Review von Marian Wehmeier (mail) | 22.07.2007
Jede Medaille hat zwei Seiten. So auch die des Erfolges. Während Nintendo sich dank immenser Abverkäufe ihres Flagschiffs schon als Sieger der derzeitigen Konsolengeneration sieht, erkennen immer mehr Entwickler den Trend, der sich abzeichnet: Ein flüchtig und ohne Liebe dahin programmiertes Videospiel auf den Markt werfen und schnell ein paar Scheinchen nebenher abgrasen. Die Entwickler nutzen die Gunst der Stunde, der unwissende Kunde kauft blind, Nintendos Qualitätskontrolle ignoriert wohlwollend, eine Fülle ungenießbarer Kurpfuschfabrikate erstürmt die Produktlinie des Wii. Womit wir auch schon beim Thema wären: Im Bann des Drachen (Legend of the Dragon), die Kampfspielportierung der gleichnamigen Zeichentrickserie.
Ang und Ling
China. Das kosmische Gleichgewicht zwischen Yin und Yang wurde von dem Goldenen Drachen, dem Wächter des Tempels, in Harmonie gehalten. Nach seinem Tod muss nun ein neuer Beschützer auserwählt werden, damit das Land vor der Zerstörung bewahrt wird. Die Wahl muss zwischen den beiden Zwillingen Ang und Ling, die im Jahr des Drachens geboren wurden, entschieden werden. Als sich herausstellt, dass ihr Bruder der Auserwählte sein wird, wendet sich Ling eifersüchtig den Mächten des Bösen zu, um die zwölf verlorenen Tempel des chinesischen Tierkreises zu zerstören und ihren Zwillingsbruder zu besiegen.
Diese Geschichte, die der Zeichentrickserie zugrunde liegt, wird im Quest-Modus erzählt. Anfangs kann zwischen einem der beiden Zwillinge entschieden werden, bevor es auf die Reise in die entlegendsten Tempel geht. Auf einer Landkarte können nun vorgegebene Routen eingeschlagen werden, die zu einem der zwölf heiligen Tempel führen. Ist eine Stätte aufgefunden, findet ein kurzer Dialog zwischen dem Spielcharakter und dem dort ansässigen Tempelwächter statt, ehe zum verbindlichen Kampfshowdown geladen wird. Um für etwas Abwechselung zu sorgen, gilt es nicht nur, seinem Opponenten möglichst elegant den Schädel einzuschlagen. Um das Kampfgeschehen etwas aufzulockern, werden des Öfteren diverse Vorschriften festgelegt. So müssen Gegner mit einer speziellen Kampftechnik besiegt oder in einem gewissen Zeitrahmen geschlagen werden.
Als Belohnung für jeden Sieg erhält man Edelsteine, die dazu genutzt werden können, um unterschiedliche Eigenschaften des Kämpfers, wie Trittattacke, Lebenspunkte oder Widerstand, zu verbessern.
Neben dem Quest-Modus gibt es für Einzelspieler noch die Möglichkeit, einen Schnellkampf zu absolvieren. Oder im Zeitattacke-Modus und Überleben-Modus gegen beziehungsweise mit der Zeit zu kämpfen. Für Mehrspieler bietet das Spiel noch einen Teamkampf und einen Tagkampf, sowie einen obligatorischen Versus-Modus. In diesen Modi können insgesamt 18 aus der Trickserie bekannte Charaktere ausgewählt werden, von denen zunächst sechs noch freigeschaltet werden müssen.
Darüber hinaus wird ein Trainingsprogramm angeboten, das jeder Einsteiger nutzen sollte, um sich mit den verschiedenen Angriffen und Spezialattacken vertraut zu machen.

Metamorphose
Das gesamte Spiel dreht sich um den sogenannten Transformationsmodus, der es ermöglicht, den entsprechenden Charakter von einem normalsterblichen Wesen in eine mystische, tierähnliche Gestalt (vgl. Bloody Roar) zu verwandeln. Dieser Modus hat nicht nur den Vorteil, dass die eigentlichen Combos an Effektivität gewinnen. Es ist nun auch möglich, einen von drei Spezialangriffen zu verüben: Energiewelle, Energieattacke und Energiestöße. Hier kommt die Wii-Remote erstmals tragend zum Einsatz. So müssen zum Beispiel Wii-Remote und Nunchuck schnell abwechselnd nach unten und oben bewegt werden, um einer Energiewelle entgegen zu wirken. Als Prävention kann durch Knopfdruck auch direkt ein KI-Schild aufgebaut werden, falls der Kontrahent einen Spezialangriff startet.
Um diese Verwandlung aber erst durchführen zu können, muss während des Kampfes (durch Schlagen und Blocken) eine KI-Leiste angefüllt werden. Hat diese ihr Maximum erreicht, kann via Tastendruck die Metamorphose beginnen.
Ohne diese Spezialattacken, die übrigens bei allen Kämpfern identisch sind, haben die jeweiligen Kämpfer noch ein überschaubares Repertoire an Schlägen, Tritten, Würfen und Kontern anzubieten.
Der Schauplatz der kämpferischen Darbietungen sind kleine, dreidimensionale Areale, die durch Mauern oder Gebäude, Flüsse oder Klippen eingegrenzt sind. Neben Höhlen oder Höfen von Tempeln dienen auch Steppen oder eisige Berge als Orte, an denen die Charaktere ihre Meinungsverschiedenheiten austragen können.
Geiz ist geil
Ab und zu ist weniger mehr. Dieses Spiel ist der Beleg, dass sich die Mannen von The Game Factory diese Maxime auf ihre Fahne geschrieben haben. Denn Im Bann des Drachen präsentiert sich in allen Belangen, spielerisch als auch technisch, als furchtbar spartanisch und einfallslos.
Die Kampfaktivitäten beschränken sich auf jeweils einen Standardschlag und einen Standardtritt. Wenn man sich nicht im Transformationsmodus befindet, stehen einem keinerlei Combos zur Verfügung. Und die drei Spezialattacken, die man dann als amphibienähnliches Wesen (meist wird den vorhandenen Charakteren nur eine neue Textur übergestülpt) zur Auswahl hat, sind bei jedem Kämpfer identisch und somit schnell voraussehbar und langweilig.
Und da die Kampfhandlung schon zum Gähnen animiert, werden sich ambitionierte Spieler auch nicht die Frechheit gefallen lassen, auf einer grauenhaft hässlichen und pervers grobpixeligen Landkarte ihre Figur herumzuschieben, sich danach einen unsynchronisierten Dialog der Marke „Gleich gibts Saures!" - "Dann komm her!“ anzuhören und darauf zu einem Kampf geladen zu werden, der dank katastrophal eintöniger Fighter und katastrophal bedürfnislosen Möglichkeitsradius eher dazu verleitet, ein spontanes Nickerchen zu machen.
Auch audiovisuell ist dieses Machwerk eine Zumutung. So schaffen es die teilweise hübsch anzusehenden Hintergrundslandschaften nicht, von den einfallslosen und ziemlich detaillosen Charakteren abzulenken. Der mittelmäßige Cel-Shading-Look trifft hier auf steife Animationen, die, gepaart mit überwiegend langweiligen Kampfarealen, die ganze Spärlichkeit dieses Titels unterstreichen. Und während die Spezialattacken einiges an Effekthascherei betreiben, können sie letztendlich nicht die Tatsache überschminken, dass sich die Grafik bestenfalls auf mittelmäßigem PS2-Niveau befindet.
Diese Spärlichkeit wird nur noch von der Soundkulisse getoppt. Denn die ist praktisch nicht vorhanden: Vereinzelt untermalen nervtötende Musikstücke das Geschehen, während sich die Kämpfer im Wettstöhnen profilieren. Fans der Serie, die vielleicht ein paar synchronisierte Dialoge ihrer Helden erwartet haben, werden spätestens hier maßlos enttäuscht.
Dank fehlender Tiefe im Quest-Modus, phantasieloser Charaktere mit viel zu wenigen Aktionsmöglichkeiten und schrecklicher Grafik- und Soundpräsentation avanciert Im Bann des Drachen zu einem Paradebeispiel, wie man ein Spiel nicht programmieren sollte. Ein Machwerk ohne jegliche Existenzberechtigung.
Fazit: Von einem amateurhaften Menüdesign bis hin zum eigentlichen Kampfgeschehen, das ohne jeglichen Anspruch auskommt, wurde so ziemlich an allen Aspekten gespart, die ein Spiel interessant machen. Während die spielerische Seite eindeutig an der fehlenden Originalität zugrunde geht, krepiert die technische Seite aufgrund der nicht vorhandenen Ambition seitens der Entwickler, die es nicht verstanden haben, ein Spiel zu programmieren, das den heutigen Standards gerecht wird. Hinzu kommt die Unverschämtheit, dass sich diese Umsetzung (auch erhältlich für PSP und PS2) zwar als Low-Budget-Titel verkauft, aber den Vollpreis eines normalen Wii-Spiels zu Buche schlägt. Einzelspieler sind mit Dragon Ball Z oder einem Teil der Street Fighter-Serie (via Virtual Console) besser bedient. Mit diesem Titel kommen sie nicht auf ihre Kosten und um im Mehrspielermodus aktiv zu werden, braucht man erst einmal so durchgeknallte Sadisten, die an dieser Tortur ihren Spaß finden.
Letzten Endes kann man Im Bann des Drachen mit einer Zigarette gleichsetzen: Es ist relativ unnötig und kostet viel Geld. Nur vom Suchtfaktor bleibt der Konsument verschont. Glück gehabt.
Von Marian Wehmeier
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| Wertung für das Spiel Im Bann des Drachen (Legend of the Dragon) | |
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| 4.5 | Grafik Nette Hintergrundsgrafiken treffen auch karge Animationen und undetaillierte Kämpfer, die sich fast alle in ihren Eigenschaften gleichen. | |
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| 1.1 | Sound Die Sounduntermalung ist eine Frechheit. Nervtötende Melodien plus stupides Stöhnen. Keinerlei Sprachausgabe. | |
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| 4.8 | Steuerung Oft unpräzise Steuerung, nur minimaler Einsatz der Wii-Remote-Funktionen. | |
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| 3.1 | Gameplay Keine Spieltiefe, kein gutes Kampfsystem, langweilige Kämpfer, langweilige Moves. Ohne Ambition und Kreativität. | |
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| 3.7 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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