Review von Tim Herrmann (mail) | 19.11.2007
Marvel ist ein sehr dehnbarer Begriff. Er umfasst schon lange nicht mehr nur Comics, sondern mittlerweile auch zahlreiche Filme, einige lizenzierte Videospiele, Tonnen an Merchandise mit Spielfiguren, Sammelkarten oder sonstigem Krimskrams – und das Ganze nicht nur um ein Thema bzw. eine Geschichte, sondern gleich um zig verschiedene Superhelden, heroische Teams, Übermenschen, Mutanten, böse Monster, die plötzlich wohlgesonnen sind und so weiter und so fort. Sie alle retten in ihren Universen oder ihren Territorien der Erde die Menschheit. Da kann man leicht den Überblick verlieren, doch einen vergisst man sicherlich nicht: Denn der mit Abstand berühmteste Marvel-Superheld ist ein gewisser Peter Parker, der eines schönen Tages von einer radioaktiven Superspinne gebissen wird und seitdem mit klebrigen Fäden um sich schießt, Fassaden hochkraxelt, Bösewichter fertig macht und holde Damen aus den Fängen von Fieslingen aller Art rettet.
Auf Nintendos Wii erscheint mittlerweile bereits das dritte Spiel, in dem der Spinnenmann vertreten ist. Nach Marvel – Ultimate Alliance und der Lizenzumsetzung des dritten Filmes kommt nun von Activision ein Spiel namens Spider-Man: Freund oder Feind. Wir wollen euch in unserem Test zu diesem Machwerk einmal verraten, ob die Spider-Man-Lizenz gut umgesetzt worden ist und ob der Multiplattform-Titel auf Wii in den oberen Rängen irgendetwas zu sagen hat oder sich im Mittelfeld durch die Häuserfassaden schwingt und es nicht über 08/15-Niveau schafft.
Marvel – Ultimate Alliance durch Zwei
Bereits zu Anfang haben wir kurz einmal ein gewisses anderes Spiel von Activision erwähnt: Marvel – Ultimate Alliance. Dieser Titel erschien im Frühjahr und vereinte alle Helden und Bösewichter des Marvel-Universums und ließ sie gegeneinander antreten oder miteinander für das Gute fechten. Selbstredend hatte jeder der zahlreichen prominenten Übermenschen seine ganz speziellen Attacken, die er auf seine Feinde niederprasseln lassen konnte. Das Spiel überzeugte durch die große Anzahl an spielbaren Charakteren, die weitläufige Palette an Angriffskombinationen und den großen Umfang.
Doch warum erzähle ich das an dieser Stelle alles und was hat das Ganze plötzlich mit Spider-Man zu tun? Nun, die ersten primitiven Antworten auf diese Frage springen natürlich geradezu ins Auge: Beide Spiele kommen von Activision und beide Spiele beinhalten Spider-Man als einen der Protagonisten. Im weiteren Verlaufe dieses Reviews werden wir noch einige Male ein paar weitere Vergleiche ziehen. Zunächst einmal sei aber erwähnt, dass man Spider-Man: Freund oder Feind als ein „Marvel – Ultimate Alliance durch Zwei“ beschreiben könnte.
Doch fangen wir erst einmal zu Beginn an: Es ist eine lauschige und ruhige Nacht, alle Verbrecher sitzen hinter schwedischen Gardinen und Spidey langweilt sich. Doch plötzlich überschlagen sich die Ereignisse und Dr. Octopus, der grüne Kobold, Venom und der Sandmann (alle bekannt aus den Filmen) wollen dem Spinnenmann nichts Gutes. Dieser weiß sich natürlich mithilfe seines Freundes Harry zu helfen und bringt die vier erst einmal zur Strecke. Aber damit ist der Irrsinn noch nicht vorbei und kurze Zeit später krabbeln fiese, kleine Biester über die Geländer des Wolkenkratzers, auf dem sich die Comic-Berühmtheiten befinden, und lassen die Übeltäter auf mysteriöse Weise verschwinden. Unsere freundliche Spinne aus der Nachbarschaft wird glücklicherweise in vorletzter Sekunde von einem Traktorstrahl in ein UFO gesogen. Es stellt sich heraus, dass es sich dabei um einen Helicarrier der Anti-Terror-Organisation S.H.I.E.L.D. handelt, die auch hinter den Missionen in Marvel – Ultimate Alliance stand. Sie weiß natürlich schon, worum es geht, und möchte den Alten Hasen im Kriminalitätsbekämpfungsgenre zur Lösung des Problems anheuern. Die Geschichte beginnt: Ein Meteor hat so genannte Phantome (ein Akronym, dessen genaue kreative, aber ellenlange Bedeutung an dieser Stelle hoffentlich nicht von allzu großem Interesse ist…) auf die Erde gebracht, die nun für jede Menge Ärger sorgen und auch für das Verschwinden von Spider-Mans Feinden verantwortlich sind. Peter Parker soll also an die Meteor-Einschlagstellen rund um den Globus reisen (Tropen, Bergwelten, Großstädte) und kurz nach dem Rechten sehen.
Ein Kapitel nach dem anderen und dann wieder zurück zur Basis und von vorne…
Das Spiel selbst läuft dann leider strikt linear und nach dem Missionsprinzip ab. Der Benetzte bekommt seinen ersten Zielort zugewiesen und wird freundlicherweise mit einer Art Teleportationsvorrichtung von der Basis aus genau dorthin gebeamt. Nach einer kurzen (teilweise übrigens sehr belustigenden und humorvollen) Einleitungssequenz von einem intelligenten Computer, dem geheimen Star des Spiels, geht es los: Es gilt, einen kurzen Teillevel zu durchlaufen, an dessen Ende es wieder zurück zur Basis geht, wo dann Energie getankt, neue Upgrades gekauft oder Belohnungen abgeholt werden können.
So weit das Grundprinzip. Der Spieler ist aber während seiner zahlreichen Missionen nicht ganz auf sich allein gestellt, sondern bekommt noch einen weiteren Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit an die Seite gestellt. Teilweise sind das neu erfundene Charaktere, die aussehen, als könnten sie aus dem Marvel-Universum stammen, teilweise sind das exakt die Personen, die Spider-Man im Intro des Spiels noch an die Wäsche wollten: seine Feinde. Deswegen vermutlich auch der Titel des Spiels: Freund oder Feind. Und hier kommt nun die Erklärung für „Marvel durch Zwei“. Denn anstatt von vier Helden, die nun vom Spieler gesteuert werden und gegen alle möglichen Variationen an Monstern, feindsinnigen Robotern und anderem kriminellen Gesockse antreten, sind es nun nur noch zwei. Von diesen ist einer immer Spider-Man. Der andere Spieler ist zu Beginn eines jeden Teillevels frei wählbar und folgt der Spinne auf Schritt und Tritt. Durch Schütteln des Nunchuks könnt ihr euch entscheiden, mit wem ihr gerade lieber spielen wollt. Falls ihr zu den glücklichen Leuten gehört, die Freunde mit einer Controller-Kombination haben, darf sich einer von denen auch ins Spiel einklinken und dann kooperativ als Spider-Mans Kumpane mitkämpfen. Das ist der Multiplayer-Part des Spiels.

Eintönig
Doch was gibt es denn überhaupt zu tun für euch, während das Spiel läuft? Das Prinzip erinnert auch hier wieder stark an Marvel – Ultimate Alliance. Denn grundsätzlich verläuft der Titel nach immer demselben Schema. Ihr betretet einen Raum bzw. eine spezielle Gegend und eine Gruppe aus Gegnern erscheint plötzlich. Für euer Heldengespann geht es erst weiter, wenn sich die Kontrahenten verdünnisiert haben oder – besser gesagt – ihr ihnen dazu verholfen habt. Und das ist der Haupt-, wenn nicht sogar der einzige Part des Spiels. Kämpfen, Laufen, Kämpfen, Zur Basis zurückkehren, Kämpfen. Ab und zu schleichen sich auch Mal primitive Schalterrätsel ein, die aber ungefähr so viel Hirnschmalz erfordern wie sie ein Hamster bietet, weil es schlicht und einfach nur gilt, sich auf einer unversteckten plattform zu platzieren, woraufhin sich ein neuer Weg öffnet.
Die Kämpfe selbst sind dabei zuerst eigentlich recht unterhaltsam, werden auf Dauer aber sehr eintönig und bieten nicht besonders viel bis gar keine Abwechslung. Immer wieder erscheinen in neuen Gegenden, auf neuen plattformen oder in neuen Räumen neue Phantome und Spider-Man jagt ihnen ein paar Eiweißketten aus seinen Handgelenken auf den Leib, springt in die Höhe und lässt seine Fäuste spielen, das Ganze noch möglichst in Kombination. Mit der Zeit erweitert sich sein Repertoire an Angriffen auch, nachdem er sich von im Spiel erworbenen Symbolen neue Fähigkeiten gekauft hat, aber insgesamt hat Marvel – Ultimate Alliance, um den Vergleich noch einmal aus der Mottenkiste zu kramen, das Ganze ein wenig unterhaltsamer gestalten können, weil sich die Angriffe der verschiedenen (zahlreicheren) Superhelden schon zu Beginn und völlig ohne Aufwertungen so stark voneinander unterschieden haben, dass es Spaß gemacht hat, immer wieder etwas Neues auszuprobieren. Hier wirkt nicht nur die Spieleranzahl, sondern auch der Spielspaß „durch Zwei“ geteilt.
Meistens werdet ihr wohl in der Rolle von Spider-Man stecken, weswegen sein Kampfstil nun einmal ein wenig näher beschrieben sei. Wie eben schon angerissen, gibt es für ihn grundsätzlich zwei Möglichkeiten, seinen Feinden ordentlich einzuheizen: zuschlagen oder Netze einsetzen, an denen er die Bösewichter dann durch die Gegend wirbeln, zu Boden schleudern, zu sich ziehen oder sie in luftige Höhen katapultieren kann, wo sie dann etwas von seiner Faust zu schmecken bekommen. Das Ganze wird (nett ausgedrückt) dezent, aber (wahr ausgedrückt) inkonsequent und unzureichend untermalt mit den Wii-Features, die nicht besonders ausführlich zum Tragen kommen, eher aufgesetzt wirken und keinen speziellen Teil zur Spielspaßerweiterung beitragen. Es bietet sich lediglich ab und zu die Möglichkeit, den Controller hoch- oder runter zu bewegen oder ihn zu schütteln, um eine spezielle Variation des Netzschwunges bzw. Griffes auszuprobieren. Da das Gegneraufkommen aber meist relativ hoch ist und man wenig Zeit zum Überlegen und Ausklügeln von wunderschönen Kombinationen hat, artet das Ganze des Öfteren einfach in ein wildes Knöpfchendrücken, Fuchteln und Hoffen, dass etwas Cooles dabei passiert, aus.
Die Standardangriffe der Charaktere können nach und nach aufgewertet, erweitert oder verstärkt werden. Dazu sind bestimmte goldene Symbole vonnöten, die nicht nur in den Levels verstreut in Kisten liegen, sondern auch von besiegten Fieslingen freigesetzt werden. Power-Ups, die ihr findet, können indes über das Steuerkreuz aktiviert werden und verhelfen Spider-Man zu erhöhter Verteidigung, verstärkter Angriffskraft oder einem mächtigen Teamangriff. Wer diese Items nicht suchen möchte, kann sie sich für die Symbole ebenfalls an der Basis käuflich zulegen.
Die Grafik präsentiert sich bei Spider-Man: Freund oder Feind ganz ordentlich. Man kann sie als eine Art Comic-Stil-Cel-Shading-Variante mit einigen realeren Elementen bezeichnen. Das ist auch ganz konsequent, denn das Spiel erinnert vom Inhalt her an eine Mischung aus Neuschöpfung und Filmumsetzung. Denn die Hauptfeinde, die sich der Truppe nacheinander anschließen, sind aus den drei Kinofilmen bekannt, die Handlung hat allerdings nichts mehr mit den teils genialen Hollywood-Streifen zu tun.
Sicherlich ist das Spiel kein Feuerwerk aus Spezialeffekten und Lichtspektakeln, allerdings ist das, was man sieht, für GameCube-Verhältnisse auf relativ solidem Niveau, an dem man eigentlich nicht viel meckern kann. Einen pluspunkt verdient die Sprachausgabe des Spiels. Im Gegensatz zu Marvel - Ultimate Alliance, das damals gar nicht erst für den deutschen Markt lokalisiert wurde und nur Englisch als Spiel- und Anleitungssprache bot, ist dieser Titel nun komplett auf Deutsch. Nicht nur Texte und Anweisungen sind in der deutschen Sprache gehalten, sondern auch die Sprachausgabe kann von jedem verstanden werden. Hier dürfen natürlich auch die mehr oder weniger coolen und mehr oder weniger witzigen und flotten Sprüche von Spider-Man und Co. nicht fehlen, wenn sie irgendjemandem eingeheizt haben und sich nun über dessen Schwäche amüsieren. Besonders der sarkastische und humorvolle Computer gefällt.
Wirklich Spider-Man oder nur „irgendein Held“?
Zuletzt wollen wir noch kurz die Frage nach der Spider-Man-Lizenz klären. Um es kurz zu machen: Wirklich großartig ist das alles nicht, was man mit dem Spinnenmann anstellen kann. Ob da nun der eine Spider-Man durch Kanalisationen oder Dächer läuft oder irgendein anderer Held, wäre nicht zu differenzieren, wenn der Spieltitel das nicht schon verraten würde. Auch Rätsel, bei denen Spider-Mans Netzfähigkeiten zum Überqueren größerer Abgründe oder ähnlichem gebraucht werden, sind nicht vorhanden. Schade, denn ich wäre gerne noch einmal durch Städte gedüst und hätte dieses Freiheitsgefühl erlebt, das die Umsetzung zum dritten Film leider nur eingeschränkt bieten konnte. Fazit: Spider-Man: Freund oder Feind (Friend or Foe) ist nicht direkt ein wirklich schlechtes Spiel, auf kurze Dauer kann es Freunden der Menschenspinne ein wenig Freude bereiten. Es bietet aber bei Weitem nicht genug Ideen und Abwechslung im Gameplay, um über eine längere Zeit zu unterhalten und wird dadurch sehr schnell langweilig. Die Handlung, die ab und zu erzählt wird, ist nicht schlecht; doch der Ablauf der Kämpfe ist vorausschaubar und das Spielprinzip ist nichts, was nicht schon hundert andere Titel genauso gemacht hätten. Wir haben es hier mit einer 08/15-Lizenzumsetzung zu tun, die hauptsächlich auf den Namen „Spider-Man“ setzt, daneben aber kein wirkliches Kaufargument vermittelt, das die 60€ Kaufpreis rechtfertigt. Zu einem günstigeren Preis wäre es vielleicht eine Überlegung wert.
Von Tim Herrmann
|
|
| Wertung für das Spiel Spider-Man: Freund oder Feind | |
| |
 |  | |  |
|  | |
| 7.0 | Grafik Mischung aus Cel-Shading und realerem Stil. Keine größeren Mängel sind erkennbar, alles wirkt recht ordentlich und entspricht solidem GameCube-Niveau. | |
|  | |
| 7.8 | Sound Komplett deutsche Sprachausgabe, Sprachsamples während des Spiels und eine passende Hintergrundmelodie addieren sich zu einem guten Gesamtprodukt. | |
|  | |
| 6.0 | Steuerung Die Steuerung ist nichts Besonderes, deswegen leicht zu beherrschen. Die Wii-Features kommen aber kaum zum Tragen und wirken eher aufgesetzt als intuitiv und innovativ. | |
|  | |
| 5.0 | Gameplay Das Gameplay an sich ist durchweg langweilig, weil alles immer nach demselben Schema abläuft. Es gilt, nach und nach zu kämpfen und damit einen neuen, unversteckten Bereich zu erschließen, wo dann frische Feinde auf Spideys Fäuste warten. Rätsel sind nicht vorhanden und lediglich die selbstironische Storyerzählung punktet und lässt den Spieler auf das Ende eines Kapitels hoffen. | |
|  | |
| 6.0 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
|

|