Review von Tim Herrmann () | 10.05.2010
Blondinenwitze sind so alt wie die Zeit selbst. Es ist zum Beispiel eine alte Volksweisheit, dass Blondinen Pfeffer über den Bildschirm streuen, damit das Bild scharf wird. Und dass sie stets einen Eimer Wasser über die Tastatur kippen, um durchs Internet surfen zu können, ist ebenfalls hinreichend bekannt. Im Jahr 2008 wurde der Stoff, aus dem Legenden gemacht sind, auch in einem Videospiel verwurstet: In So Blonde hat der Spieler sich auf dem PC in dem nicht unansehnlichen Körper von Sunny Blonde auf einer einsamen Insel durchgeschlagen. 2010 erscheint jetzt auch eine Umsetzung des Point & Click Abenteuers für Wii und den Nintendo DS in einer abgewandelten Version. Wir haben die goldblonde Perücke aus dem Schrank gekramt und uns mit Sunny Blonde ins Piratenabenteuer gewagt.
Naturblond
Sunny Blonde ist naturblond. Und damit ist eigentlich auch schon alles gesagt: So Blonde – Zurück auf die Insel, wie das neue, alte Spiel mit vollem Namen heißt, bezieht den Großteil seiner Substanz aus dem Kollidieren zweier Welten. Auf der einen Seite: Sunny Blonde. 17, naiv, verwöhnt, "aufgebitcht". Auf der anderen Seite: Piraten. Dreckig, raubeinig, zurückgeblieben.
Sunny schafft es nämlich, während einer Pazifikkreuzfahrt über Bord zu gehen, und wird an einer merkwürdigen Insel angespült. Und sobald das Problem des nackten Überlebens vorerst gelöst ist, tun sich viel gravierende Schwierigkeiten auf: Wie sehe ich aus, sitzt das Make-Up gut, wo ist eigentlich meine Designer-Handtasche und wie komme ich zurück in die Stadt zum Shoppen? Simone de Beauvoir würde sich angesichts dieses Frauenbildes im Grabe umdrehen und Alice Schwarzer kräuseln sich bestimmt auch heute noch die zweifellos ordentlich gepflegten Fußnägel.

Nun steht natürlich eine Frage im Vordergrund: Was wollen die Entwickler eigentlich vermitteln? Parodieren sie die schickimicki Dummchen-Welt von Paris Hilton und Co., wo blonde Naivität zu einem Markenzeichen stilisiert wird? Dann ist die Parodie streckenweise ganz ordentlich gelungen. Oder wird hier einfach versucht, ein paar Lacher mit freundlicher Unterstützung der angestaubten Blondinenklischee-Mottenkiste zu generieren? Dann ist das einfallslos und unterirdisch.
Lachen kann man über Sunnys dümmliche Kommentare nämlich aufgrund ihrer Abgewetztheit eigentlich nicht, selbst Schmunzeln wird zu einer ernstzunehmenden Schwierigkeit, wenn man nicht so gutmütig ist wie der liebe, nette WiiX-Tester und keine gezielte Parodie hinter den flachen Gags findet, sondern sie als humoristisches Mittel der Entwickler versteht.
Blonde und Blackbeard
Sunny Blonde tapert in So Blonde also über die tropische Insel irgendwo im Ozean und trifft dabei auf Piraten, die seit Jahrzehnten von der Außenwelt abgeschnitten sind und ihr nicht helfen können, zurück in die große Stadt auf dem Festland zu kommen. Das Gameplay präsentiert sich hierbei (wie könnte es anders sein?) in Form eines Point & Click Abenteuers im ganz klassischen Sinne. Sunny untersucht ihre Umgebung, spricht mit den 40 Charakteren im Spiel, löst ab und zu auch ein Rätsel und darf sich manchmal in kleinen Minispielchen beweisen, die optional aber auch übersprungen werden können (und angesichts ihrer völligen Substanzlosigkeit auch übersprungen werden sollten).
Im Zentrum stehen allerdings meistens keine knackigen Kopfnüsse, sondern die Geschichte um die Piraten, um die hilfe- und vor allem schminkelose Sunny Blonde und um einen mysteriösen Inselfluch, der euch stellenweise auch einen anderen Charakter steuern lässt, mit dem sich einige Passagen lösen lassen.

Die Rätsel präsentieren sich vom Schwierigkeitsgrad her recht moderat. Durch Druck auf den Plus-Knopf auf der Wii-Fernbedienung lässt sich einstellen, dass jedes Objekt, das man untersuchen kann, mit einem kleinen Stern markiert wird. So geht einem kein Objekt durch die Lappen, das man an ganz anderer Stelle vielleicht gut gebrauchen kann. Wie im Point & Click Genre üblich, gilt es auch in So Blonde, einige alltägliche Gegenstände geschickt miteinander zu kombinieren, um daraus etwas Neues zu basteln, das im Spielverlauf weiterhilft. Spielerisch bietet So Blonde aber zu keinem Zeitpunkt größere Sensationen, belässt es bei konventionellem Zeigen und Klicken und konzentriert sich hauptsächlich auf Dialoge, Charaktere und Rahmenhandlung.
An dieser Stelle kommt ein weiterer Punkt hinzu, der bei Point & Click Abenteuern mittlerweile essenziell ist: die Sprachausgabe. Sie ist in So Blonde ziemlich gut gelungen. Sunnys Besetzung ist in ihrer deutschen Version gut zu ertragen – und das ist gar nicht mal ironisch gemeint, denn bei so dümmlichen Sprüchen, wie sie von dem wandelnden Klischee zu hören sind, wäre eine schrille Pieps-Stimme der Todesstoß gewesen. Die anderen Charaktere sind ebenfalls gut synchronisiert, auch wenn man keine Meilensteine der Schauspielkunst erwarten sollte.
Wiimake der PC-Fassung
Eine komplette Neuentwicklung ist So Blonde – Zurück auf die Insel übrigens nicht. Das Spiel basiert auf dem PC-Original aus dem Jahr 2008, bietet aber neue Handlungsstränge und einen veränderten Ablauf in teils erneuerter Aufmachung. Der Untertitel „Zurück auf die Insel“ ist also etwas irreführend. Schließlich kommt Sunny Blonde mitnichten freiwillig zurück, um neue Abenteuer in einem Wii-exklusiven zweiten Teil des PC-Abenteuers zu erleben. Stattdessen wurde die alte Thematik noch einmal verwurstet und für Wii und den Nintendo DS angepasst.
Die Steuerung auf Nintendos Konsole ist dabei stets unüberraschend unspektakulär: Der Pointer dient als Maus, mit dem A-Knopf kann man Dinge einstecken, mit dem B-Knopf betrachten. Das Steuerkreuz öffnet das Inventarmenü (all das funktioniert übrigens genauso wie beim Genreprimus Geheimakte Tunguska und wurde 1:1 übernommen). Mit angeschlossenem Nunchuk kann man Sunny auf ihren High-Heels durch die Insel stapfen lassen, ohne Erweiterung ist es ein wenig lästig, von einem Ende des Bildschirms zum anderen zu kommen, weil man nicht einfach auf den Boden klicken kann, um Sunny zu bewegen. Man muss immer ein Objekt anwählen.

Bei der Grafik hat man sich für schicke, bunte Comic-Hintergründe entschieden und sie mit eher mäßig modellierten 3D-Charaktermodellen gespickt, die nicht überragend gut animiert sind und auch ansonsten nicht gegen gute Großportraits neben den Dialogboxen ankommen, die mit verschiedenen Gesichtsausdrücken gut die Stimmung des jeweils Sprechenden widerspiegeln. Schlampig: Bei der Umsetzung des PC-Spiels hat man auf einen 16:9-Modus verzichtet, sodass Wii-Spieler sich das Spiel in 4:3 anschauen und sich mit schwarzen Balken rechts und links zufrieden geben müssen.
Der Sound vertraut auf karibische Steeldrum-Klänge und ab und zu stereotype Dschungel- oder Meeresgeräusche, die stets zum Geschehen passen und nie wirklich Raum zur Kritik bieten. Auf die gute deutsche Sprachausgabe wurde ja bereits eingegangen.
Fazit:
So Blonde – Zurück auf die Insel ist ein gutes Point & Click Abenteuer, das allerdings nicht so richtig Fahrt aufnehmen will. Das liegt vor allen Dingen an der eher wenig aufregenden Geschichte, die weder Fisch (Parodie) noch Fleisch (lustig) ist, von einem Klischee zum nächsten tippelt und mit Piraten und mysteriösen Flüchen auch nicht gerade unverbrauchte Themen behandelt. Den Charakteren fehlt die lebendige Spritzigkeit, die man in anderen storybasierten Point & Click Abenteuern schon besser gesehen hat, und die Rätsel sind keine großen Kreativexplosionen. So bleibt letztendlich eine gute Neuauflage für Wii übrig, die für Genrefans durchaus reizvoll sein kann (und das ist keine Anspielung auf Sunny Blonde), aber eben große Konkurrenz über sich sehen muss.
Von Tim Herrmann
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Wertung für das Spiel So Blonde - Zurück Auf Die Insel |
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7.8 |
Grafik
Schöne, wenn auch statische Comic-Hintergründe mit mäßigen 3D-Charakteren. Unverständlich, warum es keinen 16:9-Modus gibt. |
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8.0 |
Sound
Passende karibische Klanguntermalung mit netten Sound-Effekten zur richtigen Zeit. Gelungene deutsche Synchronisation. |
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8.0 |
Steuerung
Gut kopierte, einfache Steuerung ohne Bewegungselemente oder sonstige Interaktivität. |
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7.7 |
Gameplay
Dem eigentlich grundsoliden Konzept fehlt es an einer originellen Geschichte und an liebenswerten, tiefgründigen Charakteren. Die Protagonistin ist ein blondes Klischeebündel, mit dem man sich nie richtig identifizieren möchte. Dadurch geht viel Charme verloren. |
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7.8 |
Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) |
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