Unser Netzwerk: NintendoWiiX.net   | NintendoWiiX Forum   | Planet3DS.de
Die Simpsons - Das Spiel
Review von Marian Wehmeier (mail) | 16.12.2009

Gelb ist Kult. Die Simpsons sind Kult. Als eine Serie über eine fünfköpfige Kleinstadtfamilie mit gelber Hautfarbe im Dezember 1989 auf dem amerikanischen Privatsender Fox Premiere feierte, hätte selbst der größte Fernsehprophet nicht damit gerechnet, welch immenser Erfolg sich für die damals noch mies animierte Sendung einstellen würde: Während Die Simpsons mit 409 Folgen verteilt auf 19 Staffeln Amerikas am längsten laufende Sitcom ist, kürte die Time die gelbe Vorzeigeclique zur besten Fernsehserie des 20. Jahrhunderts.

Gelb ist also Kult. Und Gelb ist Geld. Es war nur eine Frage der Zeit – Twentieth Century Fox sicherte sich die Internetdomain simpsonsmovie.com bereits im Frühjahr 1997 –, bis Matt Groening, Schöpfer der Simpsons, Homer und Konsorten auch auf die Kinoleinwand loslassen würde. Zehn Jahre nach der Domainregistrierung und sechs Jahre nach Produktionsbeginn war es dann soweit: Fünf Produzenten und elf Autoren hatten ein gut neunzigminütiges Gagfeuerwerk zusammengeschustert. Neben fast einhellig positiver Resonanz aus der Medienlandschaft war Die Simpsons - Der Film mit über einer halben Milliarde US-Dollar Umsatz auch finanztechnisch ein voller Erfolg.

Wie üblich, darf zu jedem mehr oder minder erfolgreichen Film natürlich ein Videospiel-Port nicht fehlen. Nach vielen vorausgegangenen virtuellen Langweilern über die gelbe Kultfamilie (The Simpsons Road Rage oder The Simpsons Wrestling), schickt sich nun mit Die Simpsons - Das Spiel erstmals ein Ableger der Serie an, den beißenden Humor und die subversive Unterhaltung des vierfingrigen Quintetts im Videospiel-Format zu konservieren.

Bart findet eine Anleitung
Nach einem kleinen Prolog, in dem Homer träumt, im Reich der Süßigkeiten gegen braune und weiße Schokohasen kämpfen zu müssen, besucht Bart den „Sequel Stop“, um sich das nagelneue Videospiel „Grand Theft Scratchy“ zu kaufen. Mit seinem gefälschten Ausweis, der eigentlich nur ein Esscoupon ist, kann er zwar den pickeligen Nerd hinter dem Tresen noch überwinden, doch als Marge Wind von der Sache bekommt, kassiert sie das nicht jugendfreie Spiel gleich ein. Deprimiert schlendert Bart von dannen. Doch plötzlich bricht das Wolkenbett auseinander und die Anleitung eines gewissen Simpsons-Spiels fällt vor seine Füße. Begeistert blättert er die Seiten durch und erfährt, dass all seine Familienmitglieder spielbar sind und er sich sogar in Bartman - Bart plus Cape plus Controllergürtel á la Captain N - verwandeln kann. Gleichzeitig trifft er Homer, der Untertage ein paar Fledermäuse jagen will. Sie beschließen, zusammen aufzubrechen und finden sich kurze Zeit später zufällig im Naturkunde-Museum von Springfield wieder, wo die Rowdys um Jimbo Jones ihr Unwesen treiben.

Verteilt auf vier Akte gilt es, sechzehn solcher Episoden zu meistern. Man startet an der Evergreen Terrace 742, dem Domizil der Simpsons, wo im Laufe des Spiels immer neue Episoden freigeschaltet werden. In diesen Levels, die durch simpsonstypische Anfangs- und Endsequenzen einen Rahmen erhalten, kann sich jeder der Charaktere in seinen Lieblingsdisziplinen profilieren: Homer nimmt an einer organisierten Fressorgie teil, Lisa will die Rodung der Bäume in Springfield verhindern und Marge protestiert lautstark gegen das gewaltverherrlichende Spiel von ihrem Sohn, das sogar Frohnaturen wie Superstreber Martin Prince zu pistolenschwingenden Gangstern mutieren lässt.
Um ihre Ziele zu erreichen, verfügen die einzelnen Charaktere über Spezialfähigkeiten. Kann Homer mit Hilfe von Fressalien rülpsen, sich in eine gigantische Fettkugel oder einen Heliumball verwandeln, so ist es Lisa möglich, mit schrägen Saxophonklängen ihre Gegner zu lähmen oder übernatürliche Verschiebungskräfte an Buddha-Reliquien zu beanspruchen.

Vier Fäuste für ein Klischee
Die einzelnen Episoden werden immer von zwei Familienmitgliedern absolviert, zwischen denen der Spieler jederzeit wechseln kann. Die Jump & Run-Passagen werden immer wieder durch kleine Rätseleinlagen ergänzt, hier müssen dann die Vorzüge der einzelnen Charaktere gekonnt ausgespielt werden. So verursacht Homer im Homerball-Modus durch einen Sprung auf einen überdimensionalen Dudelsack eine riesige Bier-Fontäne, die Bart dann auf eine höher gelegene Ebene hieven kann.
In jeder Episode ist es möglich, über einen vertikal geteilten Splitscreen mit einem weiteren Mitspieler die Levelabschnitte zu erkunden oder gemeinsam die Denkaufgaben zu lösen.

Neben diesen Puzzle-Fragmenten gibt es allerhand versteckte Sammelobjekte zu finden. Homer sammelt Duff-Kronkorken, Marge Try-N-Save-Karten, Bart sucht Coupons von Krusty und Lisa Malibu Stacy-Siegel. Hat man alle Objekte in der Episode gefunden, erhält man eine Trophäe. Neben diesem charakterspezifischen Sammelsurium lassen sich in jedem Level auch so genannte „Klischees“ finden. Hier stellt der vollschlanke Comicbuch-Verkäufer aus Springfield typische Stilelemente aus Videospielen vor: Türen, die sich nicht öffnen lassen, versteckte Objekte, nach denen man sich dumm und dämlich suchen kann, oder Schalter, die einen Prozess in Gang setzen.
Darüber hinaus kann man „Wii-Momente“ freischalten, Minispiele, in denen Homer z.B. seinen immensen Hunger im Wettfressen gegen Kaninchen oder Saufkumpan Barney unter Beweis stellen kann.

Der Rest einer Mission besteht darin, meist ganze Scharen von Gegnern auszuschalten. Den Spezialattacken der einzelnen Simpsons sind ein paar Schlag- und Tritt-Combos beigefügt, mit denen Wachposten im Museum, amoklaufende Delphine oder Feuerbälle werfende Sumos in Zaum gehalten werden.
Als Spieler muss man dabei aufpassen, dass nie beiden Charakteren gleichzeitig die Lebensenergie ausgeht, da man sonst zum letzten Checkpoint zurückversetzt wird. Hat nur einer der beiden Simpsons das Zeitliche gesegnet, wird er wenige Sekunden später am Ort des Geschehens regeneriert.

Fehlendes Feintuning
Nach den ersten paar absolvierten Episoden entpuppt sich das Spiel als ein relativ simpel gestricktes Jump & Run mit Knobeleinlagen und Objektsucherei. Durch die zwei kooperierenden Simpsons-Mitglieder, dessen Spezialfähigkeiten leider nur an dafür vorgesehenen Orten zum Tragen kommen, erhält das Spielgeschehen eine taktische Komponente. Leider sind diese Rätsel relativ rar gesät und schwanken in Sachen Schwierigkeitsgrad meist zwischen offensichtlich bis anspruchslos. „Was wäre ein Spiel ohne Schalter? Genau, originell“, erklärt ein gefundenes „Klischee“. Die Simpsons – Das Spiel fußt leider auf dutzenden Schaltern.



Auch die Jump & Run-Passagen wären weitestgehend leicht zu bewältigen, wenn die Steuerung nicht schwammig und unpräzise wäre und die Kameraführung auch nur einmal das Geschehen in den Episoden adäquat einfangen würde. Gerade die beiden schweren Mankos in Kombination sorgen für einen Frustfaktor, der häufig ins Unermessliche steigt. Obwohl sich die Kameraposition mit dem Steuerkreuz der Wii-Remote nachjustieren lässt, verfängt sich die Kamera immer wieder in Objekten, die den ganzen Bildschirm blockieren, oder dreht sich ohne einen triftigen Grund. Mehr Feintuning hätte hier bitter Not getan.
Gleiches gilt für die aufgesetzt wirkende Steuerung, bei der vor allem die ungünstige Tastenbelegung (der B-Knopf eignet sich als Attacken-Button nur sehr bedingt) und die unpräzise Kollisionsabfrage stören. Negativ stößt auch das Springen mit Bart auf: So verwandelt er sich oft ungewollt während des Springens in Bartman, was einen sauberen Sprung unmöglich macht. Um den Frust gering zu halten, wählt man in der Regel in Episoden, in denen Bart mitspielt, für die Sprungpassagen seinen Partner aus.

Auch die visuelle Präsentation hätte ein wenig zeitgemäßer ausfallen dürfen. Die Animationen der Charaktere sind flüssig, wirken nur selten abgehackt. Der nette Cel-Shading-Look schafft es, die Simpsons stimmig in die virtuelle Spielewelt zu portieren. Leider wirken die weitläufigen und auch abwechslungsreichen Areale dank der flächendeckenden Farben dieser Technik aber oftmals detailarm. Einige Texturen (gerade die des Wassers) sehen unscharf und verpixelt aus. Clipping-Fehler gibt es aufgrund der unvorteilhaften Kameraführung zuhauf.

Ich parodiere, also bin ich
Was Die Simpsons – Das Spiel trotzdem zu einem durchaus gelungenen Spiel macht, das sind die vielen Anspielungen auf andere große Werke der Videospielgeschichte, der unverkennbare Witz der Serie, die Parodie, die die gesamte Spielbranche durch den Kakao zieht, und die Liebe zum Detail, an der man die Handschrift der Serienautoren deutlich ablesen kann, die diesen Titel mitkonzipiert haben.
Jede der 16 Missionen thematisiert einen Grundgedanken und ähnelt somit im Aufbau den Simpsons-Episoden, die täglich im Fernseher zu begutachten sind. Sei es Marges gewaltsamer Aufruhr, mit dem sie grotesker Weise versucht, ein gewaltverherrlichendes Videospiel zu verbieten (vgl. Postal), Lisas Plan, die Bäume in Springfield zu erhalten, so aber den Holzfällern indirekt die Arbeit wegnimmt, oder Homers Einsatz als Soldat im vom Deutschen Reich besetzten Frankreich („Medal of Homer“) – hinter jeder Mission steht eine durchaus tiefgründige Idee, die, ähnlich wie die TV-Folgen, die Feinmotorik unter der Schädeldecke in Bewegung bringt.

Auch mit der Spielindustrie geht das Spiel hart ins Gericht. Im fünften Level („Enter The Cheatrix“), einem Videospiellabor, werden Bart und Lisa von zig Dutzend Football-Spielern und Streetfighter-Klonen im Ryu-Look attackiert. Wer den Seitenhieb auf die ausgelutschten EA-Jahresupdates und den capcom’esken Vervielfältigungswahn übersieht, wird spätestens bei der Aufmachung des Videospiellabors - eine verdreckte Kanalisation - merken, dass die Autoren ihren Biss (auch wenn das die neueren Staffeln der Kultserie oftmals gekonnt verheimlichen) nicht verloren haben.
Ferner verhindern die Liebe zum Detail und die Nähe zur TV-Vorlage einen Absturz ins Nirwana der Filmumsetzungen. So werden Figuren und Anspielungen aus längst antiquierten Simpsons-Folgen wieder aufgenommen und witzig wiederverwertet, an den Wänden der meisten Levels prangern Plakate zu parodierten Videospielen („Zero-Life“, „MoleMan X“, „Moral Kombat“, letzteres passend mit einem muskelbepackten Flanders), die Simpsons treffen auf ihre pixeligen Vorfahren, die sie zuvor vor Will Wright gerettet haben, der alle alten Videospiele vernichten möchte.

Wie auch bei den TV-Folgen, ist es fast unmöglich, alle popkulturellen Bedeutungen im Spiel wahrzunehmen. Gerade deswegen und auch dank der genialen Zwischensequenzen und den hervorragenden Synchronisation der deutschen Seriensprecher entwickelt sich das Spiel vom Unterhaltungsfaktor mit der Zeit zu einer mehrstündigen TV-Episode voller Klamauk, Kritik und Parodien, an der große Fans des gelben Klans kaum vorbeikommen werden.

Fazit:
Die Simpsons - Das Spiel ist ein simples Jump & Run mit simplen Rätseln und simplem Objektgesuche, das man alleine oder zu zweit spielen kann, ohne je vor unlösbare Aufgaben gestellt zu werden. Wii-Besitzer, die mit den Simpsons nichts anfangen können, werden daher nur ein mittelmäßiges Spiel bekommen, das aufgrund stupider Kamera und ungenauer Steuerung des Öfteren an den Nerven zerren wird. Fans der Serie finden hingegen die Erfüllung ihrer Träume: Ein Videospiel, das dem TV-Vorbild in nichts nachsteht. Das Wiedersehen mit Homer, Marge und Anhang, die vielen karikierten Videospiel-Franchises, die Selbstironie, mit der der Titel aufs Korn nimmt, und die Nähe zum Original lässt leicht über die unsauberen technischen Defizite hinwegsehen.

Zweite Meinung von T. Herrmann
Die Simpsons – Das Spiel muss schon im Voraus ganz klar in zwei Teile unterteilt werden. Erstens: das Spiel – auf Wii ist es eine mittelmäßige Umsetzung der PlayStation 2 Version ohne große grafische Finesse oder optische Besonderheiten. Das Spielprinzip dümpelt träge über die Spieldauer vor sich hin und bietet größtenteils eintönige Aufgaben, die das Verprügeln von Gegnern mit der B-Taste oder das Erreichen von neuen Ebenen eines Levels durch Hüpfen umfassen. Nur manchmal kommt Stimmung auf, wenn z.B. mit Marge auch abwechslungsreichere Aufträge erledigt werden müssen. Auch die Steuerung hat mit Wii eigentlich nichts zu tun und dass man mit Nintendos Konsole spielt, kommt nur in ab und zu auftauchenden Wii-exklusiven, aber belanglosen Minispielen zum Anschein. Wegen des Gameplays oder der vielfältigen Kreativität, die im Spielablauf steckt, muss man EAs Lizenzprodukt also nicht zwingend kaufen. Was das alles aber irgendwie wieder herausreißt, ist die exzellente Umsetzung der Lizenz der gelben Chaosfamilie. Der Fan merkt ganz eindeutig, dass hier die Macher der TV-Serie am Werk waren und ihre Finger im Spiel hatten – der Serienhumor ist an allen Ecken und Enden, unter jedem Stein und in jedem Pixelhaufen wiederzufinden und die Verweise auf ältere Episoden (z.B. die Höllenfischeinheit von Grandpa Simpson) gefallen außerordentlich. Besonders der Charakter der „Allround-Parodie“ auf alles und jeden – Videospiele, berühmte Franchises, Videospielläden oder berühmte Persönlichkeiten, versprüht einen immensen Charme. Und die makellose Sprachausgabe von den Originalsprechern tut letztendlich ihren Rest dazu, dass man die Handlung, die stilechten Zwischensequenzen im einwandfreier Qualität oder witzigen Sprachsamples während des Spiels als ernstzunehmendes (bzw. absolut nicht ernstzunehmendes) Simpsons-Produkt neben Film und Fernsehserie ansehen kann. Fans können also über die teils auftretenden Längen im Gameplay wohlwollend hinwegsehen und sich immer darauf freuen, gleich die nächste Cartoon-Episode zu sehen. Alle anderen sollten sich schon irgendwie mit der Lizenz anfreunden oder identifizieren können, um an diesem Titel in irgendeiner Weise Gefallen finden zu können.

Von Marian Wehmeier
Wertung für das Spiel Die Simpsons - Das Spiel
Wertungen Beschreibung
7.1Grafik
Stimmiger Cel-Shading-Look, geniale Zwischensequenzen und bunte Level treffen auf Clipping-Fehler, verwaschene Texturen, teils recht detailarme Areale.
8.9Sound
Die fabelhafte Synchronisation lässt über die größtenteils unaufmerksame Musikuntermalung hinwegsehen.
5.2Steuerung
Oft ungenau und unpräzise, Wii-Remote-Features wirken aufgesetzt, Buttonbelegung nicht ganz optimal.
7.8Gameplay
Krieg der Welten: Kaum fordernde Rätseleinlagen, leichte Sprungpassagen und eine grausame Kameraführung stehen letzten Endes doch im Schatten von der genialen Story und dem unverkennbarem Simpsons-Humor und -Charme.
7.3Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



© Copyright GameCube X / Nintendo Wii X 2001 - 2023 | All rights reserved