Review von Lars Peterke (mail) | 01.12.2007
Wer zur Hölle kommt auf die Idee, ein Videospiel zusammen mit einem Gitarren-Controller aus Plastik auf den Markt zu bringen? Vor einiger Zeit jemand bei Harmonix, lautet hier die Antwort. Und recht schnell mauserte sich der Titel, zumindest in den USA, zum Kult-Videospiel. Inzwischen ist die Lizenz zu Activison gewandert und wird dort von Neversoft weiter "ausgeschlachtet". Nun ist der dritte Teil der Musikspielreihe erschienen und bietet zum ersten mal eine wirklich kräftige Lizenzstärke: Einige Originale, nicht nur Coverversionen bekannter Songs, schmücken den Titel und gerüchteweise, so sagt man, bekommen die Jungs von Metallica pro Spiel einen Provisionsbetrag, nur damit der Spieler dann zum Stück "One" der Band abrocken kann. Für die Wii-Umsetzung war das Team von Vicarious Visions zuständig – und hat einen Blockbuster-Titel im Prinzip fast in den Sand gesetzt.
Here I am…
Bevor man losspielt, geht es erst einmal ans Auspacken. Ein Gitarren-Controller ist ja auch nicht gerade das tägliche Brot eines passionierten Spieler- oder Musikerherzens. Inzwischen bekommt man die Klampfe in zwei Teilen geliefert und der Gitarrenhals muss erst einmal fachmännisch aufgesteckt werden. Anschließend könnt ihr den Tragegurt befestigen. Erfreulicherweise werden im Gegensatz zu den älteren Gitarrenmodellen auf der linken Seite der Gitarre zwei Halterungsknöpfe geboten, sodass die Gitarre in einem gewissen Sinne Höhenverstellbarkeit bietet und auch Linkshändern besser in der Hand liegt. Anschließend muss auf der Rückseite des Saiteninstruments eine Plastikklappe geöffnet werden. Hier wird nun die Wii-Fernbedienung eingeschoben. Dies macht die Wii-Gitarre automatisch zum Drahtlos-Controller. Schaltet ihr anschließend eure Wii-Konsole an, werdet ihr allerdings merken, dass der Pointer gar nicht mehr funktioniert – schließlich ist das Gitarrenplastik im Weg. Hierzu hat man der Gitarre einen Analogstick spendiert, mit dem man dann ganz umständlich versucht das Spiel zu starten. Ist diese Tortur überstanden kann man nach einem comicartigen Intro endlich das Spiel starten, instinktiv auf den Karriere-Modus losstürmen und stilecht eine Band mit eigenem Namen gründen.
…rock me like a hurricane!
Der Weg zum Rockstar ist steinig und schwer. Zuerst habt ihr lediglich vier Songs zur Auswahl, von denen ihr mindestens drei meistern müsst, um in der Karriere voran zu schreiten. So geht es los bei der Gartenparty des besten Kumpels, hin zum Videodreh, welches euch dann dank Internetpublikation einen Plattenvertrag verschafft. Zum Ende spielt ihr dann ganz großen Stadionrock auf den größten Festival-Bühnen der Welt. Nur komisch, dass es im Gegensatz zu den lizensierten Songs keine lizensierten Stages oder Clubs gibt. Wäre doch mal grandios selber bei Rock am Ring oder auf dem Glastonbury Festival zu spielen. Auch bei den Charakteren gibt es (abgesehen von Tom Morello von Rage Against The Machine sowie Slash von Guns'n'Roses bzw. Velvet Revolver) kaum bekannte, ihr spielt also die meiste Zeit lediglich mit ziemlich missratenen Comicfiguren im Ami-Style, von denen sich im laufenden Spielablauf weitere freischalten lassen. Danach geht es an die Songauswahl und es wird losgerockt – aber wie geht das überhaupt?
Eure Gitarre hat fünf Knöpfe, die die Saiten einer Gitarre symbolisieren. Um Punkte zu erhalten, müsst ihr zur richtigen Zeit die passende Saitentaste gedrückt halten und gleichzeitig die sogenannte Strum-Bar zum Anschlagen der Saite bringen. Bei schnellen Notenfolgen kann man die Strum-Bar auch abwechselnd auf und ab bewegen, um den Ton anzuschlagen. Es gibt hierbei normale Töne und anhaltende Töne. Um einen Ton zu halten, müsst ihr den Ton zur rechten Zeit anschlagen, den entsprechenden Saitenknopf jedoch entsprechend der Tonlänge fortwährend gedrückt halten. Mit einem lustigen Hebel an der Gitarre, Tremolo genannt, könnt ihr den Ton noch verzerren. Ebenfalls wichtig sind Star-Power und das Rock-Meter. Bei der Star-Power handelt es sich um einen zeitlich begrenzten Modus, der euren Punktemultiplikator verdoppelt. Spielt ihr bestimmte Töne und vor allem Tonfolgen, die aus sternförmigen Noten bestehen, korrekt, könnt ihr eure Starpower aufladen. Das Rock-Meter ist während des Spiels euer Mentor: Verhaut ihr viele Noten, sinkt es in den roten Bereich und beendet schlussendlich gewaltsam den Song, den ihr gerade spielt. Bitte nochmal versuchen. Startet der Song dann, fungiert der Bildschirm wie eine Art Zeitleiste. Die einzelnen Töne laufen vom oberen Bildschirmrand nach unten hinab. Sind sie unten angekommen, müsst ihr den Ton anschlagen. In schwierigeren Modi müssen zum Teil drei Saitenknöpfe gleichzeitig gedrückt werden, ganz zu schweigen von komplizierten Gitarrensoli und Übergriffen. Denn während ihr im leichten Modus nur auf den ersten drei Saiten spielt, wird es vom Modus Mittel bis hin zum Profi-Modus immer anspruchsvoller.
In besonderen Modi werdet ihr noch zusätzlich gefordert. Zockt man beispielsweise im Koop-Modus, spielt ein Spieler die Lead-Gitarre und der andere den etwas anspruchsloseren Bass-Part. Ferner gibt es noch zwei Duellmodi. Im normalen Duell spielt jeder 100 Prozent des Songs und es kommt einzig und allein auf das Können an, während in der sogenannten Schlacht einige fiese Hilfsmittel aktiviert werden können. Beispielsweise könnt ihr dafür sorgen, dass eine Saite des Gegners reißt. Möchte dieser weiterspielen, muss er zunächst die Saite durch Triggern der entsprechenden Taste „reparieren“.

Bananensoftware
Wenn man von den Features in Guitar Hero 3 für Wii spricht, muss man leider eigentlich von einer bodenlosen Frechheit reden. Nicht anders lassen sich hier einige Fehltritte erklären. Zum ersten gibt es die Standard-Funktionen, die man schon aus den Vorgängern kannte: Optionale Songs, Gitarren und Charaktere können im Shop gekauft werden, es gibt einen Multiplayer-Modus für zwei Spieler (Sofern man zwei Gitarren hat) und das Optionsmenü bietet einige Feineinstellungen wie zum Beispiel Latenzkalibrierung bei HD-Fernsehgeräten oder das Konfigurieren des Spiels auf „Linkshänder“. Alles was danach kommt, klingt suspekt. Es gibt zum Beispiel einen Koop-Modus, der laut einiger Magazine nicht offline spielbar ist. Ebenfalls einsame Spitze ist die Dolby Pro Logic II Unterstützung, die im Endeffekt nur ein hochgerechneter Mono-Sound ist. Statement von Activison dazu: „Wir prüfen das mal.“ So soll es sein. Ganz spannend ist dann natürlich der Online-Modus, der getreu dem Motto „It’s not a bug, it’s a feature!“ alles bietet: Konsolenabstürze, Aufhänger des Spiels oder nicht interpretierbare Fehlermeldungen. Auch wenn während unserer Testphase größtenteils ein problemloses Spielen möglich war, ist an dieser Stelle unbedingt zu erwähnen, dass wir eben auch Konsolenabstürze in Kauf nehmen mussten. Spieler von Super Paper Mario wissen, was man sich darunter vorzustellen hat.
Ebenfalls komisch: Benutzt man die Filteroptionen bei der Matchsuche, werden nur selten Spiele gefunden. Eine genaue Detailsuche war meist nicht zu hundert Prozent möglich und wir mussten unsere Suchkriterien stark einschränken. Ferner macht es sich der Titel einfach. Man wählt lediglich, welche Schwierigkeitsstufe gespielt wird und hat dabei nur Zugriff auf die Songs, die man sich offline freigespielt hat. Der letzte große Gau ist dann natürlich das Friend-Code System, das Community-taugliches Spielen unmöglich macht. Download-Content ist ebenfalls nicht verfügbar und Gerüchte, die Soundpakete werden später über Wii-Ware angeboten, wurden bislang von keiner Seite bestätigt. Aus diesem Grund muss hier einfach gesagt werden, dass Guitar Hero 3: Legends of Rock in der Wii-Fassung wesentlich schlechter abschneidet als die Xbox360-Fassung. Großes plus jedoch: Online-Duelle mit der Wii sind kostenlos, auf der Xbox nicht. Damit lassen sich einige fehlende Features zwar verschmerzen, dennoch fühlt man sich ein wenig in die Steinzeit des Online-Gaming versetzt.
Spielbarkeit und Grafik: Die PS2 lebt noch
Reden wir bei Guitar Hero 3 über die Grafik, dann reden wir von der PS2-Fassung. Zwischen Wii- und Xbox360- bzw. PS3-Version liegen Lichtjahre. So muss man auf der Wii auf fast alle schönen Lichteffekte der Locations verzichten, wodurch ein Großteil der Atmosphäre über Bord geht. Auch die Charaktere sind schwach modelliert und es sieht mehr als nur komisch aus, wenn sie zu „When you were young“ ihren Mund bewegen. Glücklicherweise ist man beim Spielen so auf die herannahenden Töne fixiert, dass man die Grafik nur schemenhaft wahrnimmt. Achtet man aber mal auf die Grafik, dann muss man wirklich feststellen, dass hier so gut wie kein Unterschied zu den PS2-Versionen zu sehen ist.
Alle negativen Spielaspekte sind aber vergessen, wenn man in die Spielbarkeit eintaucht. Denn hat man hier erst einmal Blut geleckt, gibt es kein Entkommen. Guitar Hero bietet gegen Ende einen bockschweren Schwierigkeitsgrad, der dazu motiviert immer weiter zu üben und zu spielen. Und um Guitar Hero zu können, das muss man ganz deutlich sagen, braucht es einfach einiges an Übung. Einziges Manko ist nur, dass je nach Schwierigkeitsgrad viele Töne eines Songs ausgelassen werden. Das führt dazu, dass sich ein Song nicht wirklich „echt“ anfühlt, wenn man ihn auf Leicht oder Mittel spielt. Erst im Modus Schwierig wird es richtig spannend. Hier glüht die Gitarre schon fast und die Online-Rangliste motiviert ebenfalls ein wenig. Der Gipfel ist dann die zum ersten Mal durch und durch gelungene Songauswahl mit vielen Originalsongs, die auch allesamt gut umgesetzt wurden. Und auch ohne herunterladbare Songs gibt es mit stattlichen 70 Songs genug zu tun: Muse, Metallica, Scorpions, Tentacious D, The Killers, Slipknot, Bloc Party, Rolling Stones, Sex Pistols und Rage against the Machine fordern den Spieler im Karriermodus, während man unter der Fülle an Bonussongs unter anderem die Kaiser Chiefs, Rise Against, die Toten Hosen und sehr überraschend auch Revolverheld antrifft. Auch einige eher unbekanntere Tracks sind zugegen, die zum Teil extra für Guitar Hero 3 aufgenommen wurden. Besser geht’s fast nicht.
Fazit: Eigentlich müsste man Vicarious Vision treten, weil sie den Titel stellenweise sehr lieblos umgesetzt haben. Die Fehler im Onlinemodus sowie die schlechte Grafik und solche Scherzchen wie hochgerechneter Mono-Sound seien ihnen hier an den Kopf geworfen. Nichtsdestotrotz ist Guitar Hero 3: Legends of Rock ein innovatives Musikspiel, bietet eine klasse Songauswahl, Spaß für Wochen und kostenloses Onlinespiel. Der große Nachteil ist nur, dass man dank des Gitarrencontrollers rund 90€ locker machen muss, ganz zu schweigen von einer teuren zweiten Gitarre, wenn man mal lokal mit einem Freund daddeln möchte – über das Friendcode-System ist das ja mehr als beschwerlich. Wer aber über diese ganzen Macken hinwegsehen kann, der erhält ein wunderbares Musikspiel und es dauert sehr lange, bis man die Songs auf Schwer und Profi meistert. Und trotz der vielen Frechheiten seitens Vicarious Visions vergeben wir einen WiiX-Award für das innovative und spaßige Konzept des Titels. Am Schluss nur noch ein Hinweis: Wer eine Xbox 360 samt genügend Kleingeld daheim hat, der wartet lieber auf Rockband. Denn gegen diesen Titel sieht Guitar Hero 3 ganz schön alt aus.
Zweite Meinung von A. Held
Für mich als alten Guitar Hero-Veteranen war die Wartezeit auf den dritten Teil fast unerträglich. Deshalb wurden in der Releasewoche quasi täglich alle Läden abgesucht, bis ich den Titel schließlich zwei Tage vor Release in den Händen hielt. Und nachdem ich nun auch einige Stunden mit dem Spiel zugebracht habe, möchte ich den Titel auch mal aus der Sicht von jemandem beleuchten, der die ersten drei Schwierigkeitsgrade auslässt und sofort auf Profi spielt.
Eine Sache, der fast jeder zustimmt, ist, dass Guitar Hero III die bis jetzt beste Songliste liefert. Red Octane, die neben dem Bau des Gitarrencontrollers auch die Lizenzierung der Songs übernehmen, haben das Budget merklich nach oben geschraubt und ersparen dem Spieler unbekanntere Interpreten wie Matthew Sweet oder Lamb of God. Stattdessen haben wir nun Originalaufnahmen von Guns'n'Roses und erstmalig einen Song von Metallica. Nur an Led Zeppilin und AC/DC ist man erneut gescheitert.
Eine Sache, die nun entweder gut oder schlecht ist, ist der Schwierigkeitsgrad von Guitar Hero III. Den werden Neulinge und Gelegenheitsspieler kaum bemerken, da auf den ersten drei Schwierigkeitsgraden alles beim Alten geblieben ist, aber auf der höchsten Stufe (die gerade aufgrund der sonst fehlenden Noten für einige Spieler als einzige interessant ist) wurde der Schweirigkeitsgrad nicht zuletzt durch Myriaden an Dreifachakkorden deutlich in die Höhe geschraubt. Das Rock Meter ist wesentlich strenger und auch die Star Power ist kein Unverwundbarkeitsschild mehr. Der Schwierigkeitsgrad ist nun auch entweder der entscheidende Vorteil oder der Nachteil gegenüber der Konkurrenz in Form von Rock Band. Während der Band-World-Tour-Modus sicherlich rockt, falls man mehrere Spieler zur Verfügung hat, ist eben dieses "falls" der Knackpunkt. Rock Band bietet eine knappere Songliste mit 58 Liedern, kostet 160€ und ist für erfahrene Gitarristen einfach zu leicht.
Insgesamt ist Guitar Hero III ein absolut würdiger Nachfolger zu einem großartigen Spiel, aber eine kleine Frischzellenkur könnte dem Titel wirklich nicht schaden. Gerade eine Art Band-World-Tour-Modus für Singleplayer ist im vierten Teil ein absolutes Muss. Ansonsten bietet der dritte Teil einen tollen Soundtrack, dank vier Schwierigkeitsgraden genug Optionen für Einsteiger und Gelegenheitsspieler, und dank eines stark verschärften Profi-Modus neue Herausforderungen für erfahrene Spieler. Es wird halt nur langsam etwas alt.
Von Lars Peterke
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| Wertung für das Spiel Guitar Hero 3: Legends of Rock | |
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| 5.3 | Grafik Hier wurde offenbar mal wieder auf die PS2-Fassung zurückgegriffen. | |
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| 8.4 | Sound Tolle und umfangreiche Tracklist, die Audioqualität ist jedoch nicht optimal. | |
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| 9.3 | Steuerung Der Gitarrencontroller ist gut verarbeitet und bietet eine gute Spielbarkeit, allerdings erst nach einiger Übung. | |
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| 8.9 | Gameplay Spaßiges Musikspiel, das jedoch viel Übung erfordert, bevor man wirklich richtig rockt. | |
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| 8.6 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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