Review von Tim Herrmann () | 28.03.2008
Ja, ja, Wii ist technisch unterlegen, das haben viele Entwickler – abgesehen von Nintendo selbst - so langsam erfolgreich mit ihren Titeln auf der Konsole bewiesen. Was brauchen also gute Wii-Spiele, wenn sie nicht durch überragende Grafiken glänzen können? Wenn man sich einmal auf die E3 2006 zurückbesinnt oder sich auch an Zeiten von der Tokyo Game Show des Jahres davor erinnert, dann wird man noch Satoru Iwata hören, wie er der neuen Konsole eine Zukunft mit vielen innovativen und noch nie da gewesenen Spielprinzipen prophezeite. Doch heute befinden wir uns in einer Zeit, wo wieder einmal Spiele wie Super Smash Bros. Brawl, Fire Emblem oder Mario Kart Wii von vielen heiß erwartet und gefeiert werden. Und diese Spiele haben mit Wii eigentlich nicht besonders viel am Hut, schließlich unterstützen sie auch gleich Controller der letzten Generation, aus Angst vor den innovationsskeptischen Langzeitfans.
Doch das, was im Voraus der Wii-Ära prophezeit wurde, gibt es trotzdem durchaus. Einer der bedeutendsten Titel, die man als Beispiel für die oft zitierten innovativen Spielprinzipien heranziehen kann, heißt Eledees und erschien im vergangenen Jahr von Konami. Auch wenn sich das Spiel eher schlecht verkauft hat, überzeugte es durch seine interessante Spielmechanik und die durchdachte Steuerung. Von exakt demselben Team kommt auch Dewy’s Adventure, ein Spiel, das die Philosophie weiterträgt, inhaltlich aber etwas völlig anderes ist. Tritt das Spiel erfolgreich in die Fußstapfen der kleinen Energiewichtel? Ist es genauso spaßig wie innovativ? Fragen, die wir nun in unserem Review beantworten wollen.
Wohl eher: Dewy’s Geschicklichkeitsspiel
Zunächst einmal muss eines klargestellt werden. Wer sich bei Dewy’s Adventure ein Abenteuer in klassischer Hüpf-und-Spring-Manier erhofft, der wird eine böse Überraschung beim Aufleuchten des blauen Wii-Disc-Laufwerks erleben. Es handelt sich bei diesem Titel nämlich mitnichten um irgendetwas, was man mit „klassisch“ und „Jump ’n Run“ in einem Satz beschreiben könnte. Viel eher liegt ein reinrassiges Geschicklichkeitsspiel vor. Am besten kann es wohl so beschrieben werden: Jeder kennt doch noch die kleinen plastikgeduldsspielchen, die man früher immer beim Zahnarzt als Auszeichnung für besondere Tapferkeit geschenkt bekommen hat. Hier galt es, durch Neigen der durchsichtigen plastikbox, kleine Metallkügelchen in dafür vorgesehene Vertiefungen zu bugsieren. Dewy’s Adventure macht exakt dasselbe, nur dass man Löcher hier tunlichst vermeiden sollte und die Spielwelt sich nicht in einer kleinen plastikbox, sondern in bunt gestalteten Hindernisparcours befindet. Einige mit gutem Vorstellungsvermögen haben sicherlich bereits erraten, dass die Neigungssensoren der Wii-Remote dabei die eine oder andere Rolle spielen könnten. Wenn die Fernbedienung – wird übrigens waagerecht gehalten – geneigt wird, neigt sich dadurch auch die Spielwelt und Dewy kullert den Gesetzen der Schwerkraft entsprechend in die gewünschte Richtung.
Doch wer ist dieser Dewy eigentlich, von dem hier schon die ganze Zeit geredet wird? Nun, bei Dewy handelt es sich um einen kleinen Wassertropfen. Jetzt könnte man das Ganze als spannungsgeladener Leser ja relativ unspektakulär finden, schließlich sind zwei Drittel unseres ganzen planeten mit H2O bedeckt, wen interessiert da ein einziges kleines Tröpfchen…?
Antwort: Die Eaus interessiert dieses Tröpfchen. Diese Eaus leben nämlich in einem beschaulichen Wald und führen ihre eigenen, friedlichen, belanglosen Leben. Doch eines Tages regnet es schwarzes Wasser vom Himmel und ein dunkler Fürst namens Don Hedron steigt auf die Erde nieder, nimmt die Eaus (Eau ist übrigens Französisch und heißt sinnigerweise Wasser) gefangen und verschmutzt das ganze Wasser. Doch glücklicherweise hat ein gewisser Baum der sieben Farben in weiser Voraussicht vorgesorgt und einen tapferen Helden erschaffen, der die idyllische Welt befreien soll: Dewy. Der macht sich natürlich sogleich auf die durchnässten Socken, befreit die hilflosen Eaus, besiegt die Handlager des dunklen Herrschers, legt sich mit riesigen Kreaturen an, überwindet für einen Tropfen scheinbar unüberwindbare Landstriche und macht sich noch dazu das Wetter und die Physik seiner Umwelt zunutze.
Warum ist Wasser bloß so träge?
Dewy kann sich nicht selbst bewegen und wenn der Prophet nicht zum Berg kommen kann, muss der Berg halt zum Propheten kommen. In diesem Fall heißt das: Wenn Dewy sich nicht durch die Landschaft bewegen kann, muss die Landschaft sich für Dewy bewegen. Und das ist eure Aufgabe. Durch Neigen der Wii-Remote navigiert ihr den Tropfen durch die teils ziemlich engen Landstriche und befreit eure Kumpanen, indem ihr sie einfach berührt. Mit dem 2-Knopf kann Dewy auch für kurze Zeit springen, wodurch er kleine Abhänge überwinden kann. Was jedoch schon nach den allerersten Spielminuten auffällt, ist die Trägheit, die zwar physikalisch gesehen eigentlich korrekt ist, den Spielfluss aber erheblich beeinträchtigt. Dewy rollt teilweise einfach weiter in Richtung der Neigung, egal wo man ihn eigentlich hinhaben wollte, nimmt Kurven falsch, kullert Abhänge ins Nichts herunter und verfängt sich sinnlos in irgendwelchen Deko-Blumen, -Bäumen oder –Sträuchern. Nun kann das ja durch das Genre vielleicht sogar noch mehr als „Feature“ als ein „Mangel“ betrachtet werden: Denn ein Geschicklichkeitsspiel, bei dem man alles in einem Rutsch schafft, will doch eigentlich auch keiner haben? Doch Kritik wird besonders in (Boss-)Kämpfen unbestreitbar, wenn der Spieler eigentlich schnelle und präzise Bewegungen gebrauchen könnte, stattdessen aber irgendwo in der Gegend herumwabbelt, Abgründe herunterfällt, versehentlich in die Läufe seines Feindes rollt oder mit seinen Sprüngen und Angriffen weit über das Ziel hinausschießt. Eindeutig stellt diese teils gewollte, teils unschöne Trägheit einen Kritikpunkt in dem innovativen Steuerungskonzept von Dewy’s Adventure dar.

Feuer, Wasser, Eis!
Wo wir gerade bei der Beherrschung der Landschaft zu Dewy’s Nutzen waren, sollte man auch erwähnen, über welche Mächte der Spieler bei diesem Konami-Titel noch verfügt. Ihr seid in Besitz über die volle Macht der Temperatur in den Levels und könnt sie entweder auf arktische Kälte oder tropische Hitze regulieren. Natürlich reagiert auch der Wassertropfen darauf, folgt wieder der Physik und gefriert zu Eis oder steigt als eine Wolke zum Himmel auf. In diesen beiden zusätzlichen Gestalten hat das Tröpfchen natürlich auch einige neue Fähigkeiten, die es größtenteils in Kämpfen mit Gegnern gut gebrauchen kann. Als Wolke kann das kleine Nass Blitze in einem bestimmten Radius abfeuern und als Eisklotz wirbelt er herum und gibt seinen Gegnern Saures. Besonders schön ist bei diesen Verwandlungen übrigens die optische Präsentation, denn innerhalb weniger Momente verwandelt sich der gesamte Level auf Knopfdruck in eine winterliche Wunderwelt mit Eiskristallen am Bildschirmrand, in der sich die Blumen verschließen, Seen zufrieren und überall Schnee liegt. Oder aber die Luft beginnt zu flimmern, tropische Pflanzen gedeihen auf mysteriöse Art und Weise und die Gegner beginnen zu schwitzen. Neben dem Besiegen von Gegnern sind die Elementarkräfte außerdem zum Drücken von bestimmten Schaltern oder zur Überquerung von Seen oder Abgründen nützlich.
Darüber hinaus bewirkt horizontales oder vertikales Schütteln der Wii-Remote auch noch Stürme oder Erdbeben, die zur Rätsellösung zwar leider selten eine Rolle spielen, dafür aber in Kämpfen meistens gute Strategien zur Betäubung sind. Der große Grad an Interaktivität mit der Umgebung ist einer der pluspunkte in Dewy’s Adventure.
Jippieee! Wuhuuu! Quietschii!
Noch ein weiterer Aspekt legt die Herkunft des Titels aus den Eledees-Studios offen dar: die übertrieben bunte – und dadurch auch fürchterlich niedliche und süße – Präsentation des Titels. An allen Ecken und Enden quietscht es, Dewy johlt erfreut, wenn er hüpft, die Eaus verleihen ihrer Freude in euphorischen Jippiiee-Rufen Ausdruck, die Gegner klinken sich mit merkwürdigen Soundeffekten aus dem Leben eines Fieslings aus und die Zwischensequenzen sind bunt und schnörkelig gezeichnet und mit niedlichen Stimmen synchronisiert. Nun ist das ja alles schön und gut, einige mögen darin Stil und künstlerische Freiheit erkennen. Fakt ist aber, dass ein solches Konzept schlicht und einfach nicht massentauglich ist und man sich deswegen auch nicht wundern muss, dass sich der Titel selbst im leicht verrückten Japan nicht mehr als ein paar Tausend Mal verkaufen konnte.
Das Konzept ist in sich einfach nicht stimmig. Auf der einen Seite schreit schon das bunte Cover mit pausbäckigen Wassertröpfchen und gut gelaunten Waldwichtelwesen: „Kauf’ mich bloß nicht, du männlicher, jugendlicher Hardcore-Spieler!“, aber auf der anderen Seite bringt es kleine Kinder, an die sich die niedliche Aufmachung ganz eindeutig wendet, mit Leichtigkeit zur Verzweiflung. Nicht nur durch die oben beschriebene schwammige und teils ungenaue Steuerung, die einen innerhalb weniger Sekunden seine Konsole hassen lässt, sondern auch durch den nicht zu vernachlässigenden Schwierigkeitsgrad. Dieser wird natürlich auch durch die Neige-Kontrolle begünstigt, wäre allerdings mit einer pixelgenauen Stick-Steuerung immer noch recht happig. Denn zum Besiegen von Gegnern müssen ganz bestimmte Strategien ausgetüftelt werden, da muss man hartnäckig sein, da braucht man gut und gerne auch einmal fünf Versuche und da wird man am Ende eines jeden Levels auch noch unbarmherzig mit einem Rang von D bis S abgestraft. Der S-Rang ist nur etwas für hartgesottene Freaks, die dieses Spiel sicherlich nicht zu seiner Zielgruppe zählt, und alle anderen sind froh, wenn sie einmal durch den Level sind und interessieren sich dann auch nicht mehr für die vielen zusätzlich versteckten Items und die Eaus, die man noch nicht gerettet und links liegen gelassen hat.
Doch neben der ganzen Kritik über den fragwürdigen Stil des Spiels darf man nicht vergessen, dass Konami hier technisch und handwerklich wieder einmal einwandfrei auf Wii gearbeitet hat. Die Landstriche, in denen sich Dewy bewegen darf, sind allesamt mit sehr viel Liebe zum Detail entworfen worden, das Spiel wartet mit ordentlichen Effekten auf, läuft stets flüssig und weist eine riesige Kreativität im Leveldesign auf, die einen immer wieder aufs Neue überrascht. Es gibt Hunderte verschiedene Umgebungsgegenstände, die ihr euch auf eurer Reise zunutzen machen müsst und die alle irgendetwas witziges mit dem Tropfen anstellen. Allgemein wird euch der Titel an der einen oder anderen Stelle mit lächerlichen Sterbesequenzen der Endgegner oder mit skurrilen Aktionen zum Schmunzeln bringen.
Durchtränkt mit Features
Ein weiterer Punkt, der starke Ähnlichkeiten zum guten Eledees aufweist, ist der Bereich mit den Inhalten neben dem Story-Modus. Auch hier gibt es löblicherweise wieder etliche Modi, in denen man sich Videos, Bilder, Artworks oder andere Specials aus dem Spiel ansehen kann. Mit dem Fortschritt im Story-Modus wird diese Bibliothek stetig erweitert. Das Sahnetüpfelchen ist dann noch der Leveleditor, in dem der Spieler sich seine eigenen Stages für Dewy zusammenbauen kann. Dabei greift ihr dann auf zahlreiche Modelle zurück, die ihr schon während der Geschichte erlebt habt und die vielseitig von Dewy zu verwenden sind. Diese selbst erschaffenen Stages könnt ihr dann über WiiConnect24 an eure Freunde versenden.
Fazit:
Handwerklich ist Dewy’s Adventure – wie schon Eledees – einwandfrei programmiert: Die Grafik stimmt, der Umfang geht in Ordnung, es sind zusätzliche Features en masse vorhanden, das Leveldesign strotzt vor Kreativität und die Ideen überzeugen. Allerdings macht die schwammige Steuerung viele gute Einfälle der Entwickler wieder zunichte, weil ihr ständig irgendwo herunterfallen werdet, weil ihr ständig irgendetwas nicht richtig treffen werdet und weil ihr euch ständig in irgendwelchen Gegenständen verheddern werdet. Darüber hinaus ist der Stil bestimmt nicht mit der breiten Masse der Spieler kompatibel und einige werden von dem bunten Look zu Recht abgeschreckt sein; jedermanns Sache ist Dewy’s Adventure in der Hinsicht sicherlich nicht. Im Endeffekt ist es hier so wie bei den herkömmlichen plastikbox-Geschicklichkeitsspielen: Entweder man liebt sie und gibt nicht auf, bis man sie geschafft hat, oder sie treiben den Blutdruck auf ein Maximum und den Spieler zur endgültigen Verzweiflung.
Von Tim Herrmann
|
|
|
Wertung für das Spiel Dewy’s Adventure |
|
|
|
 |
 |
|
 |
|
 |
|
|
8.0 |
Grafik
Detailreiche Umgebungen mit satten, quietschbunten Farben, flüssige und klare Optik mit schönen Texturen, Gegnern- und Charaktermodellen. |
|
|
 |
|
|
7.2 |
Sound
Die Musik ist immer niedlich und nett, wächst aber über ein Dudeln nie hinaus. Darüber hinaus werden einige von den quietschigen Jubelbekundungen und den Sprachsamples genervt sein. |
|
|
 |
|
|
5.8 |
Steuerung
Die Neige-Steuerung mag ja innovativ und neu sein, ist in einigen Sequenzen allerdings nicht angebracht, zu langsam, zu schwammig und dadurch unfair und bringt die Spieler schlichtweg des Öfteren zur Verzweiflung. |
|
|
 |
|
|
7.6 |
Gameplay
Der Umfang stimmt, die Kreativität rund um die Kontrolle der Physik in den Levels stimmt und besonders die Zusatzfeatures neben dem eigentlichen Story-Modus überzeugen. Frust-Momente, die durch die Steuerung verursacht werden, sind allerdings nicht schön. |
|
|
 |
|
|
7.3 |
Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) |
|
|

|