Review von Kamil Witecy (mail) | 03.10.2007
Electronic Arts gehört neben Ubisoft zu den Entwicklern beziehungsweise Publishern, die seit geraumer Zeit ihre Firmenstrategie überdacht und dementsprechend angepasst haben. So wollte man bei Electronic Arts erkannt haben, dass der Markt im Bereich der so genannten „Hardcoregames“ nur noch sehr langsam wächst und man sich deshalb vielmehr ein Beispiel an Nintendo nehmen möchte, die sich mit zahlreichen neuen Spielkonzepten, die speziell an die Sparte der Casual Gamer gerichtet sind, derzeit eine goldene Nase verdienen. Da auch Electronic Arts ein Stück von diesem nahezu fertig gebackenen Kuchen haben möchte, wurde kurzerhand ein neues Label mit dem treffenden Namen „EA Casual Entertainment“ ins Leben gerufen. Dieses soll sich in kürzester Zeit neben den bereits existierenden Marken, wie EA Sports, etablieren und in die Kerbe des derzeit trendigen Marktes der Casual Games schlagen. Ein erstes Ergebnis dieses neuen Engagements ist das Musikspiel Boogie, welches einen Mix aus Karaoke á la Singstar und Rhythmusspiel á la Samba de Amigo und Konsorten darstellt und für jedermann leicht zugänglich sein soll. Ob dieses Konzept mit Boogie aufgegangen ist, erfahrt ihr im folgenden Review.
It’s Partytime! Let’s sing and dance!
EAs Boogie setzt voll auf Partystimmung. So besteht das Spiel vor allem aus zwei Hauptkomponenten: dem Singen und dem Tanzen. Dank eines beigelegten, wirklich gut verarbeiteten Mikrofons von Logitech, darf ganz nach (bester) Singstar-Manier gesungen werden und mit Hilfe der Wii-Remote und Nunchuck -Kombination kann eure Energie in akrobatische Tanzeinlagen gelegt werden. Ziel des Konzeptes von Boogie ist es also die Vorteile von Karaoke und Rhythmusspielen zu vereinen, was in der Grundidee sehr gut klingen mag. Dabei ist Boogie thematisch und dementsprechend auch musikalisch, wie auch der Titelname schon etwas andeutet, im Bereich von Disco und Pop-Musik angesiedelt worden, was Electronic Arts Wunsch nach Massenmarkttauglichkeit unterstützen soll.
Der eigentliche Spielverlauf stellt sich sehr simpel dar. Ihr habt die Wahl zwischen einem von leider nur fünf Charakteren im konsequent durchgezogenem Comic-Look, den ihr in Bezug auf Haut- und Augenfarbe, einigen weiteren körperlichen Merkmalen sowie vor allem der Kleidung individuell gestalten könnt. Habt ihr eure Wahl getroffen, geht es nun darum mehrere virtuelle Tanz- und Gesangsauftritte zu meistern. Im eigentlichen Hauptmodus, dem Storymodus, singt und tanzt ihr euch mit jedem Charakter durch jeweils fünf Kapitel, um am Ende ein gefeierter und anerkannter (?) Musikstar zu werden. Begleitet wird der Karrieremodus durch kleine Storyeinlagen für jeden Charakter, die lediglich durch Texteinblendungen erzählt werden, eigentlich kaum der Rede wert sind und auch weggedrückt werden können. Für jeden Auftritt im Rahmen eurer angestrebten Karriere erhaltet ihr Punkte bzw. Bares, welches ihr im Endeffekt gegen neue Outfits, sonstige Accessoires, weitere Kombos, neue Tanzflächen oder Songs eintauschen könnt.
Allerdings ist es natürlich ebenso möglich den Karaokemodus sowie den Tanzmodus einzeln anzuwählen und somit bestimmte Tanzeinlagen beziehungsweise Musikstücke so lange zu üben, bis entweder euer Highscore ungeahnte Höhen erreicht oder ihr zuvor eure Stimmbänder überstrapaziert habt. Aber soweit muss es ja nicht kommen.
Let’s sing a song for me!
Das eigentliche Herzstück von Boogie ist der Karaokemodus. In diesem Modus nutzt ihr natürlich das beiliegende Mikrofon von Logitech. Dieses ist wie bereits erwähnt sehr gut verarbeitet, bietet mit einer Kabellänge von über vier Metern ausreichend Bewegungsfreiheit und funktioniert glücklicherweise auch in der Praxis tadellos. Habt ihr das Mikrofon per USB-Anschluss hinten an eure Wii gestöpselt, kann der bunte Gesangsunterricht beginnen.
Über die Songauswahl in Boogie lässt sich definitiv streiten und ob man sie mag, hängt stark vom persönlichen Geschmack ab. Allerdings warten Songs von den Black Eyed Peas über Rihanna, Pink, Jackson 5 bis hin zu alten Klassikern wie YMCA von den Village People darauf von euch gesungen zu werden. Insgesamt befinden sich etwa 40 verschiedene Titel auf der DVD, wobei sich alle Titel leider nur als Cover Versionen präsentieren. Dafür weiß aber die Klangqualität, besonders in Dolby Pro Logic II absolut zu überzeugen.

Während im Hintergrund die passende Musik eingespielt wird, liegt es nun an euch diese mit Texten zu füttern. Wer Singstar kennt wird sich sofort heimisch fühlen, da sich das Singen in Boogie nahezu identisch präsentiert. So scrollen auch in Boogie die Musikzeilen samt Text von links nach rechts und ihr müsst im passenden Moment den dick eingeblendeten Text aus eurer Kehle erklingen lassen. Damit man weiß, wie hoch beziehungsweise tief man im Idealfall singen muss, wird auf dem Bildschirm parallel zum Text die Tonhöhe in Form von blauen Balken angezeigt. Ein weiterer, diesmal aber senkrecht stehender Balken scrollt von links nach rechts und gibt somit an, welcher Ton in diesem Moment benötigt wird. Des Weiteren befindet sich auf den Musikzeilen noch ein Pfeil der anzeigt, auf welcher Tonhöhe sich die vom Mikrofon registrierte Stimme derzeit befindet, so dass ihr dann entscheiden könnt ob ihr tiefer oder höher singen müsst, um entsprechend der blauen Balken zu singen und die Höchstpunktzahl zu erreichen. Eine willkommene Hilfe.
Im Bereich der Einstellungsmöglichkeiten kann die Lautstärke der Songs, sowie die Lautstärke der Stimme der Musikinterpreten geändert werden. Während Profis diese wohl direkt und ganz ausschalten, ist diese Option für Einsteiger jedoch eine gute Möglichkeit um den Song besser kennen zu lernen. Zusätzlich klingen durch diese Option auch grauenhafte Sänger gleich ein großes Stück besser…
Schade ist hingegen, dass lediglich die Tonhöhe und nicht der gesungenen Text vom Mikrofon registriert wird. Dies hat den Nachteil, dass man nicht dazu gezwungen ist sich an den dazugehörigen Text zu halten. Meist ohne Punktabzüge zu kassieren können frei erfundene Texte, einfache Laute wie „Mmhh“ oder sogar Klopfgeräusche und Sonstiges ins Mikro gesummt bzw. geschlagen werden. Wird dadurch die richtige Tonhöhe getroffen, kassiert man auch dann die volle Punktzahl. Ein bekanntes Problem, was in Boogie allerdings noch extremer als in Sonys Spross ausfällt.
Einen großen Nachteil im Vergleich zu Singstar gibt es jedoch dennoch: Man kann nicht zu zweit singen. Während bei Singstar gleich zu Beginn zwei Mikrofone beiliegen und man im Duett oder gegeneinander trällern kann, liegt bei Boogie nur ein Mikrofon im Lieferumfang bei. Aber auch das Erwerben eines weiteren Mikrofons wäre theoretisch keine Abhilfe, da der Modus nur für eine Person konzipiert wurde. Sehr, sehr schade!
Let’s dance!
Die zweite wichtige Zutat in der Boogie-Suppe ist das Tanzen beziehungsweise der Rhythmus. Hier kommen Wii-Remote und Nunchuk ins Spiel. Während ihr euch mit dem Control-Stick am Nunchuk auf der Tanzfläche bewegen und zusätzliche Boni einsammeln könnt, dient die Wii-Remote zum Ausführen der verschiedenen Tanzeinlagen. Dabei sind die vier Richtungen rechts, links, oben und unten von großer Bedeutung. Je nachdem in welche Richtung ihr euch Wii-Remote schwingt führt euer Charakter andere Bewegungen aus, die bei jedem Charakter noch in drei verschiedene Tanzstile unterteilt wurden, zwischen denen mit dem A-Knopf gewechselt werden kann.
Ziel der Tanzeinlage ist es natürlich, im Takt zu bleiben und dabei zeitgleich ein möglichst abwechslungsreiches Repertoire an differenzierten Tanzschritten und Stilen vorzuführen. Bleibt ihr lange genug im Takt, füllt sich am rechten Bildschirmrand eure „Boogie Power". Ist diese gefüllt, habt ihr die Möglichkeit spektakuläre Kombos und Posen auszuführen, die euer Punktekonto rasch ansteigen lassen. Um Kombos auszuführen muss der B-Knopf bei gefüllter Boogie-Power gehalten werden. Ist dies geschehen müsst ihr die unten eingeblendete Pfeilkombination (z.B rechts, rechts, unten, oben) im richtigen Takt ausführen um Punkte zu kassieren. Macht ihr einen Fehler, müsst ihr von vorne beginnen, jedoch bietet sich diese Möglichkeit nur so lange an, bis die stetig abfallende Boogie-Leiste wieder geleert ist. Dann muss wieder mit einfacheren Hüftschwingungen im Takt geblieben werden um die Boogie-Power erneut aufzuladen. Möchtet ihr hingegen Posen ausführen, muss der Z-Knopf gedrückt werden, sodass eine Zielscheibe sowie ein Fadenkreuz auf dem Bildschirm erscheinen. Letzteres könnt ihr durch Bewegungen mit dem Nunchuk steuern um so die Zielscheibe zu treffen. Habt ihr dies geschafft, wiederholt sich der Vorgang jeweils mit einer merklich kleineren Zielscheibe, die dann jedoch mehr Punkte und rasantere Posen zur Folge hat.
So witzig und lustig wie dies im ersten Moment klingen mag, stellt sich dies auch im Spielverlauf dar; jedoch nur für einige, wenige Tanz-Performances. Durch die Simplizität der Ausführungen (Schwingen in vier Richtungen) mag die Lernkurve zwar sehr niedrig sein, was einerseits schnelles Spielen ermöglicht, andererseits jedoch dafür sorgt, dass ihr euch verhältnismäßig früh gelangweilt und auch unterfordert fühlt, da das Schwingen der Wii-Remote sehr einseitig wirkt und wenig Können erfordert. Da hilft auch die Abwechslung mit den Kombos und Posen nur marginal. Auch an den zunächst vielfältig wirkenden und wirklich liebevoll umgesetzten Tanzstilen eurer Charaktere, die nicht nur einmal zum Schmunzeln einladen, habt ihr euch relativ schnell satt gesehen.
Ansonsten muss sich die Grafik von Boogie mit ihrem stark Comic inspirierten Look überhaupt nicht verstecken. Der Stil ist sehr sympathisch, die Grafik läuft stets flüssig über den Bildschirm und die bereits erwähnten Tanzanimationen der Charaktere wurden mit viel Liebe zum Detail umgesetzt, wenn auch ein wenig mehr Abwechslung sicher nicht geschadet hätte. Positiv sind auch die 60 Hz-Unterstützung sowie die 480p Kompatibilität zu erwähnen, die sich leider weiterhin noch nicht in jedem Wii-Spiel als Standard durchgesetzt haben.
Und was bietet Boogie sonst noch?
Neben die bereits ausführlich beschriebenen Hauptaspekte des Titels gesellt sich noch ein weiterer, jedoch eher klein gehaltener Modus ins Repertoire von Boogie. Im sogenannten Video-Maker könnt ihr einen von euch fertig gesungen bzw. getanzten Song zu einem Musikvideo verarbeiten. Der Video-Maker ist dabei ebenfalls sehr simpel gestrickt und dementsprechend auch kinderleicht zu handhaben, was aber wiederum dazu führt, dass viel Potential verschenkt wurde. So seid ihr beim Videoschnitt auf lediglich vier unterschiedliche Kamerapositionen beschränkt, von denen sich drei sogar einzig und allein als unterschiedliche Zoomstufen der Frontalansicht darstellen. Ein freies Drehen und Zoomen der Kamera ist somit nicht möglich, was sehr negativ auffällt. So bleibt man mehr oder weniger darauf beschränkt, einige vorgegebene und zu allem Überfluss viel zu kitschige Effekte, wie zum Beispiel einen Negativ-Effekt oder einen Herzenregen, ins Video mit einzubauen. Somit verkommt der Modus zu einer netten Spielerei für einige Minuten.
Ein weiterer Modus ist der Party-Modus. Hier können zwei Spieler gegeneinander tanzen. Das Ziel des Modus ist auch hier so simpel wie es nur sein könnte: Wer die meisten Punkte erzielt, hat gewonnen. Schade ist dabei, dass im Muliplayer-Modus nur gegeneinander getanzt und nicht gesungen werden darf, was wir jedoch schon angesprochen haben. Zu allem Überfluss fällt in diesem Part auch noch die Möglichkeit der Posen flach. Dies hat zwar den Vorteil, dass man nicht zwangsweise einen Nunchuk braucht, da man den Charakter auch mit dem Steuerkreuz navigieren kann, macht das eigentliche Tanzen jedoch noch anspruchsloser
Fazit: Boogie ist mehr oder weniger ein zweischneidiges Schwert. Es sieht grafisch sehr ansprechend aus, bietet einige gut ausgewählte Songs (wenn auch nur Coverversionen) und ist dementsprechend durchaus in der Lage, das von Electronic Arts angestrebte Disco-Fieber zu entfesseln. Dies liegt aber vor allem am durchaus gut gewordenen Karaoke-Part von Boogie. Der Tanzpart ist hingegen eine herbe Enttäuschung und macht nur dann etwas Spaß, wenn man sich wirklich voll darauf einlässt, mit mehreren Freunden vor dem Fernseher steht und alle Schwingbewegungen mit vollem Körpereinsatz mitmacht. Nichtsdestotrotz wird auch in diesem Eifer relativ schnell klar, dass das Tanzen viel zu einseitig und anspruchslos ist, sodass kaum großes Können erforderlich ist um einen neuen Highscore aufzustellen. Dazu gesellen sich der viel zu kurze und irgendwie belanglose Story-Modus, die magere Auswahl von nur fünf verschiedenen Charakteren, der viel zu simpel gehaltene Video-Maker und der eher schwache Multiplayermodus. Wer jedoch konsolentechnisch nur eine Wii besitzt und sich für Karaokespiele interessiert, für den dürfte Boogie trotz alledem einen Blick wert sein.
Von Kamil Witecy
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| Wertung für das Spiel Boogie | |
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| 7.5 | Grafik Durchaus sympathischer und flüssiger Comic-Look, liebevoll gestaltete Animationen und löbliche 480p-Unterstützung. | |
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| 7.9 | Sound Insgesamt recht ordentliche, wenn auch geschmacksabhängige Songauswahl; Dolby Pro Logic II-Unterstützung. | |
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| 6.5 | Steuerung Äußert simple und meist auch gut funktionierende Steuerung; besonders im Tanzpart jedoch viel zu eintönig und anspruchslos. | |
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| 6.0 | Gameplay Karaokepart hui, Tanzpart pfui – Storymodus, Video-Maker und Multiplayer nicht mehr als „nettes“ Beiwerk. | |
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| 6.8 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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