Review von Andreas Held (mail) | 07.09.2007
Wer EA kennt, weiß vor allem Folgendes: Genauso sicher wie die jährlichen Wiederholungen von Ostern und Weihnachten sind die jährlichen Veröffentlichungen der hauseigenen Franchises, die kaum Innovation bieten. Dafür steht diesen Titeln aber auch immer wieder ein entsprechendes Budget zur Verfügung, sodass sich die Spiele jedes Jahr mit den aktuellen Lizenzen, einer aufwendigen Präsentation und einem ordentlichen Umfang rühmen können. Seien es vollständig vertonte FMV-Sequenzen in Need For Speed oder tausende Originalspieler in FIFA - es ist zumindest erkennbar, dass EA Geld in die eigenen Titel steckt. Bevor jedoch auch dieses Jahr die unausweichliche Welle an FIFA-, Madden- und NBA-Titeln über den Wii hereinbricht, ist erst mal Tiger Woods mit seinem jährlichen Besuch auf allen Heimkonsolen an der Reihe.
Schwinge die Remote wie einen echten Schläger
Bevor man im Spiel irgendetwas machen kann, wird ein Pflicht-Tutorial gestartet, das den Spieler in die Schlagtechnik einweist, die auch schon in allen bisherigen Golfspielen für Nintendos Konsole Verwendung fand. Jeder Schlag, egal ob Abschlag oder Putt, wird auf die gleiche Art und Weise ausgeführt: Zunächst zeigt ihr mit der Wii-Remote nach unten und haltet den B-Knopf gedrückt, um dem Spiel zu sagen, dass ihr Schlagen wollt. Danach holt ihr aus und schwingt danach die Fernbedienung in einer möglichst geraden Linie nach unten. Die Schlagweite errechnet sich dabei sowohl daraus, wie weit ihr ausgeholt habt, als auch an der Schnelligkeit eures Schwungs. Das Putten funktioniert, wie bereits gesagt, genauso - der einzige Unterschied ist, dass ihr den Schlag hier nicht verziehen könnt, dafür aber die Beschaffenheit des Grüns durch richtiges Zielen und Abwägen der Schlagstärke ausgleichen müsst.
Habt ihr das Tutorial beendet, geht es direkt weiter mit dem Kernstück des Single-player-Modus: Der Karrieremodus. Anfangs erstellt ihr dazu euren Golfer, und hier fängt dann der Frust an. Sofort wird klar, dass EA hier die unintuitivsten und verworrensten Menüs verbrochen hat, mit denen sich Wii-User bisher rumplagen mussten. Erst nach dem Lesen der Ingame-Hilfen weiß man, wie man an die Menüs herangehen soll, und selbst dann ist die Bedienung äußerst unkomfortabel. Um eine Menüoption zu verändern, müsst ihr mit dem Pointer auf sie zeigen, den B-Knopf gedrückt halten und dann durch Bewegen der Wiimote nach links und rechts die Option verändern, was sehr viel Feingefühl erfordert und das Treffen der gewünschten Option zu einer echten Geschicklichkeitsprobe macht. Zwar könnt ihr die Menüs auch mit dem Steuerkreuz bedienen, aber sobald ihr mit dem Pointer auf den Bildschirm zeigt, erhält dieser die Priorität, und was auch immer ihr gerade einstellen wolltet, wird durcheinandergeworfen.
Wie werde ich Golf-Profi?
Kommt ihr mit den Menüs halbwegs zurecht, geht es an die Erstellung eures Golfers, wo sich der Eindruck nicht gerade bessert. Zwar könnt ihr mit dem Editor über die Anzahl der Zahnlücken und Kronen bis hin zur Größe der Nasenlöcher wirklich alles einstellen, es ist aber trotzdem fast unmöglich, zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen. Gerade falls jemand auf die Idee kommen sollte, die Randomize-Funktion zu benutzen, stellt sich die Frage, ob man wirklich einen Golfer erstellt, oder sich eine Enzyklopädie über die Rassen in Star Trek ansieht. Die virtuelle Traumfrau zu erstellen, ist hier genauso schwer, wie sie im echten Leben zu finden, und letztendlich könnt ihr zufrieden sein, wenn der erstellte Golfer zumindest halbwegs einem Wesen der Spezies Homo Sapiens ähnelt. Zum Schluss geht es an die Wahl der Kleidung, wo sich die letzte Peinlichkeit offenbart. Es gibt zwar eine Preview-Funktion, mit der ihr die Kleidung an eurem Golfer sehen könnt, allerdings zeigt das Spiel grundsätzlich nur den Oberkörper eures Sportlers - was bei der Auswahl der Hose und der Schuhe nicht gerade dienlich ist und letztendlich dazu führt, dass die Katze im Sack gekauft werden muss.
Nachdem dieser anfängliche Stress überstanden ist, gibt sich der Karrieremodus überraschend simpel. Die Auswahl beschränkt sich auf die Tiger Challenge (eine Reihe von Duellen gegen nachgebildete PGA-Profis), die PGA-Tour und den direkten Sprung zum FedEx-Cup. Im PGA-Tour-Modus arbeitet ihr euch vom Amateur zum Profi hoch, was sich letzendlich aber auch darauf beschränkt, dass die im Kalender eingetragenen Meisterschaften ausgewählt und gespielt werden - wenn ihr gewinnt, könnt ihr euch im Statistikbildschirm ein Bild der Trophäe ansehen. Außerdem habt ihr in eurem Büro einen Notizzettel mit drei Zielen liegen, z.B. "Gewinne vier Amateur-Meisterschaften", die erfüllt werden müssen, um in die nächste Klasse aufzusteigen. Und das war es eigentlich. Es gibt ein paar lächerliche Trainingseinheiten, in denen ihr an Löchern, an denen ihr schlecht wart, drei mal den gleichen Schlag ausführen müsst, und auch hier die obligatorischen Duelle gegen PGA-Profis, ansonsten jedoch nur die Möglichkeit, an Turnieren teilzunehmen und darauf zu hoffen, irgendwann vielleicht besser zu werden.
Denn die Antwort auf die in der Überschrift gestellte Frage lautet: Nur durch harte, sehr harte Arbeit. Auch wenn das Spielgefühl von Tiger Woods sehr gut herüberkommt und zu keiner Zeit der Eindruck entsteht, dass die Bewegungen mit der Wiimote falsch erkannt werden, ist es übermäßig schwer, konstant gut zu spielen. Ihr könnt sogar zu fest schlagen und den Ball mit 110% der Schlagkraft weit über das eigentliche Ziel hinausschießen lassen, und eine kleine Verringerung der Schlagkraft führt sofort dazu, dass der Schlag nur noch mit 80% oder weniger der zur Verfügung stehenden Kraft ausgeführt wird. Selbst nach einer fünfstündigen Einarbeitungszeit ist es kaum möglich, konstant gut zu spielen - es stellen sich zwar vereinzelte Erfolgserlebnisse ein, doch der nächste Triple Bogey kommt bestimmt. Gerade bei Annäherungsschlägen aus geringer Entfernung ist die Steuerung völlig überempfindlich, was schnell dazu führt, dass man entweder von einer Seite des Grüns auf die andere und wieder zurück spielt, oder der Ball nur angetippt wird und fast an Ort und Stelle liegen bleibt. Hier liegt der Fehler aber auch größtenteils bei den Entwicklern, da der Spieler sofort an Turnieren teilnehmen muss, in denen zum Sieg sechs bis acht Schläge unter Par benötigt werden. Ein der Lernkurve angepasster Schwierigkeitsgrad wäre hier eigentlich Pflicht gewesen. Das Spiel verspricht zwar einen gigantischen Umfang mit insgesamt 61 Turnieren auf 18 Golfplätzen, über einem Dutzend weiterer Auszeichnungen und der Möglichkeit, euren Charakter durch Erfahrungspunkte und neue Ausrüstung zu verbessern, aber was bringt das, wenn man nach fünf Stunden immer noch kein einziges dieser Turniere bestehen kann? Potential ist durchaus vorhanden, nur leider hat es EA nicht geschafft, einen motivierenden Spieleinstieg zu gewährleisten, sondern das komplette Gegenteil erreicht.
Ein Low-Budget-Spiel von EA
Nicht nur der schlecht umgesetzte Karrieremodus macht den Eindruck, dass EA hier sehr stark an den Entwicklungskosten gespart hat. Zum einen seien hier nochmal die Menüs erwähnt, die - wenn man sie denn bedienen kann - sehr viele Einstellungsmöglichkeiten bieten. Ihr könnt die Windstärke einstellen oder sogar ganz abstellen, die Beschaffenheit der einzelnen Oberflächen verändern und vieles mehr. Das Dumme ist nur, dass manche dieser Menüoptionen nicht funktionieren. Andere müssen auf "Off" gestellt werden, um sie einzuschalten. Selbst eine Änderung der Bewegungserkennung des Spiels auf "Sitting Style" hatte keine Auswirkungen, weshalb nach einem lächerlich aussehenden Versuch im Sitzen dann doch im Stehen weitergespielt wurde - nur ein weiteres Indiz dafür, wie wenig Mühe sich bei der Wii-Anpassung des Spiels gegeben wurde.
Und wenn wir schon bei einer schlechten Wii-Anpassung sind: Die Grafik ist eine absolute Frechheit. Dank fehlenden Anti-Aliasings wird nicht mal das EA-Sports-Logo korrekt dargestellt, und die Menüs sind angesichts der ebenfalls fehlenden 480p- und 60Hz-Modi völlig verwaschen. Auf den Golfplätzen selbst dominieren einfarbige Texturen und statische Wassertexturen und völlig verpixelte Pflanzen, die in Nahaufnahme absolut grauenvoll aussehen. Selbst Wasserfälle sind einfach nur eine statische Textur.
Auf akustischer Seite werden die Ohren des Spielers in den Menüs mit unterirdischer Musik mit philosophischen Songtexten wie "Uuuuuh Aaaaah Uuuuh Aaaah" gefoltert, auf den Plätzen hört ihr dann nichts weiter außer ein paar Sprachsamples der schlechten Kommentatoren und des nicht vorhandenen Publikums (es steht nirgendwo auch nur eine Menschenseele auf den Plätzen, trotzdem wird bei jedem guten Schlag applaudiert). Außerdem gibt es noch ein paar Nebengeräusche, die scheinbar ein EA-Mitarbeiter mit seinem Diktiergerät aufgenommen hat, denn manchmal kann nur durch ein Deaktiveren des Tons festgestellt werden, ob sie tatsächlich vom Fernseher kommen, ober ob gerade ein echter Helikopter über euer Haus fliegt.
Fazit: Tiger Woods PGA Tour 2008 hätte durchaus Potential gehabt, aber um es als gutes Spiel bezeichnen zu können, fehlt dann doch einiges. Neulinge werden quasi komplett ausgesperrt, da sich selbst nach einer mehrstündigen Einarbeitungszeit nur Teilerfolge einstellen und der Karrieremodus keine Möglichkeiten gibt, sich auf die Turniere vorzubereiten. Die Bewegungserkennung funktioniert, sie ist nur völlig überempfindlich, was dazu führt, dass selbst leichte Variationen eurer Schlagtechnik Unterschiede von 40 Yards ausmachen können. Wenn alles klappt, macht das virtuelle Golfen sogar Spaß, aber es ist eine mindestens tagelange Einarbaitungszeit notwendig, um wirklich gut spielen zu können. Die allermeisten Spieler werden wahrscheinlich aufgeben, bevor dieser Punkt erreicht ist. Über die grauenhafte Wii-Anpassung mit ihren hirnrissigen Menüs und der unzumutbaren Grafik will ich hier gar nicht mehr viele Worte verlieren. Am Ende bleibt nur zu sagen, dass Tiger Woods zwar wesentlich besser als Pangya: Golf With Style ist, da die Steuerung funktioniert und die Ballphysik korrekt arbeitet, aber selbst eingefleischte Golf-Fans keinen Grund haben, zu diesem Titel zu greifen: Die 2007er-Version von Tiger Woods ist nämlich eigentlich das selbe Spiel, und mittlerweile billiger zu haben.
Von Andreas Held
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| Wertung für das Spiel Tiger Woods PGA Tour 2008 | |
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| 4.5 | Grafik Verwaschene Menüs, Pixelmatsch und statische Wassertexturen. | |
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| 6.5 | Sound Fast schon zu realistische Nebengeräusche und ein paar nervige Sprachsamples. | |
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| 6.0 | Steuerung Die Bewegungserkennung funktioniert, ist aber völlig überempfindlich. | |
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| 6.5 | Gameplay Kein echter, dafür aber sehr umfangreicher Karrieremodus. | |
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| 6.2 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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