Review von Lars Peterke (mail) | 04.12.2011
Der Nintendo-Kosmos beherbergt viele Charaktere. So viele, dass es schwierig wird, jeden von ihnen regelmäßig in einem neuen Spiel auftreten zu lassen. Samus Aran beispielweise musste nach Super Metroid auf dem Super Nintendo lange Zeit auf ihren nächsten Einsatz warten, den es dann erst auf dem Gameboy Advance gab. Auf der aktuellen Heimkonsole Wii vermissen einige Fans nun neue Auftritte von etwa Fox McCloud oder Captain Falcon, wohingegen besonders „casual-kompatible“ Charaktere wie Mario direkt mit drei Spielen auf dem System vertreten sind (wenn man die ganzen Spin-Offs und Sport-Franchises nicht mitzählt). Auch Nintendos Kampfknäuel Kirby bekam bereits einen neuen Titel spendiert. Vor einem halben Jahr erschien Kirby und das magische Garn, ein putziges und designerisch erhabener 2D-Hüpfer, der uns voll begeistern konnte. Und jetzt, gerade einmal neun Monate später, bekommt Kirby noch ein neues Spiel spendiert. Dieses hört auf den Namen Kirby's Adventure Wii. Der Name kommt dabei nicht von ungefähr: viele Parallelen zum gleichnamigen Kirby's Adventure für das NES sind gegeben.
B-Ware? Von wegen!
Manche werden es nicht wissen, doch Kirby‘s Adventure Wii hat bereits eine lange Historie. Zunächst sollte es für den GameCube erscheinen und die direkte Nachfolge zum N64-Titel Kirby: The Chrystal Shards antreten. Das war im Jahre 2005. Doch dann verschwand der Titel und wurde wesentlich später für die Wii angesetzt. Dann galt er wiederrum einige Zeit später als gecancelt, weil zunächst in Zusammenarbeit mit dem Entwickler Good Feel der Titel Kirby und das magische Garn entstehen sollte. Doch dann tauchte der Titel auf der E3 2011 wieder auf, wurde für den Winter angekündigt und liegt nun in den Regalen. Man mag fast meinen, Nintendo wärmt einen Schubladen-Titel auf, um im Weihnachtsgeschäft Boden gut zu machen.

Die Story des neuen Kirby-Abenteuers passt wie auch bei allen anderen Ablegern der Serie locker auf einen Bierdeckel. Ein Außerirdischer namens Magalor muss mit seinem Raumschiff auf Kirbys Planeten Popstar notlanden. Dabei verstreuen sich seine Schiffsteile auf dem ganzen Planeten, aber Kirby, Meta-Knight, King Dedede und Waddle Dee bieten bereitwillig ihre Hilfe an.
Anschließend führt euch das Spiel durch fünf Welten, die euch über eine kleine Karte Zugang zu den verschiedenen Stages geben. Habt ihr alle Stages einer Welt absolviert, wartet ein Bosskampf auf euch, bevor es in die nächste Welt geht. Diese halten sich thematisch an bekannte Kirby-Muster: Wald, Wüste, Strand und so weiter.
Gespielt wird wie in allen 2,5D-Platformern üblich mit der Wii-Fernbedienung in waagerechter Haltung. Gelaufen wird mit dem Steuerkreuz, Springen und Fliegen erfolgt mit dem 2-Knopf und das obligatorische Saugen mit dem 1-Knopf. Schüttelt ihr dabei zusätzlich die Wii-Fernbedienung, startet ihr eine Art Mega-Sauger, der auch größere Gegner und Blöcke einsaugen kann. Habt ihr einen Gegner eingesaugt, könnt ihr diesen via Steuerkreuz unten herunterschlucken und seine Fähigkeit übernehmen, die ihr bei Bedarf durch Drücken des Minus-Knopfes wieder abgeben könnt.

Die Fähigkeiten die absorbiert werden können, sind wie schon in den frühen Kirby-Spielen diesmal wieder das wichtigste Kernelement bei Kirby. Sie geben euch neue Angriffstechniken, die allesamt putzig und effektvoll in Szene gesetzt sind; egal ob Schwert-Kirby, Elektro-Kirby, Feuer-Kirby oder Regenschirm-Kirby. Alle Techniken setzt ihr mit dem 1-Knopf ein. Dadurch lassen sich nicht nur die Gegnerscharen leichter besiegen, sondern auch der ein oder andere Geheimweg kann mit der passenden Fähigkeit freigelegt werden. Hier findet ihr dann vielleicht eines der so genannten magischen Zahnräder, die in jeder Stage versteckt sind. Habt ihr genug von den Zahnrädern gesammelt, lassen sich im Raumschiff neue Räume öffnen, in denen ihr unter anderem spezielle Prüfungen und zwei spaßige Minispiele spielen könnt.
Eines muss man nun noch klarstellen: Kirby‘s Adventure Wii ist kein Schmusespiel wie der letzte Ableger aus dem Frühjahr. Kirby hat in diesem Spiel wie gewohnt eine Energieleiste und sobald diese bei Null liegt (oder ihr in einen Abgrund fallt) stirbt Kirby und verliert ein Leben. Um dies zu verhindern, kann man quer über den Level verstreut diverse Snacks und Lebensmittel einsammeln, die Energie auffrischen. Man hat es hier also mit einem durch und durch klassischen Kirby-Titel der alten Schule zu tun. In diesem Ableger geht es mit der Action sogar so weit, dass man Kirby eine weitere Fähigkeit spendiert hat und mit dem A-Knopf gegnerische Angriffe geblockt werden können. So dauert es keine fünf Minuten, bis euch der Titel mit seinem Charme gefangen nimmt. Selbst wenn er also bei Nintendo ein wenig in der Schublade lag: Kirbys Adventure Wii ist sicher keine B-Ware. Und angestaubt ist er schon gar nicht, dafür haben die Entwickler bei HAL ebenfalls gesorgt.

New Super Mario Bros. Wii im Blut
Dass für die Realisierung der mit Gegnern vollgestopften 2D-Level wohl die Spielengine von Super Smash Bros. Brawl Pate gestanden hat, fällt dem geschulten Spielerauge schon nach kürzester Zeit auf. Mit den vielen Fähigkeiten kommt fast schon ein bisschen Beat em Up-Flair auf, was aber keinesfalls negativ zu werten ist. Kirby's Adventure Wii ist einfach nur sehr actionreich. So gibt es diesmal an bestimmten Stellen in den Leveln etwas größere Gegner, die aber ebenfalls mit einer bestimmten Spezialfähigkeit ausgestattet sind. Besiegt ihr diese und saugt sie anschließend ein, erhaltet ihr eine erweiterte Form von beispielsweise Schwert-Kirby, die zwar nur eine bestimmte Dauer anhält, auf Knopfdruck jedoch einen bildschirmfüllenden und effektvollen Flächenangriff startet.
Um der vielen Gegner Herr zu werden, bieten die Entwickler auch einen 4-Spieler Coop-Modus an. Dies funktioniert, indem Spieler 1 wie gewohnt mit dem Abenteuer loslegt und bis zu drei andere Spieler durch Drücken der Minus-Taste jederzeit ins Spiel mit einsteigen können, sofern noch genug Restleben vorhanden sind. Anschließend wählt jeder neue Spieler aus, ob er als Meta-Knight, King Dedede, Waddle Dee oder weiterer Kirby ins Spiel einsteigen möchte. Kleiner Wermutstropfen dabei: Da der Coop-Multiplayer eigentlich nur ein Feature des Singleplayer-Spiels ist, ist Spieler 1 immer der Host. Im Klartext bedeutet dies, das die Gruppe verliert, sobald er stirbt. Das ist aber keinesfalls tragisch, da man in diesem Fall nur beim letzten Checkpoint des Levels startet.
Glücklicherweise sind die Level nicht an jeder Stelle auf Teufel komm' raus für das Mehrspieler-Erlebnis optimiert. Und da Kirby fliegen kann, gibt es ja auch keine Mindestplattformgröße, was bei New Super Mario Bros. stellenweise lästig und einschränkend für das Leveldesign war. Auch wegbrechende Plattformen aus Donkey Kong Country Returns, die einen Mitspieler zum Freitod zwangen, gibt es hier nicht. So bleiben die Level für Einzelspieler immer fordernd, sind aber auch zu viert ein Heidenspaß. Für mehrere Spieler halten die Level lediglich manchmal kleinere Abzweigungen parat. Hier muss man sich absprechen, welcher Spieler welchen Weg einschlägt, um so kein verstecktes Zahnrad oder Extraleben zu verpassen.

Die Implementierung des Coop-Modus ist unterm Strich also erstklassig gelungen. Die perfekte Implementierung mit dem jederzeit möglichen Ein- und Ausstieg von Spielern sorgt für viel Dynamik. Außerdem haben Pinkelpausen des einen Spielers nun keine Auswirkungen mehr auf den Rest der Couch-Mannschaft. Einige kleine Zusatzfeatures bereichern den Multiplayer zusätzlich. So kann man wie schon in Kirby’s Fun Pak Mitspieler „knutschen“. Dies funktioniert für einen kurzen Zeitraum, nachdem ihr ein Heilungsitem gesammelt habt. Durch das knutschen könnt ihr dann einem Mitspieler etwas abgeben, sodass auch seine Lebensenergie ein wenig wiederhergestellt wird.
Auch nett ist die Möglichkeit, auf andere Spieler aufzuspringen. Das hat diverse Vorteile: erst einmal könnt ihr dann mit dem A-Knopf einen kooperativen Superangriff starten, zusätzlich lässt das einen versierten Spieler eine schwierige Levelpassage spielen, während die anderen sich mal kurz treiben lassen. Und zu guter letzt – und das ist wohl definitiv am wichtigsten – sehen vier gestapelte Kirbys einfach unglaublich süß aus.
Ein kleines Wort sei noch über die beiden Minispiele verloren, die man im Raumschiff von Magalor entdecken kann. Da wäre zum einen ein Samurai-Spiel, bei dem ihr auf dem Bildschirm auf eine vorbeifliegende Zielscheibe wartet, um dann durch das Schwingen der Wii-Fernbedienung einen Ninjastern darauf zu werfen. Wer gut trifft, kriegt gut Punkte, wer daneben wirft oder zu spät reagiert, bekommt nichts. Trifft letzteres für alle Spieler zu, bricht das Spiel sogar ganz ab. Das Minispiel bietet drei Stufen, die absolviert werden wollen und kurzweiligen Spaß bieten. Nicht ganz so cool ist das zweite Minispiel, bei dem Ihr die Wii-Fernbedienung als Pointer nutzt und gemeinsam auf einen Robotergegner schießen müsst. Dieser hat verschiedene Teile die ihr angreifen könnt. Ziel ist es hier, den verwundbaren Kern des Gegners freizulegen und zu vernichten, bevor die Zeit abläuft.
Kuddeloptik plus Effektfeuerwerk
Generell zuckt man ja erst einmal zusammen, wenn man hört, dass ein vorliegendes Spiel schon ein bisschen älter ist. Manch einer erinnert sich vielleicht noch an Kirby’s Air Ride für den GameCube. Der Titel war einmal für das N64 geplant und sah leider auch dementsprechend aus. Im Falle von Kirbys Adventure Wii braucht man hier keine Angst zu haben, da die Entwickler von HAL Laboratory an einigen Stellen an der Grafikschraube gedreht haben. Zunächst lässt die spielerische Ähnlichkeit zur Brawl-Engine erahnen, das der Titel wohl die ein oder andere Gameplay-Entkernung erfahren hat und von Grund auf erneuert wurde. Spielerisch gibt es nichts zu meckern und der Titel profitiert an sämtlichen Stellen vom Feintuning der Entwickler.

Ein weiteres Indiz für die technische Sauberkeit sind die vielen Effekte, die bei diversen Gegnern und vier Spielern den ganzen Bildschirm schon mal in ein einziges Feuerwerk verwandeln. Die Framerate des Spiels steckt dies aber mühelos weg. Und überhaupt sehen die Spieleffekte ziemlich gut aus. Die Optik der Levels weist an einigen kleinen Stellen vielleicht etwas Detailarmut auf, doch die Gesamtkomposition ist so gut wie immer erhaben und überzeugt auf ganzer Linie. Da alles in einer schillernden Knalloptik gehalten ist, kommt man zwar nicht an den ausgefeilten Detailgrad von Donkey Kong Country Returns mit seinen Wetter- und Lichteffekten heran, das Gesamtbild überzeugt dennoch. Dies ist zu einem großem Teil auch den vielen tollen Animationen geschuldet, die die Entwickler den Charakteren spendiert haben.
In Sachen Sound lässt man nichts anbrennen, beziehungsweise polarisiert nach wie vor. Wer der dudeligen Kirby-Musik bisher nichts abgewinnen konnte, schmeißt auch diesen Titel gegen die Wand. Alle anderen werden mit Ohrwurm-Loops beschallt, die zwar nicht ganz an den Glanz alter Kirby-Melodien heranreichen, jedoch immer noch den Kirby-Charme locker aus dem Handgelenk schütteln.
Fazit: Wii ist zweifelsfrei die Jump and Run-Konsole schlechthin. Durch die angestrebte Perfekt-Kombi aus Core und Casual sorgte Nintendo ja über die Jahre hinweg für eine wahre Renaissance an 2D-Hüpfern, die nach Wario Land: The Shake Dimension, New Super Mario Bros. Wii, Donkey Kong Country Returns und Kirby und das magische Garn jetzt mit Kirby‘s Adventure Wii (und Ubisofts Rayman Origins) zum Abschluss der Wii-Ära meiner Ansicht noch einmal gekrönt wird. Man kann mit Sicherheit das eine oder andere Element von Kirbys neuem Abenteuer wie etwa den relativ überschaubaren Umfang kritisch betrachten, doch dem Kern des Spiels tut dies keinen Abbruch. Kirby’s Adventure Wii beweist eindrucksvoll, wie Spielspaß in seiner Quintessenz auszusehen hat. Dafür zücke ich liebend gerne unseren WiiX-Award. Allerdings, so muss man fairerweise sagen, schafft es der Titel nicht ganz an die Messlatte heran, die der vorherige Ableger, Kirby und das magische Garn, gesetzt hat. Dieser war mit seinen neuen Spielelementen um einiges kreativer und auch der Artstyle und die tolle Pianomusik waren etwas ganz Besonderes. So muss Kirby’s Adventure Wii für mich zwar leicht hinter seinem Vorgänger aus diesem Jahr zurücktreten, ist aber dennoch eine uneingeschränkte und klare Empfehlung für alle Wii-Besitzer, die zu Weihnachten noch einen tollen Platformer und / oder Multiplayer-Titel suchen.
Von Lars Peterke
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| Wertung für das Spiel Kirby's Adventure Wii | |
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| 8.6 | Grafik Putzige Charakteranimationen, hübsche Levels, tolle Effekte: der Titel kommt zwar nicht an die Qualität von Donkey Kong oder den tollen Stil vom magischen Garn heran, sieht aber dennoch klasse aus. | |
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| 8.9 | Sound Typische Kirby-Melodien und Soundeffekte, die man entweder liebt oder hasst. Leider nicht ganz die Qualität von älteren Kirby-Ohrwürmern. | |
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| 9.3 | Steuerung Simple, praktische Knopfsteuerung mit einigen wenigen Beweguns-Kommandos, die sich gut und nicht zu lästig ins Steuerungskonzept einfügen. | |
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| 9.2 | Gameplay Spielspaß in seiner Essenz. Kirbys Adventure Wii macht von Minute eins an Spaß, der Coop-Multiplayer ist eine Wucht, nur der Spielumfang hätte üppiger sein können. | |
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| 8.8 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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