Ubisofts Image ist bei Nintendo-Fans schwer angeschlagen. Während auf der XboX360 und der PS3 die Großentwicklungen aus Montreal erscheinen (Assassin’s Creed, Beyond Good & Evil 2, Prince of Persia), ist das Ubisoft-Logo auf den Verpackungen von Wii-Spielen mittlerweile zum Warnsignal geworden. Merkwürdigerweise haben die Entwickler besonders bei Exklusivtiteln kläglich versagt – langweilige Spielprinzipe, amateurhafte Entwicklung, Produktionen nur für eine Zielgruppe. Multiplattformtitel und Umsetzungen waren auch kaum besser als Petz, My-Coach und Co. und bis auf Rayman Raving Rabbids und Red Steel ist Ubisoft auf Wii noch nicht glanzvoll in Erscheinung getreten.
Dementsprechend gering war auch die Begeisterung, als Shaun White Snowboarding für die PlayStation 3, die XBOX360 und Wii angekündigt wurde. Spieler erwarteten eine gekürzte Version für Nintendo mit vereinfachter Wii-Schüttelsteuerung und anspruchslosem Gameplay. Doch mit der Ankündigung über die Unterstützung des Wii Balance Boards begannen die Skeptiker zu zweifeln: Warum sollte man ein Spiel, das man gar nicht ernsthaft zu Qualität bringen möchte, mit einer speziell angepassten Steuerung versehen?
Mittlerweile ist das Spiel in unseren Händen, das Balance Board unter den Füßen und der Ubisoft-Ruf auf dem Prüfstand. Was aus dieser Kombination nun wird, erfahrt ihr in unserem Testbericht zu Shaun White Snowboarding – Road Trip für Wii.
Erste Gehversuche sind schwer
Normalerweise ist es bei Wii-Spielen ja so: Man macht sie an, nimmt die Controller in die Hand, spielt zwei Minuten und ist dann schnell Meister der Steuerung, weil ja sowieso alles über A, B und Bewegungen abläuft. Bei Shaun White Snowboarding ist das zunächst ein wenig anders, wenn man als Balance-Board-Besitzer die Steuerung über Ganzkörperbewegungen auswählt, die das Spiel als eines der bisher noch sehr wenigen exklusiv auf Wii unterstützt.
Zunächst führt euch eine animierte Zwischensequenz in die natürlich eher beiläufige Story ein. Snowboard-Legende Shaun White (der im Spiel selbst erst spät als freischaltbarer Spielcharakter in Erscheinung tritt) ruft seine Freunde zu sich nach Kanada, wo es an eisigen Hängen heruntergehen soll, und trotz eines eingegipsten Snowboarder-Kumpanen machen sich die abenteuerlustigen Protagonisten sogleich auf den Weg. Es folgen erste kleine Belehrungen in Sachen Menünavigation und schon geht es auf die erste Piste, die natürlich erst einmal recht unspektakulär daherkommt. Welche Bewegungen wann auszuführen sind, zeigt ein Symbol in der unteren linken Ecke des Bildschirms an, auf dem das Balance Board und seine Druckpunkte dargestellt werden. Das Geradeausfahren ist die erste zu erlernende Lektion, aber so einfach, wie sich das anhört, ist es gar nicht. Tatsächlich ist dazu eine pendelnde Bewegung nach vorn und nach hinten nötig und die videospielertypische Bewegungsfaulheit verleitet meist dazu, nur die Beine und Zehenspitzen zu benutzen, um dem Balance Board eine Ganzkörperbewegung vorzutäuschen. Lange wird man das allerdings nicht aushalten können, ohne die Balance zu verlieren, weswegen nach und nach die Tatsache akzeptiert wird, dass wirklich solche Bewegungen ausgeführt werden müssen, wie sie bei der echten Pistenabfahrt vorkommen.
Sammeln, jagen, Tricks vollführen
Das Wii Balance Board steht senkrecht zum Fernseher und ihr als Spieler dreht dem Bildschirm eure linke Schulter zu und müsst somit stets einen angewinkelten Blick auf das Spielgeschehen haben. Lehnt ihr euch nach vorn, steuert der Snowboarder von euch aus gesehen nach rechts, Gegenteiliges geschieht bei Gewichtsverlagerung nach hinten. Und dann geht es richtig los.
Shaun White Snowboarding – Road Trip basiert auf einem Missionsprinzip. Es gibt verschiedene Weltregionen (Kanada, USA, Schweiz, Chile, Südostasien) mit unterschiedlichen Abfahrtspisten, auf denen dann wiederum zwei Aufgaben erledigt werden müssen, in denen dann zwei Ziele zu erledigen sind (mindestens aber eines). Diese Ziele können aus einer möglichst schnellen Abfahrt oder einem Rennen mit einem Kontrahenten bestehen. Außerdem sind manchmal bestimmte Items einzusammeln (die bei weitem nicht so einfach zu ergattern sind, wie man vielleicht denkt) und natürlich Trickpunkte in möglichst großer Anzahl zu produzieren.
Letztere verdienen eine nähere Erklärung: Tricks könnt ihr in den unterschiedlichsten Situationen im Spiel ausführen und dadurch Punkte sammeln. So gibt es zum Beispiel Schanzen, an deren Kanten ihr eine Sprungbewegung ausführt (ohne wirklich auf dem Board zu springen, natürlich, andernfalls pausiert das Spiel sofort und klopft euch mit einem Textkasten auf die Finger) und so in die Lüfte geht. Ohne Boden unter den Füßen werden Stunts wieder über das Balance Board ausgeführt. Neigungen nach vorn, nach hinten, nach rechts oder links oder Mischungen aus solchen Verrenkungen bewirken unterschiedliche Manöver. Ein Druck auf B, A oder B und A zusammen führt dann zu anderen Ergebnissen bei denselben Bewegungen. Experimentierfreudige kommen hier voll auf ihre Kosten und können auf dem Balance Board schaukeln, um die waghalsigsten Manöver auszuführen. Motivierend, besonders weil die Knöpfe der Wii-Remote wirklich selten eine Rolle spielen und deshlab keine Koordinationsprobleme zwischen Hand und Fuß entstehen. Zu einem kleinen Problem wird es nur manchmal, schnell wieder in neutrale Balance zu kommen, sodass man auch wirklich parallel zur Schneebahn wieder aufkommt, ohne sich zu überschlagen. Aber das ist wohl nicht nur ein Problem des Videospiels…
Eine wichtige Rolle bei der optimalen Punktsammlung spielen auch Multiplikationswerte von 1,2 bis 3, die sich nach jedem erfolgreichen Stunt erhöhen und den gerade erreichten Wert um den bestimmten Faktor vervielfachen. Nach ca. 5 Sekunden ohne Trick verfällt die Multiplikationsmöglichkeit wieder, wenn dann nicht schon das nächste Kunststück stattgefunden hat. Bei einem unsauber ausgeführten Manöver in der Luft, nach dem der Snowboarder ruppig wieder aufkommt, seid ihr die nützlichen Vervielfacher ebenfalls wieder los.
Wie oben bereits angeschnitten, bietet fast jede Piste zwei Missionen, in denen wiederum zwei Ziele zu erfüllen sind. Um eine Mission zu bewältigen und ein begehrtes Ticket einzusacken (das neue Pisten, Strecken, Missionen oder Regionen freischaltet), muss euer Snowboarder mindestens die erste Aufgabe erfüllen. Besonders ehrgeizige Spieler bekommen ein so genanntes Respekt-Ziel vorgesetzt, das schon kniffliger zu erreichen ist. Nach und nach werden auf den unterschiedlichen Hängen so neue Aufgaben freigeschaltet und nach einer gewissen Zeit meldet sich Shaun wieder per Mobiltelefon und macht klar, dass er schon gar nicht mehr an euren Hängen boardet, sondern zigtausende Kilometer weiter zugange ist. Ein Road Trip beginnt, der euch über alle Kontinente des Planeten und über viele wichtige Gebirge jagt.
Es geht auch ohne
Nun ist es natürlich auch eine Selbstverständlichkeit, dass nicht jeder ein Balance Board zu seinem Wii-Inventar zählt, schließlich gibt es das Brett immer noch nur im Bundle mit Wii Fit für knapp 90€. Auch Ubisoft ist nicht so töricht, anderes zu glauben, und bietet zusätzlich eine Steuerung über die Wii-Remote an. Hierbei ist tatsächlich nur die Fernbedienung erforderlich, dem Nunchuk werden keine Funktionen zugewiesen. Die Steuerung funktioniert dabei durch Neigungen des Controllers nach Links oder Rechts, ein Sprung geht nachvollziehbarer Weise durch einen kleinen Ruck nach oben vonstatten und auch Tricks funktionieren nur mit Bewegungen und den oben besagten A- und B-Knöpfen. Das klappt zwar auch alles sehr gut, büßt aber unheimlich viel Charme im Vergleich zur Ganzkörpersteuerung ein. Die Hand kann viel präzisere und schnellere Bewegungen ausführen als der ganze Körper, wodurch das Treffen von bestimmten Zielen und das Ausführen von Tricks auch viel leichter werden und die Abfahrt somit nach einer Eingewöhnungszeit zu einem Klacks degradiert wird, der nicht mehr viele Herausforderungen bietet.
Für Spieler ohne das Balance Board fällt also ein ganzer Batzen Reiz an Shaun White Snowboarding weg, denn das Spiel lebt hauptsächlich von der gelungenen Wii-Steuerung über Körperbalance. Vom eigentlichen Spielinhalt her kann man der Produktion also eigentlich keine besondere Genialität oder Innovation zusprechen: Auf den verschneiten Hügeln sind immer sehr ähnliche Aufgaben zu erfüllen und der Pistenaufbau sowie ihr Aussehen ähneln sich innerhalb einer Region zu sehr. Erst wenn die Truppe den Kontinent bzw. das Land wechselt, kommt Abwechslung auf, weil der Streckenaufbau und das ganze Schneesetting dann eine Prise Neues bekommt.
Nichtsdestotrotz ist Shaun White Snowboarding keine hingeschluderte 08/15-Snowboard-Simulation, die nur von ihrer Neuartigkeit mit der Balancesteuerung lebt: Der Titel ist durchaus liebevoll gestaltet und auch grafisch überdurchschnittlich gut an Wii angepasst, was verschiedene Fauxpas von Ubisoft aus der Vergangenheit ein wenig vergessen macht. Der ganze Titel präsentiert sich in einem Cel-Shading-Stil, der aber (außerhalb der Zwischensequenzen) nicht unbedingt ins Comichafte abdriftet, sondern immer noch eine gewisse Realität versprüht. Dazu kommen einige nette Effekte wie Schneespritzer auf der Kamera nach einem Sturz oder Ruckler beim unsauberen Aufkommen. Beim Sound hat man auf mehr oder weniger bekannte Größen aus den Charts gesetzt und bietet eine rockige Ansammlung von Stücken, die sich meistens angenehm in das rasante Abfahrtsgameplay einfügen.
Die Piste für vier
Noch ein letzter Satz zu den Multiplayer-Möglichkeiten, die Shaun White Snowboarding Road Trip für Wii bietet. Das Spiel ermöglicht es hier bis zu vier Spielern gleichzeitig, die Hänge herunterzusausen, und setzt dabei entweder auf den altbewährten Split-Screen oder auf ein Spielsystem, das die Teilnehmer brav nacheinander an die Controller bittet. Die Gruppe muss sich dann darum streiten, wer auf dem eventuell vorhandenen Balance Board mitmischt, denn es werden alle erdenklichen Kombinationen mit oder ohne das Board angeboten – nur davon, dass irgendjemand zwei oder mehr Exemplare im Haus hat, davon geht Ubisoft nicht aus.
Die Mehrspielermodi funktionieren dann genauso wie das normale Spiel für Einzelspieler und nehmen eine vergleichsweise wichtige Rolle im Gesamtkontext des Titels ein, weil sie eigene Kampagnen bieten mit unterschiedlichen zu lösenden Aufgaben, nach deren Bewältigung dann auch neue Inhalte für den Solo-Modus freigeschaltet werden.