Review von Tim Herrmann () | 10.12.2010
Wer hat nicht schon alles Schindluder mit der Zeit getrieben? Sei es ein gewisser Marty McFly, der in einem De-Lorean-Zeitmaschinenwagen fast seine eigene Geburt verhindert, ein Terminator, der die Macht seiner eigenen Art in der Vergangenheit sichern soll, Harry Potter, der sich selbst und seine Freunde nachträglich vor anströmenden Dementoren rettet, oder ein gewisser Austin Powers, der teils aus Gutmenschentum und teils aus eigener Liebe zu den 1960er-, 70er- und 80er-Jahren zurück in vergangene Zeiten reist. Zu der umfangreichen Liste der Zeitreisenden dieser Welt stoßen jetzt auch Ubisofts Raving Rabbids dazu, die offenbar keine mögliche Thematik für eine Minispielsammlung auslassen wollen. Natürlich haben sie auch diesmal wieder nur fusselige Flausen im ebenso fusseligen Häschenkopf und sorgen für einiges Chaos in Steinzeit, Antike und jüngerer Vergangenheit. Wir haben Raving Rabbids – Die verrückte Zeitreise für euch im Test betrachtet und vergleichen es unter anderem mit seinen zahlreichen Minispielvorgängern.
Nochmal das Gleiche, bitte
Zu den Raving Rabbids gehen einem langsam die Wörter aus. Das Tempo, in dem Ubisoft die Serie in den letzten vier Jahren vorangetrieben hat, ist rasant, dies ist bereits der fünfte Rabbids-Test nach vier Jahren Wii. Kein Jahr verging ohne ein neues Spiel mit den brüllenden Rambo-Rabbids. Die Qualität der Minispielsammlungen variierte teils stark, einzig Rabbids Go Home aus dem letzten Jahr konnte uns wirklich überzeugen. Doch statt an diese Erfolge anzuknüpfen, serviert Ubisoft in diesem Jahr eine weitere Minispielsammlung - mit besagtem Zeitreisenhintergrund.

Stilvoll durch Raum und Zeit reisen kann man natürlich nur in einer Waschmaschine, die ihre Passagiere von Steinzeit über Antike bis in die Moderne transportiert. Woher diese interdimensionale Waschmaschine kommt, erfährt der Spieler aber nicht. Und das ist symptomatisch für den Fehler, der hier zum vierten Mal wiederholt wird: Es gibt keine Hintergrundgeschichte, obwohl sie das einzige Mittel wäre, den Hasencharme wirklich spielen zu lassen. Woher die Karnickel ihre Zeitmaschine haben, ist völlig unklar und bleibt gänzlich unbeantwortet. Was sie damit machen und warum eigentlich: keine Antwort darauf. Natürlich steht und fällt eine Minispielsammlung nicht mit einer Geschichte, doch sie bietet sich besonders für die Rabbids so gut an, um ihrem Spiel einen roten Faden und eine Struktur, Witz und Charme und ein Gameplay-Konzept zu geben. In Teil 1 hat man eine lustige Story noch angedeutet, im zweiten Teil gerade noch angekratzt, im dritten Teil wieder ein wenig mehr ausgeführt, im vierten Teil als Grundgerüst konstruiert und im fünften Teil lässt man sie einfach komplett weg.
Dementsprechend müssen sich die Entwickler auch nicht wundern, dass ihr Spiel wieder einmal so platt geworden ist wie ein Ostfriesenwitz und so unstrukturiert wie eine filzige Dreadlock-Frisur. Die Rabbids befinden sich in einem Museum, das als Hubworld zum Ansteuern von Minispielen und kleinen Extras dient: Wie immer gibt es eine kleine Kostümierungsecke, auch ein Just-Dance-Bereich, den Ubisoft sich einfach nicht verkneifen konnte, ist mit von der Partie und diverse kleine Highscore-Spielchen für Zwischendurch versüßen das Gesamtbild. Innerhalb der Hub-World muss man aber noch einmal in Extra-Hub-Worlds navigieren, in denen sich die einzelnen Minispiele, geordnet nach Kategorien (Ballerarium für die Schießspiele, Hopsarium für die Springspiele etc.), befinden, was wegen der zusätzlichen Ladezeiten und der immer gleichen Überleitungssequenzen ein wenig nervtötend ist. Am Anfang eines jeden Minispiels gibt es dann eine in Comic-Grafik dargestellte Szene aus der Geschichte zu sehen, in die die Rabbids mit ihrer Waschmaschine plötzlich hineinplatzen. Auch das dauert wieder (auch wenn sie nach dem ersten Versuch übersprungen werden können), sodass man insgesamt ca. eine Minute darauf wartet, bis man von der Hubworld ins Minispiel kommt. Trotzdem ist die Hub-World insgesamt gut gelungen, groß und voller kleiner Geheimnisse, kann aber nicht die schalen Inhalte verbergen, zu denen sie die Wege öffnet.
23.
Zunächst ein Blick auf die schiere Anzahl der Minispiele. Teil 1 bot über 80, in Teil 2 waren es noch 60 (von denen allerdings ein großer Teil Mist war), in Teil 3 40, jetzt sind wir bei mickrigen 23 Minispielchen angelangt. Sie sind unterteilt in fünf Kategorien: Laufen, Springen, Schießen, Fliegen und Schwingen und werden durch diese Kategorisierung noch weiter reduziert. Denn die fünf Minispiele vom Springen unterscheiden sich z.B. lediglich im Szenario, aber nur minimal im Gameplay. Beim Schießen und Fliegen bekommt der Spieler wenigstens noch unterschiedliche Aufgaben gestellt, im Rahmen derer er ballern oder fliegen darf. Wer Wii MotionPlus nicht besitzt, muss noch einmal drei Spielchen abziehen, insgesamt landet man netto also sogar noch unter diesen 23. Allesamt sind sie rein auf den Multiplayer-Modus ausgelegt, Einzelspielerherausforderungen, wie es sie in Rayman Raving Rabbids noch reichlich gab, sind nicht vorhanden. Einzelspieler müssen sozusagen draußen bleiben.

Als großes neues Feature wurde vor dem Launch der Online-Modus angepriesen, der diesmal endlich echte Multiplayer-Partien übers Internet ermöglicht und nicht mehr nur zum Posten von Highscores dient. Mit bis zu drei Freunden oder Fremden kann man sich an zwei Konsolen über die Wi-Fi Connection verbrüdern und gemeinsam durchs Museum und durch die Minispiele streifen. Besonders die einfache Navigation durch die Hub-World wird dabei aber oft zur Qual, weil man mit Klopapier aneinander hängt und kommunizieren müsste, um sich für ein Ziel zu entscheiden und nicht in völlig unterschiedliche Richtungen zu laufen. Kommunikation ist aber nicht möglich – weder unter Freunden noch unter Fremden, was den gesamten kooperativen Aspekt vernichtet. Online bieten sich dem Spieler Turniere, Wettbewerbe, Highscore-Listen oder News an.
Doch hinter all dem stehen weiterhin die Minispiele – und deren Qualität lässt zu wünschen übrig. So wird der Titel regelmäßig zum 2D Jump & Run, wenn es in die Rubrik „Springen“ geht. Es ist aber geradezu töricht zu glauben, dass man ein 2D Jump & Run einfach mal schnell im Rahmen eines Minispielkonzeptes hinentwickeln kann. Das kann man nicht, gerade 2D Jump & Run Gameplay braucht bekanntlich viel Feintuning. Die Sprungminispiele (und dadurch gleich ein Fünftel des Spiels) funktionieren einfach nicht, die Sprunghöhe ist statisch und kann nicht reguliert werden, die Genauigkeit ist katastrophal. Und wenn man mit drei konkurrierenden Hasen durch die einfallslos aufgebauten 2D-Levels hüpft, ist der Überblick schnell verloren. Ähnlich verhält es sich mit den Rennminispielen, in denen die Hasen durch die Gegend laufen und entweder Wettrennen veranstalten, bei denen immer zwei mit Klopapier aneinander gekettet sind, Gegenstände einsammeln oder Hindernisparcours überwinden. Die Steuerung ist schwammig, das Gameplay ziemlich arm an Highlights: Man läuft halt herum. Und ab und zu behindert man sich gegenseitig. Darin eine überraschend innovative Minispielidee erkennen zu können, erfordert schon einen gesteigerten Grad an Kreativität.
Die Schießminispiele, die seit dem ersten Teil Tradition sind, sind zwar abwechslungsreich gestaltet, aber zunehmend anspruchslos. Es gibt keine Munition mehr wie die fünf Klopümpel aus Teil 1, es muss nicht mehr nachgeladen werden. Einfach immer B drücken und der Sieg ist euer. Beim Fliegen stellt der Spieler fest, dass die Steuerung manchmal suboptimal funktioniert, weil beide Hände unabhängig voneinander koordiniert werden müssen. In drei Minispielen wird auch Wii MotionPlus unterstützt. Wie schon bei Shaun White Snowboarding – World Stage oder Avatar – Das Videospiel (ebenfalls beide von Ubisoft) ist die Implementierung aber auch hier wieder mehr als halbherzig. Es sind nur drei Minispiele, die von 1:1-Steuerung profitieren sollen, und letztendlich nutzen sie diese auch nur im Ansatz. Mit den Hasen am Haken darf man sozusagen angeln. Mehr nicht.

Der Humor nutzt sich ab
Die Kreativität der Minispiele ist also auch in der vierten Partyspielsammlung wieder meilenweit von Teil 1 entfernt, in dem man Kühe schwingen, auf Warzenschweinen reiten, falsch singende Hasen identifizieren oder mit Klopümpeln durch liebevoll gestaltete und abwechslungsreiche Levels marschieren durfte. All diese Verrücktheiten blitzen noch auf, allerdings lediglich als Kulissendekoration. Und auch ansonsten zieht es mittlerweile nicht mehr, wenn die Hasen nur schreien und rülpsen und furzen. Der Humor entfaltet sich, wenn die anarchischen Hasen eine geordnete Welt durcheinander bringen wie in Rabbids Go Home, nicht wenn sie Julius Caesar die Klamotten vom Leib reißen oder die Titanic mit übelriechenden Körperabgasen zu Fall bringen. Das ist nur noch platt und nicht mal mehr verrückt oder irre, wodurch die Häschen bekannt geworden sind. Letztendlich bleibt es aber Geschmackssache, ob der Humor gefällt oder nicht.
Fazit:
Raving Rabbids – Die verrückte Zeitreise teilt sich den letzten Platz der Serie mit Rayman Raving Rabbids 2, beide sind ähnlich mittelmäßig, wenn auch auf unterschiedlichen Ebenen. In Teil 2 waren die Ideen einfach blöd (möglichst lange die Controller schütteln), in Teil 4 sind die Ideen und die Verpackung durch die Hub-World zwar vom Grundsatz her in Ordnung, aber minderwertig umgesetzt. Die Hälfte des Spiels scheitert an schwammiger, ungenauer Steuerung, der Rest krankt an zunehmender Belanglosigkeit im Vergleich zu den vielen, vielen anderen Partyspielen auf dem Markt. Früher hat man wenigstens noch versucht, den Wii-Controller innovativ zu nutzen, dies geschieht jetzt auch nicht mehr. Die Rabbids allein vermögen nicht länger, diese spielerische Blässe zu überdecken, denn auch sie selbst werden zunehmend blasser. Ubisoft verliert hoffentlich nicht den Blick dafür, wofür die Rabbids bisher standen: für anarchische, bekloppte Gameplay-Szenarien, die spielerisch abwechslungsreich und handwerklich sauber gestaltet waren. Raving Rabbids – Die verrückte Zeitreise ist weder spielerisch abwechslungsreich (23 sich teilweise wiederholende Minispiele), noch besonders kreativ (Lauf-, Spring- und Schießspielchen), bietet keinen einzigartigen Humor (Fäkalhumor und Slapstick) und ist handwerklich nicht besonders sorgfältig entwickelt. Wer ein gutes Rabbids-Spiel sucht, greift also weiterhin besser zum uralten ersten Teil aus dem Jahr 2006 oder dem gelungenen Abenteuer Rabbids Go Home.
Von Tim Herrmann
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Wertung für das Spiel Raving Rabbids – Die verrückte Zeitreise |
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7.0 |
Grafik
Bunte und farbenfrohe Comic-Grafik, die zwar keine echten Highlights zu bieten hat, ihren Zweck aber erfüllt. |
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7.4 |
Sound
Belanglose Hintergrundmusik, gewohnte Rabbids-Töne. |
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5.0 |
Steuerung
Die Pointersteuerung funktioniert gut, allerdings versagt das Gesamtkonzept in den Springminispielen völlig und in den Laufpassagen teilweise. Schwammig und ungenau. |
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5.8 |
Gameplay
Es gibt zu wenig Minispiele - Und die Ideen, die rein auf den Multiplayer ausgelegt sind, werden zunehmend langweiliger und belangloser. Eine Geschichte gibt es nicht, dadurch auch keine Spielstruktur. Die Minispiele werden lediglich von einer gelungenen Hubworld zusammengehalten. |
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6.3 |
Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) |
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