Review von Andreas Held (mail) | 18.09.2007
Auf der E3 2006, als alle glaubten, dass sich alles nur noch um Wii drehen würde, überraschte Nintendo die Massen mit einer Ankündigung für den tot geglaubten Gamecube: Das Spiel, das auf den Titel Super Paper Mario hörte, gab sich als klassisches 2D-Jump'n'Run und sollte eines der letzten Highlights für den Würfel werden. Beide Aussagen wurden jedoch später revidiert, da Super Paper Mario später für Nintendos neue Konsole erscheinen sollte und die Funktion verpasst bekam, mit der auf Knopfdruck von der zweiten in die dritte Dimension umgeschaltet werden kann. Das Ergebnis wird zumindest oberflächlich dem Namen Super Paper Mario wirklich gerecht: Bereits nach den ersten Minuten hat man das Gefühl, dass Paper Mario und Super Mario Bros. in einen Topf geworfen wurden und kräftig umgerüht wurde. Das Ergebnis ist ein ungewöhnliches Spiel, das nach einer mehrmonatigen Wartezeit nun auch endlich Europa erreicht hat. Ob das Rezept aufging oder ob Intelligent Systems neben den beiden Hauptzutaten noch einen ungeliebten Nachgeschmack hinzugefügt hat - diese Frage kann nun endgültig geklärt werden.
Neue Form des Größenwahns
Einen einzelnen Planeten zu zerstören ist lange out - und auch die Zerstörung eines kompletten Universums ist laut Graf Knickwitz, wie der Antagonist von Super Paper Mario in der deutschen Version heißt, wohl etwas für Weicheier: Er hat sich nämlich die komplette Vernichtung aller Dimensionen und Paralleluniversen zur Aufgabe gemacht. Um sein Ziel zu erreichen, folgt er den Prophezeihungen aus dem Dunklen Prognosticon und verheiratet Bowser und Prinzessin Peach, um so an die Energie des Dunklen Herzens zu gelangen. Mit dessen Macht gelingt es ihm, eine Art schwarzes Loch zu öffnen, das daraufhin alle Welten zu verschlingen droht. Bei seinem Abstecher ins Pilzkönigreich zieht er neben Bowser und Prinzessin Peach auch Luigi und natürlich Mario in diese Sache mit hinein. Während erstere in sein Schloss entführt werden, landet Mario in Flipstadt, einer uralten Siedlung, die zwischen den Dimensionen liegt. Dort wird ihm von Merlon aufgetragen, die Reinen Herzen zu sammeln, um der dunklen Macht von Graf Knickwitz zu trotzen. Die Reise beginnt.
Das Grundkonzept ist dem von Paper Mario 2 also nicht gerade unähnlich. Flipstadt dient als Zentrum für Marios Abenteuer, von dort aus können immer wieder neue Wege in Welten geöffnet werden, in denen sich die Reinen Herzen befinden. Unterstützung erhält er dabei nicht nur von Luigi, Peach und Bowser, die im Laufe des Spiels auf Mario treffen, sondern von insgesamt neun Kreaturen, die als "Pixl" bezeichnet werden. Die erste dieser neun Pixl, Tippi, kann Mario (ähnlich wie Navi in Ocarina of Time) nützliche Hinweise geben, wenn der Spieler mit der Wiimote auf den Bildschirm zeigt und relevante Objekte anklickt. Sie hat auch als Einzige Relevanz für die Story - die anderen acht Pixl haben lediglich die Aufgabe, Mario spezielle Fähigkeiten zu verleihen, ohne die sich das Spiel nicht beenden lässt - diese reichen vom Greifen von Objekten und Gegnern bis hin zum Legen von Bomben.
Jump'n'Run oder RPG?
Mit dieser Unterstützung geht es also an die insgesamt acht Kapitel, die traditionell von 1-1 bis 8-4 durchnummeriert wurden. Ganz im Sinne der beiden Vorbilder gibt sich Super Paper Mario dabei manchmal als Jump'n'Run und manchmal als RPG. In den actionlastigeren Passagen seht ihr das Spielgeschehen fast immer von der Seite, springt Gumbas, Koopas und vielen neuen Gegnern auf den Kopf, sammelt Münzen und esst Pilze, um eure HP wiederherzustellen. Dem gegenüber stehen teilweise komplett von Gegnern befreite Dörfer, in denen ihr mit den Bewohnern interagieren müsst, um euer Ziel zu erreichen. Auch in diesen Sequenzen seht ihr das Spiel die meiste Zeit aus der Seitenansicht. Die 3D-Perspektive hat nicht viel mehr Gewicht als die anderen Spezialfertigkeiten und kommt zwar sehr oft, aber immer nur kurz zum Einsatz, um Geheimgänge und versteckte Items zu finden oder Hindernisse zu umgehen. Unterstützt wird dieser Eindruck von einem Zeitlimit - bleibt ihr zu lange in der 3D-Perspektive, droht HP-Verlust.

Die meisten Unterkapitel bestehen jedoch aus einer Mischung der oben genannten Elemente. Die meiste Zeit erforscht ihr also nonlineare, zweidimensionale Welten und versucht, irgendwie das Ende des jeweiligen Kapitels zu erreichen. Dazu redet ihr mit den Bewohnern und erfüllt Aufgaben für sie, um im Gegenzug Hinweise oder wichtige Items zuerhalten, sammelt Schlüssel, um versteckte Türen zu öffnen, setzt die Fähigkeiten von Mario, seinen Begleitern und den Pixln ein um versteckte Orte zu erreichen und besiegt ab und an einen Endgegner. An sich ist das ein sehr gutes Konzept, das auch funktioniert: Die Steuerung aus der Seitenansicht per waagerecht gehaltener Wii-Remote ist absolut perfekt und alle Menüs zum Wechseln der Charaktere oder Benutzen von Items lassen sich mit wenigen Knopfdrücken erreichen. Aus der 3D-Perspektive, in die Mario jederzeit durch einen Druck auf den A-Knopf wechseln kann, spielt es sich zwar eher ungenau, was aber nicht weiter schlimm ist, da diese Ansicht wie gesagt eher zum Lösen von Rätseln, als zum wirklichen Spielen gedacht ist. Auch das kreative Leveldesign kann immer wieder überzeugen, und zu Beginn eines Unterkapitels lässt sich selten erahnen, was Mario und seinen Begleitern in den nächsten Minuten bevorsteht. Hinzu kommen einige sehr witzige Dialoge, die das Spiel auflockern, auch wenn der Humor insgesamt etwas kürzer kommt als in Paper Mario oder den Handheld-RPGs mit Mario & Luigi. Die Kreuzung aus Super Mario und Paper Mario funktioniert und fügt sich gut zu einer Art 2D-Action-Adventure zusammen.
Dass Super Paper Mario trotzdem nicht der erwartete Hit geworden ist, liegt dabei eher an den Entwicklern selbst und zwei größeren Problemen, die sich durch das gesamte Spiel ziehen. Zum einen wäre das die Tatsache, dass fast jede Aufgabe in Super Paper Mario mit dem Wort "Suche..." beginnt. Suche dies um dort weiterzukommen, suche danach jenes, um die andere Seite zu erreichen. In fast jedem Unterkapitel durchstreift ihr die Gebiete völlig ohne Hinweise über den Fundort der gesuchten Dinge, eine Aufgabe, die dadurch, dass die Levels mehrfach verzweigt und vieles in der dritten Dimension versteckt oder gar unsichtbar ist, nicht gerade leichter gemacht wird. Intelligente Rätsel, die durch Nachdenken gelöst werden müssen, gibt es selten, und auch Tippi gibt nur dann nützliche Hinweise, wenn ihr mit der Wiimote auf die korrekten Gegenstände zeigt, weshalb sich der Titel machmal fast zu einem Point & Click-Adventure entwickelt. Diese Suchaufgaben werden im Lauf des Spiels immer nerviger, weshalb die Motivation recht hoch sein kann, die hohen Preise der Wahrsagerin in Flipstadt zu bezahlen, die euch dafür etwas konkretere Anweisungen gibt.
Viel schlimmer sind jedoch die immer wieder auftretenden Klöpse im Spieldesign, bei denen man fassungslos vor dem Fernseher sitzt und nicht glauben kann, dass es so etwas, trotz aller Teamsitzungen und Betatests, in einem fertigen Spiel geben kann. Die erste derartige Stelle befindet sich im zweiten Kapitel. Hier muss Mario mit einem Hamsterrad Strom erzeugen und dadurch Rubine verdienen, die benötigt werden, um einen für den Abschluss des Kapitels wichtigen Hinweis zu erhalten. Nach etwa einer Minute im Hamsterrad habt ihr aber erst knapp ein Fünftel der Rubine zusammen, die euer Informant für die Preisgabe seines Geheimnisses verlangt - es ist also einiges an Laufarbeit erforderlich, und nach einer Zeit stellt man sich ganz ernsthaft die Frage: Wem macht es Spaß, über fünf Minuten lang in einem Hamsterrad zu laufen? Das Schlimmste daran ist jedoch, dass einige der Ideen im späteren Spiel noch viel abstruster sind und sich ähnlich negativ auf den Spielspaß auswirken. Zusammen mit den ohnehin schon sehr lästigen Suchaufgaben bilden diese Mankos im Spieldesign einen sehr langen Schatten, der von den guten Seiten des Spiels geworfen wird. Diese sind aber durchaus vorhanden, denn wie gesagt: Die Steuerung funktioniert perfekt, das Leveldesign ist abwechslungsreich und meistens sehr kreativ und auch der Umfang geht mit 15 Stunden Spielzeit, 256 Sammelkarten und einigen anderen Extras durchaus in Ordnung. Hätten die Entwickler den einzelnen Kapiteln den dringend nötigen Feinschliff verpasst, anstatt alle Gebiete noch ein zweites Mal in 3D zu modellieren, wäre jedoch noch deutlich mehr drin gewesen.

Technisch veraltet?
Dass Super Paper Mario die Fähigkeiten des Wii nicht annähernd nutzt, sollte klar sein. Der Titel wurde ursprünglich für den Gamecube entwickelt, und auch diese Konsole wäre ohne Probleme mit der 2D-Grafik fertig geworden. Trotzdem sieht das Spiel, von den häßlichen 3D-Versionen der Areale einmal abgesehen, an sich überraschend gut aus. Die Umgebungen sind äußerst farbenfroh, die Sprites der Charaktere und der meisten Gegner sehr detailliert, alles erstrahlt in 480p. Das Problem ist hier eher, dass sich die Entwickler scheinbar nicht auf einen Stil festlegen konnten. Neben einigen sehr detaillierten Gegnern gibt es nämich auch solche, die Aussehen wie ein Gemälde von Picasso und von jeder durchschnittlich talentierten Person innerhalb kurzer Zeit nachgezeichnet werden könnten. Und als ob das nicht genug wäre, gibt es noch ein paar komplett in 3D ausmodellierte Gegner, die aus nicht mehr als 100 Polygonen zu bestehen scheinen. Diese drei Gegnertypen werden ständig miteinander vermischt, und im Endeffekt sieht der Grafikstil von Super Paper Mario sehr zusammengewürfelt aus: Es gibt keine klare Linie und auch technisch ist das Spiel zu keiner Zeit beeindruckend.
Wenigstens der Sound ist, ähnlich wie die Steuerung, über jeden Zweifel erhaben. Die Musik ist immer passend, was angesichts der vielen verschiedenen Welten, die Mario im Laufe des Spiels durchstreift, eine ziemliche Leistung ist. Die Qualität der Musikstücke reicht dabei von "passend, aber nichts besonderes" bis hin zu "Ohrwurmcharakter". Einige Teile des Soundtracks stechen wirklich aus der Masse heraus, und diese untermalen auch die spielerisch besseren Momente des Spiels. Auf eine Sprachausgabe wurde wieder einmal komplett verzichtet, wenn man von Marios Sprachsamples absieht, die nun auch schon seit Jahren in jedem seiner Spiele zu hören sind.
Fazit: Um es kurz zu machen: Super Paper Mario ist ein gutes Spiel, aber dennoch eher enttäuschend. Wer erwartet, dass der Titel an die Paper Mario-RPGs, oder irgendeines der klassischen Mario Jump'n'Runs heranreicht, wird hier mit Sicherheit nicht glücklich werden. Super Paper Mario hat eine sehr gute Steuerung und einige sehr gute Ansätze, die jedoch von nervigen Suchaufgaben und einigen groben Schnitzern im Spieldesign überschattet werden. Auch grafisch fehlt eine eindeutige Stilrichtung, die trotz der anspruchslosen Technik eine hohe Teilwertung rechtfertigen würde. Im Grunde ist es wie damals mit Starfox Adventures: Sowohl von Rare als auch von der Starfox-Franchise war man Spitzentitel gewohnt, weshalb das Endprodukt zwar ein gutes Spiel, aber dennoch enttäuschend war. Ist es nach 15 Stunden durchgespielt, wandert Super Paper Mario bei den meisten wohl für immer ins Regal, weshalb alle, die keine absoluten Mario-Fans oder eher knapp bei Kasse sind, warten sollten, bis es günstiger zu haben ist - denn ein absoluter Pflichtkauf vom Kaliber der meisten anderen Mario-Spiele ist dieses Spiel wahrhaftig nicht.
Zweite Meinung von L.Peterke
Irgendwie hat man ja schon eine riesige Erwartungshaltung: Einige US-Magazine loben den Titel in den Himmel, seitens Nintendo wird sowieso die Innovation angepriesen, aber vor Allem: "Hey, it's Mario!" Zunächst einmal kauft man aber die Katze im Sack. Denn Super PAPER Mario ist gewiss kein brilliantes RPG, wie es auf dem N64 der Serienbegründer oder die "Legende vom Äonentor" auf dem Gamecube waren. Man bekommt ein 2D-Jump and Run mit Papierfiguren aufgetischt. Aber da wir ja alle in der Next Gen sind und gefälligst Erwartungen an den Titel hegen, gibt es dann von Nintendo ein unglaubliches Feature: Man kann von 2D in 3D wechseln. "Öhm, toll" dachte ich mir da. "Langweilig?" So nett das Spiel von seinen Ideen auch sein mag (denn das Crossover von 2D und 3D-Spiel funktioniert tadellos), es hat zu viele grober Schnitzer. Der Bug in Welt 2-2, durch den das Spiel abstürzt, wenn man mit der Bediensteten Mimi redet, ist da nur die Spitze des Eisbergs. Wenn man über die schillernde Fassade hinwegsieht, besteht das Spiel größtenteils aus Suchaufgaben. Intelligente Jump and Run-Parts kommen viel zu kurz und die ganzen Kampf-Elemente sind so stark unter den Teppich gekehrt worden, dass ich mich manchmal fragte, wozu es überhaupt noch Erfahrungspunkte gibt. Dazu kommt noch der fragwürdige Grafikstil, der, selbst wenn wir die künstlerische Freiheit berücksichtigen, qualitativ keinen Blumentopf gewinnt. Schön und gut dann, dass jede Dimension ihren eigenen Grafikstil hat, doch manchmal ist das alles zu arg geraten. Auch die Sounduntermalung hat mich nicht gerade in ihren Bann gezogen. Es gab zweifelsfrei schon schönere Mario-Melodien.
Super Paper Mario hat seine goldenen Momente. Zum Beispiel beim Betreten der 3. Welt mit dem Titel "Angriff der Nerds", der Quizshow "Live aus der Damentoilette" oder das urkomische Ende des dritten Kapitels. Nur leider sind dies eben nur Momente, und kontinulierlich wird bei Super Paper Mario fast nichts konsequent und auf qualitativ gleichbleibendem Niveau durchgezogen. Super Paper Mario ist ein schönes Spiel, allerdings offenbar viel zu sehr gehyped und sein Geld bei Weitem nicht so sehr wert wie Paper Mario in der Virtual Console, das für 1000 Wii-Points zu haben ist.
Von Andreas Held
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| Wertung für das Spiel Super Paper Mario | |
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| 7.0 | Grafik Technisch recht unbeeindruckende 2D-Engine, teilweise recht hübsch, aber ohne eine klare stilistische Linie. | |
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| 8.5 | Sound Immer passende Hintergrundmusik, teilweise mit Ohrwurmcharakter. | |
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| 9.5 | Steuerung Im 2D-Modus absolut perfekt, alle Menüoptionen sind problemlos erreichbar. | |
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| 7.5 | Gameplay Ein an sich spaßiges Spiel mit einigen Schnitzern und einem angemessenen Umfang. | |
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| 7.9 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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