Review von Tim Herrmann (mail) | 18.12.2007
„Tja... also falls da was dran ist und nicht einfach irgendjemand ein bisschen mit dem Paint Shop rumgespielt hat, wär's verdammt cool. Mir erscheint die News aber gerade wegen des "Beijing 2008"-Logos sehr suspekt. Mario und Sonic in einem offiziellen Lizenzspiel? Naja…“
Originalszenen aus unserem Forum aus dem März dieses Jahres, als plötzlich ein Spiel angekündigt wurde, in dem sich die größten Ikonen der Videospielgeschichte vereinen. Gemeint sind Mario und Sonic, die zusammen in einem Titel auftreten sollten, der noch dazu wohl eine offizielle Lizenz der weltweit größten Sportveranstaltung innehaben würde.
Verständlich, dass man so kurz vor dem ersten April misstrauisch war und dem Braten nicht trauen konnte, schließlich waren SEGA und Nintendo in vergangenen Zeiten erbitterte Konkurrenten und Mario & Sonic haben ja so viel miteinander in ihren Spielen oder deren Erscheinungsbild nicht gemeinsam.
Aber letztendlich war doch alles wahr, Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen ist erschienen und vereint tatsächlich die bekanntesten Promis aus beiden Firmenuniversen und lässt sie zusammen unter dem Segen des Olympischen Komitees an den jahrtausendalten Spielen teilnehmen, die 2008 in China ausgetragen werden. Wir haben das fertige Spiel vorliegen und verraten euch nun, was aus dem Überraschungsprojekt geworden ist, das definitiv die aufsehenerregendste Neuankündigung des vergangenen Jahres war.
Was ist das eigentlich?
Zunächst einmal sollte im Rahmen dieses Reviews wohl geklärt werden, was Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen eigentlich ist. Ist es eine Sportsimulation? Nein - die Spiele halten sich zwar im offiziellen Olympischen Regelwerk auf, werden aber so abstrus gesteuert und sind jedes für sich noch so oberflächlich, dass man an echten Sport eigentlich nicht mehr erinnert wird. Ist es also vielleicht eine Funsport-Simulation wie Mario Kart oder auch Wii Sports, die weniger auf den Sport als auf den Spaß setzen? Eigentlich auch eher weniger, denn, wie gerade angesprochen, jedes Spiel ist einzeln gesehen eigentlich nicht fähig, für sich alleine zu stehen und längere Zeit zu unterhalten. Bleibt uns also nur eine Möglichkeit übrig: Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen ist eine Minispielsammlung. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.
Nun ist es natürlich so, dass dieses Genre auf Wii mit einigen weniger förderlichen Vorurteilen behaftet ist, weswegen diese klare Genrezuordnung den einen oder anderen schon jetzt verschrecken könnte. Stichworte: Casual-Games, leichte Zugänglichkeit, anspruchsloses Gameplay, kein Tiefgang, zweckmäßige Grafik, keine Story. Aber Mario & Sonic ist mehr als das, was man derzeit an allen Ecken und Enden des Elektronikmarktes für Wii und Nintendo DS ins Regal geklatscht sieht.
Der Olympische Funke
Der SEGA-Nintendo-Titel, der in Europa von SEGA auf den Markt gebracht wird, bietet insgesamt fünf anwählbare Modi im Hauptmenü, das einen nach dem Spiellogo und dem Intro des Titels begrüßt. Zuerst ist da der Einzelmatchmodus. Hier könnt ihr euch in den Disziplinen üben, Rekorde aufstellen oder einfach nur ein wenig Spaß mit dem Computer haben. Wenn ihr alles freigespielt habt, werdet ihr hier insgesamt 20 Disziplinen (=20 Minispiele) finden (+vier Traumdisziplinen, die rausfallen aus der Olympischen Lizenz, wirklich nur zum Spaß da sind und übrigens in der Tat sehr lustig). Diese sind seriös aufgeteilt in verschiedene Teilbereiche wie Leichtathletik, Turnen, Wassersport oder Rudern und können so leicht wiedergefunden werden. Außerdem vermitteln sie den Eindruck, als seien sie doch irgendwie richtige Sportarten und nicht „nur“ Minispiele.
Das absolute Herzstück des Spiels ist aber ganz klar der Zirkelmodus. Effektiv ist dies zwar nichts anderes als eine vorgefertigte Sammlung von zusammengestellten Disziplinen, die der Reihe nach abgefragt werden, aber in diesen Wettbewerben kommt tatsächlich mit der Zeit der Olympische Geist durch.
Zuerst wählt der Spieler einen Charakter aus, den er für am besten geeignet oder als sympathisch ansieht, und dann geht es direkt los; für den Neuling in Mario & Sonic natürlich erst einmal mit der Anfängerklasse. Vier Disziplinen warten hier auf euch und nach dem Prinzip der Grand-Prixs von Mario Kart werden dem Gewinner, dem Zweiten und so weiter bestimmte Punktwerte zugeschrieben. Ist ein Zirkel abgeschlossen, wird ein neuer freigeschaltet, und sollten alle diese Kompilationen aus einem Schwierigkeitsgrad einmal abgeschlossen worden sein, so kommt der Spieler in den Genuss einer höheren Klasse. Besonders im höchsten der drei werden dann auch geübte Spieler gefordert, da das Spiel einem hier in den nun acht Disziplinen die Welt- und Olympiarekorde sowie die problemlos erreichbaren ersten Plätze nicht mehr einfach so vor die Füße wirft, sondern strenger bewertet, die Computergegner besser macht oder euch einfach in ein schlechteres Leistungslicht rückt. Wie in den Grand-Prixs von Mario Kart will man hier unbedingt gewinnen und fühlt sich umso besser, wenn man nach zwei Nullnummern trotzdem irgendwie noch die Punktetabelle in die richtige Richtung geschlagen bekommt. Einen weiteren Tropfen besondere Würze verleiht dem Ganzen die Möglichkeit der Herausforderung. Einmal in einem Zirkelturnier hat der Athlet die Möglichkeit, eine Herausforderung anzunehmen. Sollte er dann auf den ersten bis dritten Platz gelangen, wird ihm die doppelte Punktzahl gutgeschrieben. Für alles darunter gibt es allerdings keine Punkte mehr. Die perfekte Möglichkeit, doch noch alles zum Guten zu wenden oder sich endgültig ins Verderben zu stürzen.
Eine weitere schöne Idee ist hier die Möglichkeit des freien Zirkels. Wer nämlich sowieso alles doof findet, was die Entwickler einem da vorsetzen, der stellt sich einfach seine eigenen Disziplinen zusammen und spielt sie.
Intuitiv oder innovativ – Gefuchtel oder Simulation?
Wonach wir sowieso alle Wii-Spiele in irgendeiner Weise beurteilen müssen, ist die Steuerung. Und bei Mario & Sonic ist dies eine zweischneidige Geschichte. Denn auf der einen Seite ist sie zwar gehaltlos, größtenteils nicht realitätsnah und bietet noch dazu nichts wirklich neues auf der Wii (Gefuchtel gab es schon oft genug vorher), auf der anderen Seite schlägt sie aber eine Knöpfchensteuerung ohne Weiteres und auch die Version für den Nintendo DS wird in der Variante für Wii bestimmt ihren Meister finden. Wenn man beim Schwimmen fast anderthalb Minuten lang wie in Ekstase die Controller schüttelt, rüttelt oder auf sonstige Weisen bewegt, kann danach schon irgendwann eindrucksvoll bemerkt werden, dass im Arm tatsächlich in irgendeiner Form Muskeln vorhanden zu sein scheinen. Und auch beim Sprint fühlt es sich besser an, wie wild die Controllerhälften zu schütteln, als rasant den A-Knopf zu drücken, wie es auf anderen Konsolen sicherlich der Fall gewesen wäre. Die Steuerung hat zwar meist nichts mehr mit der Realität zu tun, führt aber oft zu Ermüdung und das ist eigentlich der Effekt, den sie bei einem Spiel wie Mario & Sonic haben sollte.
Doch es gibt nicht nur Fuchtelaufgaben wie eben beschrieben. Einige andere Disziplinen wie das Bogenschießen erfordern eine sehr ruhige Hand und einiges an Geduld, das Tontaubenschießen kann nur mit katzenartigen Reflexen gelingen und das Rudern oder das Trampolinspringen verlangt dem Spieler eine hervorragende Finger-Augen-Koordination ab, wenn zuerst eine Controllerbewegung vollführt und danach bestimmte Knöpfe gedrückt werden müssen, die plötzlich eingeblendet werden.
Der größte Hit seit dem Wii-Launch
Während Mario & Sonic im Einzelspieler ganz "gut" ist und zumindest so lange unterhalten kann, bis alle Zirkel einmal gesehen wurden, ist es im Multiplayer einfach eine Granate. Seit dem Wii-Launch und Wii Sports gab es keinen Titel, der besser geeignet ist für einen Partyabend mit drei oder mehr Mitspielern als die hier vorliegende Minispielsammlung. Es fällt nicht nur positiv ins Gewicht, dass alle Spiele in irgendeiner Form auf Wettbewerb mit Computer oder Echtmensch ausgelegt sind, sondern auch, dass die meisten simultan spielbar sind und so für den ultimativen Konkurrenzkampf vor der Mattscheibe sorgen. Auch der Fakt, dass fast jedes Spiel nur mit der Wii-Remote spielbar ist, erleichtert die Organisation, obwohl dazu auch gesagt werden muss, dass der Titel seinen Charme erst mit beiden Controllerhälften entfaltet. Schade ist nur, dass auch wirklich nur so viele Spieler an den Wettbewerben teilnehmen können, wie Wiimotes vorhanden sind. Eine Weiterreich-Option bei Disziplinen, die hintereinander ablaufen, gibt es leider nicht.
Insgesamt muss man aber an dieser Stelle feststellen, dass Mario & Sonic die Olympische Fackel auf jeder Party anzünden können und wahrscheinlich auch diejenigen begeistern werden, die mit den beiden Kultmaskottchen eigentlich nichts anfangen können. Denn auch die Miis sind als spielbare Charaktere anwählbar und machen den Titel endgültig zu einem wahren Wii-Sports-Nachfolger, der alle Alters- und Spielerklassen ansprechen könnte.
Vollgepackt mit Features
Highscore- und Trophäenjäger werden auch noch einiges zu tun haben, nachdem sie alles Sportliche in dem Titel gesehen, alle Zirkel freigeschaltet und die ganz speziellen Eigenschaften eines jeden Charakters ausgetestet haben. Neben den vorhin angesprochenen sportlichen Modi gibt es nämlich auch noch einen Missionsmodus, in dem der Computer dem Spieler eine knackige Aufgabe in einer Disziplin stellt, und den Galeriemodus. Hier könnt ihr sogar noch etwas lernen, denn SEGAs Titel hat eine kleine Olympische Enzyklopädie integriert, die euch etwas über die bald kommenden Olympischen Spiele in Peking, über Antike Sportveranstaltungen oder über die Olympiade allgemein erzählen will. Dazu muss jeweils vorher ein Minispiel bestritten werden, das meistens eher langweilig ausfällt und das man sich eigentlich auch hätte sparen können. Der Modus ist eine nette zusätzliche Ergänzung. Ebenso der Trophäenmodus, wo ihr euch die gesammelten Abzeichen für besondere Leistungen anschauen könnt.
Geltungssüchtige haben außerdem die Möglichkeit, ihre besten Ergebnisse im Rekorde-Modus noch einmal anzusehen und in Selbstlob zu baden. All denjenigen, denen das immer noch nicht reicht, hat SEGA eine Online-Rangliste spendiert, auf der sich die Besten der Welt miteinander messen können.
Und was ist jetzt mit Olympia und den ganzen anderen Lizenzen?
Was beim Kauf der hier beschriebenen Spielesammlung wohl als erstes auffällt, ist der Preis. Der liegt nämlich nicht auf ca. 39 – 49 € wie die normalen unverbindlichen Preisempfehlungen anderer Top-Titel, sondern vielerorts gleich bei gut 60€. Man bezahlt nämlich nicht nur für SEGA und das Spiel, sondern auch noch für die Vergeber der Olympia-Lizenz, weswegen man sich einmal fragen darf, ob sich das Geld dafür eigentlich lohnt. Im Spiel findet man die Sommerspiele in Beijing eigentlich nur in zwei Faktoren wieder: a.) den Stadien, die eine Kopie der Originale in Peking sind und b.) in den Logos und den Maskottchen der Chinesen, die ihr am Rande der Tartanbahn finden könnt und die überall anstatt von Sponsorenlogos hängen. Zum Spiel tragen sie allerdings nicht wirklich bei. Lediglich im Galeriemodus, von dem ihr gerade gelesen habt, kommt die Lizenz zum Tragen.
Doch das Spiel beinhaltet ja noch zwei weitere Lizenzen, nämlich die von den Sonic- und die der Mario-Charaktere. Bis auf den Fakt aber, dass die sechzehn Videospielcharaktere zum Spielen vorhanden sind, merkt man auch hier recht wenig von ihren Eigenheiten. Sonic ist beim Einhundertmetersprint nicht unschlagbar und beim Hochsprung ist sogar Mario nicht das Maß aller Dinge. Zwar hat jeder Charakter seine eigenen spezifischen Affinitäten, aber niemand ist anderen in einer Disziplin wirklich überlegen. Das markiert auch, wie sich SEGA bei der Entwicklung darum bemüht hat, das Spiel trotz seines Minispielcharakters irgendwie in die Sport- und Olympiaschiene zu drücken. Man hat die originalen Welt- und Olympiarekorde integriert, an denen sich die Spieler messen sollen und auch ansonsten alle Disziplinen so gestaltet, dass keine unvorstellbaren Ergebnisse dabei herauskommen. Die Genauigkeit der Ergebnisse auf bis zu drei Stellen nach dem Komma hilft dann dabei, die Ranglisten zum Funktionieren zu bringen, sodass möglichst jeder ein einzigartiges Ergebnis vorweisen kann.
Zu guter letzt darf natürlich auch der obligatorische Blick auf die Grafik und auf den Sound nicht fehlen: Optisch präsentiert sich Mario & Sonic auf einem sehr soliden Niveau. Die Spielcharaktere sind hübsch designt und die großen, chinesischen Stadien beeindrucken. Das Publikum besteht erfreulicherweise aus allen möglichen Fantasiewesen, die Lakitus sind da, Delfino-Bewohner mit von der Partie und auch die Toads dürfen selbstverständlich nicht fehlen. In den altbekannten drei Bewegungsstufen zappeln sie so permanent auf den Rängen. Soundtechnisch findet man vor allen Dingen eines: Siegesfanfaren, die den Gewinnern der Disziplin huldigen. Auch ansonsten ist die Musik pompös angelegt und versucht so, trotz ihres Dudelcharakters, den Olympischen Spielen gerecht zu werden. Die kurzen „Oh Yeah“-Ausrufe der Gegner sowie ihre charakteristischen Slogans dürfen an Sprachausgabe natürlich auch nicht fehlen, während der Sinn des deutschen Sprechers, der ca. 30 Wörter wie die Namen der Charaktere, Zahlen von ein bis acht usw. einprogrammiert hat, die er dann zusammensetzt und herunterrattert, sich sicherlich irgendwie in Grenzen hält…
Fazit: Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen ist zwar „nur“ eine Minispielsammlung, sie ist aber vollgepackt mit zusätzlichen Features und bietet auch für Einzelspieler eine ganze Zeit an Spaß. Aufblühen tut der Titel aber erst richtig im Multiplayer. Dort springt der Olympische Funke auf alle Mitspieler einer illustren Runde über und lässt sie zu erbitterten Kontrahenten im Kampf um das virtuelle Gold werden. Die technische Seite ist auf solidem Niveau und die Anzahl der Spiele sowie die Langzeitmotivation bieten dem pessimistischen Reviewer wenig Angriffspunkte zum Meckern. Hier haben wir es mit einem soliden Einzelspieler- und grandiosem Wii Multiplayer-Spiel zu tun.
Von Tim Herrmann
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| Wertung für das Spiel Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen | |
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| 8.0 | Grafik Schöne Charaktermodelle, imposante Stadien und quietschbunte Umgebungen hieven die Grafik auf ein solides Niveau, das zwar immer noch auf dem GameCube möglich gewesen wäre, aber den Durchschnitt auf Wii definitiv schlägt. | |
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| 7.8 | Sound Ebenfalls solide. Die Musik wirkt pompös und versucht, „Olympisch“ zu klingen, bleibt dabei aber trotzdem irgendwie dudelig. Die kurzen Slogans der Charaktere sind wie immer gelungen. | |
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| 7.9 | Steuerung Zwar nicht realitätsnah, aber dafür ordentlich anstrengend, wie es sich für ein Spiel mit der Olympia-Lizenz gehört, und besser, als es eine Knopfsteuerung zu diesem Thema je sein könnte. | |
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| 8.6 | Gameplay Neben den eigentlichen Minispielen sind noch einige Zusatzfeatures vorhanden, die besonders Jäger und Sammler interessieren dürften. Die Spiele machen Spaß und begeistern besonders mit mehreren Mitspielern. | |
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| 8.4 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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