Unser Netzwerk: NintendoWiiX.net   | NintendoWiiX Forum   | Get Hellcase promo code!
Michael Jackson – The Experience
Review von Tim Herrmann () | 10.12.2010
Auf der gamescom kam Michael Jackson – The Experience in unserem Preview nicht besonders gut weg. Ubisoft schien sich mit der großen Lizenzentwicklung zu verhalten wie ein Smooth Criminal, um den großen Namen des King of Pop in das gewinnträchtige Just-Dance-Konzept zu zwängen – und das Prinzip erschien uns so Dirty zu sein wie Diana, geradezu ein Thriller, aber im negativen Sinne. Obwohl es ja eigentlich nicht entscheidend ist, ob man Black Or White ist, flimmerte Michael lediglich als weißes, glimmerndes Tanzfigürchen über den Bildschirm und Fans waren sich mit skeptischem Blick auf Publisher Ubisoft, den sie für Bad hielten, sicher: They Don’t Really Care About Us. Jetzt bietet sich die fertige Version im Laden an und wir laden euch nach einer platten Einleitung ein, mit uns in die Tiefen des Tests zu gehen: Will You Be There?



Es bleibt bei Just Dance
Rayman? War gestern. Beyond Good & Evil? Kunst, aber ein Ladenhüter. Prince of Persia? Versinkt verkaufszahlenmäßig auch langsam im Sand der Zeit. Ubisofts Franchises fielen in den letzten Jahren wie die Fliegen, nur drei sind wirklich erwähnenswert gewachsen und jetzt wichtige Standbeine für den französischen Publisher. Zunächst natürlich die Rabbids, die das ehemalige Firmenmaskottchen Rayman geradezu vom Bildschirm gefegt haben. Zum anderen Assassin’s Creed, in dem das Prince-of-Persia-Franchise weiterlebt. Und der vielleicht größte Überraschungserfolg: Just Dance. Konzipiert als Billigspielchen, das ein paar Unerfahrene abgreifen sollte, schaffte es das exklusive Wii-Werk im letzten Jahr innerhalb kürzester Zeit über die Drei-Millionen-Marke. Der Nachfolger steht bereits im Laden und das Konzept dehnt sich weiter aus: Eine Kinderversion ist erschienen und es ist wohl wahrscheinlicher, dass RTL sein von Assi-TV geprägtes Nachmittagsprogramm zugunsten kontroverser politischer Debatten umschichtet, als dass kein dritter Just-Dance-Teil pünktlich zu Weihnachten 2011 in den Regalen wartet.

Und spätestens zur gamescom 2010 deutete sich an, dass scheinbar auch Michael Jackson vom Just-Dance-Virus infiziert wurde, das im Moment geradezu grassiert. Mit der großen Lizenz will man den King of Pop anderthalb Jahre nach seinem Ableben wieder zurück auf die Videospielbühne bringen – und angeblich hat er sogar selbst noch an dem Spiel mitgearbeitet. Tatsächlich erscheint es aber wahrscheinlicher, dass sich Ubisoft die Lizenz erst kurz nach dem 25. Juni 2009 gesichert hat. Zu Jacksons größten Hits sollte man mittanzen und mitsingen können, zahlreiche Extras freischalten und das Erbe des erfolgreichsten Musikers des letzten Jahrhunderts wahren. Soweit hört sich das ja alles geradezu wunderbar an und The Beatles – Rock Band hat bewiesen, dass man vergangene Kunstwerke auch Jahrzehnte später noch liebevoll und detailreich in die aufstrebende Videospielbranche transportieren kann. Michael Jackson – The Experience nutzt diese Chance nicht.

Das Startmenü begrüßt euch, nach einem merkwürdigen zischenden Klingeln, mit ein paar Jacko-Beats im Hintergrund und insgesamt drei (in Zahlen: 3) Menüpunkten: „Dance“, „Dance School“ und „Optionen“. Den letzten Punkt zu behandeln, sparen wir uns im Rahmen dieses Tests großzügig, der zweite wird später noch angesprochen, doch los geht es mit dem Kernfeature; eigentlich dem einzigen Feature: dem Tanzen. Aus einer Liste wählt ihr eines von Michaels Stücken aus. Dabei ist die Mischung gut gelungen: Sowohl unverzichtbare Klassiker wie Billie Jean und Thriller als auch eher unbekannte Stücke wie Sunset Driver sind vorhanden. Ihr klickt auf eines der Plattencover, tanzt, bekommt eine Punktzahl und wählt das nächste Lied aus. Dazwischen passiert… nichts. Es gibt keinen Story-Modus, der Jacksons bewegte Karriere illustriert, es gibt keine Kampagne, in der man sich von Jackson-5-Zeiten über die ersten Solo-Erfolge hin zu den spektakulären Welttourneen spielt. Alles das ist nicht vorhanden. Michael Jackson – The Experience ist ein reines Tanzspiel – der Gesang wird nur insofern unterstützt, dass die Lyrics unten eingeblendet werden und der Spieler optional mitsingen darf. Muss er aber nicht.



Es funktioniert einfach nicht
Just Dance und auch Just Dance 2 bekamen extrem gemischte Kritiken: Die einen sahen lustige Partyspiele, als die beide Titel zweifellos konzipiert sind, die anderen schlicht und ergreifend unverschämt schlecht entwickelte Shovelware mit nicht funktionierender Steuerung und ohne jeden „Production Value“, wie man es im englischsprachigen Raum so schön nennt, also Spielelemente, denen man eindeutig ein gewisses finanzielles und kreatives Engagement seitens der Verantwortlichen anmerkt. Beide Seiten haben und hatten Recht, auch bei Michael Jackson – The Experience.

Die Steuerung funktioniert schlicht und ergreifend nicht. Wenn man ganz wohlgesonnen ist, kann man dies noch zu einem „nicht gut“ relativieren. Fakt bleibt aber, dass die herkömmliche Wii-Remote nicht die Fähigkeiten hat, hatte und haben wird, Bewegungen des Armes richtig zu erfassen und zu interpretieren. Was sie registriert, sind Stöße und Beschleunigungen (um nicht zu sagen: Schütteln) in vier Richtungen. Deswegen kann es bei schnellen und energischen Stücken wie Thriller schonmal vorkommen, dass einzelne Bewegungen tatsächlich richtig erkannt werden – obwohl es auch hier wieder egal ist, ob die Arme gerade über dem Kopf sind und das charakteristische Kratzen der Horrorgestalten in Thriller darstellen oder einfach kurz das Handgelenk vor dem Bauch geschüttelt wird. Langsamere Stücke wie „The Girl is Mine“, „Heal The World“ oder auch „Earth Song“ sind absolut unspielbar. Und ironischerweise kommt es auch so, dass man bei schwierigen Uptempo-Nummern wesentlich mehr Punkte und höhere Ränge bekommt als bei den einfacheren langsamen. Es werden bei den schnelleren Stücken einfach mehr Bewegungen erkannt und in Punkte umgewandelt, die dann in einer Punkteleiste aufsteigen und irgendwann verschiedene Sterneränge ermöglichen.

Relativierend muss man aber auch hier wieder betrachten, für wen Michael Jackson – The Experience eigentlich ist. Und das ist nicht der Tänzer. Es ist derjenige, der gar nicht tanzen kann und mit dem Spiel eine lustige Party feiern möchte. Und ihm wird es relativ egal sein, welche Bewegungen wirklich, nur durch Zufall oder gar nicht registriert werden – schließlich herrschen in der Gruppe für jeden die gleichen Unzulänglichkeiten. In der Gruppe bekommt übrigens jeder Spieler einen Punktebalken zugewiesen, darf aber exakt die gleichen Choreografien tanzen wie alle anderen (und dabei zwischen den Schritten Michaels und seiner Background-Tänzer auswählen).

Letztendlich kann für Michael Jackson – The Experience genauso wie für Just Dance 1 und 2 sagen, dass niemand für das Spiel ein Tanztalent haben muss und gleichzeitig niemand durch das Spiel zum Tänzer wird. Es ist kein ernstzunehmendes Tanzspiel, es ist eine Sammlung aus Videos, die zum Mithampeln motivieren.



Durchweg sauber und trotzdem leer
Was in Just Dance die in Neonfarben leuchtenden Tanzfiguren sind, ist in Michael Jackson – The Experience ein leuchtendes Abbild Michael Jacksons und seiner Background-Tänzer. Im Vergleich zur gamescom-Demo sieht man ein wenig mehr Gesichtskonturen, insgesamt bleibt die Spielfigur aber ein blasses Abbild, dem man keine Mimik ansieht. Trotzdem sind die Animationen durchweg sauber. Die Tanzschritte wurden gut animiert, die Details an der Spielfigur reichen vom flatternden Hosenbein bis zur wehenden Frisur. Rein technisch ist hier kaum etwas zu bemängeln, aber künstlerisch ist das Ganze schwach. Auch die Videos, die im Hintergrund ablaufen, sind nicht sonderlich kreativ und lehnen sich lediglich an die Clips zu den Songs an, sofern es sie gab. Wenn keine Videovorlage zur Verfügung stand oder nur eine sehr spartanische aus den 70er-Jahren, merkt man das ganz eindeutig, denn dann sind die Videos im Hintergrund viel einfallsloser. Hier haben sich die Entwickler wenig Mühe gegeben.

An der Soundqualität gibt es nichts zu meckern: Michael Jacksons Songs (natürlich alles Originalversionen) sind genial wie eh und je und für Fans schon für sich eine Spielmotivation. Die gelungene Songauswahl wurde bereits angesprochen. Ärgerlich ist aber, dass schon von Anfang an alles zur Verfügung steht und es im Musikbereich nichts zum Freispielen gibt. Die Sterne, die man im Dance-Modus mit hohen Punktzahlen sammelt, bringen in der Abteilung Dance School Freischaltungen. Hier führen drei bekannte Tänzer, die zu Lebzeiten tatsächlich mit MJ zusammen gearbeitet haben, diverse bekannte Moves vor. Es handelt sich dabei schlicht um Videos ohne interaktive Elemente, die stur von Anfang bis Ende durchlaufen. Trotzdem ein nettes Feature, das – und das ist extrem wichtig – dem Spiel einen kleinen Mehrwert verleiht.

Fazit:
Das Stichwort bei der Bewertung von Michael Jackson – The Experience ist Mehrwert. Denn Mehrwert im Vergleich zum umfangreichen Produktarchiv lässt es zum allergrößten Teil vermissen. Es ist kein ernstzunehmendes (Tanz-)Spiel, weil die Steuerung miserabel ist und weil der Wii-Controller nur grobe Stöße der Hand mitbekommt. Hier wäre Wii MotionPlus die einzige Abhilfe gewesen, wogegen sich Ubisoft aber wohl bewusst entschieden hat. Die Musik ist natürlich brillant – aber sie gibt es bereits auf diversen Alben und Best-Of-Kollektionen, die es für Spottpreise zu kaufen gibt. Die Videos sind nett animiert, aber kein Vergleich zu den Originalen mit dem echten Michael Jackson (der keine glühende Animation ist) oder zu den Live-Auftritten, die es auf Dutzenden DVDs gibt. Ubisoft bereitet das viele bereits vorhandene Material der Michael-Jackson-Geschichte lediglich auf und fasst es zusammen, ohne dabei viel Eigenes (eigentlich nur das nicht funktionierende Tanz-Gameplay) einfließen zu lassen. Und bei den vielen Kopien scheitert man an künstlerischer Gestaltung und an spielerischer Umsetzung. Eigentlich müsste man Michael Jackson – The Experience aus spielerischer Sicht also eine niederschmetternde Wertung verpassen – doch es ist ein Partyspiel und hat als solches mit seiner unschlagbaren Lizenz und dem minimalistischen, dumpfen, einfach nicht funktionierenden, stupiden Tanz-Spielsystem eben doch Erfolg und macht zu gegebenen Anlässen wohl einfach Spaß.

Von Tim Herrmann
Wertung für das Spiel Michael Jackson – The Experience
Wertungen Beschreibung
6.2 Grafik
Die Animationen der Tänzer bieten keine Angriffsfläche für Kritik, wohl aber die gesamte künstlerische Gestaltung. Im Prinzip besteht Michael Jackson – The Experience nur aus vielen Videos.
9.5 Sound
Brillante Songs, gute Songauswahl, gute Soundqualität, auch wenn einige Stücke sich nicht unbedingt zum Nachtanzen eignen.
2.0 Steuerung
Funktioniert einfach nicht und erkennt Bewegungen nur zufällig. Punkt.
3.0 Gameplay
Das Tanz-Gameplay geht wegen der Steuerung nicht auf und der Rest des Spiels besteht nur aus Videos zum Angucken.
5.0 Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



© Copyright GameCube X / Nintendo Wii X 2001 - 2025 | All rights reserved