Unser Netzwerk: NintendoWiiX.net   | NintendoWiiX Forum   | Planet3DS.de
Create
Review von Tim Herrmann (mail) | 05.01.2011
Kreativspiele sind einer der größten Trends der letzten Jahre: Das klassische Videospiel, das einen Anfang und ein Ende hat, ist schon längst nicht mehr das einzige Kind auf dem Spielplatz: Titel ohne echtes Ende, ohne Geschichte und ohne vorgegebenen Ablauf machen sich immer breiter: Die Sims begeisterten Millionen, LittleBIGPlanet lud PS3-Spieler zum Experimentieren und Dekorieren ein, TrackMania lässt die Spieler selbst eigene Rennen entwerfen, Scribblenauts gibt die Möglichkeit, hunderttausende Dinge ins Spiel zu zaubern, und Wii Music gab seinen Käufern einen Baukasten voller Instrumente an die Hand, mit dem man dann arbeiten durfte, wie man wollte. EA will das Ganze jetzt auf die Spitze treiben und liefert mit Create ein Kreativspiel ab, das stolz darauf ist, weder eine Geschichte zu bieten noch vorgegebene Strukturen zu verfolgen. Ein Spiel, das prädestiniert für Wii zu sein scheint, parallel aber auch auf den HD-Konsolen erscheint. Wir haben die Version für Nintendos Konsole für euch unter die Lupe genommen.

Der Baukasten auf Disc
Create ist ein Baukasten. Auf die Disc ist kein einheitlicher Spielablauf geschrieben, sondern eine wilde Sammlung an Rennautos, Raketen, Luftballons, Rampen, Bällen, Farben, Tapeten, Blöcken, Formen und Bauobjekten. Doch die Spieler ganz allein mit ihrem umfangreichen Baukasten zu lassen, traut sich EA bei allem Kreativoptimismus auch nicht, sodass es als Hauptspielinhalt kleine Herausforderungen zu bestehen gilt. Zunächst wird der Spieler auf eine von insgesamt 14 schwebenden Inseln geworfen, die er zunächst nach seinen Wünschen anmalen und dekorieren darf. Für diese optionalen Dekorationen bekommt ihr sogenannte Create-Funken, eine Art Währung im Spiel, die nach und nach neue Levels und Objekte freischalten. Neben der Dekorationsmöglichkeit befinden sich in den kleinen Levels überall kurze Challenges, die den Spieler dazu auffordern, kreativ zu werden und Aufträge zu erfüllen. Dabei gibt es stets ein klar vorgegebenes Ziel zu erfüllen – so weit ist erstmal wenig Kreativität im Spiel. Doch um dieses Ziel zu erreichen, wird ein kleinerer oder größerer Baukasten aus verschiedensten Objekten zur Verfügung gestellt, mit denen man z.B. ein Geschenk durch einen Reifen fallen lassen, ein Objekt ins Ziel bringen oder Punkte einsammeln kann.

Theoretisch ist es nun so, dass dem Spieler tausend Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um das geforderte Endergebnis zu erreichen. Theoretisch. Denn praktisch hatten die Entwickler beim Erstellen solcher Levels und Herausforderungen natürlich mindestens eine, meistens mehrere Ideen vor Augen, wie man die Vorgaben am besten erfüllen kann, und haben den Baukasten dementsprechend mit nützlichen Items gefüllt. Diese Möglichkeiten sind meist recht offensichtlich, Kreativität muss man erst später wirklich spielen lassen.



Im Hintergrund des Spiels steht die Physik-Engine, ohne sie würde nichts funktionieren. Denn wenn ein Ball eine Rakete trifft, muss die Technik im Hintergrund berechnen, ob der Stoß ausreicht, um die Rakete umfallen zu lassen. Man könnte also sagen, dass Create schwerstabhängig ist von seiner Physik-Engine. Blöd nur, dass eben diese Physik-Engine in anderen Spielen schon wesentlich besser ausgefeilt und flüssiger umgesetzt war. Als eines der besseren Beispiele sei nur einmal Boom Blox genannt, ironischerweise auch ein Titel von EA für Wii. Die Physik-Engine in Create wirkt starr, ziemlich langsam und wenig dynamisch. Verformungen oder andere physikalische Feinheiten sind nie zu sehen, lediglich rudimentäre Ursache-Ereignis-Ketten werden dargestellt. Wenn eine Rakete hinter einem Auto gezündet wird, wird es nunmal nach vorn geschoben, kommt es an einen Abgrund, fällt es hinunter oder überschlägt sich.

Die Krux mit den Kreativspielen
Sobald man ein wenig von dem Weg abweichen möchte, den die Entwickler eigentlich angedacht haben, wird Create zu einer großen, lästigen Fummelei voller Trial & Error. Dann muss man die Blasrichtung von irgendwelchen Ventilatoren fünfmal anpassen, damit der Luftstrom auch wirklich den gewünschten Luftballon erreicht und ihn auch wirklich in die richtige Richtung transportiert, da müssen Bälle achtmal anders platziert werden, damit ihr Impuls ausreicht, um irgendetwas umzuwerfen. Das darf in einem solchen Spiel in der Form eigentlich nicht vorkommen, zumal wir hier immer nur von Gameplay in der Ebene reden, es geht abgesehen von der Dekoration nicht einmal wirklich in die dritte Dimension wie bei Boom Blox. Der Spieler wird nicht angemessen durch entsprechende Animationen und hilfreiches Feedback mit Informationen darüber versorgt, was beim Einsatz welches Items genau passiert. Dadurch fühlt sich das ganze Kettenreaktionsgameplay irgendwie schwammig und beliebig an und die Ergebnisse der kreativen Ausarbeitungen wirken meist zusammengeschustert. Schon kleine Vorschaulinien oder andere Hilfen hätten enorm dazu beigetragen, das zähe Ausprobier-Gameplay zu unterbinden und dem Spieler klare Ansagen zu machen.

Die Steuerung ist ebenfalls oft ein wenig umständlich und fummelig gelöst. Klickt man ein bereits platziertes Objekt mit dem B-Knopf an, öffnet sich ein Menü, das den Spieler zum Drehen oder Neigen des Gegenstandes auffordert. Das funktioniert, indem man den Pointer der Wii-Remote (der in dem Fall übrigens gar nicht zu sehen ist) nach links oder rechts bewegt. Einen Balken, der zur Regulierung dienen könnte, gibt es aber nicht, weswegen auch hier wieder das Stichwort „schwammig“ angebracht ist. Immerhin gefällt, dass die zu verwendenden Objekte in einer automatisch aus- oder einblendbaren Leiste angezeigt werden und nicht umständlich aus Menüs ausgewählt werden müssen.
 


Kettenreaktionen und sonst nichts
Jeder kennt diese spektakulären YouTube-Videos, in denen ellenlange Kettenreaktionen minutenlang über alle Höhen und durch alle Unmöglichkeiten laufen, nur um dann ganz am Ende irgendein Ereignis auszulösen. Create macht nichts anderes, als darauf aufzubauen. Create – also „Kreiere!“ – ist also eigentlich ein recht unpassender Namen. Denn bis auf immer neue Kettenreaktionen kann der Spieler hier im Prinzip nichts kreieren, wenn man von der Dekoration der Umgebung absieht. Hier machen Spiele wie Boom Blox vor, wie es richtig geht. In Boom Blox konnte der Spieler nicht nur eigene Türme bauen, sondern auch Regeln erstellen und ganz bestimmte Spielideen auf die Beine stellen. Und in LittleBIGPlanet 2 kreiert der Spieler ganz eigene Genres, wenn er will. In Create sind dagegen nur immer wieder neue Kettenreaktionen möglich.

Was dem Spiel außerdem fehlt, ist eine Seele: In LittleBIGPlanet gibt es den niedlichen Sackboy und die Stoffwelt, in Boom Blox gab es die witzigen Blocktierchen, in Scribblenauts gibt es Maxwell und seine vielen bastelbogenartigen Beschwörungen, in Create gibt es nichts dergleichen. Die Spielwelt ist nüchtern und detailarm gestaltet, die Objekte sind tatsächlich nur Objekte ohne irgendeine Besonderheit. Das Spiel wirkt fast schon technisch, wie eine Kettenreaktionssimulation, scheitert bei diesem Möglicherweise-Versuch aber wiederum an der schwammigen Physik-Engine, dem schwammigen Interface und der schwammigen Steuerung. Und nicht zuletzt auch an dem irgendwie eintönigen Gameplay, das nur zu immer wieder neuen Kettenreaktionen motivieren will und dabei in seine spielerischen Knie gezwungen wird, wenn es tatsächlich kreativ werden soll und der Spieler vom Pfad abweicht.

 
Und dann verletzt Create auch noch das selbstgesteckte Ziel eines Kreativspiels. Denn wenn man alle 14 Welten freigeschaltet und die darin enthaltenen Puzzles gelöst hat, ist der Titel tatsächlich zu Ende und es ist Schluss mit der unendlichen Welt der Fantasie. Daneben gibt es dann nur noch den freien Modus, in dem der Spieler sich zwar eine eigene Welt kreieren, hier aber nicht mit Herausforderungen für spielerischen Nachschub sorgen kann.

Den vielleicht größten Beinbruch leistet sich Create dabei auch noch bei der Frage nach der Internetanbindung. Die gibt es nämlich nicht. Und so verliert das halbe Spiel ruckzuck seine Daseinsberechtigung. Denn worin liegt der Sinn, in mühsamer Kleinarbeit einen eigenen Spielplatz für Kettenreaktionen zu kreieren, wenn er dann stur auf der eigenen Konsole verbleibt? Man müsste die eigenen Kreationen mit Freunden teilen und immer neue Ideen herunterladen können. Auf den HD-Konsolen kann man das. Auf Wii nicht, obwohl die Idee hier wohl eindeutig noch am besten aufgehoben ist.

Fazit:
Entwickler EA Bright Light meint es mit Create ja gut und versucht, Erfolgskonzepte wie LittleBIGPlanet und Boom Blox zu kopieren und auf ihr vermeintlich Wesentliches zu konzentrieren. Doch dieses Wesentliche trifft man mit dem Spiel eben nicht. Genannte Titel profitieren nicht von der schieren Möglichkeit, auf Teufel, komm‘ raus irgendetwas Eigenes zu erstellen, sondern vom gesamten Spielkonzept, das im Hintergrund steht. Und dazu gehört eine liebevolle Präsentation genauso wie vielfältiges Gameplay und griffige, schnelle Steuerung mit sofortigem Feedback für den Spieler. Alles das lässt Create vermissen und mischt auch noch einige eigene technische Fehlerchen und Ungeschicktheiten bei, die den Spielspaß ersticken: Es gibt nur immer neue Kettenreaktionen zu entwickeln, die Grafik und die Präsentation sind zu nüchtern, um den überschäumenden Lobeshymnen auf die Kreativität gerecht zu werden, und die Steuerung ist wie die Physik-Engine zu schwammig geraten, als dass man damit eine präzise und gleichzeitig spektakuläre Kettenreaktion erstellen könnte. So bleibt ein gut gemeinter Titel, der aber auf fast allen Ebenen weit hinter besserer Konkurrenz hinterherhinkt, sowohl auf Wii als auch auf den Konkurrenzkonsolen.

Von Tim Herrmann
Wertung für das Spiel Create
Wertungen Beschreibung
7.0Grafik
Keine grafischen Fehler, aber der gesamte Stil kommt trotz der Möglichkeit, alles einzufärben und zu dekorieren, zu nüchtern daher.
6.2Sound
Wer sich nach dem Spielen an den Sound zu erinnern versucht, wird wahrscheinlich keinen Erfolg haben, denn was da im Hintergrund läuft, ist lediglich Füllwerk. Ein paar schnittige Soundeffekte hätten dem Spiel auch gut getan.
6.3Steuerung
Der Pointer ist schnell und reagiert angenehm hurtig. Allerdings sind einige Steuerungsentscheidungen fragwürdig und die Interaktion mit der Umwelt ist zu wenig präzise und griffig, alles fühlt sich irgendwie wabblig und schwammig an.
6.0Gameplay
Wer Kettenreaktionen toll findet, bekommt mit Create einen umfangreichen Baukasten hierzu. Allerdings kann er seine Kreationen nicht mit Freunden teilen und muss sich mit einem Mangel an spielerischer Abwechslung und – ausgerechnet – einem Mangel an spielerischer Kreativität abfinden.
6.0Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



© Copyright GameCube X / Nintendo Wii X 2001 - 2023 | All rights reserved