Review von Andreas Held (mail) | 03.12.2007
Dass Nintendo sehr stark um eine Zielgruppenerweiterung bemüht ist, ist mittlerweile nichts neues mehr. Erst vor kurzem erreichte uns eine Meldung, dass sich Nintendo weigert, neue Entwicklerstudios in den USA zu eröffnen, um mehr Titel für westliche Core-Gamer zu entwickeln. Stattdessen setzt Nintendo voll auf die Touch Generations-Reihe, die auf dem DS mit Spielen wie Dr. Kawashimas Gehirn-Training voll eingeschlagen ist. Auf der Wii haben wir bisher erst ein Spiel dieser Reihe bekommen, nämlich Big Brain Academy. Der japanische Entwickler Arika liefert nun mit Endless Ocean, das in Japan mit Forever Blue betitelt war und ein Nachfolger der beiden für die PS2 erschienenen Everblue-Teile ist, das zweite Spiel ab, welches Nintendos hellblaues Label trägt. Wie schlägt sich also das Spiel, das ursprünglich nicht als "Non-Game" angedacht war, jetzt aber in Nintendos neues Konzept passen soll?
Endless Ocean als Non-Game
Zugegeben, das Konzept einer Tauchsimulation klingt zunächst sehr vielversprechend für ein "Non-Game". Dieser Eindruck wird auch von den ersten Minuten des Spiels verstärkt: Wie es sich für ein Touch-Generations-Spiel gehört, kommt die Steuerung komplett ohne den Nunchuk aus. Stattdessen zeigt ihr mit der Wii-Remote auf die Stelle des Bildschirms, an die euer Taucher schwimmen soll und drückt die B-Taste, um ihn in Bewegung zu setzen. Mit dem A-Knopf könnt ihr Fische beobachten und sie dann durch Wii-Remote-Bewegungen streicheln oder füttern. Tja, und das war es eigentlich schon fast. Nach zwei Minuten ist das Tutorial beendet, ihr erhaltet die Schlüssel für das Steuerrad des Schiffs und könnt nun an beliebige Stellen des Manauraischen Meeres fahren, um dort zu tauchen.
Zunächst scheint es also, als wolle Arika, dass ihr einfach im Ozean herumschwimmt, Fische beobachtet und entspannt. Dieses Konzept könnte auch gut aufgehen, aber letztendlich versagt Endless Ocean als Non-Game auf ganzer Linie. Dies liegt nicht zuletzt an der schlechten Grafik, die die Spieler in zwei Lager spaltet: Das Meer sieht für manche aus wie ein Relikt aus N64-Zeiten, andere erkennen seine verborgene Schönheit. Fakt ist aber, dass Endless Ocean bei weitem nicht die grafischen Wow-Erlebnisse bieten kann, wie ein Xbox360-Spiel in HD-Grafik. Das liegt natürlich letztendlich auch daran, dass die Wii bekanntermaßen grafisch hinterherhinkt, weshalb man sich vielleicht sogar darüber streiten könnte, ob Endless Ocean, angesichts des Konzepts, trotz der angepeilten Zielgruppe, auf einer der anderen beiden Konsolen besser aufgehoben wäre. Aber auch im Vergleich zu anderen Wii-Titeln, wie z.B. Super Mario Galaxy, hinkt Endless Ocean noch ein ganzes Stück hinterher. Der Ozean ist leer, sieht überall gleich aus und kann zu keiner Zeit beeindrucken. Die Fische sind zwar ganz nett animiert, schwimmen jedoch unmotiviert in der Gegend herum und reagieren weder auf den Spieler noch auf Artgenossen. Das schränkt die Motivation am Erforschen der Unterwasserwelt genauso ein wie die Tatsache, dass ihr euch nicht weiter als 100 Meter vom Schiff entfernen dürft, da ihr sonst gegen eine unsichtbare Barriere schwimmt und zum Umkehren gezwungen werdet. Um einen anderen Teil des mit circa einem Quadratkilometer Größe nicht gerade endlosen Ozeans zu sehen, müsst ihr also zum Schiff zurückkehren, an eine andere Stelle fahren, dort erneut tauchen und zwei Ladezeiten auf euch nehmen, die dem Begriff "endlos" schon eher gerecht werden. Auch als Edutainment-Titel ist Endless Ocean kaum zu gebrauchen: Ihr könnt zwar mit allen im Spiel enthaltenen Spezies "Kontakt aufnehmen", indem ihr sie streichelt und dabei eure Hand als eine Art Tricorder einsetzt, der Informationen über die Fische absorbiert und speichert. Es ist allerdings sehr fraglich, ob sich jemand diese Texte durchlesen wird, da das Interesse am Paarungsverhalten der Japanischen Bastardmakrele ebenso gering ausfallen wird, wie das an den Techniken, mit denen sich der Dunkle Plattkopf vor seiner Beute schützt.

Atmosphäre und Sammelfieber
Trotzdem sollte man Endless Ocean auf keinen Fall sofort verurteilen. Tatsächlich entwickelt das Spiel mit der Zeit einige verborgene Qualitäten und sogar eine Story, wenn man sich etwas mit den anderen Features des Schiffes befasst und der Besitzerin Catherine genug Beachtung schenkt. Die Brücke des Schiffs bietet nämlich neben dem Steuerrad noch einige andere Features, die durchaus für Spieltiefe sorgen. Über euer Handy erreichen euch regelmäßig E-Mails, die zunächst nur von Touristen kommen, deren Lebenstraum es ist, einmal einen Gelben Langnasen-Pinzettfisch in freier Wildbahn zu sehen. Etwas später erreichen euch jedoch Legenden über unerforschte Gebiete, die ihr dann selbst entdecken und erforschen könnt. Gerade dieser Vorstoß ins Unbekannte, gepaart mit absolut atmosphärischer Musik, sorgt dafür, dass einen Endless Ocean durchaus in seinen Bann ziehen kann - trotz der vermeintlich schlechten Grafik. Letztendlich entpuppt sich das Manauraische Meer als wesentlich größer, als es anfangs zu sein scheint, und auch Catherines Vergangenheit wird gegen Ende mit dem Spiel in Verbindung gebracht. Wer einigermaßen konsequent spielt, hat nach sechs Stunden den Abspann gesehen.
Doch auch danach gibt es noch so einiges zu entdecken. Während die Informationen über die Tiere wohl niemanden interessieren werden, ist das Bestimmungsbuch schon wesentlich spannender, das nach und nach mit allen Spezies gefüllt wird, denen ihr begegnet. Dieses Buch hat 40 Seiten und enthält neben Fischen auch Quallen, Delphine, Wale, Robben, Punguine, Pelikane und weit über 100 andere Tiere, die mit Wasser in Verbindung gebracht werden können. Damit stellt die Sammelwut, die entstehen kann, selbst die Pokémon-Teile in den Schatten. Darüber hinaus gibt es noch über 40 Items, die teilweise in einige Fragmente unterteilt sind und ebenfalls gesammelt werden können. Durch die Funde schaltet ihr neue Items frei, mit denen ihr eure Taucher (dessen Geschlecht anfangs frei wählbar ist) optisch modifizieren könnt. Wer alle Tiere sehen und alle Items finden will, dürfte locker 20 Stunden mit dem Titel beschäftigt sein.
Trotzdem ist klar, dass Endless Ocean nicht jedermanns Sache sein wird. Es bietet wirklich keine spielerische Herausforderung, abgesehen vom Suchen der Items und verschiedenen Spezies. Auch der lizensierte Soundtrack von Hayley Westenra wird nur eine kleine Nische ansprechen, und vor allem, wenn ihre Lieder eine Viertelstunde lang in einer Endlosschleife laufen, können sie sehr nervig werden. Glücklicherweise bietet Endless Ocean das Feature, eigene Songs auf eine SD-Karte zu packen und im Spiel zu hören. Außerdem könnt ihr auch online mit Freunden tauchen, was jedoch eher als Gimmick daherkommt, da gemeinsame Ausflüge ohne echte Kommunikationsmöglichkeiten wenig Sinn machen.
Fazit: Im Prinzip schafft Endless Ocean einen Spagat, den nur wenige Spiele vollziehen können. Durch die simple Steuerung und die Abwesenheit spielerischer Herausforderungen ist der Titel für Non-Gamer absolut zugänglich, zeigt jedoch gleichzeitig, dass nicht jedes Casual-Game eine Minispielsamlung sein muss, sondern durchaus auch Spieltiefe haben kann. Der Titel bietet mehr Lebewesen, als mit jedem Update der Pokémon-Franchise hinzukommen, und dutzende versteckte Items, die gefunden werden wollen. Das Konzept funktioniert und bietet eine willkommene Abwechslung zu allen Titeln, in denen eine Unaufmerksamkeit das virtuelle Ableben bedeuten kann. Außerdem baut die virtuelle Unterwasserwelt trotz der wenig beeindruckenden Technik eine unglaublich dichte Athmosphäre auf, die zum Erforschen einlädt. Wer also nicht unbedingt Massen an Gegnern töten oder möglichst stark gefordert werden will, sondern sich vorstellen kann, dass ihm das Konzept von Endless Ocean zusagen wird, der kann zum Budget-Preis von 30 Euro bedenkenlos zugreifen.
Von Andreas Held
|
|
| Wertung für das Spiel Endless Ocean | |
| |
 |  | |  |
|  | |
| 6.0 | Grafik Technisch unbeeindruckend und definitiv eine Konsolengeneration zurück, trotz schön animierter Fische. | |
|  | |
| 8.0 | Sound Atmosphärische Musik und Soundeffekte, aber der Soundtrack kann nervig werden. SD-Karten schaffen Abhilfe. | |
|  | |
| 7.5 | Steuerung Sehr simpel gehalten, aber sie funktioniert gut. Genaue Steuerungsmanöver sind zu keiner Zeit nötig. | |
|  | |
| 7.0 | Gameplay Ein Spiel zum Entspannen und Abschalten. Bietet zwar keine Herausforderungen, aber sehr vieles zum Sammeln und Erforschen. | |
|  | |
| 7.1 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
|

|