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Wii Play Motion
Review von Tim Herrmann (mail) | 04.07.2011

Ist der Minispiel-Overkill nah? Oder vielleicht schon längst erreicht? Haben wir ihn schon überstanden und sind bereit für Neues? Wii Play Motion ist erschienen und Fans fragen sich: Was soll das noch? Besteht nach Wii Sports, Wii Play, Mario Party 8, Wii Fit, Wii Sports Resort, Wii Fit Plus, Wii Party und Mario Sports Mix tatsächlich noch Bedarf an einer weiteren Minispielsammlung? Mit Blick auf Wii Play, als erfolgreichstes Wii-Spiel nach Wii Sports in den Rekordbüchern, gibt Nintendo ein schallendes „Ja“ als Antwort. Aber Wii Play Motion ist nicht die typische Sammlung, die ein paar 30-Sekunden-Ideen zusammenpackt und das Tagewerk dann für beendet erklärt: Stattdessen wird diese Minispielsammlung durch Wii MotionPlus unterstützt und zusammen mit einer roten Wii-FB Plus verkauft. In unserem Test stellt sich die Frage, worin die Existenzberechtigung dieses Spiels liegt, wie es mit der neuen 1:1-Steuerung funktioniert und wie es sich im Vergleich zu Bruderkonkurrenz wie Wii Sports Resort oder Wii Party schlägt.

Ein Spiel wie ein Tutorial

Lang ist es her, dass Wii Play im Fokus eines WiiX-Tests stand: 2006 war die Minispielsammlung ein Launchtitel und wurde zum meistverkauften Spiel, das nicht im Bundle mit der Konsole selbst ausgeliefert wurde. Fairerweise muss man aber dazu sagen, dass das wohl hauptsächlich der Wii-Fernbedienung zu verdanken ist, der dieses Spiel beilag. Nintendo wollte mit Wii Play gar keinen vollwertigen Titel abliefern, sondern vielmehr neue Controller unters Volk bringen und gleichzeitig einen kleinen Wii-Remote-Crashkurs verbreiten.



Viel mehr als das war Wii Play nämlich nicht: Ein paar Pointer-Features, ein paar Neigespiele, ein kurzer Ausflug mit dem Nunchuk und schon waren alle Features des revolutionären Controllers durch neun Minispiele abgehandelt. Und auch mit Wii Play Motion bleibt Nintendo dieser Linie vollumfänglich treu: Auch dem neuen Titel liegt wieder ein ganzer Controller bei – der Unterschied liegt diesmal aber im Plus. Denn Wii Play Motion ist der vierte Titel, der exklusiv für die 1:1-Fähigkeiten von Wii MotionPlus entwickelt wurde. Und genauso wie Wii Play um die Pointer- und Neigungssensoren der Wii-Remote gebaut war, ist Wii Play Motion ganz um die 1:1-Gyrosensoren der Wii-Remote Plus gestrickt.

Ein schöner Titel...
Schnell wird beim ersten Spieldurchgang klar, dass Wii Play Motion ordentlich gefuttert und trainiert hat und daher nicht so dünn ist wie sein Vorgänger: Erstens gibt es statt neun jetzt zwölf Minispiele und zweitens besteht jedes der zwölf noch einmal aus verschiedenen Spielmodi, Multiplayer-Angeboten oder weiteren Levels. Es gibt viel freizuspielen – und damit sind nicht nur neue Spielinhalte gemeint, sondern auch Highscores, Abzeichen und Rekorde. Das gibt Einzelspielern ein wenig Motivation neben den wie immer dominanten Multiplayer-Party-Modi. Trotzdem ist auch Wii Play Motion so ein Spiel, in dem man nach 30 Minuten alles einmal gesehen hat. Zu Beginn sind vier Minispiele verfügbar, hat man sie alle einmal gespielt, werden vier neue freigeschaltet. So ist nach einer guten halben Stunde einmal alles angeschaut und begutachtet. Doch wo bei Wii Play jetzt schon Schluss war, geht es in Wii Play Motion mit neuen Spielmodi immerhin noch weiter im Freispielmarathon. Damit hat man dann ein wenig länger zu tun. Eine ganze Woche muss sich aber niemand im dunklen Zimmer einschließen, um in Wii Play Motion zu triumphieren, zumal ca. 80% aller Inhalte nach dem ersten Freispielschwung verfügbar werden. Für große Triumphe wie Höchstpunktzahlen belohnt das Spiel nicht.



Auch bei der Qualität der Minispiele sind deutliche Fortschritte zu verzeichnen. Die Geisterjagd dürfte für viele das Minispiel-Highlight werden und macht Lust auf ein Luigi’s Mansion für Wii, das es nicht mehr geben wird. Der Spieler muss die Wii-Fernbedienung Plus um sich herum bewegen und ganz genau auf die Geräusche achten, die aus dem Lautsprecher kommen und immer lauter werden, je näher man dem unsichtbaren Geist kommt. Hat man den Controller richtig justiert, heißt es „Gotta catch ‘em all“ und die widerspenstigen Geister müssen mit sanfter Gewalt in die Geisterkiste gelenkt werden.

Das Maulwurf-Verkloppen-Spiel ist natürlich ein Klassiker, der mit der Wii-Remote Plus besser funktioniert denn je: Der Controller erkennt, über welchem Maulwurfshügel ihr den Hammer platziert habt, und erlaubt so präzises Niederhämmern der bösen Früchteklauer. Das Steineflitschen lädt zum kurzweiligen Rekordebrechen und der Regenschirmweitsprung bzw. das Regenschirmrennen zum Wettkampf mit Mitspielern ein. Ein sehr interessantes Experiment haben die Entwickler beim Schießminispiel gestartet. Alle denken jetzt: „Klar, superspannend, da zielt man mit der Wii-FB wieder auf den Bildschirm und knallt irgendwelche Vögel ab“. Doch der Pointer spielt hier überhaupt keine Rolle, stattdessen wird das Fadenkreuz allein durch die Bewegungssensoren gesteuert. Das erlaubt coole Manöver wie das Schießen über die Schulter (also nach hinten) und gibt einen Vorgeschmack auf das Zielen in The Legend of Zelda – Skyward Sword. Das ist mal was anderes und macht das Zielen auch ohne Sensorbar möglich. Auch spielerisch wird in der Schießbude das gewisse Mehr geboten, und ihr kämpft auch gegen Ninjas oder riesige Dinosaurier. Das Mii-Posenspiel Plus demonstriert dann noch eindrucksvoll den Unterschied zwischen Wii-Remote und Wii-Remote Plus: Erst jetzt könnt ihr die Figuren wirklich dreidimensional drehen, damit sie durch die Schablonen passen, früher waren es 2D-Drehungen im Kreis.

Die Wii-Fernbedienung Plus haucht diesem Spiel sein ganzes Leben ein und hebt es deutlich vom Minispiel-Einheitsbrei auf dem Markt ab, auf dessen Thron sich zuletzt Wii Party gesetzt hat: Die angebotenen Spielideen sind tatsächlich nur mit dieser Form der Bewegungssteuerung möglich und die Sensoren funktionieren durchweg so gut, dass man sich kaum noch Gedanken darüber machen muss. Die Eigenheit der Sensorik kommt aber auch hier wieder zum Tragen: Wer schüttelt, verliert – sei es beim Maulwurfverkloppen, beim Steineflitschen oder sonstwo. Realitätsnahe Bewegungen führen zum Ziel und das macht Wii Play Motion so besonders und so anders.



Nichtsdestotrotz kommt auch diese Minispielsammlung nicht ohne das eine oder andere faule Ei im Körbchen aus: das Eiskugelstapeln ist fast schon stupide simpel, das Flippern mit einer kleinen Holzkugel fällt in die Kategorie der alten Kamellen und das herumhüpfende Punktesammeln fühlt sich auch irgendwie flau an. Das Navigieren des Raumschiffes mit den Knöpfen der Fernbedienung wird die neuen Spieler heillos überfordern. Letztendlich sollte und wird aber jeder selbst seine Lieblingsauswahl treffen, denn genug unterschiedliche Ideen und Konzepte – von wild und abgedreht bis leise und präzisionsbasiert – bietet das Spiel auf jeden Fall, das in Japan Wii-Remote Diversity, also Vielfalt, heißt.

...Nur irgendwie zwei Jahre zu spät
Wii Play Motion ist also ein reichhaltiges Minispielpaket, das viele interessante Ideen anbietet und von der 1:1-Steuerung von Wii MotionPlus durchgängig profitiert. Aber irgendwie ist es auch ein Titel von gestern, ein Titel, der sich 2009 so perfekt dafür geeignet hätte, Wii MotionPlus zu verbreiten, dass er im Sommerloch 2011 deplatziert wirkt. 2011 hätte das Jahr sein sollen, in dem die Red Steel 3s, die Star-Wars-Spiele mit Laserschwert-Steuerung oder die Point & Click Adventures mit ausgeklügelten Bewegungsrätseln hätten erscheinen sollen. Aber das ist nur das Hätte, Wäre, Wenn, das Sollte und das Hätte-Sein-Können.

Was im Hier und Jetzt bleibt, ist eine Minispielsammlung im bekannten Mii-Outfit, wie man es seit Tag 1 der Konsole kennt: Technische Fortschritte sind weder in der Grafik noch im Sound erkennbar, das Interface bleibt unverändert und auch den gesamten Artstyle kennt man bereits aus Titeln wie Wii Sports Resort.



A Propos Wii Sports Resort: Was ist jetzt eigentlich der Unterschied zwischen Wii Play Motion und der Sportspielsammlung von 2009, die ebenfalls exklusiv für Wii MotionPlus entwickelt wurde und im Gegensatz zu Wii Play Motion genau rechtzeitig kam? Nun, einerseits gibt es keinen, andererseits sind die beiden ganz anders aufgebaut. Beide haben ihre Highlights und ihr unnötiges Füllwerk, aber einen entscheidenden Unterschied gibt es doch: Wii Sports Resort präsentiert sich wesentlich besser und hat ein Spielkonzept im Hintergrund, dem Wii Play Motion nur durch ein müdes Menü hinterhereifern kann. Die Sportspielsammlung spielt sich auf einer idyllischen Insel ab, lässt den Spieler diese ausgiebig via Flugzeug erkunden und gaukelt ihm einen erholsamen Aktivurlaub vor. Er erkennt in jedem Minispiel, wo er sich gerade auf Wuhu Island befindet, und fühlt sich stellenweise wirklich wie auf der Insel. Wii Play Motion kann dabei mit seinen zwölf zusammenhangslosen Minispielen nicht mithalten und bleibt im Vergleich zum stringent hochgezogenen Monument Wii Sports Resort ein unsortierter Haufen Holzklötze.

Eines muss man Nintendo bei aller berechtigten Kritik am Minispiel-Overkill der letzten Jahre also lassen: Zwar sind Wii Sports, Party, Play Motion, Resort und Motion allesamt Minispielsammlungen, aber jede geht die Thematik durch 1:1-Steuerung oder ihr Hintergrundkonzept etwas anders an, sodass Wii Party mit seinen vielen „normalen“ Minispielen sich nicht unbedingt in direkter Konkurrenz zu Wii Play Motion mit seinen wenigen Bewegungsminispielen wiederfindet.

Fazit:
Wii Play Motion ist eine schöne Minispielsammlung, die von 1:1-Bewegungssteuerung deutlich profitiert und ein paar spritzige Ideen in den Raum sprüht – aber letztendlich bleibt eben doch nur das Wort „Minispielsammlung“ hängen. Eine Minispielsammlung, die dem Tiefgang von Wii Sports Resort hinterherhinkt und nicht ebenso lange motivieren kann. Im Multiplayer mit vielen Modi wie immer eine Instanz, ist das Potential von vielen der kleinen Spielchen schnell erschöpft. Zwar sind auf jedem Gebiet, sowohl spielerisch als auch in der Steuerung und beim Umfang, deutliche Verbesserungen im Vergleich zum Launch-Titel Wii Play erkennbar, zu einem echten Spiel, das auch allein im Laden stehen könnte, reicht das Gesamtpaket aber trotzdem noch nicht. Um noch einmal auf die Frage vom Anfang zurückzukommen: Ja, der Minispiel-Overkill ist erreicht, in dem Genre ist jetzt wirklich alles gemacht und getan, Wii Play Motion konnte durch das Novum der 1:1-Steuerung eine Nische finden. Für das Sommerloch 2011 ist Wii Play Motion nichtsdestotrotz noch ein kurzweiliger Lückenfüller und wer eine Wii-Remote Plus braucht, macht sowieso absolut nichts falsch.

Von Tim Herrmann
Wertung für das Spiel Wii Play Motion
Wertungen Beschreibung
8.0Grafik
Das übliche Mii-Konzept: Sauber ausgestaltete Umgebungen, flüssige Animationen, keine hässlichen Fehler – und das alles in der gewohnt unauffälligen, glatten Gesamtverpackung.
7.5Sound
Die Musik ist wie üblich Füllwerk und pflanzt niemandem irgendwelche Würmer ins Ohr. Soundeffekte und Melodien sind sauber, aber eben so unauffällig wie die restliche Verpackung.
9.3Steuerung
Wii MotionPlus bringt auch Minispielen viel mehr Tiefe und neue spielerische Möglichkeiten. Der Sensor funktioniert sanft und unscheinbar und macht die Spielideen in Wii Play Motion überhaupt erst möglich.
6.9Gameplay
Einige Minispiele haben das Zeug zum Klassiker, andere sind nach dem ersten Durchspielen schon vergessen. Das Gesamtpaket wird nicht durch ein Thema wie in Wii Sports Resort zusammengehalten, sodass nur ein Sammelsurium aus zwölf Spielchen übrig bleibt, die schnell durchschaut sind.
7.8Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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