Review von Kamil Witecy () | 05.03.2009
Knobel-, Lern- und Geschicklichkeitsspiele sind für viele Entwickler eine beliebte Investitionsmöglichkeit, um das eigene Portfolio zu erweitern. Zum einen verschlingen die Projekte im Gegensatz zu großen Action-Blockbustern meist wesentlich weniger Geld, was zugleich auch das finanzielle Risiko minimiert - in Zeiten der Wirtschaftskrise kein unbedeutender Faktor. Zudem erfreut sich das Genre seit jeher großer Beliebtheit und kann sich bei einer guten Umsetzung auf seine eingefleischten Fans verlassen. Darüber hinaus haben gerade Lernspiele noch immer Hochkonjunktur auf den Nintendo-Plattformen, was nicht zuletzt durch Titel wie Dr. Kawashimas Gehirnjogging losgetreten wurde.
Dies sind vermutlich auch einige Gedankengänge, die bei der Entwicklung von Prof. Heinz Wollf´s Gravity eine Rolle gespielt haben, welches als Umsetzung des im letzten Jahr erschienenen PC-Spiels bereits für den Nintendo DS veröffentlicht wurde und sich nun auch seinen Weg in den blau schimmernden Disc-Schacht der Nintendo Wii geebnet hat.
Newtons vermeintliches Apfeltraumata
Grundlage und einzige Konstante des Knoblers aus dem Hause Deep Silver ist die Schwerkraft, die einst von Isaac Newton entdeckt wurde. Der Legende nach begann alles mit einem Apfel, der Newton beim Sitzen unter einem Baum auf den Kopf gefallen sein soll und letztlich den Denkanstoß für eine fast zwanzigjährige, wissenschaftliche Arbeit lieferte. Seitdem wurde mit der Anziehungskraft der Erde viel herumexperimentiert. So auch in einigen Videospielen, die sich mit dem elementaren Bestandteil der Physik auseinandersetzen. In Professor Heinz Wolff’s Gravity geht es darum, die im Spiel umgesetzte Physik logisch zu begreifen und mit ihrer Hilfe kurze Rätsel zu lösen. Doch bevor es an Eingemachte geht, stellt sich zunächst die Frage, wer dieser (immerhin im Spieletitel erwähnte) Professor Heinz Wolff eigentlich ist.
Der in Berlin geborene Wissenschaftler, der sogar ehrenamtlicher Vorsitzender des Microgravity Advisory Committee (Beratungsausschuss für Mikrograviatation) der Europäischen Welttraumorganisation war, könnte einigen vor allem als Erfinder des Begriffs „Bioengineering“ im Jahr 1954 bekannt vorkommen, mit dem der Transfer des enormen technischen Fortschritts (der im Zweiten Weltkrieg gemacht wurde) zu den Feldern der Biologie beschrieben wird. Besonders bekannt ist er jedoch in Großbritannien, wo er sich seit den 70er Jahren durch verschiedene TV-Produktionen als Förderer der jungen Entdecker und Forscher einen Namen gemacht hat.
Somit ist es gar nicht so abwegig, dass der Professor nicht nur seinen Namen bereitstellt und das Cover des Spiels ziert, sondern wie sein japanisches Pendant, Dr. Kawashima, durch das Spiel führt und stets mit Rat und Tat zur Seite steht.
Physik spielend entdecken?
In den insgesamt Hundert verschiedenen Rätseln der Gravity-Welt wird man jeweils vor die Aufgabe gestellt, mit Hilfe der physikalischen Gesetzmäßigkeiten und einer gehörigen Portion Hirnschmalz eine Lösung zu finden. Das oberste Ziel ist es dabei, mit einer in jedem Level herunterfallenden Kugel einen Schalter zu betätigen. Dazu müsst ihr eine euch vorgegebene Anzahl an Gegenständen (z.B. Murmeln, Quadrate, Dreiecke, Stangen oder sogar kleine fahrbare Vehikel) so geschickt platzieren und kombinieren, dass am Ende, sprich wenn die Kugel von euch losgelassen wird, eine durchgängige Kettenreaktion entsteht, die bis zur Betätigung des Schalters reicht. Besonders löblich dabei: Der Lösungsweg ist euch selbst überlassen. Dies hat den enormen Vorteil, dass dadurch euer kreatives Denken nicht beeinträchtigt wird und neben der „Musterlösung“ auch allerhand andere Lösungsansätze möglich sind, die teilweise zu den abenteuerlichsten Konstruktionen führen. Der Kreativität sind somit im Rahmen der Möglichkeiten, also je nachdem wie viele verkettbare Objekte euch zur Verfügung stehen, keine Grenzen gesetzt. Wichtig ist wirklich nur, dass am Ende der Schalter betätigt wird.

Für die Umsetzung eurer Ideen sorgt eine gut gelungene und realistische Physik-Engine, sodass der Spieler nicht nur die Kugeln und Murmeln balancieren und rollen lassen kann, sondern auch das Eigengewicht der zusätzlichen Objekte und Hilfsmittel beachten muss. Gut umgesetzt wurde auch die Möglichkeit der Wiederherstellung eurer Konstruktionen. Da es wirklich sehr frustrierend wäre, nach einem gescheiterten Versuch wieder gänzlich von vorne anzufangen, bietet sich diese Art eines Testdurchlaufs an, an dessen Ende sich alle Objekte auf Knopfdruck wieder auf ihre vorherige Position zurückbegeben.
Wer trotzdem einmal den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht und festhängt, kann dem Professor gegen ein kleines Entgelt an Punkten einen Tipp entlocken, der euch im Gegenzug die Position eines Levelobjektes preisgibt. Die Alternative besteht darin, sich erst einmal einem anderen Level zu widmen. Dies sei dem ein oder anderen auch wirklich ans Herz gelegt, da gerade am Anfang nicht zu verschwenderisch mit seinen Punkten umgegangen werden sollte. Denn während die ersten Rätsel und Gebilde mit ein wenig Überlegung relativ einfach zu meistern sind, wird der Schwierigkeitsgrad sukzessive fordernder. Dies führt dazu, dass auch gewagte Konstruktionen nötig sind, die euer logisches Denken auf Trab halten und euch vor einige knackige Kopfnüsse stellen, bei denen ihr die Tipps vom Professor gut gebrauchen könntet und Durchhaltevermögen an den Tag legen müsst.
So schön dies bislang auch klingen mag, ändert es nichts daran, dass die Rätsel bereits nach wenigen Stunden gelöst sind und das Hauptspiel damit bereits beendet ist. Was in diesem Modus dann noch übrig bleibt, ist das Herumexperimentieren, um andere Lösungswege zu finden. Leider gibt es keine Möglichkeit, alle vorgegebenen Musterlösungen zu sehen und diese mit seinen eigenen Lösungen zu vergleichen, was in diesem Zusammenhang ein wenig schade ist.
Als weiterer Störfaktor entpuppt sich bedauerlicherweise die Steuerung, die alles andere als optimal umgesetzt wurde und sehr holprig daherkommt. Sämtliche Objekte können durch einen Druck auf den A-Knopf ausgewählt und dann via Pointerfähigkeit der Wii-Fernbedienung umherbewegt und platziert werden. Mit dem Z-Knopf des Nunchuks kann zusätzlich gezoomt werden, um so einzelne Hindernisse genauer begutachten zu können oder Objekte präziser zu integrieren. So weit, so gut. Wie man sich jedoch leicht vorstellen kann, ist es elementar wichtig, die Objekte drehen zu können. Doch anstatt dabei geschickt die Features der Wii-Remote zu nutzen, muss zum Drehen das Steuerkreuz, beziehungsweise der Analogstick des Nunchuks benutzt werden. Dies ist nicht nur sehr umständlich und langsam, sondern auch unpräzise und vor allem wirklich gemeine Fummelarbeit, die das ein oder andere Mal zu mittelschweren Frustanfällen führen kann.
Spielereien und spaßige Kanonengeschosse
Neben den Hundert Gravity-Rätseln gibt es im Hauptmodus zusätzlich noch so genannte Baukastenlevel zu entdecken, die mit steigendem Spielfortschritt freigeschaltet werden. In diesen insgesamt 20 Baukästen darf vollkommen frei und ohne Vorgaben gebastelt werden. Ohne ein Ziel vor Augen zu haben, können muntere Konstruktionen aufgebaut und wieder eingerissen, Wasser als weiteres Element hinzugefügt und letztlich mit allen Aspekten der Schwerkraft gespielt werden.
Habt ihr euch auch mit den Baukästen nach einiger Zeit ausgetobt, bleibt nur noch der Party-Modus, hinter dem sich insgesamt vier Minispiele (in der DS-Version waren es lediglich drei) verstecken. Bei „Hoch hinaus“ müsst ihr in etwas mehr als einer halben Minute einen stabilen Turm aus diversen Quadraten und Stangen bauen, der am Ende mit einem kleinen Erdbeben auf seine Standfestigkeit geprüft wird. Je höher ihr stapelt, desto besser. In einem anderen Minispiel müsst ihr mit einer Kanone geschickt Kugeln in Körbe schießen oder à la Boom Blox gestapelte Türme mit möglichst wenigen Kugeln zum Einstürzen bringen. Beim letzen Minispiel „Abräumer" kommt erneut eine Kanone zum Einsatz. Dieses Mal sind die Geschosse jedoch verschiedenfarbig, ebenso die Klötze, die es abzuschießen gilt. Allerdings verschwinden nur Blöcke, die mit einer Kanonenkugel der gleichen Farbe getroffen wurden.
Insgesamt sind die Minispiele eine durchaus kurzweilige Abwechslung, können aber ebenfalls nicht langfristig an den Bildschirm fesseln. Schade ist hierbei vor allem, dass ihr sämtliche Minigames nur alleine und nicht im Mehrspielermodus spielen könnt, was den Namen „Party-Modus“ ein wenig lächerlich klingen lässt. Eine Unterstützung von Highscorelisten über die Nintendo Wi-Fi Connection werdet ihr ebenfalls vergebens suchen.

Auch grafisch gibt das Spiel nicht viel her. Die Levels, die euch vorgesetzt werden, sind durchzogen von zweidimensionalen Rampen, Senken, Steigen oder treppenartigen Auf- und Abgängen, die mit einem leicht comichaften Touch versehen sind und auch zum Spiel passen. Die unterschiedlich farbigen Objekte bringen die Wii jedoch mit Nichten an seine Grenzen. Ein wenig hervorzuheben sind jedoch die Hintergrundgrafiken des Titels, die zwar allesamt von statischer Natur sind, aber dennoch mit düsteren Landschaften, futuristischen Themen, Schneelandschaften sowie der allgemein malerischen Art einiges her machen. Letztendlich ist dies aber auch gar nicht so dramatisch, da sich der Titel komplett der Spielerei mit der Schwerkraft verschrieben hat.
Ein wenig anders verhält es sich jedoch beim Sound. Hier wechseln sich gefühlte zwei Tracks nach und nach ab und bieten somit nur wenig für das verwöhnte Videospielerohr. Viel schlimmer als die mangelnde Abwechslung ist jedoch der psychedelische Dudel-Charakter der Tracks, der statt zu entspannen spätestens bei der ersten frustigen Stelle so dermaßen anfängt zu nerven, dass vermutlich neun von zehn Spielern den Ton abstellen werden.
Fazit:
Professor Heinz Wolff's Gravity ist auch auf der Wii eine nette Ansammlung von Hundert Schwerkraft-Rätseln, die unter das Motto „Physik spielend entdecken!" gestellt werden können und somit sogar pädagogisch wertvoll sind. Das Konzept des Knoblers ist durchdacht, geht aufgrund einer guten Physik-Engine auf und sorgt für Spaß. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die teils fummelige Steuerung in der Wii-Version, die unspektakuläre bis unterdurchschnittliche Technik, die mangelnde Abwechslung und vor allem der viel zu geringe Umfang Anlass zur Kritik bieten. Die Hundert Rätsel sind trotz einiger harter Kopfnüsse nach wenigen Stunden gemeistert und auch die zusätzlichen Minispiele können nicht allzu lange unterhalten, während ein Mehrspielermodus erst gar nicht eingebaut wurde. An dieser Stelle könnte man sich fragen, ob die Entwickler den richtigen Vertrieb gewählt haben. Als WiiWare Download-Titel für etwa 1000 WiiPoints könnte man den Titel durchaus für die breite Masse empfehlen, wohingegen die Investition von 40 Euro wirklich nur für beinharte Knobelfans in Erwägung gezogen werden sollte.
Von Kamil Witecy
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Wertung für das Spiel Prof. Heinz Wolff´s Gravity |
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5.5 |
Grafik
Durchaus passender Grafikstil mit nett anzusehenden Hintergrundgrafiken, der jedoch unspektakulär und insgesamt nur zweckmäßig ist. |
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1.9 |
Sound
Wenig bis keine Abwechslung, Dudel-Charakter und ab einer gewissen Zeit nur noch nervig. |
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6.5 |
Steuerung
Während die Pointer-Fähigkeiten der Wii-Remote gut eingesetzt werden, stört die unnötig umständliche, langsame und unpräzise Steuerung beim Drehen von Objekten merklich und zerrt an den Nerven des Spielers. |
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7.0 |
Gameplay
Gelungenes Rätselkonzept mit einigen netten Ideen und einer gut funktionierenden Physik-Engine, dem es jedoch an Abwechslung und vor allem Umfang mangelt. |
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6.0 |
Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) |
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