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Ratatouille
Review von Burkhart von Klitzing (mail) | 13.10.2007

Vormittags bei Pixar auf dem Gang -
„Hey, Hanna, weißt du, was es heute in der Kantine gibt?“
„Ja, der Chef probiert mal wieder was Neues. Ratatouille. Mal schauen, ob’s diesmal gut geht.“
„Ratatouille? Was’n das? Klingt wie Ratteneintopf französischer Art.“
„Oh Mann, B.A., weißt du das echt nicht? Das ist so’n mediterranes Gemüsegericht. Hmm, aber Recht hast du schon irgendwie. Klingt wirklich nach Ratte. Ob man damit noch was machen kann?“
- Zwei Stunden später im Meeting -
„...und so bin ich auf die Idee gekommen, irgendwie etwas mit einer Ratte zu machen und das Ganze dann als Ratatouille zu verkaufen.“
(Applaus und Zustimmung)

Wer hatte nicht schon einmal das Gefühl, dass ein Film nur um einen Gag herum gewoben wurde? So ging es mir jedenfalls als ich davon hörte, dass die Hauptrolle in Pixars aktuellem Werk - Ratatouille - einer Ratte gehört. Erstmals habe ich jedoch auch den Film zu dem Spiel, das ich teste, gesehen und kann sagen, dass meine Befürchtungen zum Film zerstreut wurden, als ich knapp zwei Stunden im Kino verbracht habe. Die Story rund um Remy, die Ratte, die nach Paris kommt, sich dort mit dem jungen Linguini anfreundet und ihm hilft ein angesehener Koch zu werden, verzückt mit kindgerechtem, aber dennoch unterhaltsamen Humor für jedermann, Charaktere, die man ins Herz schließt und prächtiger Computertechnik. Schade nur, dass THQ von all dem kaum etwas in das offizielle Spiel hinübergerettet hat, doch vielleicht ist es ja in anderen Aspekten schmackhaft.

Kochregel #1: Anfänger sollten sich an das Kochbuch halten.
Noch während meines Kinobesuchs habe ich gedacht, dass man aus der Vorlage eigentlich kaum ein Jump ’n Run machen könnte, wie es nun mal oft bei Spielen zu Kinderfilmen der Fall ist. THQ hat es ja auch schon verstanden, aus Cars ein Rennspiel-Adventure und aus dem Tierisch Verrückten Bauernhof ein Sandbox-Game zu machen, also war ich guter Dinge als das Spiel bei mir eintraf. Doch Asobo (der Entwickler von Ratatouille) scheint beide Titel nicht gespielt zu haben, anders ist es kaum zu erklären, warum die Story des Films teils extrem verkürzt und teils schlicht umgeschrieben wurde. Beim Tutorial um das ländliche Häuschen einer alten Dame scheint in dieser Hinsicht noch alles im Rahmen zu sein, aber wenn später Linguini der kleinen Ratte urplötzlich vertraut, ohne sich mit ihr wie im Film unterhalten zu haben oder wenn bar jeglicher Erklärung die Köchin Colette plötzlich mit den Ratten zusammenarbeitet, obwohl sie bei ihrem letzten Auftritt im Spiel noch auf Rattenjagd ging, dann bleibt die Übersicht komplett auf der Strecke. Vorkenntnisse des Films sind so enorm wichtig für das Verständnis.

Kochregel #2: Viele Köche verderben den Brei, aber viele Zutaten machen ihn schmackhaft.
Asobos Werk mag kein ambitionierter Cooking Mama-Konkurrent geworden sein. Noch nutzt es seine Filmlizenz in irgendeiner Weise aus. Es bietet auch praktisch keine wahrlich innovativen Spielideen. Dafür setzt es zig altbekannte Versatzstücke immer wieder abwechslungsreich zusammen und vermeidet so Ermüdung beim Spielen. Stattdessen hält der Genremix die Motivation meist hoch. Den Großteil des Spiels steuert man Remy, wie in unzähligen Filmspielen zuvor, durch 3D-Levels, die gespickt sind mit Hindernissen, Feinden und nicht zuletzt Items. So lassen sich beispielsweise in jedem Level - wenig überraschend - exakt 100 Sterne finden. Die tapfere Ratte betritt insgesamt gerade einmal vier magere Level zusammen mit seiner „Bande“, um sie beim Klau von Lebensmitteln zu unterstützen (Kenner des Films dürfen sich an dieser Stelle wundern).

Hauptspeise
Wahlweise dürfen die relativ großzügig gebauten Welten frei erkundet werden oder Aufträge bei den Freunden angenommen werden. Überall verteilt warten die anderen Ratten mit Aufgaben der Marke „Öffne die Tür“, „Lenke die Menschen ab“ oder „Entschärfe die Mäusefallen“. Einige dieser Missionen lassen sich durch Überwindung von Abgründen und halsbrecherischen Kletteraktionen lösen an deren Ende ein wichtiges Item liegt. Andere dagegen erfordern die Lösung eines simplen Minispiels, doch dazu später mehr. Die Hüpfabschnitte spielen sich routiniert gut, was man aufgrund des bewährten Konzepts wohl auch erwarten darf. Remy flitzt auf Knopfdruck blitzschnell begleitet von einem Verwischeffekt zwischen dem Mobiliar und anderen Objekten umher, beherrscht einen Doppelsprung und kann sich allerlei Gegenstände zu Nutze machen. So klettert er etwa an Fäden hoch, krallt sich an Spültüchern fest und balanciert auf einem Stapel Baguettes. Die Steuerung vernachlässigt bis auf die Kamerakontrolle komplett die Wii-Fähigkeiten.

Der besondere Pluspunkt bei diesen Abschnitten ist die Atmosphäre. Die Grafik schwankt zwischen netten Charaktermodellen (auch wenn Remy eher an die Rattenhandpuppe aus Der Bär im Großen Blauen Haus erinnert), putzigen Animationen und arg eckigen Objekten sowie stellenweise grausig niedrig aufgelösten Texturen, die das N64 schon ähnlich hinbekommen hätte. Der Sound hält sich meist extrem dezent im Hintergrund, fällt also weder positiv noch negativ auf, wenn man von der oft eingesetzten, vorbildlichen Sprachausgabe mitsamt Originalsprechern absieht. Doch trotz dieser wenig spektakulären Mittel gelingt es den Entwicklern, das Gefühl, eine Ratte zu verkörpern, optimal herüberzubringen. Remy steht auf seinen Hinterbeinchen und schaut sich in einer großen Küche oder auf einem undurchsichtigen Marktplatz um; ringsum bewegen sich, im wahrsten Sinne des Wortes, mannshohe Menschen und eigentlich kleine Wege kommen einem Abenteuerlauf nah. So muss immer mal wieder ein neuer Weg über umgekippte Bücher, vorbei an Herdplatten und bedroht durch schnappende Hummer gefunden werden, während rundherum das alltägliche Leben seinen Lauf nimmt.

Darf es noch etwas sein?
Damit der Spielablauf nicht in Langeweile ausartet, warten alle paar Minuten diverse Minispiele auf euch. Wenn etwa eure Rattenkollegen mit ihrer Beute versuchen zu flüchten, dann solltet ihr ihnen den Weg weisen. Dazu muss mehrmals hintereinander auf die selben Punkte gezeigt und entweder A oder B gedrückt werden. Mehr als diese beiden Knöpfe und Wiimote- bzw. Nunchuk-Bewegungen sind denn auch gar nicht nötig in den anderen Disziplinen. Zeigt etwa auf die richtigen Kochzutaten, bestätigt Zutaten oder lehnt sie ab, gleicht farbige Felder an, verteilt Teig in einer Pfanne bevor ihr den Crêpe wendet oder schält und schneidet Kartoffeln. Die beiden letztgenannten Aufgaben kommen dem, was man von dem Spiel zu einem Film, der gutes Essen propagiert, erwarten durfte schon recht nahe, doch leider stellen diese kleinen Kochsimulationen absolut die Minderheit dar und selbst diese sind etwas simpel geraten. Insgesamt stören diese Einlagen aber nicht, sondern lockern durch ihre Kürze und Frequenz immer wieder gekonnt das Abenteuer auf.

Ebenfalls auflockernd wirken die teils herrlich hektischen Rutsch- und Fluchtsequenzen. Meist zum Abschluss eines Levels wagt sich Remy in morsche Rohre, die ihn zum Lager der Ratten führen. Er legt sich putzig animiert wie in einer Wasserrutsche hin und saust bei ausreichend hoher Geschwindigkeit sogar in Begleitung eines Pfeifen des Windes hinab. Pariser Rohrleitungen bieten zwar kaum optische Abwechslung und so mancher Sprung kann stark an den Nerven zerren, wenn er wieder einmal dafür sorgt, dass man das Rennen neu starten muss, doch steigt hier angenehm der Adrenalinspiegel und die Wartezeit auf ein neues F-Zero wird auch zumindest ein ganz kleines bisschen verkürzt. Die Fluchtsequenzen schließlich muten zunächst wie ein schlechter Designscherz an: Der Held rennt auf die Kamera zu, sieht also nicht viel von dem, was vor ihm kommt. Einige Male wird man so die Jagd verlieren, doch zum einen wird man schlicht zum letzten der häufigen Checkpoints versetzt um es noch mal zu versuchen und zum anderen sind Leveldesign und Kamerawinkel so aufeinander abgestimmt, dass Frust kaum eine Chance hat. Stattdessen genießt man den Blick auf den Häscher, wie er immer wieder daneben schlägt, Gegenstände von Tischen fegt und stürzt. Auch hier steigt der Puls merklich an ohne das Spiel unnötig schwierig zu machen.

Kochregel #3: Glutamat rettet alles!
Der Schwierigkeitsgrad ist jedoch einer der weniger gelungenen Punkte; zumindest, wenn man genauer hinschaut. Jüngere Zocker dürften nur selten überfordert werden, was weniger an ausgefeiltem Design, sondern eher an dem Gegenteil davon liegt. Menschen lassen sich kaum aus dem Weg gehen? Kein Problem, wenn sie Remy packen hilft ein wenig Wiimote-Gefuchtel und schon ist er ohne Schaden wieder frei. Die schwache Kamera macht Sprünge fast unmöglich? Egal, wer im Sprung nahe einem blau schimmernden Objekt B drückt landet automatisch darauf. Ein Schritt in eine Kakerlakengruppe kostet nacheinander alle fünf Lebenspunkte, ohne eine Möglichkeit, das noch zu verhindern? Was soll’s: Schließlich ersteht man praktisch ohne Nachteil wieder auf. Der Weg ist weit und kaum ersichtlich? Ein Druck auf B aktiviert den Geruchsmodus, der nicht einfach die Luftlinie zum Ziel, sondern den korrekten Pfad weist

Digestif
Generell wird Ratatouille so wirklich einfach. Der Abspann kann bei fokussiertem Spielen genauso baldig über den Schirm flimmern, wie über die Leinwand beim Kinobesuch. Dass das Ende des Spiels extrem plötzlich kommt, wenn noch nichts darauf hindeutet, macht die Situation sicherlich nicht besser. Immerhin bleibt noch die Möglichkeit, bereits besuchte Abschnitte weiter zu erkunden, um Nebenmissionen zu erfüllen, alle Items zu finden und Punkte für den Laden zu verdienen, der etwa Minispiele bereit hält. An einigen Stellen finden sich auch Eingänge in die sogenannten Traumwelten. Diese Abschnitte erinnern wohlig an die Classiclevel in Super Mario Sunshine, denn es gilt vom Start zum Ziel zu laufen, auf einem gefährlichen Weg über zig bewegliche Plattformen, aber ohne weiteren Schnickschnack wie Missionen, Gegenstände oder Feinde. Zudem sehen die Traumwelten teils ungemein viel schöner aus als der Rest von Ratatouille. Jede Traumwelt besteht komplett aus Objekten eines bestimmten Themas. So führt einmal der Weg über sich drehende Kiwischeiben, fliegende Trauben, ferne Kokosnüsse, etc., einmal vorbei an allerlei Fleisch, einmal Käse und Brot, und so weiter und so fort. Die Traumwelten stellen übrigens (wie schon die Classiclevel in SMS) eine Herausforderung dar, die auch gestandenen Zockern einiges abfordern kann

Fazit:
Ratatouille enttäuscht sowohl Fans des Films, als auch der anderen THQ-Titel Cars und Der Tierisch Verrückte Bauernhof dezent. Das Pixarvorbild bot nicht nur eine liebevolle Story, die hier praktisch ignoriert wurde, sondern auch die Chance, ein wesentlich interessanteres Spielkonzept zu verwirklichen. Stattdessen orientierte sich Asobo scheinbar am Umfang des Films. Nichtsdestotrotz ist Ratatouille kein schlechtes Spiel. Das Gefühl, eine kleine Ratte inmitten von Menschen zu verkörpern, ist praktisch einmalig, die Jump ’n Run-Action wird regelmäßig durch allerlei Aufgaben aufgelockert und Itemjäger haben relativ viel zu tun, bevor sie die DVD ruhigen Gewissens ins Regal verfrachten können. Ratatouille ist kaum länger als ein gemütliches Dinner oder nahrhafter als Fast Food, doch als kleiner, feiner Snack macht es sich auf der Speisekarte eines jungen, angehenden Gourmets durchaus gut.

Von Burkhart von Klitzing
Wertung für das Spiel Ratatouille
Wertungen Beschreibung
6.1Grafik
Charaktere hui, Texturen pfui. Die Traumwelten reißen noch einiges raus.
7.2Sound
Klasse Sprecher, ansonsten schlichtweg Standardkost.
7.8Steuerung
Simpel und meist tadellos; aber eben nur meist.
6.7Gameplay
Alles schon mal da gewesen, aber fein abgestimmt.
6.7Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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