Unser Netzwerk: NintendoWiiX.net   | NintendoWiiX Forum   | Planet3DS.de
Trauma Center: Second Opinion
Review von Burkhart von Klitzing (mail) | 19.09.2007

Der Gamecube sollte mit Nintendos illusorischen Connectivity-Plänen zu einer einmaligen Brücke zwischen Heimkonsolen und Handhelds werden. Dieses Vorhaben starb im Laufe der Jahre sang- und klanglos. Die Wii tritt dieses Erbe weniger offensichtlich forciert, doch dafür erfolgreicher auf andere Art und Weise an. Titel wie Heatseeker und Legend of the Dragon erscheinen aufgrund der ähnlichen technischen Fähigkeiten nur auf Wii und PSP. Andere Titel wie Archer MacLean’s Mercury und Gottlieb Pinball Classics sind zunächst exklusiv für Sonys Handheld und schaffen nach einiger Zeit überraschend den Sprung von PSP auf Wii, Spiele wie Big Brain Academy oder Cooking Mama gar vom DS auf das aktuelle Nintendo Heimkonsolen-Flagschiff. Trauma Center fällt ebenfalls in die letztgenannte Kategorie. Das innovative Chirurgenabenteuer von Atlus feierte bereits 2005 seinen DS-Einstand, bevor es 2006 mit neuem Untertitel auf die Wii portiert wurde und nun endlich auch in Deutschland zu haben ist.

Jede Narbe hat ihre Geschichte
Der Hauptcharakter hört auf den Namen Derek Stiles, was noch erkennbar an die DS-Ursprünge erinnert, wenn man sich seine Initialen ansieht. Zu Beginn der Geschichte ist er noch ein Chirurg, dem man nicht unbedingt sein Leben anvertrauen möchte: Unzuverlässig, unsicher und verantwortungslos. In diesem Stadium absolviert er mit der Hilfe seiner Assistentin die ersten simplen Operationen, immer gefolgt von teils ausladenden Storyschnipseln, doch im Laufe des Spiels entwickelt sich nicht nur der Jungspund merklich weiter, sondern auch die Geschichte rund um biologischen Terrorismus, Sterbehilfe, alte Freunde und vielleicht den obligatorischen stärkeren Gefühlen zwischen Männlein und Weiblein, wenn auch weniger aufdringlich als sonst in Filmen und Spielen gewohnt. Die zahlreichen Charaktere, die nach und nach eingeführt werden, besitzen ihre ganz eigenen Persönlichkeiten, die konsequent herausgearbeitet werden und dem Spiel eine Menge Farbe verleihen. Der Erzählreigen der Mangafiguren wird zwar gelegentlich etwas langatmig, bleibt jedoch zumeist spannend und interessant, wenn auch nur selten wirklich überraschend.

Vorsicht vor Johnny, dem agilen Alzheimer-Patienten
Wesentlich überraschender entwickeln sich dafür die Operationen - das Herz einer OP-Simulation. Zu Anfang stehen mehr oder weniger realistische Eingriffe an. Glassplitter zerschneiden einen Arm, Blutgerinnsel verstopfen Venen und Polypen im Hals gefährden die Gesangskarriere eines jungen Rockers, der auf den Namen Elliot Cox hört, und zunächst unerklärliche Risse im Körperinneren plagen die Suizid-gefährdete Linda Reid. Wer sich beim Lesen dieser Namen gerade dabei ertappt hat, die Augenbraue erstaunt hochzuziehen, ist wohl Scrubs-Fan. Neben Cox und Reid feiern noch weitere Namen aus der Ärzte-Comedy wie Turk einen kleinen Gastauftritt. Hier zeigt sich die generelle Liebe, die in Trauma Center steckt, wenn sogar in solchen Details kleine Gags versteckt werden. Aber zurück zu den medizinischen Eingriffen: Die anfänglichen Standardeinsätze dienen noch primär der Einführung einiger der wichtigsten Personen, sowie dem Kennenlernen des Gameplays.



Schwester: Nunchuk!
Trauma Center dürfte wohl nur auf dem DS und der Wii hundertprozentig funktionieren, denn ohne schnelles, präzises Zielen ist kein Stich zu machen (seid bei diesem Wortspiel froh, dass ich euch Arztwitze erspare). Die Wiimote dient dem intuitiven Anvisieren per Laserpointer, während andere Wii-Fähigkeiten kaum zum Einsatz kommen. Meist wird simpel der A- oder B-Knopf zum Aktivieren eines Geräts verwendet, während der Analogstick des Nunchuk der Auswahl der Werkzeuge dient. Anfangs bereitet die Steuerung trotz ihrer Simplizität auf dem Blatt noch einige Probleme in der Realität. Ruhige, präzise Bewegungen fallen etwas schwer, schließlich ist oft absolute Präzision nötig, und vor der Wahl der richtigen Gerätschaft müssen jedes Mal die Augen nach links wandern, um zu sehen wo etwas liegt. Wer jedoch einige Operationen hinter sich gebracht hat, wird merklich besser und wechselt - ein einigermaßen gut arbeitendes Gedächtnis vorausgesetzt - in Sekundenbruchteilen vom antibiotischen Gel zur Spritze, zu Nadel und Faden, und schließlich zum Skalpell... wobei er alles ebenso schnell einsetzt, wohlgemerkt.

Allgemein beschränkt sich das „Arsenal“ auf acht Instrumente, die zumeist selbsterklärend sind und teilweise verschiedene Einsatzgebiete haben. Ein Skalpell etwa schneidet eine zuvor per Gel desinfizierte Region auf, während Nadel und Faden den Einschnitt zum Schluss mit einer Zickzack Bewegung wieder vernähen. Ultraschall macht Tumore sichtbar, deren Flüssigkeit per Drainage abgesaugt wird, bevor sie herausgeschnitten und mit der Pinzette entnommen werden können. Nunchuk-Bewegungen kommen dabei nie zum Einsatz, besondere Wiimote-Bewegungen haben Seltenheitswert. In einem Level muss das Skalpell wie ein Schlüssel gedreht werden und einige Male kommt ein Defibrillator zum Einsatz, der nach vorne auf den Körper gedrückt wird. Dieser gehört nicht zu den normalen Gerätschaften, sondern steht nur zur Auswahl, wenn er benötigt wird, ähnlich wie die Verbandsrolle am Ende einer jeden OP, künstliche Membranen zum Abdecken von kreisrunden Wunden oder eine Taschenlampe.

Tagungen, Golf, hübsche Schwestern - so ein Ärzteleben steckt voller Abwechslung
Nach einiger Zeit gilt es, die Utensilien teilweise neu zu entdecken, wenn das Geschehen eine Wendung ab vom vermeintlichen Realismus hin zu nichtexistenten, phantasievollen Krankheiten (GUILT genannt) nimmt. plötzlich geraten einfache Herzanfälle und Autounfälle zur Ausnahme, stattdessen muss ein Weg gefunden werden, kleine Fisch-artige Wesen zu vernichten oder dreieckige Membranen zu beseitigen, die drohen, ein Organ zu versteinern. Diese überraschenden Eingriffe sorgen sicherlich für spielerische Abwechslung, Neugier und neue Denkweisen beim medizinischen Rettungseinsatz, doch insgesamt hätten es einige „normale“ Fälle mehr sein dürfen. Deswegen sträube ich mich auch etwas bei der Bezeichnung "Chirurgensimulation". "Geschicklichkeitsspiel mit Chirurgensetting" trifft es wohl eher.

Abwechslung wird zwar als Nomen generell groß geschrieben, doch bei den Entwicklern von Atlus stimmt das doppelt. Wenn sich erst einmal die GUILT-Missionen häufen, steht zwar des Öfteren der Kampf gegen die selben Erreger an, doch Langeweile kommt zu keiner Zeit auf. Trauma Center schafft es jederzeit mit einer neuen Krankheit, neuen Operationsbedingungen oder Ähnlichem bei der Stange zu halten. So kommt ein Flugzeug, das als Schauplatz für eine OP dient, gelegentlich in Turbulenzen, mehrere Erreger werden kombiniert oder sind seit dem letzten Eingriff mutiert, das Licht fällt aus, etc. Ebenfalls eine nette Idee ist die zweite Heldin: In einigen wenigen Levels schwingt die mysteriöse Nozomi Weaver den Äskulapstab und wirft dabei zunächst viele Fragen auf.



Nach dem Besuch beim Schönheitschirurgen
Technisch gibt sich Second Opinion routiniert wie ein Chirurg: Es macht seine Arbeit, es macht sie auch gut, doch es wird wohl kaum jemand die Schönheit loben, sondern wenn, dann nur die Souveränität. Die Körper sehen im Gegensatz zur DS-Fassung nicht mehr aus wie in einem Comic, sondern eher wie Plastikfiguren. Der Look ist einmalig, er lässt alles dank deutlicher Farben gut erkennen, doch übermäßig hübsch ist er nicht, zumal er nicht unbedingt zu den Storysequenzen passt. Die wunderschön gezeichneten Mangastandbilder sind nun einmal Standbilder und somit auch nicht jedermanns Sache, haben aber ihren Charme. Zahlreiche Details und sauber herausgearbeitete Mimik und Gestik sorgen für Freude. Der Sound ist weniger strittig: Kurze Sprachsamples, stets passende Sound-Effekte (die auch ihren spielerischen Nutzen haben) und stellenweise großartige Musik sprechen für sich.

Im Vergleich zu Under the Knife (auf dem DS) hat sich einiges getan, doch ob ein Zweitkauf lohnt, sollte jeder selbst abwägen. Der größte Unterschied ist sicher der frei wählbare Schwierigkeitsgrad. Jederzeit lässt sich zwischen leicht, normal und schwierig wechseln. Wer also etwa zunächst auf normal spielt, aber eine Mission partout nicht schafft, bringt sie auf leicht hinter sich um daraufhin wieder auf normal zu wechseln. Somit ist das Hauptmanko des Originals - der hohe Schwierigkeitsgrad - weitestgehend beseitigt, auch wenn weiterhin nicht jedermann den Abspann zu Gesicht bekommen dürfte. Profis freuen sich indes über die optionale gesteigerte Herausforderung. Ansonsten wurde die Mission „Ein explosiver Patient“ völlig überarbeitet, der Handlungsstrang mit Nozomi ist komplett neu, ebenso wie eine Tumorart und der Verlauf des Spiels nach der Beseitigung des Savato. Ich möchte hier nicht zu viel verraten, also sei einfach gesagt, dass einige eher ermüdende Operationen der DS-Fassung einer Reihe merklich interessanterer Einsätze mitsamt spannender Handlung gewichen sind. Einige weitere Änderungen liegen im Detail, wie die Neugestaltung des Instrumente-Arsenals (bspw. fehlt die Hand), die Streichung der Herzmassage zugunsten des Defibrillators, schnelleres Überspringen von Textpassagen bei der Punktejagd, etc.

Fazit:
Trauma Center Second Opinion ist ein einmaliges Spielerlebnis (abgesehen vom DS-Original), das wie für die Wii gemacht scheint. Die Steuerung geht nach kurzer Eingewöhnung noch besser von der Hand als bereits auf dem DS, für Abwechslung ist jederzeit gesorgt, die Story ist spannend, Spieler praktisch jeder Klasse kommen auf ihre Kosten und sowohl Dauerspieler, als auch Gelegenheitszocker und Highscorejäger werden angesprochen. Jeder Einsatz lässt sich erneut spielen mit dem Ziel, eine höhere Punktzahl zu erzielen, alle Spezialboni zu entdecken (macht keine Fehler, haltet den Puls über 70, lasst keine Geschwülste platzen, etc.) oder einen besseren Rang zu erlangen. Fehlerlos ist Atlus’ Werk dennoch nicht: Das einmalige Durchspielen dauert keine acht Stunden, Glück spielt in einigen wenigen Eingriffen eine zu große Rolle und Spielraum innerhalb der OPs oder gar in Städten oder ähnlichem sollte besser niemand erwarten, denn trotz all der Story ist Trauma Center „nur“ ein Geschicklichkeitstitel.

Von Burkhart von Klitzing
Wertung für das Spiel Trauma Center: Second Opinion
Wertungen Beschreibung
6.7Grafik
Objektiv: durchschnittlich. Subjektiv: wunderschöne Storysequenzen und dem Spielkomfort perfekt zuträgliche OP-tik (sorry für diesen Gag).
7.9Sound
Passender Sound kombiniert mit großartiger Musik, die leider zu wenig Stücke enthält.
9.0Steuerung
Gelegentlich fällt das Nähen etwas zäh aus, ansonsten mit etwas Übung perfekt.
8.9Gameplay
Für Gameplay dieser Art wurde die Wii ersonnen.
8.4Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



© Copyright GameCube X / Nintendo Wii X 2001 - 2023 | All rights reserved