Review von Andreas Held (mail) | 26.01.2011
RPGs sind auf Nintendo-Konsolen seit dem Sprung weg von der 16-Bit-Generation traditionell Mangelware. Auf dem Gamecube erkannte Namco diese Marktlücke und veröffentlichte Tales of Symphonia sogar in Europa, was für ein Spiel dieser Serie schon recht ungewöhnlich ist. Auf Wii nun die selbe Situation: Während es in Japan zwar einige gute RPGs gibt, die im Westen als "Missing in Action" bezeichnet werden können, ist Tales of Symphonia: Dawn of the New World traurigerweise das einzige traditionelle RPG, welches für Wii auch in Europa erhältlich ist. Seit einer Neuveröffentlichung im Sommer des letzten Jahres ist der Titel für günstige 30€ zu haben, gebraucht oft sogar für weniger als die Hälfte davon. Grund genug also, einmal nachzusehen, ob der Titel für all diejenigen, die die Hoffnung auf Xenoblade und The Last Story langsam aufgeben, eine gute Alternative darstellt.
The Knight of Ratatosk
Der originale Titel des Spiels, unter dem Tales of Symphonia 2 in Japan erschienen ist, lautet "Knight of Ratatosk" - und dieser spielt in der Story natürlich eine große Rolle. Aber alles der Reihe nach: Dawn of the New World ist eine direkte Fortsetzung der Story aus dem Vorgänger und spielt zwei Jahre nach dem Triumph von Lloyd über den verrückt gewordenen Helden Mithos. Sylvarant und Tethe'alla, die beiden Welten, die im Vorgänger vereinigt wurden, sind nämlich nicht gerade freundlich aufeinander gestimmt und zwei Organisationen, die die jeweiligen Welten vertreten, stehen miteinander im Krieg. In diesem Rahmen tötet Lloyd im Intro als kaltblütiger Killer ein ganzes Dorf, in dem auch der neue Hauptcharakter des Spiels lebt. Von seinen sterbenden Eltern wird er nach Luin geschickt, wo seine Tante und sein Onkel leben und - ein halbes Jahr später - die Story ihren Lauf nimmt.

Ganz klar im Zentrum der Handlung steht Hauptcharakter Emil Castagnier, und er ist auch die tragende Stütze des Spiels. Zu Beginn des Spiels selbst von seiner Familie gehasst wegen seiner Abneigung gegen über Lloyd, ändert sich sein Leben schlagartig, als er mehr oder weniger durch einen Zufall von Marta zum "Knight of Ratatosk" gemacht wird. Ratatosk ist, so wird es erklärt, der Herrscher über alle Monster, mehr soll an dieser Stelle aber schon nicht mehr verraten werden. Im Laufe des Spiels wirft das Wesen von Emil einige triftige Fragen auf, und Emils Entwicklung ist einer der interessantesten Aspekte des Spiels. Doch so toll der Hauptcharakter auch umgesetzt ist: Marta, die weibliche Heldin des Spiels, verkörpert praktisch alle Anime-Klischees, ist weitestgehend oberflächlich und obendrein extrem unglaubwürdig. Sie sieht Emil als ihren "Traumprinzen", klammert sich ständig an ihn und sorgt damit vor allem zu Beginn des Spels für einige Szenen, bei denen man sich nur noch an den Kopf fassen kann. Die Handlung des Spiels selbst gerät zum Ende hin aus den Fugen, weil alles zu weit hergeholt ist, keinen Sinn mehr ergibt und sich in Widersprüche verheddert. Das verpasst der eigentlich sehr guten Handlung einen klaren Dämpfer.
Tales of Symphonia Light
Dawn of the New World macht keinen Hehl daraus, dass es in der selben Welt spielt wie sein Vorgänger. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen: Fast alle Städte wurden unverändert oder leicht modifiziert aus dem ersten Teil übernommen und auch die meisten Charaktere erkennt man wieder. Der Vorgänger wurde aber nicht nur portiert, sondern sogar abgespeckt: Die Dungeons, die man im Verlaufe des Spiels ein zweites Mal besucht, scheinen alle etwas kürzer und simpler gehalten zu sein. Das macht sich vor allem bei den Rätseln bemerkbar: Eine Apparatur gegen Ende des Spiels, auf der Emil farbige Würfel in gleichfarbige Öffnungen schieben muss, erinnert eher an ein Spielzeug für Kleinkinder. Selten geht es über dieses Niveau hinaus; aber immerhin kann den Dungeons zugestanden werden, dass sie zum Erforschen einladen und einige positive Beispiele, z.B. die neue Version von Verius' Blitztempel, durchaus für Spielspaß sorgen können. Sidequests gibt es nur noch bei der neu eingeführten Katzengilde, müssen aus einem Menü ausgewählt werden und bringen euch dann mit einer bestimmten Zielvorgabe in ein abgestecktes Gebiet. Da die Belohnungen in der Regel Ausrüstungsgegenstände sind, die es günstig beim örtlichen Waffenhändler gibt, fällt die Motivation zum Absolvieren dieser Quests eher gering aus.

Das Kampfsystem ist an sich ebenfalls identisch mit dem aus dem Vorgänger - auf der Karte sichtbare (aber praktisch sofort wieder erscheinende) Gegner lösen bei Berührung einen Kampf in einer Arena aus, der in Echtzeit verläuft. Der Hauptcharakter läuft dabei auf einer Schiene entweder auf einen anvisierten Gegner zu oder von ihm weg und kann in Echtzeit Angriffe und Spezialangriffe platzieren, muss nach einer Combo, die meist aus drei bis fünf Treffern besteht, aber pausieren. Der Schwierigkeitsgrad ist dabei relativ typisch für die Tales-Serie: Monster in den Dungeons können über das gesamte Spiel hinweg mühelos beseitigt werden, die Bosse jedoch können extrem schwierig werden. Da das Spiel nur selten unfair wird, wäre das an sich ein Pluspunkt, wären da nicht die langen Zwischensequenzen vor den Kämpfen, die man auch nach einem Fehlversuch nicht überspringen kann. Dass der Spieler solche Sequenzen überspringen können sollte, müsste eigentlich zum Grundrepertoire jedes guten Spieledesigners gehören.
Tales of Pokémon
Eine noch viel fragwürdigere Komponente des Kampfsystems ist jedoch das System zum Züchten von Monstern. Wenn ihr im Kampf bestimmte, recht sinnlos wirkende Bedingungen erfüllt, könnt ihr danach versuchen, eines der besiegten Monster zu fangen... pardon, einen Pakt mit ihm zu schließen. Da Emil und Marta zunächst auch die einzigen Charaktere im Spiel sind, nehmen die Monster die beiden anderen Slots in der Party ein. So ganz überzeugt waren aber wohl die Entwickler selbst nicht von diesem System: Zwar wird am Anfang gesagt, dass Emil durch das Rekrutieren von Monstern stärker wird; diese Behauptung wird aber schnell unter den Teppich gekehrt und dann trifft man auch schon auf bekannte Charaktere aus dem Vorgänger, die über einen Großteil des Spiels hinweg als Gastcharaktere die verbleibenden Slots ausfüllen und im Kampf deutlich bessere Verbündete darstellen, als die Monster es sind.

Da Tales of Symphonia 2 größtenteils die selbe Spielwelt verwendet, wie sein Vorgänger, hat sich auch grafisch kaum etwas getan. Damit ist das Spiel stilistisch schön und technisch zwar auf Gamecube-Niveau, aber die Engine ist gut gealtert. Die neuen Charaktere fügen sich gut in die vorhandene Welt ein, allerdings bleibt fraglich, was sich das Tales-Team dabei gedacht hat, dem männlichen Hauptcharakter ein violettes, hautenges Kleid zu verpassen. Möglichwerweise ist ein Scherz des Konzeptzeichners, der die heute oft vorkommenden androgynen Hauptcharaktere parodieren wollte, zu bitterem Ernst geworden. Noch viel mysteriöser ist die CG-Sequenz nach dem letzten Bosskampf - erstens ist es die einzige CG-Sequenz im Spiel, zweitens ist sie in Spielgrafik gehalten und drittens ist sie so schlecht komprimiert, dass die Bildqualität schlechter ist als bei einem Handy-Video auf Youtube. Warum die Entwickler nicht einfach komplett bei der Spielgrafik geblieben sind, werden wir wohl nie erfahren. Zur akustischen Untermalung gibt es nur recht wenig zu sagen: Sowohl die Musik als auch die Sprachausgabe sind auf einem durchschnittlich guten Niveau, nicht mehr und nicht weniger. Fazit: Dieser letzte Satz gilt wohl auch für das komplette Spiel "Tales of Symphonia: Dawn of the New World". Insgesamt haben wir es mit einem Spiel zu tun, das durch nette Charaktere und viel Humor eine schöne Atmosphäre aufbauen und dank seines schnellen Action-Kampfsystems und der Dungeons, die zum Erforschen einladen, auch durchaus Spaß machen kann. Aufgrund von objektiven Schwächen in der Story und Abstrichen beim Spieldesign fällt der Nachfolger des Gamecube-Hits aber deutlich hinter Spiele wie Persona 4, andere Spiele aus der Tales-Reihe und eben auch den Vorgänger zurück. Einigen mag es außerdem sauer aufstoßen, dass der größte Teil der Spielwelt einfach aus dem Vorgänger übernommen wurde, womit es sich die Entwickler natürlich sehr einfach gemacht haben. Wer sich daran nicht stört, bekommt ein durchaus spielenswertes RPG, das mit einem zynischen Unterton als das beste außerhalb Japans erhältliche Wii-RPG bezeichnet werden kann.
Von Andreas Held
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| Wertung für das Spiel Tales of Symphonia: Dawn of the New World | |
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| 7.0 | Grafik Gamecube-Grafik im wörtlichen Sinne. Die Optik weiß immer noch zu gefallen und ist stilistisch schön, nur das Design des Hauptcharakters ist ein Griff ins Klo. | |
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| 7.2 | Sound Schöne, aber oft belanglose Hintergrundmusik und solide Sprachausgabe. | |
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| 8.5 | Steuerung Die Steuerung in den Kämpfen ist schnell und funktioniert gut, außerhalb der Kämpfe dank der fixierten und immer gut positionierten Kamera sowieso. | |
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| 7.9 | Gameplay Spielerische Abstriche zum Vorgänger; Dawn of the New World ist ein lineares, bis auf die Bosskämpfe anspruchsloses RPG, das trotzdem Spaß macht. | |
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| 7.5 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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