer neu erscheinenden Todessern, derer man derartig schnell überdrüssig ist, dass man das Spiel am liebsten mit dem Cruciatus-Fluch belegen würde.



Technisch ein Quantensprung
Auch die kleinsten Lobe können manchmal schon den größten Effekt haben: Und so sei nicht verschwiegen, dass den Entwicklern bei der Grafik ein echter Schritt nach vorne gelungen ist. Nachdem HP 7.1 einfach nur grottig und unterirdisch aussah, verdient HP 7.2 jetzt schon das Prädikat „schlecht“. Das ist eine Verbesserung. Immerhin.

Die Videosequenzen sind vorgerendert und sehen anständig aus. Im Gameplay bleiben allerdings die Gegnermodelle, die wirklich alle gleich aussehen. Manchmal unterschieden sie sich durch unterschiedliche Hemden oder eine schicke Maske, doch ansonsten ist hier keinerlei Abwechslung zu finden. Auch die Protagonisten sind weiterhin teilweise minderwertig ausgestaltet und Lippenbewegungen hat man sich beim Reden diesmal fast ganz gespart. Sie hätten sowieso nicht mit der Synchronisierung zusammengepasst…

Abwechslung im Level-Design darf man aber trotz leicht besserer Technik immer noch nicht erwarten: Jeder Abschnitt des Dorfes Hogsmeade sieht absolut gleich aus und in der Kammer des Schreckens wird ein und derselbe Tunnel achtmal wiederholt. Auch Details sind rar gesäht, man fühlt sich permanent wie in einem kahlen Korridor voller Gegner. Aber immerhin wurde das Kantenflimmern etwas reduziert und die Texturen sehen nicht mehr ganz so matschig aus. Eine sichtbare Verbesserung zum Vorgänger.

Beim Sound gab es schon letztes Jahr nicht allzu viel zu bemängeln. Serientypische Melodien stehen neben passenden Sound-Untermalungen. Bei der deutschen Synchronisierung konnte man wieder Originalsprecher verpflichten. Lediglich Voldemort ist eine Witznummer und hört sich mehr nach Hein Blöd an als nach dem Dunklen Lord.

Fazit:
Das Beste kommt zum Schluss. Das mag für Rockkonzerte stimmen, für Fußball-Turniere oder auch für das Leben an sich. Für die Harry-Potter-Videospiele findet diese Faustregel aber sicherlich keine Anwendung. Auch das Spiel zum 2. Teil des siebenten Buches bleibt ein Treppenwitz der Videospielgeschichte, ein Titel, bei dem man fast geneigt ist, um die Disc und die Plastikverpackung zu weinen. Die Entwickler haben sich zwar marginal verbessert - der aktuelle Titel ist wenigstens theoretisch spielbar, versucht, abwechslungsreich zu sein, und bietet bessere Technik - trotzdem bleibt das Gesamtpaket ein dunkles Kapitel im Lebenslauf eines jeden Entwicklers und Spielers. Das Storytelling ist amateurhaft, die Spielgestaltung mit ihren nicht enden wollenden Shooter-Kämpfen bitterlich ideenlos, eintönig und primitiv. Ausgerechnet mit der dieser Mega-Lizenz zeigt EA zum Schluss noch einmal die hässliche Fratze des Lizenzspielgenres und macht vieles von dem kaputt, was in den vergangenen Jahren erreicht wurde.

Von Tim Herrmann
Wertung für das Spiel Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2
Wertungen Beschreibung
4.1 Grafik
Nicht mehr ganz so schrecklich wie im Vorgänger, aber immer noch ziemlich schlecht: Lieblos gestaltete und technisch veraltete Umgebungsgrafiken treffen auf kantige Charaktermodelle. Einzig die Zwischensequenzen sind schön.
8.4 Sound
Die deutsche Synchronisation und die musikalische Untermalung bleiben ein kleiner Lichtblick im Dunkeln.
4.5 Steuerung
Die Kamera durch den Pointer rotieren zu lassen, war sicherlich nicht die beste Idee: Ständig wirbelt der Blick in der Gegen herum, das Zielen wird schwerfällig. Immerhin wurden einige grobe Schnitzer aus dem Vorgänger beseitigt.
4.0 Gameplay
Laufen und mit Zaubersprüchen auf immer wieder neu anrollende Gegnerwellen schießen – mehr ist den Entwicklern nicht eingefallen? Das Gameplay ist langweilig und schon nach der ersten Spielsekunde völlig verbraucht.
4.2 Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



© Copyright GameCube X / Nintendo Wii X 2001 - 2025 | All rights reserved