Ein Klötzchen sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden. Normalerweise würde man als Kenner jetzt anmerken, dass sich ein Fehler im letzten Satz befindet. In diesem Fall jedoch ist dies so gewollt. Denn LEGO hat sich wieder einmal eine zugkräftige Lizenz gesichert und untermauert dies nun mit einem passenden Videospiel. So wird nach Star Wars, Indiana Jones, Harry Potter, Batman und dem Marvel-Universum nun auch Mittelerde aus vielen kleinen Steinchen neu errichtet. Verantwortlich für die begleitende Softwareumsetzung mit dem entsprechenden Titel „LEGO Herr der Ringe“ sind wie gewohnt Traveller’s Tales und die Stilrichtung des Titels ist daher entsprechend vorhersehbar. Seit dem Release von „LEGO Star Wars“ im Jahre 2005 hatte das Entwicklerteam Zeit seine Spielformel zu perfektionieren. Ob der neueste LEGO-Titel hiervon profitieren kann, lest ihr in unserem Test.
Leithio i philinn!
Die Reise ins Auenland, die Riddermark und das ganze Zeug drumherum beginnt mit dem aus dem Kinofilm „Die Gefährten“ bekannten Prolog der dreiteiligen Saga. Elrond führt seine Elben zusammen mit den Menschen gegen den dunklen Herrscher Sauron in den Krieg. Erst sieht es ziemlich düster aus, dann schnibbelt Isildur dem Abscheulichen seinen Ring von der Hand und am Ende will der frischgebackene Ringträger mit seinem neuen Schatz lieber durchbrennen, als ihn zu verbrennen.
Im Rahmen dieser Einleitung werden ihr direkt ins Spiel geworfen und mit den Grundlagen des Spiels vertraut gemacht. Schon hier kann ein Mitspieler via Plus-Knopf einsteigen und ihr könnt das komplette Spiel im Ko-Op bestreiten. Mit der Kombination Wii-Fernbedienung und Nunchuk lauft ihr dann durch die verschiedenen Areale, springt mit dem A-Knopf über allerlei Hindernisse und drescht mit dem B-Knopf auf Orks und Co. ein. Der Z-Knopf dient zur Objektinteraktion und Nutzung eurer Spezialfähigkeit. Diese ist von Figur zu Figur unterschiedlich und ordnet sich immer einer von fünf Kategorien zu: Halbling, Zauberer, Krieger, Elb oder Zwerg.
Während die Hobbits sich ihrer Gattung entsprechend eher auf die Anwendung von grundlegenderen Fertigkeiten wie Feuer machen oder das Kombinieren von Items verstehen, profitieren die anderen Charakterklassen eher von ihren unterschiedlichen Waffentypen. Zudem gibt es diverse Schlüsselgegenstände, die manche Charaktere noch weiter spezialisieren. So kann Frodo mit Galadriels Phiole dunkle Bereiche erhellen und ein Schwertkrieger kann spezielles Gestein aus Mordor zerstören, sofern er eine Morgul-Klinge anstelle eines einfachen Schwertes führt.
Durch diese vielseitigen Charakterspezialisierungen, die hier noch weitaus deutlicher ausgeprägt sind als in vergangenen LEGO-Titeln, wird das ständige hin- und herwechseln zwischen den einzelnen Figuren zur wichtigsten Gameplay-Mechanik. Die Zusammenstellung eurer Gefährten in den einzelnen Leveln ist dabei natürlich stets handlungsbezogen. Allerdings könnt ihr alle bereits absolvierten Level jederzeit wiederholen und dann euer eigenes Team zusammenstellen, wobei ihr frei aus allen Charaktertypen wählen könnt. So lassen sich dann auch die vielen zahllosen Objekte aufstöbern, die sich in den einzelnen Leveln verstecken und beim ersten Durchspielen nicht selten unerreichbar für euch sind.
Apropos Story: Schon im Intro wird schnell klar, dass sich das Spiel fast 1:1 an der Inszenierung und Dramaturgie der Filmvorlage von Peter Jackson orientiert. Jede Zwischensequenz kommt gewohnt episch und mit einem kostenfreien Déjà-vu-Effekt daher. Merkliche Abweichungen gibt es nur in den Dialogen. Diese sind zwar etwas kürzer gefasst, entfalten aber das nötige Flair – auch wenn hier nicht die Originalsprecher zum Einsatz kamen. Komplett original hingegen sind die Arrangements von Filmkomponist Howard Shore, die als Hintergrundmusik das komplette Spiel auf erhabenem Niveau untermalen.
Fast ein Action-RPG: neue Gameplay-Features im Detail
Gewöhnlich werden in den LEGO-Spielen alle Level aneinander gereiht und mit liebevoll inszenierten Zwischensequenzen verknüpft. Falls man aus diesem Trott ausbrechen will, wird dazu eine kleine Hub-Welt (wie etwa bei LEGO Star Wars die Cantina in Mos Eisley) geboten, aus der man die einzelnen Episoden und Level anwählen kann. In LEGO Herr der Ringe verhält es sich hier etwas anders. Auf die tollen Zwischensequenzen muss natürlich nicht verzichtet werden, aber an bestimmten Stellen im Spiel werdet ihr nicht direkt in das nächste Level, sondern in ein frei erkundbares Areal geworfen. So dürft ihr euch nach der Einleitung zunächst frei in Beutelsend umsehen und nach erfolgter Flucht vor den schwarzen Reitern das Städtchen Bree erkunden, triefender Regen inklusive. Kleine Wegpunkt-Steinchen markieren euch hierbei immer den Weg zum nächsten Leveleingang.
Geht ihr in solchen Spielsituationen abseits der Wege, könnt ihr viele Geheimnisse und sogar ganze Sidequests entdecken. Letztere sind zwar gewöhnliche Sammel- und Suchaufgaben, kommen aber schön kurzweilig daher, weil ihr sie meist in unmittelbarer Umgebung erledigen könnt. Belohnungen für eure Mühen sind hier beispielsweise Baupläne und Items, die ihr für das Herstellen verschiedener Gegenstände in der Schmiede benötigt. Um diese strukturellen Änderungen nicht zu einer Last werden zu lassen, finden sich in fast allen Arealen Statuen, die sich nach ihrer Aktivierung als Reisepunkte nutzen lassen und direkt von der Weltkarte heraus angewählt werden können. Diese Weltkarte ersetzt die sonst typische Hub-Welt und zeigt euch alle anwählbaren Level mit ihren Highscores, gefundenen Schatztruhen und was es sonst noch alles zu finden gibt.
Diese locker-luftigen RPG-Ansätze sind ein toller Weg um das Spiel an das Tolkien-Universum anzupassen. Dabei werden jüngere Spieler nicht überfordert und Vielspieler finden erstaunlich viele Anreize um nicht bloß die Hauptstory zu spielen. Leider ist das Kampfsystem aber gewohnt banal: verspielt ihr eure vier Herzen, wird euer Charakter sofort wiederbelebt und verliert an Stelle eines Lebens nur ein paar Legosteine, was lediglich einen geringeren Highscore zur Folge hat. Die einzige Varianz im Kampfsystem sind starke Orc-Gegner die eure Angriffe blocken und von euch ein bisschen Button-Smashing erfordern. Das ist im Großen und Ganzen ziemlich schade, da der Herr der Ringe eine sehr kampflastige Handlung beinhaltet. Diese wurde generell auch erfolgreich aufgegriffen und toll in das Spiel integriert, nur macht eine große Schlacht um Helms Klamm mit einem solch seichten Kampfsystem viel weniger Spaß als beispielsweise im großartigen EA-Strategiespiel „Schlacht um Mittelerde“.
Gewohnter Witz, Abwechslung und Technik-Abstriche
Alle Kritikpunkte, die sich durch das Kampfsystem auftun, werden durch die kreativen Level des Spiels locker wieder ausgeglichen. Jedes Areal punktet mit unterschiedlichen Herausforderungen, die zudem nie aufgesetzt wirken. Oft ist man erstaunt, mit welcher Spitzfindigkeit die einzelnen Szenen der Filmvorlage in eine sinnvolle Spielpassage übertragen wurden. So flüchtet ihr nicht einfach vor den schwarzen Reitern, sondern müsst genau eure Umgebung untersuchen, um Mittel und Wege für kleine Ablenkungsmanöver zu finden. Auch die erste Konfrontation mit Gollum artet nicht in einen simplen Bosskampf aus, sondern erfordert das beiläufige Lösen diverser Rätsel, damit der hinterhältige Hobbit-Reiseführer in Spe zunächst mit frischem, saftig-süßen Fisch angelockt werden kann.
Ebenfalls clever integriert wurden die verschiedenen Handlungsstränge, die sich besonders im Verlauf des zweiten Teils „Die zwei Türme“ oft parallel abspielen. Erreicht ihr so einen Augenblick, wird oben rechts auf eurem Bildschirm eine Art sehendes Auge angezeigt, der einen Blick auf den aktuellen Stand der anderen Gefährten ermöglicht. Ihr könnt dann jederzeit per Knopfdruck zwischen den verschiedenen Leveln wechseln und so bestimmen, welchen Handlungsstrang ihr weiterverfolgen wollt.
Einen ganz besonderen eigenen Absatz hat auch der Witz des Spiels verdient. Seit jeher sind die LEGO-Spiele ja für ihre lustigen Zwischensequenzen bekannt, doch in LEGO Herr der Ringe wird dieser Spaß auf eine fast schon unerhört komische Spitze getrieben. So wird Frodo nach dem Kampf auf der Wetterspitze direkt von den anderen Hobbits mit einem Erste-Hilfe-Kasten versorgt und auf einer Krankenbahre davongetragen. Und Boromir muss nicht etwa sein Leben lassen weil er von drei Pfeilen durchbohrt wird, sondern weil der gegnerische Orc zusätzlich auch ein Huhn (!) und eine Banane (!!!) auf ihn abfeuert. Wenn im Anschluss an diese Sequenz das Boot mit Boromirs Leichnam unter dem Klang diverser Pinballtisch-Soundeffekte den riesigen Wasserfall heruntergespült wird, bleibt kein Auge mehr trocken.
Leider Gottes gibt es einen Aspekt, der dieses tolle Spiel schmälert: wir befinden uns auf der Wii. Die ist bekanntermaßen kein Arbeitstier und der Spieler muss daher mit einigen optischen Kompromissen leben. Zum einen wurden alle Texturen des Spiels entsprechend heruntergerechnet. Das Endresultat sieht zwar immer noch gut aus, allerdings sind manche Texturen etwas arg matschig und farblos geraten. Der zweite Kompromiss betrifft die Spielauflösung, die ebenfalls merklich heruntergerechnet wurde. Meist ist dies kein Problem, doch in größeren Spielarealen, in denen die Kamera zu Gunsten einer besseren Übersichtlichkeit weit herauszoomt, wird es schon etwas schwerer alles auf dem Bildschirm zu erkennen. Diese Kehrseite der Medaille hat aber auch etwas Positives: ein böses Flimmern wie etwa in LEGO Batman 2 konnten wir nicht feststellen und das Spiel läuft immer flüssig.