Review von Marian Wehmeier (mail) | 04.11.2007
Keine Frage, deutsche Fußballfans haben es nicht leicht: Die Bundesliga ist dank der Münchener Millionentruppe unspannender denn je, in der Champions-League sehen deutsche Clubs wie Stuttgart und Schalke gegen internationale Starensembles kein Land und auch der wilde Haufen von Jogi Löw wusste in den letzten Spielen nicht zu überzeugen.
Die FIFA-Serie, deren Debüt bereits 14 Jahre zurückliegt, diente bereits vielen Fußballjüngern als Heilmittel – selbst, wenn keine akuten Symptome diagnostiziert wurden. Den Anfang machte damals FIFA International Soccer, dass u.a. für das SNES, Mega Drive und PC erschien. FIFA 95 folgte. Die Serie wurde zum Markenzeichen von EA Sports und von da an (Seit an Seit mit ihren Brüdern und Schwestern der NBA-, NFL- und Madden-Serien) jährlich, plus diverser Spezialeditionen, veröffentlicht.
Nun steht mit FIFA 08 der vierzehnte Ableger in den Regalen. Während sich Fans der Serie schon die Finger reiben, drängt sich die Frage auf, ob diese Version endlich das erreichen kann, was circa zehn Vorgängerversionen schon nicht zu schaffen vermochten: endlich mehr, als nur ein bloßes Update zu sein
Alles beim Alten
Was EAs Fußballserie schon immer ausgemacht hat, ist die umfangreiche FIFA-Lizenz. Mit 30 Ligen und 30 Stadien, in denen sich mehr als 14.000 nachempfundene Profispieler auf dem virtuellen Rasen tummeln, ist FIFA 08 der noch rar gesäten Konkurrenz auf der Wii (Pro Evolution Soccer 2008 von Konami erscheint erst Anfang nächsten Jahres) weit voraus.
Auch der Spielumfang kann sich sehen lassen: FIFA 08 wartet mit zahlreichen Spielmodi auf, wobei das Hauptaugenmerk auf dem Turnier- und Liga-Modus liegt. Während man im Turnier-Modus an zahlreichen nationalen wie internationalen Pokalwettbewerben teilnehmen kann, erlaubt es der Liga-Modus, komplette Saisons von insgesamt 30 mehr oder minder bekannten Spielklassen nachzuspielen.
Darüber hinaus werden diverse Herausforderungen angeboten: Hier wird der Spieler in eine bereits laufende Partie geworfen und muss auf dem Feld akutes Krisenmanagement leisten. Ein vorab festgelegtes Ziel (oft muss ein Rückstand aufgeholt oder ein vorläufiges Unentschieden in einen Sieg umgemünzt werden) gibt an, wie viele Tore erzielt werden müssen, um die Mission erfolgreich abzuschließen. Neben dem eigentlichen Zweck des Modus, in schwierigen Situationen sein Können unter Beweis zu stellen, kommt ihm noch eine zweite Bedeutung zu: Für jede abgeschlossene Mission kriegt man Geld gutgeschrieben, das man später im Shop in neue Stadien und Fußball-Accessoires wie Trikots und Spielbälle eintauschen kann.
Durch die WiFi-Connection können Spiele online ausgetragen werden. Nachdem die Registrierung bei EA abgeschlossen ist, kann man sich mit Spielern aus aller Welt messen. Hinzu gesellt die Möglichkeit, in interaktiven Ligen teilzunehmen. In diesem Modus wählt man einen Lieblingsverein aus, beispielsweise Borussia Dortmund, und vertritt ihn über die ganze Saison. Dabei entscheiden die Ergebnisse, die man selbst erzielt hat, und die Ergebnisse der anderen Online-Spieler, die ebenfalls denselben Lieblingsclub gewählt haben, darüber, welcher Tabellenplatz letztendlich belegt wird.
Neben den normalen Modi und dem Online-Angebot gibt es noch drei Wii-spezifische Minispiele. Hier kann man mit seinem Mii gegen Ronaldinho (in knuddeligem Mii-Format) antreten und sich im Tischkickern, Balljongieren und Torwandschießen beweisen.
Dafür muss die Wii-Version im Gegensatz zu anderen Konsolen ohne den neuen Be A Pro: Coop Saison-Modus auskommen, in dem man eine eigene virtuelle Fußballerkarriere beginnen kann.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Fifa 08 bietet zwei grundlegend verschiedene Steuerungsmodi. Den Advance-Modus, der für fortgeschrittene Spielsemester gedacht ist und die Nunchuck-Kombination voraussetzt, und den Family-Modus, der für Einsteiger konzipiert ist und nur die Wii-Remote benötigt. Der augenscheinlichste Unterschied der zwei Spielweisen ist, dass im Family-Modus die einzelnen Feldspieler nicht gesteuert werden: Der Computer übernimmt das Laufen und Positionieren, während der Spieler nur für die Aktionen (sei es das Schießen, Dräschen oder Flanken) zuständig ist. Diese Aktionen beschränken sich dann auf zwei Knöpfe (A und B) und diverse Wii-Remote-Bewegungen. Während man mit dem A-Knopf den Spieler wechselt und einen Kurzpass ausführt, dient der B-Knopf für einen normalen Zweikampf oder einen Steilpass. Beide Knöpfe können auch kombiniert werden, wodurch man z.B. einen langen Ball schlagen kann. Hinzu kommen die erwähnten Bewegungen mit der Wii-Remote. So kann man durch schnelles Hochreißen einen Schuss ausführen oder durch eine ruckartige Herabbewegung eine Grätsche ansetzen.
Während die Knopfbelegungen und Steuerungsmöglichkeiten im Family-Modus relativ überschaubar sind, gehört im Advance-Modus schon eine Menge Geschick und Übung dazu, um erfolgreich spielen zu können.
Im Gegensatz zum Family-Modus ist es im Advance-Modus erstmals möglich, Kontrolle über die Spieler und deren Tempo zu übernehmen. Die Spieler lassen sich mit dem Analog-Stick vom Nunchuck bewegen, gesprintet wird mit dem Z-Knopf. Die restlichen Aktionen sind ähnlich zu dem Steuerungsschema des Family-Modus, werden aber durch eine Vielzahl von Tricks und Filigrantechniken (Heber in den Lauf, Körpertäuschung etc.) ergänzt. Bei solchen Finessen, die im Fußball zwar nicht überlebensnotwendig sind (Arminia Bielefeld hat auch ohne schon vier Jahre in der ersten Bundesliga überlebt), das Spiel aber komplexer und auch attraktiver machen, muss meist ein Knopf (oft der C-Knopf) gedrückt gehalten und mit einer grundlegenden Bewegung kombiniert werden.
Damit Spieler, vor allem auch Anfänger, die mit dem Family-Modus nichts anfangen können, nicht verzweifeln, bietet Fifa 08 zu Anfang eine Fußball-Akademie an, in der der Advance-Modus in all seinen Facetten durchexerziert wird.
Wie es die Profis vormachen
Hat man sich mit den beiden Steuerungsschemata vertraut gemacht, geht es geradewegs auf den grünen Rasen. Das Gameplay ist wie gehabt rasant und ausgewogen. Wir sehen Spieler, die den Ball elegant im Lauf annehmen, um dann einen gekonnten Steilpass zu spielen, die sich euphorisch nach jedem geschossenen Tor freuen und niedergeschlagen nach jedem kassierten Treffer die Köpfe senken, die sich nach einer Dresche theatralisch noch drei Mal überschlagen, bevor sie wieder aufstehen und indirekt zugeben, dass es dieser Schuaspielerei nicht gebraucht hätte – FIFA 08 präsentiert Fußball so, wie es die Profis Woche für Woche vormachen. Hinzu kommen Details wie Erschöpfungserscheinungen bei Spielern, die viel laufen, diverse neue Steuerfunktionen (u.a. Steilpass- und Flankensteuerung) und die Möglichkeit, eigene Formationen und Strategien zu entwickeln, um den Gegner effektiv ausspielen zu können.
Diverse Kameraeinstellungen fangen dabei das Spiel aus verschiedenen Blickwinkeln ein, wobei sich die Standardperspektive FreeMotion nennt. Diese Kamera fängt das Spielgeschehen nicht wie gewohnt von der Seite ein, sondern ist hinter dem Tor platziert. Zusätzlich kann man im Optionsmenü einstellen, ob hilfreiche Tipps während des Spiels eingeblendet werden sollen oder nicht.
Optisch hat sich im Gegensatz zu FIFA 07 wenig getan. Die Stadien ummauern das Geschehen, auf dem Platz selbst gibt es entzückende Animationen zu bestaunen, während diverse Witterungsbedingungen und Zwischensequenzen den guten Gesamteindruck abrunden. Bei näherer Betrachtung fallen einzig die relativ undetaillierten Spieler negativ auf. Insgesamt ist die Grafik auf solidem GameCube-Niveau anzusiedeln, auch wenn sie zu keinem Zeitpunkt an die Leistung der Versionen für PS3 und XBOX 360 herankommt.

Soundtechnisch ist FIFA 08 ein zweischneidiges Blatt. Wie in den vielen Vorgängerversionen kommentieren zwei Fachleute (hier: Tom Bayer und Sebastian Hellmann) die Ereignisse auf dem grünen Rasen. Die teilweise netten Anmerkungen, hin und wieder aber fast schon peinlich anmutenden Fußballphrasen wiederholen sich jedoch sehr schnell. Zudem sind viele Kommentare so speziell auf bestimmte Situationen bezogen, dass sie nur selten nicht deplatziert wirken. Die Soundeffekte hingegen überzeugen: Das Publikum im Stadion honoriert die Aktionen ihrer Spieler fachgerecht mit tosendem Applaus, enttäuschtem Aufstöhnen und vereinzelten Pfiffen, während ein umfangreicher und sehr gelungener Soundtrack (u.a. mit Wir Sind Helden, Art Brut und Maximo Park) die Menüs passend untermalt.
Der Preis der Innovation
Die Steuerung, die relevanteste Neuerung der Serie ist gleichzeitig ihr Knackpunkt. Den Family-Modus außen vor gelassen (der sowieso nur höchstens fünf Prozent der Endkunden ansprechen wird), bietet FIFA 08 ein interessantes und gefühlsintensives Steuerungsschema an, das allerdings viel Einarbeitungszeit voraussetzt. Der Tastenmangel der Wii-Remote bedingt, dass viele und auch sehr grundlegende Aktionen nur durch Tastenkombinationen ausführbar sind, Tastenkombinationen, wie man sie sonst eher aus dem Kampfspiel-Genre kennt. Somit benötigt man, um adäquat spielen zu können, nicht nur das Verständnis von üblichen Abläufen (Passspiel oder Aufbau von Angriffen), sondern sollte auch die ganzen Kombinationen im Kopf haben. Ist das nicht der Fall, kann es vorkommen, dass man ein ganzes Spiel über versucht, sich mit wildem Herumgepasse und Verlegenheitsschüssen über Wasser zu halten. Die daraus folgende Konsequenz, dass FIFA 08 kein Spiel für Zwischendurch ist, ist nur allzu logisch. Ein geübter Spieler, der Freunde einlädt, die mit den Vorgängern bestens vertraut sind, muss davon ausgehen, dass ein ansehnliches und vor allem gerechtes Fußballspiel kaum zustande kommen wird.
Hinzu kommen ein paar Schwächen bei der Umsetzung der Steuerung. So ist es z.B. kaum möglich, die Schussstärke bei Freistößen oder Eckbällen zu kontrollieren. Während bei anderen FIFA 08-Versionen durch gezieltes Tastendrücken die Stärke präzise bestimmt werden kann, schießt man bei der Wii-Umsetzung (wie oben erwähnt) durch eine ruckartige Bewegung der Wii-Remote. Dabei gibt die Stärke des Ruckes an, wie kraftvoll ein Ball getreten werden soll. Leider lässt diese Ausrichtung an Präzision vermissen, wodurch kraftvoll geschlagene Freistöße zu Kullerbällen mutieren oder Eckbälle auf halber Strecke verhungern oder an Freund und Feind vorbeifliegen.
All diesen Mängeln und Unstimmigkeiten zum Trotz ist die Steuerung von FIFA 08 eine willkommene Abwechslung zu anderen verwandten Fußballspielen. Ein bisschen Feintuning hier und da hätten Wunder gewirkt. Zusammenfassend ist die Wii-Version von FIFA 08 Spielernaturen zu empfehlen, die sich nach einer frischen Brise Innovation in der sonst recht gräulichen Genreecke sehnen, sich dabei aber von einer langen Einarbeitungszeit nicht abschrecken lassen. Gelegenheitsspieler und auch Grafikpuristen greifen hingegen lieber zur PS3- oder XBOX 360-Version.
Fazit: Wer auf die Konkurrenz aus dem Hause Konami nicht mehr warten kann und mit Nintendos Spaßkicker Mario Strikers Charged Football nichts anfangen kann, dem sei FIFA 08, unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen, ans Herz gelegt. Das Spiel bietet neben einem ordentlichen Umfang ein fast makelloses Gameplay, einen superben Soundtrack und durchaus akzeptable Grafik.
Besitzer des Vorgängers sollten zunächst abwägen, ob die Neuerungen einen Kauf rechtfertigen. Entgegen allen Erwartungen ist FIFA 08 nicht das herkömmliche Jahresupdate, das für aktualisierte Daten und Zahlen den erneuten Vollpreis zu Buche schlägt. Die neuartige Steuerung bringt frischen Wind in die angestaubte Serie, kränkelt aber noch am fehlenden Feintuning und ihrer Komplexität, die eine recht lange Gewöhnungsphase mit sich zieht. Die gute Nachricht: Diese Kinderkrankheiten dürften dann spätestens nächstes Jahr mit FIFA 09 der Vergangenheit angehören.
Von Marian Wehmeier
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| Wertung für das Spiel FIFA 08 | |
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| 7.0 | Grafik Hübsche Animationen, Stadien und Spielermodelle, jedoch nichts, was nicht auch auf dem GameCube möglich gewesen wäre. | |
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| 8.2 | Sound Ein großartiger Soundtrack und eine realistische Stadionkulisse treffen auf zwei Kommentatoren, die viel, aber nur selten wirklich Interessantes zu sagen haben. | |
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| 7.1 | Steuerung Ein erfrischendes Konzept, das aber seine Zeit braucht, um richtig verstanden und angewandt zu werden. Kleine Unsauberkeiten stören zudem. | |
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| 8.2 | Gameplay Die umfangreichen Spielmodi, der Online-Modus und die Minispiele sorgen für viele Stunden Spaß. Das Geschehen auf dem Platz ist actionlastig und verspricht Begegnungen voller Adrenaline und Spannung. | |
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| 8.0 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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