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Disney Micky Epic - Die Macht der 2
Review von Tim Herrmann (mail) | 03.01.2013

Im Oktober trafen wir in Hamburg einen Menschen, der voll hinter seinem Projekt stand: Warren Spector ist kein typischer Marketing-Mann, der mit schmieriger Selbstbegeisterung für ein Produkt wirbt, das er privat nicht einmal anfassen würde. Er ist ein Designer, der seine Werke gespannt ins Rampenlicht schiebt und erwartungsfroh auf ein Echo von den Fans wartet. Entsprechend glaubwürdig war seine ehrliche Begeisterung für Disney Micky Epic – Die Macht der 2, den Nachfolger von Disney Micky Epic. Entsprechend hoch waren auch die Erwartungen. Das Spiel kann sie nicht erfüllen.

Nochmal von vorn
Gerade hat Micky das Wasteland gerettet, da ist schon wieder alles im Argen: Nach nur kurzer Zeit des Friedens reißen Erdbeben und merkwürdige Vorkommnisse die Welt für vergessene Cartoon-Kreationen wieder ins Unheil. Und noch dazu will der Mad Doctor, Bösewicht aus Teil 1, plötzlich zu den Guten gehören. Hase Oswald muss alles richten – doch nicht allein. Die Toons rufen Micky Maus kurzerhand ins Wasteland zurück, mit dem magischen Pinsel soll er sie abermals retten. Damit baut die Geschichte komplett auf den Fundamenten des Vorgängers auf, ohne sich um eigene Einfälle oder Ideen zu bemühen. Wasteland, vergessene Cartoons, magischer Pinsel – alles das wird als bekannt vorausgesetzt, nicht großartig erklärt und einfach übernommen. Damit macht es sich das Spiel, dessen erster Teil noch so viel Lob für seinen Einfallsreichtum und seine Kreativität bekam, zu einfach.

Oswald ist mittlerweile vom Sidekick zum vollwertigen Zweitprotagonisten aufgestiegen und begleitet Micky auf Schritt und Tritt. Ein Kooperationsmodus, mit dem sich ein zweiter Spieler jederzeit zum Mitspielen einklinken kann, umrahmt diese Zusammenarbeit. Oswald verfügt über eine Fernbedienung, die elektrische Impulse abgibt. Damit bedient der glückliche Hase ab und zu Maschinen und Vorrichtungen oder schockt Gegner. Darüber hinaus kann er seine Ohren hubschrauberartig flattern lassen oder mit den Bumerang-Armen entfernte Gegenstände herbeiwirbeln. Wer allein spielt, muss darauf vertrauen, dass diese Mechaniken zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle angewendet werden. Das funktioniert allerdings nicht immer reibungslos. Oswalds Computer-Intelligenz ist nicht gut ausgefeilt, die meiste Zeit wandert der Sidekick irgendwo herum und bequemt sich erst auf Kommando dorthin, wo die Musik spielt. In Gefechten ist Oswald nicht zu gebrauchen, schließlich wird er andauernd vom Feind getroffen und ist innerhalb kurzer Zeit hinüber.

Bei Micky bleibt alles beim Alten: Erneut hantiert die weltbekannteste Maus mit dem magischen Pinsel, der Farbe und Verdünner und damit die beiden zentralen Elemente der Epic-Mickey-Reihe versprüht: Wer Farbe anwendet, verhilft dem Wasteland zu altem Glanz, rekonstruiert verschwundene Häuserfassaden, stellt Bäume wieder her, bringt Mechanismen wieder in Gang oder bekehrt Feinde zum Guten. Verdünner dagegen zerstört die Welt noch weiter, sorgt für Unheil und führt zum großen Nichts. Das Spiel registriert, wie oft ihr Verdünner und Farbe einsetzt, und stimmt darauf einige ausgewählte Situationen im Spiel ab – „Playstyle Matters“ heißt dieses Konzept, das jedem Spieler einen individuellen Spielverlauf ermöglich soll. Es fällt jedoch nur selten, seltener als im Vorgänger, auf.

Das Highlight ist die Kunst
Was Disney Micky Epic vor zwei Jahren vom grauen Jump-&-Run-Adventure-Einerlei abgehoben hat, war seine künstlerische Dimension. Mit viel Liebe haben die Entwickler in den Tiefen der Disney-Historie geschürft und Charaktere herausgekramt, die tatsächlich längst vergessen waren. Sie haben beeindruckend atmosphärische Schauplätze nachgebildet, die den Eindruck eines großen Disneylands erweckten, und sie haben in akribischer Kleinstarbeit Animationen und vor allem Musikstücke geschliffen, die voll mit dem Stil der frühen Cartoons harmonierten.

Das alles gilt auch noch für Disney Micky Epic 2, wenn auch mit gewissen Abstrichen. Zwar haben es viele neue Szenenbilder ins Spiel geschafft, aber dennoch fühlt sich alles zu vertraut an. Neue Wagnisse sind die Entwickler auch hier kaum eingegangen, der zweite Teil wirkt wesentlich weniger ambitioniert als sein großer Vorgänger – immerhin musste er aber auch in weniger als zwei Jahren zusammengeschustert werden. Zu den bemerkenswertesten Neuerungen zählen die Musical-Elemente, ohne die früher kein Disney-Film auskam. Ab und zu beginnt so auch in Disney Micky Epic 2 plötzlich ein Song, der die Geschichte musikalisch vorantreibt. Ob man diese Intermezzos mag, ist wohl Geschmackssache. Micky, Oswald und die anderen Hauptcharaktere haben außerdem hohe Comic-Stimmen bekommen. Das Spiel ist komplett in deutscher Sprache synchronisiert – und das sogar sehr gut.

Technisch ist die Umsetzung auf der Wii-Konsole nicht so gut gelungen – das Bild flimmert an allen Ecken und Enden, Farben wirken oft verwaschen und es wird nicht klar, welche Objekte nur zur Dekoration eingebaut sind und welche tatsächlich als Plattformen dienen, auf die man springen kann.

Der Tiefpunkt ist das Spiel
Dass sich Disney Micky Epic – Die Macht der 2 auch diesmal wieder anfühlt wie ein großes Disney-Musical-Trickfilm-Spektakel, ist sein großer Pluspunkt. Diese Stärken werden allerdings erneut überschattet von einer mangelhaften handwerklichen Umsetzung. Besonders in einem zweiten Teil fällt es schwer, darüber noch hinwegzusehen. Für die Kameraführung, die Steuerung und die vielen kleinen Fehler im Spieldesign haben die Entwickler von Junction Point nach Teil 1 von der Fachpresse ordentlich auf die Finger bekommen. Geändert hat sich: nichts. Minimale Verbesserungen scheint man bei der Kamera realisiert zu haben. Dennoch sind Nachjustierungen immer noch ständig nötig. Über das hakelige Steuerkreuz der Wii-Fernbedienung müsst ihr den Blickwinkel ändern, um euch in den großen Arealen zurechtzufinden.

Das größte Ärgernis bleibt jedoch die Sprungmechanik: Der schwammige Doppelsprung lässt Micky regelmäßig in Abgründen stürzen, seine Ziele verpassen oder von Plattformen fallen. In diesen Hüpfsequenzen wird Disney Micky Epic – Die Macht der 2, so bitter es ist, zu einem richtig schlechten Spiel. Die Verbindung aus mieser Kamera, ungenauem Sprung- und frustrierendem Gesundheitssystem, das zu schnellen Game Overs führt, treibt Spieler zur Weißglut. Das ist äußerst ärgerlich, denn so pendelt der Titel in enorm ungesunder Weise zwischen wunderschöner Kunst und frustrierender Spielwirklichkeit.

Fazit:
In den künstlerischen Details ist bei Disney Micky Epic – Die Macht der 2 alles in Ordnung. Warren Spector und sein Team haben sich zwar nicht besonders akribisch und ambitioniert um neue Story- oder Design-Ideen bemüht, das bestehende Konzept aber erneut gut umgesetzt: Musik und Animationen, Aufmachung und Atmosphäre – all das erinnert immer noch wohlig an alte Disney-Werke. Und die Musical-Elemente sowie die Sprachausgabe gliedern sich gut ins Konzept ein. Was den Titel dennoch in die Tiefen des Mittelmaßes abrutschen lässt, ist die mittlerweile inakzeptable spielerische Umsetzung. In den Hüpfpassagen, in den Kämpfen und bei der Erkundung der Spielwelt treiben die mangelhafte Kameraführung, die ungenauen Sprünge und das schwammige Koop-Gameplay den Spielern den Frust in die Knochen. Das lässt sich nicht mehr weglächeln. Denn wegen der vielen ärgerlichen Fehler kann die künstlerische Seite kaum wirken. Schade: Disney Micky Epic – Die Macht der 2 hätte ein erfahreneres Entwicklerstudio oder wesentlich mehr Entwicklungszeit gebraucht, damit die zweifellos liebevollen Ideen zur Entfaltung kommen können.

Von Tim Herrmann
Wertung für das Spiel Disney Micky Epic - Die Macht der 2
Wertungen Beschreibung
7.0Grafik
Einfallsreiche Designs werden überschattet von einer teilweise unsauberen technischen Umsetzung mit viel Flimmern und Farbenwirrwarr.
8.9Sound
Der Disney-Charme spricht aus der Musik, auch die neuen Musical-Aspekte wissen zu überzeugen. Die deutsche Sprachausgabe ist wunderbar gelungen.
4.8Steuerung
Die Kameraführung bleibt miserabel, die Sprünge sind ungenau und treffen zu oft ihr Ziel nicht. Die schwache Steuerung bringt den Spielfluss deutlich ins Stocken.
7.5Gameplay
Disney Micky Epic 2 hätte ein schönes Abenteuer werden können, wenn die technischen Unzulänglichkeiten ihm nicht dauernd den Wind aus den Segeln nehmen würden.
6.5Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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