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The Amazing Spider-Man
Review von Tim Herrmann (mail) | 17.07.2012
2,5 Milliarden US-Dollar haben die drei opulenten Kinostreifen Spider-Man, Spider-Man 2 und Spider-Man 3 zwischen 2002 und 2007 für Marvel, Columbia Pictures und für die vielen Menschen erwirtschaftet, die hinter einer so gigantischen Serie stehen und an ihr mitverdienen. Nie war Spider-Man in seinen fünfzig Jahren in der Unterhaltungsbranche weltweit so populär wie in den 00er-Jahren des 21. Jahrhunderts. Mittlerweile liegt der letzte Film von Sam Raimi, der mit seinem Action-Overkill ziemlich implodierte, fünf Jahre zurück. Teil 1 feierte 2012 sogar sein Zehnjähriges. Und Hollywood denkt sich: „Was soll’s – wir fangen einfach nochmal von vorne an!“. In „The Amazing Spider-Man“ muss sich der unbeholfene Schuljunge erneut beißen lassen und zu wahrem Heldentum emporklimmen. Auch Activision reibt sich die Hände – endlich bekommt die teure Spider-Man-Lizenz wieder Rückenwind durch ein großes Filmprojekt. Beenox entwickelte den Titel wie die letzten Spider-Man-Spiele – und unser Wii-Test klärt, ob Spidey dafür zügig Rache nehmen sollte.

Vom Lizard zum Robo

Das Videospiel zu The Amazing Spider-Man hat mit dem neu erschienenen Film eigentlich gar nichts zu tun. Die Selbstfindungsphase des Spinnenmanns, die ersten Schwünge durch New York, die Gefühlsduseleien und die epischen Schlachten gegen „die Echse“ sind bereits passé, wenn Beenox die ersten Minuten des Videospiels präsentiert. Peter Parker schlendert mit Gwen, seiner Flamme aus dem Film, durch die Labore von Oscorp. Dort wird nun nicht mehr an Echsen-Menschen geforscht, sondern an Robotern, die genau diese Hybridwesen abwickeln – heißt: entsorgen - sollen.

Wie es gar nicht anders zu erwarten war, kommt aber alles ganz anders als gedacht: Die Echsen brechen aus, die Roboter auch, Spider-Mans Liebe wird mit einem gefährlichen Virus infiziert und New York steht wieder einmal kurz vor der ultimativen Auslöschung. So sind die Vorzeichen dieses Action-Spiels nach wenigen Minuten geklärt: Spider-Man gegen den Rest. Nach und nach stellen sich nicht nur die mutierten Wesen zum Kampf, sondern auch die Roboter (die den genmanipulierten Spinnenmenschen als Feind betrachten) und andere Menschen, die Spider-Man für einen Übeltäter halten. Schließlich hat er zu allem Überfluss auch noch den verrückten Wissenschaftler Connors aus der Gefangenschaft befreit – er soll eine Medizin gegen das Echsenvirus brauen. Zuvor hat Connors eben dieses Virus selbst entworfen und wurde zum Lizard.



Die Geschichte von The Amazing Spider-Man plätschert streng gescriptet und wie ein interaktiver Film vor sich hin und hält den Spieler schraubzwingenfest an der Hand, während sie ihn durch das eigentliche Spiel manövriert. Nach und nach servieren die Entwickler den Spielern Missionen, im Rahmen derer Spider-Man Gebäude infiltrieren, Gegenstände besorgen oder Feinde besiegen muss.

Ich will doch nur fliegen!
Das Missionshauptquartier ist ein kleines Apartment irgendwo in New York City, in das Spider-Man nach jeder erfolgreichen Mission zurückkehrt. Von dort aus entscheidet er, welchen Ort er als nächstes ansteuern möchte. Und hier beginnt The Amazing Spider-Man, das eigene Konzept wieder einmal der Belanglosigkeit preiszugeben. Als exklusives Feature für die Wii-Version hat Beenox nämlich jede Form von freier Erkundung der Stadt ersatzlos gestrichen. Wo man in den Versionen für XBOX360 und PlayStation 3 wild durch New York schwingt, bleibt in der Wii-Version lediglich das trockene Missions-Gameplay übrig. Eine Frechheit - den Klappentext „Deine Kraft. Deine Wahl. Dein Spielplatz“ darf man getrost als Kundenverarsche verstehen. Denn ein Spielplatz lässt sich im klaustrophobisch eingeengten Missionskonzept von The Amazing Spider-Man beim besten Willen nicht erkennen.

Spider-Man 3, Friend or Foe, Web of Shadows, Shattered Dimensions und Edge of Time und nun The Amazing Spider-Man: Sechs Spider-Man-Spiele für Wii, die es allesamt nicht im Ansatz hinbekommen haben, das spaßige Schwung-Gameplay aus den glorreichen Filmumsetzungen von Spider-Man 1 und 2 in die aktuelle Generation zu übertragen. Vielleicht muss man Beenox aber ohnehin dafür danken, dass man den Erkundungsaspekt diesmal wieder ausgeklammert hat. In Web of Shadows und Spider-Man 3 auf Wii ist er nämlich grandios an der grauenhaften technischen Umsetzung des Stadtgebiets gescheitert.

So bleibt es in The Amazing Spider-Man also beim reinen Dungeon-Crawling durch sterile Firmengebäude, die sich allesamt recht ähnlich sehen - ein Kampf gegen Mensch, Maschine oder Mutant folgt dem nächsten. Immerhin haben die Entwickler gut am Versuch getan, das Kampfsystem von Batman – Arkham Asylum / City zu kopieren. Es gibt dem Kampf eine etwas anspruchsvollere Komponente, die man zuvor schmerzlich vermisst hatte. Ein Schütteln des Wii-Controllers erzeugt einen Konter-Angriff, wenn ein Gegner kurz vor dem Angriff ist. Ansonsten lassen sich Schläge mit Sprüngen, Spezial- oder Netzattacken kombinieren und machen die omnipräsenten Kämpfe damit ein bisschen abwechslungsreicher. Ab und an mischen sich auch kleinere Rätsel ins Potpourri.



Nette Einschübe sind auch die gigantischen Bosskämpfe, bei denen Spider-Man Riesenroboter lahm legen und dabei seinen Netzsprint und –Schwung um sie herum einsetzen muss. Der Pointer der Wii-Remote visiert leuchtende Punkte auf dem Metallviech an und lässt Spidey durch Druck auf den Z-Knopf auf sie zurasen. Mit Quick-Time-Events wird der seelenlose Widersacher dann nach und nach geplättet.

Bäh!
Grafisch scheinen die Entwickler von Beenox es mit der Zeit tatsächlich zu schaffen, die Wii-Konsole immer schlechter zu nutzen. The Amazing Spider-Man sieht nämlich nochmal eine ganze Ecke mieser aus als Vorgänger wie Spider-Man: Edge of Time. Die Charaktermodelle mit ihren Block-Frisuren und der nicht vorhandenen Mimik sind eine mittlere Unverschämtheit, die karg gestalteten Umgebungen weisen keinerlei Feinschliff auf, nicht ein Hauch von Liebe zum Detail weht durch die Luft. Die Grafik flimmert vor sich hin, Spider-Man wirbelt bei seinen Attacken unkoordiniert durch die Luft, die Animationen sind zum Teil nicht besonders sorgfältig gestaltet und zu wild.

Auch die Steuerung ist gewöhnungsbedürftig. Dass man den Minus-Knopf drücken muss, um die Kamera zu zentrieren, sagt eigentlich schon alles aus. Mit dem Steuerkreuz wird die Kamera geschwenkt, der Z-Knopf löst den Netzsprint aus, A lässt freies Schwingen durch die begrenzten Räume zu – und B sorgt letztlich für die Standardangriffe.

Immerhin: Die deutsche Sprachausgabe ist dem deutschen Synchronisationsteam wie von Activisions Lizenzspielen gewohnt gut gelungen. Zwar konnte man kaum Originalsprecher verpflichten, liefert aber dennoch eine hochwertige Vertonung ab. Auch die Spielmusik im Allgemeinen kann sich sehen lassen.

Fazit:
Was Rocksteady mit seinen Batman-Spielen verstanden hat, will Beenox offenbar partout nicht in den Kopf: Spider-Man ist ein Superheld. Ein Superheld verdient ein Superspiel. Ein Spiel, in dem der Spieler das Gefühl bekommt, selbst ein Held zu sein. The Amazing Spider-Man vermittelt keinerlei Heldengefühle, stattdessen krabbelt nach einer Spielstunde auch die letzte Hausspinne gelangweilt hinfort, um sich woanders ein Netz zu spinnen. Nach der Streichung des einzigen relevanten und interessanten Spielaspekts, des freien Erkundens von New York, bleibt erneut nur ein belangloses Action-Spiel auf Missionsbasis übrig. Routiniert verprügeln Spieler Feinde aus allen dunklen Ecken und Winkeln und bewegen sich von Punkt A zu Punkt B durch einen einfallslos und grafisch trist gestalteten, linearen Levelkorridor. Nur vereinzelt gelingt es dem Spiel, aus dem grauen Trott auszubrechen – in den Bosskämpfen zum Beispiel. Auch das Kampfsystem ist eine moderate Verbesserung zu den Vorgängern. Nichtsdestotrotz bleibt es beachtlich, wie hartnäckig die Entwickler vermögen, jedes einzelne neue Spider-Man-Spiel auf der Wii-Konsole beharrlich in einem oder mehreren Aspekten – vornehmlich auf der grafisch-technischen Ebene - fulminant in den Sand zu setzen. Dabei ist es doch eigentlich ganz klar, was Fans von Spider-Man erwarten – einfach nur einen echten Spielehelden.

Von Tim Herrmann
Wertung für das Spiel The Amazing Spider-Man
Wertungen Beschreibung
5.0Grafik
Nur vereinzelt (zum Beispiel in der Missionsbasis) kann die Grafik überzeugen, ansonsten bleiben miese Charakter- und Gegnermodelle und tragisch-einfallslose Umgebungen.
8.0Sound
Gute Sprachausgabe und anständige Musik sind wie so oft der Hochpunkt in diesem Lizenzspiel.
6.0Steuerung
Etwas hakelige Kamerasteuerung mit Steuerkreuz und Minus-Knopf. Die Bewegungsfeatures fühlen sich meist etwas fehl am Platz an, funktionieren aber.
5.5Gameplay
Kämpfen, kämpfen, immer nur kämpfen – und ab und zu mal ein Rätsel. Fällt den Entwicklern nichts Besseres ein? Immerhin ist die Geschichte recht unterhaltsam.
5.5Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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