Review von Lars Peterke (mail) | 05.12.2010
Rock Band geht in die dritte Runde. Während die Guitar Hero-Konkurrenz bedeutend öfter einen neuen Titel bringt, ist man bei Harmonix sparsamer und überlegt sich ganz genau, wie man auch wirklich etwas Neues bieten kann: Für Rock Band 3 hat man sich dazu eine Frischzellenkur der Instrumente überlegt. Als neues Instrument dazugekommen ist das Keyboard. Außerdem gibt es einen Pro-Modus für die Reihe an neuen Instrumentencontrollern, die weitaus mehr Knöpfe besitzen und somit auch ein weitaus realistischeres Spiel ermöglichen. Der Rest sind Detailverbesserungen und massig neue Songs. Wir haben uns das neue Musikpaket angesehen und verraten, ob sich der Kauf lohnt.
Aufgeräumte Menüs und ein etwas anderer Karrieremodus
Was einem zuerst auffällt, wenn man Rock Band 3 startet, ist das total schlanke Hauptmenü. Die ersten beiden Punkte heißen „Schnelles Spiel“ und „Karriere“. Während der erste Menüpunkt keine Erklärung benötigt, muss man die „Karriere“ hingegen schon etwas aufdröseln. Hierhinter verbirgt sich nämlich kein Karrieremodus, sondern ein Menü, das alle verfügbaren Erfolge auflistet, erledigte Erfolge markiert und allgemeine Infos listet. So gibt es in Rockband 3 also keinen Karrieremodus, sondern Spielerfolge, die ihr während des Schnellspiels sammelt. Wollt ihr also in der „Karriere“ weiterkommen, geht ihr ins Karrieremenü, schaut welche Erfolge noch fehlen und spielt dann im Schnellspiel ganz gezielt auf diese Erfolge an.
Wer jetzt die alte Karriere vermisst, der kann sich mit der „Road-Challenge“ trösten. Dies ist ein neuer Spielmodus, der sich innerhalb des Schnellspiels verbirgt. Hier könnt ihr online oder offline eine Band formieren und verschiedene Etappen spielen. Nach und nach schalten sich dann neue Challenges frei, ihr bekommt mehr Fans, neue Fahrzeuge und zusammen mit den Erfolgen der Karriere immer wieder neue Outfits, Instrumente und andere Goodies.

Abseits vom Schnellspiel und der Karriere bietet das Hauptmenü noch den Punkt „Training“, bei dem ihr einzelne Songs oder sogar einzelne Song-Abschnitte mit allen möglichen Instrumentausführungen bis zur Perfektion üben könnt. Spielt ihr mit den neuen Pro-Instrumenten, gibt es hier zusätzliche Menüpunkte, die euch das Instrument oder einzelne Songs näher bringen. Der Menüpunkt „Anpassen“ lässt euch am Bandprofil herumbasteln und eigene Charaktere erstellen. Die Auswahl hierbei ist einfach nur exorbitant riesig und kann locker mit einem Sims-Spiel mithalten. Der letzte Menüpunkt „Neue Songs erhalten“ führt euch schlicht und ergreifend zum Rock Band Store, wo ihr massig WiiPoints für neue Musik verbraten könnt.
Die Tatsache, dass das Hauptmenü so schlank ist, lässt sich wohl darauf zurückführen, dass es jetzt zwei Menüs gibt. Neben dem Hauptmenü hat nämlich jeder Spieler noch sein eigenes Menü, wo er spezifische Einstellungen (z.B. Links- oder Rechtshänder) wählt, seinen Spielcharakter wählt oder sich Ein- oder Ausloggt. Ihr könnt das Menü jederzeit mit dem Plus-Knopf öffnen und eure Einstellungen anpassen, während der Band-Leader die Setlist erstellt und das Spiel dann losgeht. Ist dies anfangs noch ungewohnt, findet man sich später jedoch bestens zurecht und lernt die neue Struktur sehr zu schätzen.
Verbesserungen im Detail, Songliste mit Höhen und Tiefen
Neben den personalisierten Menüs, womit die Neuerung mit dem größten Einschnitt abgehandelt wäre, gibt es noch haufenweise Änderungen im Detail. Hier wurde deutlich auf die Community gehört. Wer dann Rock Band 3 erkundet, findet an allen Ecken irgendwelche sinnvollen neuen Einstellungsmöglichkeiten und etwa neue Sortiermöglichkeiten bei der Songauswahl.

Im Gegensatz zu Guitar Hero, wo jeder Titel gewissermaßen für sich steht, zeigt Rock Band 3, dass es eher ein Add-On sein möchte. Alle Aspekte des Spiels sind darauf ausgelegt, dass ihr bereits die ersten beiden Spiele der Serie besitzt, die Songs (sofern dies möglich ist) brav auf SD-Karte exportiert habt und demnach schon eine kleine Songbibliothek angesammelt habt. Hier greifen dann auch die neuen Funktionen bei der Songauswahl und die Umgestaltung des Rock Band Stores hervorragend.
Ein ähnliches Fazit lässt sich daher auch für die neue Setlist ziehen, welche sich aus insgesamt 83 Songs auf der Disk zusammensetzt. Alle Songs zusammengenommen sind hier keinesfalls ein guter Mix, sondern eher eine sinnvolle Erweiterung für den bestehenden Songkatalog. Viele der Songs sind zudem auf die neuen Pro-Instrumente und das Keyboard zugeschnitten.
Wer also mit Rock Band 3 neu in die Serie einsteigen möchte, wird wohl weniger Spaß haben als Veteranen. Mainstreamlastige Songs wie Paramore’s „Misery Business“ sind hier eher die Ausnahme und Harmonix hat wie auch schon im zweiten Teil einen besonderen Fokus auf klassische Songs gelegt und konnte für den dritten Teil unter anderem Songs von Ozzy Osbourne, Queen, The Who und Slipknot für die Serie gewinnen.

Die Präsentation von Rock Band 3 ist zwar gewohnt gut, hat aber augenscheinlich einige Federn gelassen, vergleicht man sie mit der von Rock Band 2. Die Booklets und das Rückcover der Verpackung geben auch Auskunft wieso das so ist. Während Rock Band 2 von den Pi Studios für Wii und PS2 umgesetzt wurde, kommt die Wii-Fassung des dritten Teils von Backbone Entertainment. Da einem das so nicht sagt, hier ein kleiner Vergleich: Die Pi-Studios haben nicht nur die Portierung von Rock Band 2 übernommen, sondern machten auch die Umsetzung von Rock Band 1 und The Beatles: Rock Band. Ferner haben sie Rock Band AC/DC entwickelt und zeichnen für die ganzen Trackpacks verantwortlich. Und Backbone Entertainment? Die haben immerhin Lego Rock Band gemacht. Für den Nintendo DS. Na, Klasse! Und jetzt raten wir mal alle, welches der beiden Studios mehr Erfahrung mit der Wii-Hardware hat…
Das Resultat ist zwar immer noch in Ordnung, jedoch hier und da arg verpixelt und in seinen Farben extrem matt und verwaschen. Wenn die HD-Version von Rock Band ein maßgeschneiderter Anzug ist, ist das hier höchstens das abgetragene Leinenjacket von H&M. Doch immerhin - und das ist die Hauptsache - verfügt Rock Band 3 auch auf der Wii über alle Spielmodi und bietet DLC im vollen Umfang. Einziger Wehrmutstropfen ist hier die Quasi-Pflicht einer SD-Karte, wenn man alle Features denn auch entsprechend nutzen mag.
Fazit: Rock Band 3 ist ein zweischneidiges Schwert. So zweischneidig, das wir dafür zwei Wertungskästen bräuchten. Eine Wertung für die Rock Band-Anhänger, die bereits die ersten beiden Teile besitzen, sowie eine für die Pendler, die nach Guitar Hero: Warriors of Rock schon wieder neues Futter brauchen. Ganz objektiv ist die Präsentation von Rock Band 3 um einiges schlechter als die des zweiten Teils und die Songauswahl ist relativ speziell und dürfte nicht jeden ansprechen. Wer also aktuell ein gutes Musikspiel sucht, ist mit Guitar Hero: Warriors of Rock definitiv besser beraten. Allein für sich gesehen bietet Rock Band 3 zwar viele neue Features, ist aber effektiv ziemlich langweilig, da die Songauswahl nicht unbedingt die Masse anspricht und wieder einige Sonderlinge beherbergt. Der zweite große Kritikpunkt ist der Kostenfaktor. Die neuen Pro-Spielmodi sind nämlich logischerweise nur mit den neuen Pro-Instrumenten nutzbar. Der Fender Mustang Pro-Controller von MadCatz kostet bei Amazon schlappe 149€. Der neue Keyboard-Controller ist mit 79€ dagen ja noch preiswert, sofern ihr denn überhaupt einen bekommt. Im Laden jedenfalls haben wir noch keinen gesichtet. Wir fragen uns, ob es die Dinger überhaupt gibt. [Anmerkung von A. Held: In großen Märkten in Großstädten sieht man vereinzelte Keyboards und mit viel Glück sogar eine Pro-Gitarre]. Ein Blick ins Rock Band 3-Booklet verriet uns übrigens, dass auch EA nichts Genaueres weiß. So steht als Überschrift des Controllers geschrieben: „Wireless Keyboard (Unter Umständen separat erhältlich)“. Unter Umständen?! Wir finden, unter Umständen ist das Betrug am Kunden. Besitzer der Vorgängertitel dürfen sich hier jetzt ihre eigene Wertung basteln: wen einige der neuen Disc-Songs reizen, darf bedenkenlos zugreifen. Man bekommt 83 spielerisch gute Songs und viele Features die das Spielen angenehmer machen. Und der Rest von euch? Der kauft jetzt bitte Guitar Hero.Anm. d. Red.: Da es seitens EA nicht möglich war uns Pro-Instrumente und ein Wireless Keyboard zur Verfügung zu stellen, konnten wir die Gameplay-Aspekte der davon betroffenen Modi leider nicht detailgenau beleuchten.Zweite Meinung von A. Held:
Als jemand, der Rock Band seit dem Release vor zweieinhalb Jahren regelmäßig spielt, hat man natürlich einen ganz anderen Blick auf den Titel als 95% aller anderen Spieler. Und aus diesem Blickwinkel betrachtet wäre Rock Band 3 die größte Software-Enttäuschung des Jahres, wenn Gran Turismo 5 nicht völlig überraschend doch noch released worden wäre. Sowohl der Sony-Racer als auch Rock Band 3 haben einfach das Problem, dass sie im Vorfeld von den Entwicklern als das neue Nonplusultra gehyped wurden, tatsächlich aber nicht mal mit ihren eigenen Vorgängern mithalten können. Rock Band 3 bietet mit den Pro-Instrumenten ein neues Feature, das aufgrund des Preises und der Schwierigkeit, sich in diese Instrumente einzuarbeiten, nur eine extrem kleine Nische anspricht. Alle anderen schauen in die Röhre, da Rock Band 3 sonst in allen anderen Punkten verschlechtert wurde: Die Spielmodi wurden zusammengekürzt, die neuen Spielmodi schlecht implementiert und die neue Setliste ist dank Interpreten wie Amy Winehouse, HIM, Bob Marley oder Tokio Hotel aus rein musikalischer Sicht die schlechteste aller Zeiten. Maximal 15-20 der neuen Songs sind auf den alten Instrumenten spaßig (dort sind mit Titeln wie Rainbow ind the Dark, Freebird oder 25 or 6 to 4 aber auch richtige Kracher dabei), der Rest der Liste ist bewusst einfach gehalten und soll den wenigen Käufern der Pro-Instrumente einen leichten Einstieg geben, während alle anderen gelangweilt in die Röhre schauen. Der neue Charaktereditor bietet weitaus mehr Möglichkeiten, aber was bringt das, wenn nahezu alle möglichen Ergebnisse unfassbar häßlich sind und man sich sofort nach seinem alten Rock Band 2-Charakter zurücksehnt? Dazu kommen kleine Ungereimtheiten wie die zu üppig vorhandenen optischen Effekte, die das reine Spielen schwieriger machen, und grobe Klöpse wie der konsolenübergreifende Bug, der das Spiel bei einem bestimmten Ladebildschirm zum Absturz bringt. Dumm nur, dass Fans praktisch zum Umsteigen gezwungen werden, denn jeglicher DLC, der ab dem Release des dritten Teils veröffentlicht wird, ist mit den Vorgängern nicht mehr kompatibel. Hat man sich an die ganzen Rückschritte gewöhnt und sie verkraftet, macht Rock Band 3 irgendwann wieder Spaß, aber es bleibt die traurige Tatsache, dass es eben "nur" ein gutes Musikspiel ist, und nicht der Genre-Primus, der es hätte sein sollen und der Rock Band 2 seiner Zeit auch war.
Von Lars Peterke
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| Wertung für das Spiel Rock Band 3 | |
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| 7.1 | Grafik Die Präsentation ist dank Backbone Entertainment nicht sonderlich gelungen und die Anpassung an die Wii war in der Vergangenheit wesentlich besser | |
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| 9.0 | Sound Gewohnt gute Qualität der Akustik, nicht ganz so gut wie noch im zweiten Teil. | |
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| 9.5 | Steuerung Die Steuerung mit der Hardware läuft wie aus einem Guss. Die neuen Menüs wurden gut eingebettet und lassen sich jederzeit bequem erreichen. Durch die neuen Menüstrukturen kann man zudem wesentlich besser navigieren. | |
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| 7.7 | Gameplay Viele neue Features erweitern das Gameplay zwar hervorragend, doch geht diese Rechnung nur für Serienveteranen auf. Alle anderen finden eine sehr durchwachsene Songauswahl und einen bis auf die Erfolge komplett wegrationalisierten Karrieremodus vor. | |
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| 8.0 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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