Review von Tim Herrmann (mail) | 26.01.2011
Seit mehr als 25 Jahren ist Tom Clancy nun schon ein fester Bestandteil der Literaturszene und hetzt mit den Lesern seiner Politthriller von einem Spannungshochpunkt zum nächsten. Nicht erst seit ein paar Jahren ist Tom Clancy auch ein fester Bestandteil der Videospielbranche, wenn auch nur mit seinem Namen. Ubisoft besitzt alle Rechte, seinen Spielen den Stempel „Tom Clancy’s“ aufdrücken zu dürfen, um so deutlich zu machen, dass die Spieler ein spannendes und actionreiches Militärspektakel erwartet. Auch auf Wii hat die Marke bereits Einzug gehalten, sei es mit Splinter Cell oder HAWX. Nun erschien auch Ghost Recon für Nintendos Konsole – und zwar in einer merkwürdigen Mischung aus Remake, Neuentwicklung und völliger Abkehr vom Franchise. Wir haben den Shooter für euch im Review auf Herz und Nieren überprüft.
Danke… Aber Nein danke
Eigentlich muss man Ubisoft ja dankbar sein: Alle möglichen Dritthersteller ziehen ihre Ressourcen langsam von Nintendos Konsole ab und gehen mit Produktionen für andere Plattformen lieber auf Nummer sicher. Und auch Ubisoft könnte man das eigentlich nicht verdenken, denn obwohl Spiele wie Prince of Persia – Die vergessene Zeit oder Red Steel 2 richtig gut waren, verdiente man mit schnell hinprogrammierten Titeln wie Petz, den Coaches oder Just Dance überproportional viel mehr Geld. Doch Ubisoft gab nicht auf und lieferte mit Tom Clancy’s Ghost Recon und Tom Clancy’s HAWX 2 noch einmal zwei Titel ab, die sich klar an die vielspielende Gemeinde richteten.

Doch was ist Tom Clancy’s Ghost Recon für Wii nun eigentlich? Der Name beinhaltet keinerlei Zusätze wie „Future Soldier“, die entweder auf eine Neuentwicklung oder eine Portierung hindeuten würden. Nein, der Name steht einfach so da. Und damit kommt man zuerst auf die Idee, dass es sich um eine reine Umsetzung des allerersten Ghost Recons aus dem Jahre 2002 handeln könnte. Und tatsächlich gibt es bei der Kampagne einige Parallelen: In beiden geht es um Ultranationalisten, die Russland übernommen haben und es zu einer neuen, alten Sowjetunion umbauen wollen. Doch da hören die Gemeinsamkeiten auch schon wieder auf: Die Wii-Version ist ein neues Spiel, das sich lediglich des grundlegenden Szenarios bedient.
Es handelt sich um einen Third-Person-Shooter, in dem ihr in der Haut eines sogenannten Ghost, einer militärischen Spezialeinheit, gegen die Terroristen vorgeht und den Alliierten zum Sieg gegen den neu erstarkten Feind verhelft. Das ganze Spiel, und jetzt werden wahrscheinlich 50% der Leser das Browserfenster schließen und sich anderen Aktivitäten zuwenden, verläuft auf Schienen. Tom Clancy’s Ghost Recon für Wii ist ein Rail-Shooter. Und dabei nicht einmal besonders gut.
Der nervenzerfetzende Schieß- und Versteck-Thriller
Die Story des Spiels wird zum Einstieg recht gut präsentiert: In Form eines Einsatzbriefings bekommt der Spieler schnell die Grundsituation erläutert, bevor er direkt ins Geschehen geworfen wird. Die russischen Ultranationalisten haben sich nämlich mittlerweile bis nach Norwegen (was wollen die in Norwegen, wie wäre es erst einmal mit Finnland gewesen?) durchgeschlagen und warten nur darauf, von zwei einzelnen Soldaten in die Flucht geschlagen zu werden.
Auch die Grafik überzeugt auf den ersten Blick: Zwar sieht alles ein wenig verwaschen aus, doch die Modelle und die Umgebung sind schön und realitätsnah gestaltet, auch wenn sich alles eher in einem weicheren Comic-Look präsentiert, der aber trotzdem recht gut passt.

Was nicht gut passt, ist das ganze Gameplay, mit dem das Spiel gefüllt ist. Würde Tom Clancy seine Romane so schreiben, wie das Spiel sich im Gameplay präsentiert, hätte es der Schriftsteller wohl kaum zu dem Weltruhm gebracht, der ihm selbst eine eigene Videospielreihe eingebracht hat. Der Auszug aus dem entsprechenden Roman zu Tom Clancy’s Ghost Recon für Wii müsste in etwa so aussehen:
„Rasant sprintete Higgs hinter die Mauer. Er lauerte, eine Schweißperle tropfte von seiner verkrampft angespannten Stirn. Etwas bewegte sich in seinem Sichtfeld, mit dem Finger am Abzug streckte er den plötzlich hervorschnellenden Feind nieder. Adrenalingeladen sprintete er zu einer Wand aus Sandsäcken und kauerte, jeden Moment einen Schuss erwartend. Sein Magazin war leer, hastig platzierte er neue Munition in seinem MG512-X. Ein Feind. Ein Schuss. Er sprintete zur nächsten Häusercke. Er lud nach. Er schoss. Er sprintete. Er schoss. Er schoss. Er sprintete zur nächsten Ecke. Er schoss. Er lud nach. Er schoss. Er sprintete. Dann schoss er auf neue Feinde. Und er musste nachladen. Dann lief er wieder. Und schoss.“
Oder ohne blumige, künstlerisch wertvolle Veranschaulichungen: Das Spiel ist stinkend langweilig. Ungefähr so langweilig, wie wenn man einem Brot beim Herumstehen zusieht.
Der einzige Spielinhalt ist das Schießen auf immer neue Feinde. Die Interaktionsmöglichkeiten des Spielers mit seiner Umwelt beschränken sich darauf, dass er auf Punkte klicken kann, die dann als Schutz zur Deckung dienen, nachdem der Soldat (automatisch) dorthin sprintet. Mit dem Z-Knopf des Nunchuks kommt ihr aus der Deckung heraus und könnt dann mithilfe des B-Knopfes feuern. Indem ihr ihn einfach gedrückt haltet, wird einfach immer weitergefeuert – natürlich automatisch. Deswegen ist es auch nicht schwer, eine Reihe von Feinden nacheinander auszuschalten; man muss einfach den B-Knopf gedrückt halten und dann in einer Linie einmal auf jeden Feind zeigen, sodass er umfällt. Irgendwann ist das Magazin leer. Aber nachgeladen wird, richtig, automatisch. Und Munition ist, richtig, unendlich vorhanden.
Man könnte wirklich meinen, die Entwickler von Next Level Games, die immerhin auch schon Titel vom Kaliber eines Mario Strikers Charged Football oder eines Punch-Out!! für Wii entwickeln durften, hätten als Hauptzielgruppe ein Rudel Schimpansen im Blick gehabt. Doch selbst die wären von dem intellektuell wirklich wenig herausfordernden Gameplay wohl schnell angeödet und würden sich wieder Interessanterem zuwenden, zum Beispiel einer Banane.

Zwar bemühen sich die Entwickler, mit unterschiedlichen Szenarien wenigstens ein bisschen Abwechslung in das stupide Baller-Gameplay zu bringen, allerdings macht es keinen großen Unterschied, ob man nun fünfzig Feinde und zwei Panzer auf einmal mit einer Drohne abballert oder zehn auf einmal mit einem Gewehr. Es bleibt beim Ballern.
Gemeinsam langweilt’s sich leichter
Technisch ist Tom Clancy’s Ghost Recon für Wii wie oben erwähnt nicht schlecht geworden, allerdings gibt es ja auch nicht allzu viel, was die Hardware im Hintergrund zu tun bekommt: Das gesamte Spiel ist gescriptet und der einzige individuelle Teil besteht darin, dass die Umfallanimationen der Gegner zum richtigen Zeitpunkt eintreten müssen.
Zur technischen Seite gehören auch die Multiplayer-Features. Das gesamte Spiel kann und soll man laut den Enwicklern im Kooperationsmodus spielen. Wer allerdings Wert auf seine Freundschaften legt, sollte ihnen spannendere Nachmittagsunterhaltung bieten als Tom Clancy’s Ghost Recon für Wii. Denn Langeweile lässt sich eben leider nicht 50:50 aufteilen, sie trifft jeden mit voller Wucht. Und so verliert der nett gemeinte Koop-Modus sehr schnell seine Daseinsberechtigung.
Dass es einen Arcade-Modus gibt, ist dabei fast Polemik, schließlich ist schon die ernst gemeinte Kampagne im Prinzip nichts anderes als ballern, ballern, ballern. Der Arcade-Modus ergänzt dieses Konzept noch durch Punktevergabe. Seine Highscores kann man online mit anderen vergleichen.
Fazit: Irgendwie scheinen es die Entwickler und Ubisoft geradezu darauf angelegt zu haben, die Fans gegen sich aufzubringen. Erst wandelt man das Ghost-Recon-Franchise in einen Schienen-Shooter um, auf Wii mittlerweile ohnehin ein verschrienes Genre, und dann weigert man sich auch noch strikt, dem Ganzen auch nur ein bisschen spielerische Substanz zu geben. Dass ein Shooter auch auf Schienen funktionieren kann, hat Dead Space Extraction gezeigt. Doch Tom Clancy’s Ghost Recon ist leider wirklich eine Beleidigung für jeden mit einem IQ über dem einer Schrankwand. Technisch durchweg sauber gestaltet und auf den ersten Blick hochwertig produziert, scheitert dieser Ableger grandios an völliger, hilfloser, verzweifelter Einfallslosigkeit, die fast schon erschreckend ist.
Von Tim Herrmann
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| Wertung für das Spiel Tom Clancy's Ghost Recon | |
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| 7.4 | Grafik Saubere Animationen, technisch ordentliche grafische Gestaltung. Ein paar Fehlerchen gibt es, aber insgesamt nicht viel zu meckern. | |
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| 7.2 | Sound Deutsche Sprachausgabe, gute Soundeffekte und rasante Action-Musik bieten wenig Angriffsfläche. | |
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| 8.0 | Steuerung Alles, was man braucht, ist im Prinzip der Pointer. Und der huscht angenehm schnell über den Bildschirm. Die Steuerung ist grundsimpel und funktioniert, das muss man dem Spiel lassen. | |
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| 3.4 | Gameplay Irgendwie ist es eine intellektuelle Beleidigung, den Spielern so wenig zuzutrauen. Sie dürfen einfach nur auf immer neue Gegner schießen, die dann umfallen. Alles andere läuft automatisch. | |
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| 4.9 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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