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Xenoblade Chronicles
Review von Andreas Held (mail) | 05.09.2011
Kein Wii-Titel, nicht einmal Zelda, war in den letzten eineinhalb Jahren so oft in diversen News vertreten, wie Xenoblade. Vom mit sehr guten Bewertungen begleiteten Release in Japan über Spekulationen zu einem Release im Westen, der überraschenden Ankündigung für Europa, Operation Rainfall in den USA bis hin zu den kürzlichen Meldungen über die sehr hohe Nachfrage - Xenoblade hat es geschafft, das Interesse an Wii-Software noch einmal richtig zu wecken. Der Grund dafür ist in erster Linie, dass Xenoblade eine riesige Marktlücke füllen will: Das JRPG-Genre wird schon seit Jahren fast ausschließlich mit durchschnittlicher Software bedient und selbst große Namen wie Final Fantasy sind fast nichts mehr wert, wenn es auf die Qualität der Spiele ankommt. Und auf Nintendo-Konsolen sind seit dem N64 RPGs aller Art ohnehin absolute Mangelware, denn es gibt kaum einen nennswerten Genrevertreter, der exklusiv für eine Nintendo-Heimkonsole entwickelt wurde und auch weltweit exklusiv blieb. Xenoblade soll langjährige Fans wieder für japanische RPGs begeistern können und ist noch dazu ein Exklusivtitel von einem Entwickler, der mittlerweile fest zu Nintendo gehört.

Dass Xenoblade Chronicles, so der Name der europäischen Version, zu Beginn sehr zu gefallen weiß, haben wir euch schon in einem Editorial gesagt, aber dieser Ersteindruck war eben nur das - ein Ersteindruck. Nun, nach mehreren Wochen und einigen dutzend Stunden Spielzeit im Testlabor, muss sich Xenoblade dem ausführlichen und abschließenden Test stellen. Was ist dran am großen Hoffnungsträger, am angeblich besten RPG dieser Konsolengeneration?

Shadow of the Colossi
Wer die vielen Meldungen im Vorfeld verfolgt hat, wird wohl nicht um die ausgefallene Hintergrundgeschichte des Titels umher gekommen sein. Der Prolog des Spiels erzählt von zwei riesigen Göttern, die sich in einem zeitlosen Kampf duelliert haben und schließlich zu leblosen Golems erstarrt sind. Diese beiden Kolosse, Bionis und Mechonis, beherbergen nun passend zu ihren Namen biologische und mechanische Lebensformen, die den schier ewig währenden Krieg nun im Namen der Welten, auf denen sie leben, fortsetzen.



In der einleitenden Sequenz des Spiels übernimmt der Spieler die Kontrolle über Dunbans Einheit in einer Entscheidungsschlacht des Krieges, die auf dem Schwert ausgetragen wird, welches die beiden erstarrten Riesen wie eine Brücke miteinander verbindet. Dunban ist deshalb eine Schlüsselfigur, weil er als einziger das Monado bedienen kann, ein Schwert, das geradezu dafür gemacht zu sein scheint, die aus Stahl bestehenden Feinde zu zerlegen. Die tatsächliche Story beginnt jedoch erst ein Jahr nach dem Ende des Kriegs, der dank Dunbans selbstlosem Einsatz scheinbar endlich gewonnen werden konnte. Der eigentliche Protagonist ist Shulk, ein Freund von Dunbans Familie, der im Krieg nur ein Soldat unter vielen war und nun in einem Labor das Monado erforscht, in der Hoffnung, dass seine Erkenntnisse der Menschheit irgendwann dienen können.

Es dauert sehr lange, bis die Story ihr volles Potential entwickelt, aber insgesamt vermittelt Xenoblade eine der besten Geschichten, die in den letzten Jahren in einem Videospiel erzählt wurde. Der Titel greift bewusst etablierte Konzepte wie den Krieg "Mensch gegen Maschine" auf, verpackt diese jedoch auf eine komplett neue Art und Weise. Die Handlung nimmt Wendungen, die man so als Spieler nicht erwarten kann, die aber trotzdem immer verständlich und nachvollziehbar sind. Ein weiterer Pluspunkt ist die geniale Inszenierung der ausschließlich in Spielgrafik gehaltenen Zwischensequenzen. Durch kinoreife Schnitte und Kameraeinstellungen wird der Spieler ins Geschehen hineingezogen, während die solide schauspielerische Leistung der englischen Synchronsprecher und vor allem der epische Soundtrack schon in den ersten Stunden des Spiels für einige Gänsehaut-Momente sorgen können.

Shulk, der Forscher und Laufbursche
Xenoblade möchte seine Spieler jedoch nicht nur mit seiner Handlung, sondern auch mit seiner originellen Spielwelt beeindrucken. Dass die noch aufrecht stehenden Golems dabei in erster Linie für eine vertikal angeordnete Spielwelt sorgen müssten, fällt dabei kaum ins Gewicht, und man kann sich daher schon das ein oder andere Mal fragen, wie die weitläufigen Ebenen letztendlich genau auf dem Körper des Bionis platziert sein sollen. Unabhängig davon bietet Xenoblade tolle und ausgefallene Landschaften, die wie die Story zwar auf bekannten Konzepten basieren, in dieser Form jedoch noch nie in einem Videospiel zu sehen waren. Nachdem sich die visuelle Gestaltung zu Beginn noch zurück hält, jagt nach kurzer Zeit ein visueller Höhepunkt den nächsten und man erwischt sich des öfteren dabei, einfach mal stehen zu bleiben und die weitläufigen Landschaften zu genießen. Selbst die technische Seite des Spiels kann hier voll überzeugen und bietet viele Details und eine tolle Weitsicht, die nur selten durch Grafikfehler getrübt werden. Weitere Leckerbissen sind dynamische Tageszeiten und ein schöner Soundtrack, der sich der inneren Uhr des Spiels anpasst, sowie die Kolosse selbst, die oft am Horizont zu sehen sind und hunderte Meter, wenn nicht Kilometer weit in den Himmel ragen. Insgesamt kann man also feststellen, dass aufgrund des überragenden visuellen Designs ausgerechnet ein Wii-Titel zu den bisher optisch imposantesten Spielen des Jahres gehört - ein Wii-Titel, der eigentlich schon ein Jahr alt ist.



Die beste Spielwelt wäre jedoch nur eine Randnotiz, wenn man einfach durch diese hindurch rennen würde. Um euch jedoch wirklich in alle Ecken zu schicken, haben die Entwickler unzählige Quests eingebaut. Diese reichen eigentlich nicht über den Quest-Einheitsbrei hinaus, den man in einem durchschnittlichen MMORPG geboten bekommt: Bestimmte Monster sollen besiegt, Items gesammelt und Botengänge erledigt werden. Trotzdem sind diese Nebenaufgaben in ihrer Konzeptionierung zunächst eine Bereicherung: Selten müssen mehr als fünf Monster des gleichen Typs besiegt werden, es geht also eher darum, die Quests beim Erforschen der Spielwelt nebenbei zu erledigen. Dabei bleibt jedoch unweigerlich ein Rest übrig, weil man gewisse Monster nicht findet oder einige der Items, die nach dem Zufallsprinzip verteilt werden, nicht bekommt - und in diesen Fällen kann man sich dann nicht nur einen Wolf, sondern ein ganzes Wolfsrudel suchen und irrt relativ ziellos durch die riesigen Areale, in der Hoffnung, endlich die Erlösung in Form des benötigten Items zu finden. Ein einzelnes Quest für sich allein ist dabei selten ein Ärgernis, aber wenn man zwanzig Quests erledigen muss, die alle mit zehn bis fünfzehn Minuten Sucharbeit verbunden sind, wird die Sache schnell zu einem Problem. Somit wird das Element, das die tolle Spielwelt erst richtig zur Geltung bringt, gleichzeitig auch zum größten Kritikpunkt des Spiels.

Zwischen Autopilot und Herausforderung: Das Kampfsystem
Genau wie die Nebenaufgaben orientiert sich auch das Kampfsystem an MMORPGs, und zwar an der japanischen Variante, die mit Final Fantasy XI eingeführt wurde und seitdem auch in einigen Single-Player-Titeln zu finden war. Um einen Kampf einzuleiten, muss das entsprechende Monster anvisiert und ein Knopf gedrückt werden. Der Spieler übernimmt dabei die Kontrolle über den Anführer der Party; die beiden Begleiter werden von der KI gesteuert. Bewegt ihr den Hauptcharakter nahe genug an den Gegner ran, wird dieser in bestimmten Zeitintervallen automatisch angegriffen. Spezialattacken können dabei jederzeit per Knopfdruck aktiviert werden und verbrauchen keine MP, sondern müssen einfach eine bestimmte Zeit lang "abkühlen", bis man sie erneut einsetzen kann. Items, die man im Kampf einsetzen könnte, gibt es nicht. Bestimmte Zusatzbedingungen, die erfüllt werden müssen, damit Spezialattacken ihr volles Potential entfalten können, sowie ein sehr schönes Feature, das es dem Hauptcharakter erlaubt, starke Attacken der Gegner vorherzusehen, sorgen für ein Mindestmaß an taktischer Tiefe - trotzdem muss man zugeben, dass Xenoblade kaum Spielraum für ausgeklügelte Taktiken bietet, sondern in erster Linie schnelle Entscheidungen verlangt.



Unabhängig davon, ob man dieses System nun mag oder nicht, bietet auch das Kampfsystem Angriffsfläche für objektive Kritik. Das größte Problem ist dabei eindeutig das Balancing, denn bereits geringe Levelunterschiede können den Schwierigkeitsgrad der Kämpfe erheblich beeinflussen. Wenn die Party und ihre Gegner auf Augenhöhe sind, bietet Xenoblade sehr viel Potential für spannende und packende Kämpfe, die wirklich Spaß machen, aber hierzu kommt es leider viel zu selten. Ab einem Unterschied von sechs bis sieben Erfahrungsstufen ist ein Kampf dagegen schon im Voraus entschieden, denn hier ist die unterlege Seite schon nicht mehr in der Lage, ihre Gegner überhaupt zu treffen. Daraus folgt dann, dass Niederlagen im Kampf meist nicht auf die eigenen spielerischen Fähigkeiten, sondern auf das das zu niedrige Level der Party zurückzuführen sind, und man sich einen Sieg gegen einen Endgegner recht schnell mit Erfahrungspunkten "erkaufen" kann. Insgesamt scheint hier also Nintendos Design-Philosophie durch, dass absolut jeder in der Lage sein soll, ein Spiel durchzuspielen - in diesem Fall dank schnellem Erfolg durch wenige Level-Ups. Auch die Zielmarkierungen, die den Spieler in der Hauptstory an die Hand nehmen und ihn in den Dungeons Schritt für Schritt zu jedem einzelnen Schalter lotsen, führen diesen Grundgedanken konsequent weiter.

Ein epischer Soundtrack für ein episches Spiel
Kein Spiel ist perfekt und auch Xenoblade ist weit davon entfernt. Ein Aspekt des Spiels ist jedoch so sehr über jeden Zweifel erhaben, dass selbst ein Marcel Reich-Ranicki als Spieletester hier nichts mehr kritisieren könnte: Der Soundtrack. Was das vierköpfige Team aus noch relativ unerfahrenen Komponisten hier auf die Beine gestellt hat, kann ohne Probleme mit großen Klassikern und auch dem schon jetzt legendären Soundtrack von Super Mario Galaxy mithalten. Die gigantische Sammlung an Musikstücken, die eine komplette Vier-CD-Box füllt, deckt von Klavierstücken, die eure Nachtwanderungen begleiten, bis hin zu harten Gitarrenriffs, die in Kämpfen für Antrieb sorgen sollen, alle erdenklichen Klangfarben ab und passt zudem immer perfekt zur Umgebung und der Spielsituation.



Die englische Sprachausgabe ist überraschend gut gelungen und die schauspielerische Leistung der Synchronsprecher grundsolide. Wenn eine Dialogszene etwas befremdlich wirkt, liegt das eher am manchmal etwas holprigen Skript, aber insgesamt ist die englische Lokalisierung wirklich gelungen. Als kleines Bonbon hat Nintendo außerdem die originale japanische Sprachausgabe mit auf die DVD gepackt. Wer seine Wii-Konsole auf Deutsch stellt, bekommt lediglich übersetzte Untertitel und eine typische Nintendo-Übersetzung geboten; ob das nun gut oder schlecht ist, bleibt jedem selbst überlassen. In jedem Fall muss man sich in der deutschen Fassung auf verhohnepiepelnde Gegnernamen wie "Kleiner Mück" einstellen - in der englischen Fassung heißt das selbe Monster übrigens "Little Skeeter".

Fazit:
Xenoblade Chronicles ist unglaublich umfangreich, und wenn man sich mit allen optionalen Nebenaufgaben befasst, sind die 60-80 Stunden Spielzeit, die oft von japanischen Spielern in den Raum geworfen, sogar noch relativ niedrig geschätzt. Während dieser Zeit erlebt man viele Höhen und Tiefen, und erstere überwiegen letztendlich so sehr, dass man dem Titel seine durchaus ernstzunehmenden Mängel im Gameplay und in der Spielbalance mit einem Lächeln verzeihen kann. Verglichen mit den anderen großen Titeln der Wii-Bibliothek muss sich Xenoblade auf keinen Fall verstecken, und für einige wird das RPG sicherlich der Wii-Titel schlechthin sein. Und vor allem im RPG-Genre gibt es in dieser Generation selbst konsolenübergreifend eigentlich keinen Titel, der Xenoblade irgendwie das Wasser reichen könnte. Um mit den ganz großen Klassikern mitzuhalten, die vor fünf bis zehn Jahren erschienen sind, reicht es zwar auch nicht ganz - aber egal, wie man es dreht und wendet: Xenoblade Chronicles ist ein verflucht gutes Spiel, welches sich jeder, der etwas für RPGs übrig hat, definitiv kaufen sollte.

Zweite Meinung von Lars Peterke:
Xenoblade Chronicles ist eine Wucht. Schon direkt zu Beginn sorgen einige überraschend intensive Zwischensequenzen für ordentlich Dampf, sodass man sich kaum von der Konsole losreißen kann. Das Kampfsystem wirkt anfangs etwas hakelig, aber habt ihr erst einmal drei Mitglieder in eurer Gruppe, lassen sich die Facetten des Kampfes voll ausschöpfen. Zwar haben sich die Entwickler viele Schnörkel überlegt, in der Praxis zählt aber die schnelle Kampfentscheidung und bei höheren Leveldifferenzen lässt das Balancing des Spiels zu wünschen übrig. Nichtsdestotrotz sind die Kämpfe sehr unterhaltsam und falls man mal einen Endboss mit hohem Level vor sich hat, ist es keinesfalls ein Ärgernis seine Gruppe zu trainieren, da diese Dinge wunderbar mit dem Erkunden der Spielwelt verknüpft werden können. Die im Review angebrachten Kritikpunkte sind daher objektiv und klar erkennbar. Für die wirkliche Endwertung sollte aber auch der subjektive Geschmack eine Rolle spielen. Ich persönlich war anfangs etwas skeptisch, wurde aber schnell eines Besseren belehrt. Aktuell bescheinigt mir mein Spielcounter eine Spielzeit von circa 30 Stunden, von denen bisher jede ungemein unterhaltsam war. Die Spielstory ist extrem gut verpackt, bietet genug unerwartete Wendungen und die Spielwelt wurde ebenfalls klug konstruiert. Xenoblade Chronicles versprüht ein tolles Spielflair, das stellenweise stark an die gute alte SNES-Zeit erinnert. Ein Fakt der sicherlich dem einstiegsfreundichem Gameplay gezollt werden darf. Wenn ich mich einmal zurückerinnere, war das letzte RPG das mich so vor den TV fesselte Tales of Symphonia. Jetzt gibt es endlich wieder ein RPG das mich ebenso motiviert. Für mich ist dieser Fakt fast eine glatte 10 wert. Leute, kauft diesen Titel! Ansonsten verpasst ihr eindeutig eine Wii-Perle erster Güteklasse!

Von Andreas Held
Wertung für das Spiel Xenoblade Chronicles
Wertungen Beschreibung
9.5Grafik
Xenoblade beeindruckt durch seine ausgefallenen, äußerst sehenswerten Landschaften und ist auch von technischer Seite einer der grafisch besten Wii-Titel.
10.0Sound
Ein akustisches Meisterwerk.
7.0Steuerung
Die sonst sehr intuitive Menüführung gestaltet sich im Kampfsystem etwas hakelig, weil das Anvisieren von Gegnern oder das Auslösen einer Spezialattacke manchmal erst im zweiten oder dritten Anlauf funktioniert.
8.5Gameplay
Ein riesiger Umfang und eine packende Story sowie ein in der Konzeptionierung sehr gutes Kampfsystem leiden etwas unter den Ungereimtheiten im Spieldesign. Letztendlich fallen die Schwächen jedoch kaum ins Gewicht.
9.4Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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