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Review von Andreas Held (mail) | 01.11.2011
"Der Gerät wird nie müde, der Gerät schläft nicht ein und der Gerät ist immer vor der Chef im Geschäft". Mit dieser Aussage hat es ein türkischer Entrepreneur geschafft, seine große Erfindung, eine Dönerschneidemaschine, zum Kultobjekt zu machen. Und auf den ersten Blick könnte man meinen, dass sich die deutschen Produzenten der Tim & Struppi-Verfilmung diesem Kult anschließen wollten, indem sie den Film "Das Geheimnis der Einhorn" nannten. Nach kurzer Zeit mit Film oder zugehörigem Videospiel von Ubisoft wird einem dann jedoch klar, dass mit "der Einhorn" ein Schiff gemeint ist, sodass es sich hier tatsächlich um einen grammatikalisch korrekten Genitiv handelt. Ob auch das Spiel so korrekt ist, klären wir im Test.
Der belgische Clark "Indiana" Kent
Tim & Struppi ist eine seit Anfang der 30er Jahre vom Belgier Hergé gezeichnete Comicreihe, die die Abenteuer eines 17-jährigen belgischen Journalisten und seines Hundes erzählt. Bei der Verfilmung "Das Geheimnis der Einhorn" handelt es sich um eine Neuinterpretation der Bände 10 und 11 - dass man sich genau diese beiden herausgepickt hat, ist kein Zufall, denn sie erzählen eine zusammenhängende Geschichte und sind außerdem die meistverkauften Alben des belgischen Künstlers. Bei der Verfilmung wurden weder Kosten noch Mühen gescheut: Mit Steven Spielberg und Peter Jackson arbeiteten zwei Star-Regisseure am (aus rein technischer Sicht) wohl imposantesten Animationsfilm, den Hollywood bisher hervorgebracht hat. Während der Streifen an den kommenden Winterabenden mit Sicherheit sein Publikum finden wird, dürfte es das Spiel deutlich schwerer haben: Filmlizenzen haben ohnehin einen schlechten Ruf, Ubisoft ist bei Vielspielern nicht gerade der beliebteste Hersteller von Wii-Software und mittlerweile rechnet wohl ohnehin niemand mehr mit einem guten Dritthersteller-Spiel für Nintendos sterbende Heimkonsole.

Die Geschichte von Tim & Struppi erinnert stark an eine familienfreundliche Version von Indiana Jones. Es geht um alte Legenden und Mythen sowie einen verlorenen Schatz; allerdings nicht um Priester, die ihre Anhänger lebendig verbrennen, während sie ihr noch schlagendes Herz in der Hand halten. Die Präsentation der Story gelingt Ubisoft überdurchschnittlich gut, aber nicht perfekt: Trotz langer Filmsequenzen und ausführlicher Dialoge gibt es auch einige Sprünge in den Handlung, bei denen man als Spieler, der die Originalvorlage nicht kennt, zunächst stutzt. Nichtsdestotrotz hat man die Handlung insgesamt gut verstanden, wenn nach dem Beenden des Story-Modus die Credits über den Bildschirm laufen.
Genug gelabert - wie spielt es sich?
Die Versoftung von Tim & Struppi ist im Herzen ein 2,5D-Jump'n'Run - das heißt, man läuft von links nach rechts durch dreidimensional gestaltete Level, ganz ähnlich wie in Donkey Kong Country Returns oder im demnächst erscheinenden Kirby Returns to Dreamland. Und als solches ist der Wii-Titel, auch wenn man es kaum glauben mag, sogar richtig gut. Das liegt vor allem an der sehr simpel gehaltenen, aber dafür perfekt funktionierenden Steuerung, dank der man trotz der hohen Spielgeschwindigkeit immer die Kontrolle über das Spielgeschehen hat. Ohne es darauf anzulegen, gleitet man fast wie von selbst durch die einzelnen Gebiete, und für Zuschauer sieht es so aus, als würde man einen perfekten Speedrun hinlegen. Zwar sind die Level recht simpel und linear gehalten und fordern selten mit mehr als simplen Schalterrätseln, aber zahlreiche goldene Krabben, die überall versteckt sind, regen trotzdem etwas zum Erforschen an.
Natürlich dürfen auch Gegner nicht fehlen. Einzelne Widersacher besiegt man spielend leicht mit Faustschlägen, die sich durch Schwingen der Wii-Remote initiieren lassen. So einfach ist es jedoch nur selten, denn sobald mehrere Gegner auftauchen, muss man gut aufpassen, nicht von ihnen umstellt zu werden. Und wenn diese dann auch noch mit provisorischen Schutzschilden aus Regenschirmen, anderen Rüstungen oder im späteren Spielverlauf sogar mit Schusswaffen aufwarten, gilt es, die Umgebung möglichst gut einzusetzen. Dann muss Tim Gegenstände als Wurfgeschosse einsetzen und sich von hinten an seine Gegner anschleichen, um die Oberhand zu gewinnen. Zum Glück haben die Schergen des Antagonisten den IQ einer Stubenfliege, sodass man sich trotz der zahlenmäßigen Unterlegenheit recht leicht durchsetzen kann. Und wenn es doch mal nicht klappt, was gegen Ende des Spiels durchaus häufiger vorkommen kann, landet Tim mit voller Lebensenergie an einem der überaus großzügig verteilten Checkpoints.

Allerlei Abwechslung und Extras
Die Parallelen zu Indiana Jones hören nicht auf: Ähnlich wie im damals von Factor 5 entwickelten SNES-Titel gibt es einige Abschnitte, die sich vom traditionellen Jump'n'Run-Gameplay lösen. An Bord eines Wasserflugzeug fliegt ihr zunächst in bester Starfox-Manier durch lineare Schluchten und nehmt später an Luftkämpfen teil. Düst ihr in einem Motorrad mit Beiwagen durch die Wüste, geht es am Steuer darum, allerlei Gefahren auszuweichen, während euer KI-Begleiter die Gegner auf's Korn nimmt - nach einem Rollentausch sitzt Tim selbst im Beiwagen und es darf nun mit dem Pointer der Wii-Remote auf allerlei Gegner gezielt werden. Zu guter Letzt gibt es Rückblenden, in denen ihr Haddock, den Kapitän der Einhorn, durch eine Seeschlacht begleitet und über eine 1:1-Steuerung sein Schwert bewegt, während Haddock selbst vom Spiel gesteuert wird. Das Spiel zu Tim & Struppi macht hier eigentlich den Fehler, zu viel zu wollen; aber all diese Sequenzen sind wirklich gut spielbar, da Ubisoft auch hier wusste, dass weniger mehr ist und bei einer simplen Steuerung geblieben ist, die dafür prima funktioniert.
Hat man nach wenigen Stunden den Story-Modus beendet, wartet noch der unscheinbare Menüpunkt "Tim und Haddock" im Hauptmenü. Diesen zu übersehen, wäre grob fahrlässig, denn dort verbirgt sich eigentlich sogar der Löwenanteil des Lizenzspiels. Hier besinnt sich der Titel völlig auf die Wurzeln des Jump'n'Run-Genres zurück und es geht losgelöst von der Handlung des Films darum, in insgesamt 21 Leveln nicht nur das Ende zu erreichen, sondern insgesamt über 200 versteckte Items und Extras zu finden und nebenbei unzählige Juwelen und Goldmünzen einzusammeln, mit denen sich weitere Extras (sprich: Alternative Outfits für die Charaktere) freischalten lassen. Um die alle zu bekommen, müsst ihr die Spezialfähigkeiten von insgesamt fünf spielbaren Charakteren einsetzen, die nach und nach freigeschaltet werden. Und als wäre das noch nicht genug, gibt es auch die Möglichkeit, diesen Modus kooperativ zu spielen, was für Solisten allerdings einen faden Beigeschmack zur Folge hat, da einige der Items nur dann erreicht werden können, wenn zwei Spieler zusammenarbeiten. Nimmt man zu diesem vermeintlichen Extra-Spielmodus noch die Krabben hinzu, die im Story-Modus versteckt sind, kommt man schnell auf 20-30 Stunden Spielzeit für Leute, die wirklich alle Items in diesem Spiel finden wollen - und das ist für ein Jump'n'Run schon richtig viel.
Blitzsaubere Technik
Wer sich jetzt aufgrund des vielen Lobes schon wundert, das der Titel einheimsen kann, sollte den nächsten Abschnitt besser überspringen. Die Grafik des Spiels ist nämlich genau wie das Gameplay auf einem sehr hohen Niveau: Alle Spielwelten sind detailliert gestaltet und technisch fehlerfrei dargestellt. Lediglich in den Sequenzen, in denen das Flugzeug oder das Motorrad gesteuert werden müssen, scheitert das Spiel etwas an der schwachen Hardware der Wii-Konsole, kann ansonsten jedoch optisch voll überzeugen. Die Krönung sind allerdings die Charaktere, sobald man diese in Bewegung sieht: Bereits in der ersten Minute des Spiels, in der ihr mit Struppi über einen Flohmarkt lauft, fallen die liebevoll detaillierten und butterweichen Animationen auf, die sich auf diesem Niveau durch das ganze Spiel ziehen. Diese sorgen auch für einiges an Humor, denn die vielen Arten und Weisen, auf die Tim seine Gegner K.O. schlagen kann, sehen in bester Comicbuch-Manier einfach urkomisch aus. Wesentlich weniger schön ist dagegen der Sound; Musik ist spärlich vorhanden, und wenn, handelt es sich um uninspirierte Abenteuerfilm-Kulisse. Zumindest in diesem Aspekt ist Tim & Struppi etwas schwach auf der Brust.

Und natürlich kann man das Lizenzspiel auch sonst nicht als Über-Titel bezeichnen. Auf Wii konkurriert es mit Donkey Kong, Wario und Kirby, und im Vergleich zu Nintendos eigenen Jump'n'Runs ist natürlich ein deutlicher Klassenunterschied zu erkennen. Das liegt vor allem am Leveldesign, das sich zu oft wiederholt - größtes Negativbeispiel ist hier der einzige Bosskampf des Spiels, der mehrmals recycled wird. Neben Zeit und Geld fehlt den Entwicklern hier wohl einfach auch ein Quäntchen Inspiration, um mit den echten Top-Titeln mithalten zu können.Fazit: "Tim & Struppi: Das Geheimnis der Einhorn" ist ein fast schon schockierend guter Lizenztitel, der aber gleichzeitig wohl auch als trauriges Beispiel dafür dient, warum solche Spiele oftmals nicht gut produziert sind. Es ist schwer vorstellbar, dass sich Ubisofts Spiel zur Comic-Verfilmung deutlich besser verkauft als das von EA hingesaute "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes", da Vielspieler Tim & Struppi wohl ungeachtet seiner Qualitäten ignorieren werden. "Das Geheimnis der Einhorn" ist ganz klar kein Toptitel, da der insgesamt niedrige Schwierigkeitsgrad und das zweitklassige Leveldesign deutlich hinter der Konkurrenz zurückliegen. Aber von der anderen Seite betrachtet ist das Lizenzspiel ein richtig guter 2,5D-Hüpfer, der mit einer flüssigen Steuerung und einem mehr als angemessenen Umfang aufwartet, technisch mehr als sauber entwickelt ist und einfach nur jede Menge Spaß macht. Für die angepeilte jüngere Zielgruppe und Fans der Comic-Vorlage gilt also eine ganz klare Kaufempfehlung, während alle anderen, die nach Donkey Kong und Kirby einfach nur ein weiteres gutes Jump'n'Run spielen wollen, gerne ebenfalls zuschlagen können - spätestens dann, falls der Titel mal etwas günstiger zu haben ist.
Von Andreas Held
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| Wertung für das Spiel Tim & Struppi - Das Geheimnis der Einhorn | |
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| 9.0 | Grafik Sehr gute und detaillierte Optik, die durch liebevolle und butterweiche Animationen veredelt wird. Es zerstört fast mein Weltbild, dass ein Lizenzspiel so gut aussehen kann. | |
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| 6.0 | Sound Tim & Struppi ist akustisch schwach auf der Brust - Hintergrundmusik ist spärlich vorhanden, und wenn es sie gibt, klingt sie nicht mal sonderlich gut. | |
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| 8.5 | Steuerung Sowohl in den Jump'n'Run-Passagen als auch in den zahlreichen Fahrzeug-Sequenzen geht die Steuerung flott von der Hand und funktioniert perfekt. | |
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| 7.4 | Gameplay "Das Geheimnis der Einhorn" kann spielerisch und inhaltlich überzeugen, aber im Vergleich zu den ganz großen Genrevertretern hinkt das Leveldesign ein ganzes Stück hinterher. | |
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| 8.1 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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Review: Tim & Struppi - Das Geheimnis der Einhorn
HerstellerUbisoft
GenreJump & Run
VersionPAL
Controller-VoraussetzungWii-Remote, Nunchuk
Spieler1 - 2
SchwierigkeitsgradLeicht
Altersempfehlung
Ab 6 Jahren
60-Hz Modus
Ja
480p Modus
Ja
Widescreen Modus
Ja
DS Connectivity
Nein
Dolby Pro Logic II
Ja
Wifi-Connection
Nein
WiiConnect24 Support
Nein
Releaseerschienen
Preis (€)49,99
Innovationsfaktor
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