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Sid Meier's Pirates!
Review von Marcel Garling (mail) | 05.12.2010

Wenn man sich in der heutigen Elterngeneration nach einem PC-Spieler umsieht und ihn fragt, was es früher denn so alles gab, dann fiele ihm irgendwann sicher auch Sid Meier’s Pirates! (ja, mit Ausrufezeichen) ein. Es war eines der absoluten Kultspiele der späten 80er-Jahre, vereinte es doch auf erfrischende Weise Wirtschaftssimulation und Rollenspiel, und sorgte auf der ganzen Welt für viele vergnügliche Stunden vor den heimischen Rechenmaschinen. Ob auch die kürzlich erschienene Wii-Fassung von Pirates! seinem großen Namen gerecht werden kann, lest ihr in unserem Test.

Vom Tellerwäscher zum Kapitän
Die Geschichte hinter dem Spiel ist eigentlich unwichtig und schnell erzählt: In einem Einleitungsvideo wird euch gezeigt, wie eure Familie von dem spanischen Adligen Marquès Montalban gefangen genommen wird, weil sie durch den Verlust eines Schiffes, das zur familiären Flotte gehörte, die Schulden bei ihm nicht mehr bezahlen kann. Ihr verkörpert den damals noch kleinen Jungen der Familie, der dieser Gefangennahme entkommen konnte, und sich zehn Jahre später dazu entschließt, auf See zu fahren, um seine Familie wiederzufinden. Bei seiner ersten Seereise als Matrose wird die ganze Mannschaft allerdings so sehr vom Kapitän terrorisiert, dass unser Held eine Meuterei anzettelt und anschließend selbst das Kommando über die Mannschaft erhält. Da setzt dann das eigentliche Spiel an, in dem ihr euch mit allerlei Geschick einen Namen unter den Piraten macht.



Jeder fängt mal klein an
Anfangs sucht ihr euch eine von vier Nationalitäten aus (Spanier, Franzosen, Engländer, Holländer). Diese Länder stehen in einem ständigen Beziehungsgeflecht zwischen Krieg und Bündnis miteinander. Nachdem ihr euren Charakter und euer Schiff mit allerlei Klamotten und Ausrüstung individualisiert habt, segelt ihr also mit der Mannschaft und eurem ersten, kleinen Schiff auf der Weltkarte des 17. Jahrhunderts umher. Ihr schaut dabei immer aus der Vogelperspektive aufs Meer. Alsbald lauft ihr im ersten Hafen ein, was für euch vor allem eines bedeutet: Jetzt gibt’s viele Menüs zum Klicken! Ihr könnt dem Händler einen Besuch abstatten und ihm Essen (eure Crew kriegt auch Hunger), oder auch Luxusgüter und andere Waren abkaufen, die ihr dann in einer anderen Stadt gewinnbringend wieder verkaufen könnt. Ein Besuch in der Taverne beschert euch die Möglichkeit, weitere Matrosen für eure Mannschaft anzuheuern, außerdem halten der Barkeeper oder ein geheimnisvoller Fremder auch so manchen hilfreichen Tipp oder Schatzkarten bereit. Habt ihr alle Teile einer Schatzkarte erlangt, könnt ihr euch anhand der Anhaltspunkte auf der Karte ungefähr den Suchbereich eingrenzen und dann herumsegeln, bis ihr auf eine kleine Stelle mit einer schönen roten X-Markierung trefft, die euch zu neuem Reichtum verhilft. Der Fremde in der Taverne verrät euch aber auch schon mal, wo sich eines eurer Familienmitglieder befindet oder wo sich die Piraten von der „Liste der gefürchtetsten Piraten“ aufhalten. Denn euer Hauptziel ist es tatsächlich nicht nur, eure Familie wieder zu vereinen. Es geht um Ruhm und Ansehen und das erlangt ihr durch das Kämpfen gegen andere Piraten (um in der Liste aufzusteigen) oder gegen die Schiffe einer feindlichen Nation. Ihr könnt euch aber auch jederzeit von der anfangs gewählten Nation abwenden und einer anderen dienen.

Die Seekämpfe laufen im Allgemeinen so ab: Ihr segelt in die Nähe eines anderen Schiffs und drückt dann den A-Knopf, um die Schlacht zu starten. In der Schlacht könnt ihr drei verschiedene Arten von Kanonengeschossen wählen, mit denen das gegnerische Schiff geschwächt wird. So könnt ihr dann das Schiff entweder versenken oder, und das ist eigentlich die schlauere Variante, es erst schwächen und dann rammen. Sobald die beiden Schiffe aufeinanderprallen, überfällt die eigene Mannschaft das gegnerische Schiff und man darf sich an einem Schwertduell mit dem gegnerischen Kapitän versuchen. Habt ihr das gewonnen, gehören die Schätze des Schiffs sowie die Mannschaft und eventuelle Spezialisten (Crewmitglieder mit besonderen Fähigkeiten) euch und ihr könnt euch entscheiden, ob ihr das Schiff behalten oder lieber versenken wollt.

Erfolgreich geführte Kämpfe erhöhen euer Ansehen bei den Gouverneuren der Städte, was euren politischen Rang erhöht und so wiederum dazu führt, dass euch das Spiel erleichtert wird, so werden beispielsweise Reparaturen oder Upgrades an eurem Schiff billiger. Pirates! ist also beinahe schon ein Endlosspiel, das erst dann endet, wenn man wirklich überall den höchsten Rang erreicht, seine Familie wiedergefunden, die Gouverneurstöchter beeindruckt (dazu gleich mehr) und alle Schätze geborgen hat. Da aber jede Partie durch die immer wieder anders gestrickten Beziehungen der Länder und variierbaren Schwierigkeitsgrade irgendwie einzigartig ist, erlebt man nie zweimal das gleiche Spiel.



Was gibt’s Neues in der Wii-Fassung?
Vielleicht ist euch eines bei den bisherigen Ausführungen zu Pirates! aufgefallen: Das trifft alles auf absolut jede Version des Spiels zu! Also was unterscheidet die Wii-Fassung von der für PC und Xbox? Klare Antwort: Die Minispiele, was sonst! Von denen gibt es genau drei Stück: Zum einen das bereits erwähnte Schwertduell-Minispiel. Es kommt zum Einsatz, wenn ihr ein anderes Schiff kapert, aber auch, wenn ihr einen Betrüger in einer Taverne herausfordert. Angeblich gibt es bei diesem Minispiel verschiedene Möglichkeiten des Angriffs. Doch egal, wie man mit der Wii-Fernbedienung herumfuchtelt und egal, welches Schwert man nimmt: Eigentlich kommt immer dasselbe dabei heraus. Die Bewegungserkennung ist zu ungenau, als dass man irgendwie gezielt agieren könnte.

Das gleiche lässt sich auch über das Tanz-Minispiel sagen. Ab und zu bietet euch der Gouverneur einer Stadt an, mit seiner Tochter auf einem Ball zu tanzen. Das äußert sich darin, dass ihr euren Charakter urplötzlich in einem mit Menschen angefüllten Ballsaal vorfindet und die Fernbedienung in Richtung der angezeigten Pfeile schwingen sollt. Ergebnis: In der Hälfte der Fälle funktioniert es nicht, die Dame ist aber (zumindest auf einfachen Schwierigkeitsgraden) trotzdem hochzufrieden mit euch.

Und dann gibt es da noch das ganz neue Minispiel, das nur in der Wii-Version enthalten ist: Das Bombardement. Wollt ihr in einen Hafen einlaufen, der euch zu feindlich gesinnt ist, wechselt die Ansicht des Spiels auf eine „Matrosenperspektive“. Ihr seht die Welt, als stündet ihr auf dem Schiff und habt ein einfaches Prinzip zu verfolgen: Zielt mit dem Pointer auf die Gebäude des Hafens und haut alles klein, bevor das Schiff zerstört wird. Das funktioniert auch, der Spaßfaktor hält sich aber deutlich in Grenzen. Über den Spaßfaktor des zusätzlichen, aber stark aufgesetzt wirkenden, 2-Spieler-Modus für die Minispiele müssen daher keine weiteren Worte verloren werden.



Außerhalb der Minispiele bietet Pirates! allerdings eine ziemlich solide Steuerung. Mit den Pfeiltasten navigiert ihr euer Schiff und zoomt die Kamera rein und raus, ein Druck auf 2 wechselt zwischen voll aufgespannten und gerefften Segeln, mit der B-Taste bedient ihr euch eines Fernglases und die Plus- und Minus-Tasten sind den Menüs vorbehalten.

Nicht gerade das Gelbe vom Ei ist dagegen die Grafik: Man sieht eigentlich die ganze Zeit nur blau (und das bisschen Land in grün). Wenn das nicht der Fall ist, dann befindet man sich entweder gerade in einem der Minispiele oder navigiert durch die zahlreichen Menüs, die einen daran erinnern, dass Pirates! eigentlich ein PC-Spiel ist und im Herzen gerne bleiben würde. Umso weniger verstädnlich ist es, warum bei jedem Wechsel zwischen Minispiel, Oberwelt und Menüs (und man muss oft wechseln!) ein fünfsekündiger Ladebildschirm eingeblendet wird. Das ist anfangs noch nicht so schlimm, aber je länger man spielt, desto mehr ärgert man sich über diesen technischen Makel.

Fazit:
Es ist das klassische Pirates!. Und das bedeutet, dass alle, die sich gerne strategisch fordern möchten, mit dem Titel durchaus Spaß haben werden. Aber warum sollte ein potentieller Kunde 40 Euro für diesen Wii-Titel zahlen, wenn das technisch (bessere Grafik, ohne indiskutable Ladezeiten) wie spielerisch bessere PC-Remake aus dem Jahr 2004 mittlerweile zum Spottpreis daherkommt? Auch insgesamt merkt man dem Spiel doch deutlich an, dass es auf dem PC besser aufgehoben ist als auf der Wii. Die klischeebehaftete Annahme der Entwickler, ein paar Minispiele mit (mieser) Bewegungssteuerung könnten dem Ganzen mehr Action verleihen und es konsolentauglicher machen, ist eigentlich eine Beleidigung jedes Wii-Zockers. Wem es aber unbedingt nach neuer Strategiekost auf Wii dürstet und wen die Vorstellung des Piratendaseins mit einer unbändigen Freude erfüllt (und wer keinen Computer hat!), der wird mit einem Kauf von Pirates! nicht allzu viel falsch machen.

Von Marcel Garling
Wertung für das Spiel Sid Meier's Pirates!
Wertungen Beschreibung
5.0Grafik
Keine animierten Menüs und die Oberwelt sieht immer gleich aus.
7.9Sound
Schöne Musikkulisse und passende Soundeffekte schaffen Atmosphäre.
6.4Steuerung
Geht in Ordnung, nur in Minispielen aufgezwungen.
5.8Gameplay
Viel Hin- und Hersegeln wechselt sich ab mit Menübedienung.
6.0Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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