Review von Tim Herrmann (mail) | 22.05.2011
Im Frühling 2009 war die Euphorie groß: Wii MotionPlus stand kurz vor der Tür und damit der vermeintliche Befreiungsschlag für alle Spiele, die an minderwertiger oder ungenauer Fuchtelsteuerung krankten. Damals schien Tennis das Genre zu sein, mit dem man die neue 1:1-Steuerung am besten auf den Bildschirm zaubern konnte: Sowohl EA Sports als auch SEGA warfen Tennisspiele auf den Markt, wobei EA mit seinem Grand Slam Tennis besser abschneiden konnte als SEGA mit Virtua Tennis 2009. Zwei Jahre später versucht es SEGA nun erneut und bringt Virtua Tennis 4 auf den Markt, natürlich wieder mit Unterstützung von Wii MotionPlus. Zwei Jahre Zeit hatte man, die Erkenntnisse mit dem 1:1-Sensor zu nutzen und alle Fehlerchen auszumerzen: Jetzt stellt sich das Ergebnis dem Test.
Große Erwartungen, kleines Ergebnis
Die Ansätze in Virtua Tennis 2009 waren gut: Die Steuerung mit Wii MotionPlus funktionierte und auch wenn es sich noch nicht um echtes 1:1 handelte, verbesserte sie das Spielgefühl deutlich im Vergleich zum herkömmlichen Controller. Letztendlich stellten sich die schwache Technik und die verbesserungswürdige Umsetzung einer höheren Wertung in den Weg: Für den vierten Teil waren Verbesserungen auf allen Ebenen zu erwarten, denn aus Fehlern lernt man schließlich. Normalerweise.

Beginnen wir bei der Steuerung. Standardmäßig steuert ihr nicht mit Wii MotionPlus, nein, nicht einmal mit den herkömmlichen Wiimote-Sensoren, die bei Wii Sports schon funktioniert haben. Stattdessen vertraut SEGA ernsthaft auf die Knöpfe der quer gehaltenen Wiimote und tritt der Bewegungskonsole damit demonstrativ in den Hintern: Mit 2 spielt ihr die Vorhand, mit 1 die Rückhand, mit dem Steuerkreuz jagt ihr den lizenzierten oder selbst gestalteten Spieler über den Court. A und B sind für Lobs oder Slices zuständig. Das funktioniert zwar mit ein bisschen Übung ganz gut, ist aber nicht das, was die Fans von einem Nachfolger zu Virtua Tennis 2009 auf Wii erwartet hätten, das sich die realistische 1:1-Steuerung noch groß auf die Fahnen schrieb. Als Alternative: Ja. Als einzige Variante: Nein.
Bewegungssteuerung kommt in genau einem Spielmodus zum Tragen, in dem nur einzelne Matches und ein Partyspiel (ja, eines, in Zahlen: 1) zur Verfügung stehen. Hier wollten die Entwickler ein echtes Tenniserlebnis bieten und haben deswegen die Perspektive geändert, sodass der Spieler jetzt nicht mehr aus der Vogel-, sondern aus der Ego-Perspektive auf das Spielfeld und den Ball blickt, der auf ihn zurast. Die Bewegungen des Controllers werden (mehr oder weniger) 1:1 auf einen Tennisschläger auf dem Bildschirm übertragen – ob nun mit oder ohne Wii MotionPlus. Zwar erkennt man bei Benutzung des Spezialsensors, wie man den Schläger neigt und dreht (ohne MotionPlus zappelt er nur wild in der Gegend herum), im Schlag gibt es davon aber kaum bemerkbare Konsequenzen. Die Steuerung fühlt sich mit oder ohne Wii MotionPlus ziemlich gleich an. Während die Schlagrichtung schwammig und kaum zu kontrollieren ist und immer noch hauptsächlich vom Timing abhängt, werden Lobs oder Topspins mit Wii MotionPlus einfacher ausführbar. Doch der erlebbare Mehrwert hält sich leider in Grenzen, zumal es Probleme mit der Kollisionsabfrage gibt; Manchmal ist der Ball schon lange weg, bevor sich die Software entscheidet, das vergebliche Wackeln mit dem Controller doch noch als Schlag zu interpretieren.

Die Vermutung liegt sogar nahe, dass die Entwickler sich mit Wii MotionPlus gar nicht allzu sehr beschäftigt und einfach die Steuerung mit Microsofts Kinect-Sensor auf die Wii-Fernbedienung portiert haben. Denn auf die XBOX360 ist dieser Bewegungsmodus eindeutig ausgelegt, in dem die Spieler mit den Armen schwingen, um den Ball zu schlagen. Die First-Person-Ansicht, das Schwingen des Controllers, all das war ursprünglich einmal für Kinect gedacht und wurde dann fix auf Move und MotionPlus umgesetzt. Schwach und noch dazu nicht einmal gut gelungen.
Ein konventionelles Gesamtpaket
Die Bewegungssteuerung hat SEGA also gepflegt in den Sand gesetzt, doch wie sieht es mit dem Rest des Angebots aus - kann man immerhin eine Simulation mit Tiefgang abliefern? Eher nicht. Zwar gibt es einen umfangreichen und durch seine Komplexität auf professionell getrimmten World-Tour-Modus, in dem ihr euch mit einem selbst erstellten Spieler durch die Weltszene des Tennissports spielen dürft, aber das ist seit den etlichen Karrieremodi bei EA Sports auch keine Sensation mehr. Darüber hinaus wird ebenfalls nur Standardwerk angeboten:
Es gibt einen Arcade-Modus, der im Kern aus mehreren aneinandergereihten Einzelmatches besteht. Neben besagtem Motion-Play finden sich noch acht wenig tiefgründige Partyspiele, in denen der Spieler Münzen sammeln, Ziele abschießen oder auf sonstige Art und Weise Punkte sammeln darf. Das Gesamtpaket wird komplettiert von einem Online-Modus über die Nintendo Wi-Fi-Connection (das bedeutet: Freundecodes). Über Standardspiele gegen Freunde oder Fremde hinaus wird hier aber nichts Besonderes zur Auswahl gestellt. Lizenzmäßig ist Virtua Tennis 4 dagegen gut aufgestellt. Die bedeutendsten Spieler der Welt konnte man für sich gewinnen, die Namen der großen Grand-Slam-Turniere ebenfalls.

Stimmung kommt immerhin im obligatorischen Multiplayer-Modus auf, den es zum einen (wie erwähnt) über die Wi-Fi-Connection, zum anderen aber hauptsächlich lokal für bis zu vier Spieler gibt. Die Schwächen in Technik, Gameplay und Steuerung bleiben, aber immerhin kommt nun noch der Gruppenfaktor dazu, der den Wettkampf aufleben lässt und für Spaß sorgen kann, wenn man die richtigen Spieler parat hat. Denn einsteigerfreundlich ist Virtua Tennis 4 dank fehlender Bewegungssteuerung nicht.
Zurück ins letzte Jahrzehnt
Beeindruckend ist, was SEGA mit der Technik auf Wii angestellt hat. Es ist nämlich tatsächlich gelungen, sie im Vergleich zum schon nicht besonders überragenden Virtua Tennis 2009 weiter in den Abgrund zu zerren: Mit Ausnahme der annehmbar gestalteten Charaktermodelle (die lediglich durch ihre plastikhaften Frisuren und hölzerne Mimik negativ auffallen) bewegt sich Virtua Tennis 4 durchgehend auf einem Niveau, das selbst zum Wii-Start im Jahr 2006 schon unterdurchschnittlich gewesen wäre. Die Umgebungsgrafiken sind verwaschen, platt und statisch, über das Publikum muss man gar nicht reden.
Und auch beim Sound, eigentlich recht einfach portierbar, sind Schnitzer nicht ausgeblieben. Die Tonqualität ist unter jeder Akzeptanzgrenze und hört sich an, als sei sie mit einem Kassettenrekorder aus den 90er-Jahren aufgenommen worden. Sowohl der (wieder einmal unverkennbar künstlich sprechende) Sportspielsprecher als auch die Laute, die das Publikum von sich gibt, hören sich dumpf, statisch und einfach nur unterirdisch an, sodass man sich ernsthaft fragen muss, wie das passieren konnte. Denn im direkten Vergleich mit der Wii-Version von Virtua Tennis 2009 schneidet der 4. Teil auf allen Ebenen schlechter ab. Fazit: Was hat SEGA mit Virtua Tennis 4 angestellt? Alle guten Ansätzen des Vorgängers wurden mit Anlauf über Bord geworfen und durch schlechtere Alternativen ersetzt: Die Bewegungssteuerung ist nur noch ein mies von Kinect portiertes Anhängsel in einem abgeschotteten Extra-Modus und funktioniert nicht so gut, wie sie funktionieren könnte (und vor zwei Jahren schon funktioniert hat). Die Technik ist ein einziges Zeugnis von mangelnder Sorgfalt, Grafik und Sound sind auf einem nicht mehr zeitgemäßen Niveau. Und während die Lizenzen zwar noch auf dem neuesten Stand sind, wird spielerisch nichts Frisches geboten: Einzelmatches, Karriere (und ein paar Minispiele) bietet mittlerweile jeder an, sodass man sich fragt, was Virtua Tennis 4 eigentlich an Mehrwert bieten will. Halten wir fest: Steuerung schlechter, Grafik schlechter, Sound schlechter – die Wertung kann demnach nur einen Weg nehmen: den nach unten.
Von Tim Herrmann
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| Wertung für das Spiel Virtua Tennis 4 | |
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| 5.2 | Grafik Ordentliche Charaktermodelle können die matten, kraftlosen, strukturarmen, platten und statischen Umgebungsgrafiken nicht überdecken. | |
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| 4.8 | Sound Nicht nur, dass die Geräuschkulisse wenig spektakulär ist: Besonders die Tonqualität lässt stark zu wünschen übrig und hört sich an, wie mit primitivsten Mitteln aufgenommen. | |
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| 6.5 | Steuerung Bewegungssteuerung wurde in einen separaten Modus verbannt und spielt im eigentlichen Gameplay keine Rolle mehr. Dazu handelt es sich nur um eine sorglose Portierung, die noch dazu nicht gut funktioniert und viele Wünsche offen lässt. Die langweilige Knopfsteuerung funktioniert aber. | |
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| 6.7 | Gameplay Standardmodi werden ergänzt durch einen komplexen Karrieremodus und die üblichen Partyspielchen, die aber keinen wirklich begeistern dürften. So bleibt spielerisch auch wegen der belanglosen Steuerung ein durch und durch glanzloses Gesamtpaket. | |
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| 5.5 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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