Review von Lars Peterke (mail) | 09.06.2007
Es war so klar, dass Ende Mai die ganze Welt ins Kino stürmt, um sich den neuen Film mit Johnny Depp anzusehen: Fluch der Karibik 3: Am Ende der Welt. Dagegen habe ich ja nichts. Denn auch ich bin gestürmt und fand den Film richtig klasse. Damit war’s dann aber auch gut. Bislang hat es mich noch kein zweites Mal ins Kino gezogen und auch das passende Lizenzspiel im Elektronikmarkt habe ich erfahrungsgemäß und aus sehr gutem Grund ignoriert. Allerdings kann man als Videospiel-Redakteur nicht vor jedem Spiel flüchten und so blieb mir nichts anderes übrig, als dann doch noch ein zweites Mal mit Captain Jack Sparrow ans Ende der Welt zu segeln. Und es war grausam. Schiff ahoi!
Trinkt aus, Piraten, Yo-Hoo
Zu Beginn ist man noch relativ gespannt. Schließlich bietet das Szenario von Fluch der Karibik 3 genug Stoff für ein actiongeladenes Videospiel. Ich lege mir zunächst ein Profil an und kann dann auch sofort mit der Story loslegen. Der Fairness halber fängt das Spiel nicht in Zao-Feng’s übel riechendem Badehaus (Kinogänger werden sich erinnern) an, sondern zu Beginn von Fluch Der Karibik 2, als der gute Jack sich daran macht das Herz von Davy Jones zu stehlen.
Zu Beginn muss ich deshalb aus einem Kerker ausbrechen. Das Fiasko beginnt. Die Grafik des Spiels lässt mich schaudern. Denn in der kurzen Einleitungssequenz muss ich einen Jack Sparrow sehen, der so detailarm wie Solid Snake auf der PSX aussieht. Na ja, sagen wir fast, ein bisschen besser sieht es schon aus. Es entspricht ungefähr der grafischen Qualität einer PSP. Und damit wären wir auch schon beim ersten Aspekt des Spiels, der die gleich folgende Gesamtwertung rapide absinken lassen wird: Der Grafik allgemein.
Im ersten Level und den darauffolgenden Arealen wird einem schnell klar, dass dieses Spiel eindeutig für die PSP entwickelt und dann auf die Wii portiert wurde. Ich sage das nicht, weil ich böse auf Eurocom bin, sondern weil ich als ehemaliger PSP-Redakteur in einem Jahr so viele PSP-Spiele gesehen und gespielt habe, dass ich wohl ganz genau weiß, wie diese Dinger aussehen. Objektiv gesagt hat das Spiel detailarme Charaktere und mittelmäßige Umgebungen mit schlechten Texturen und gelegentlich netten Lichteffekten. Subjektiv betrachtet ist es einfach nur ein umgesetztes PSP-Spiel mit Wii-Steuerung. Quasi eine Stufe schlimmer als ein Wii-Make.
Weiter im Spiel vorangeschritten, muss der Spieler als Jack Sparrow aus einem Kerker entfliehen. Dabei sind diverse Aufgaben zu erledigen. Gegner werden mit dem Piratendolch erlegt, an speziellen Punkten kann ich mit dem C-Knopf mit der Umgebung interagieren, sprich besondere Hindernisse überwinden, Türen öffnen und so weiter. Mit Leuten reden kann man auch noch, allerdings bringt einen dies selten weiter. Gelenkt wird mit dem Stick, Items wie z.B. Spezialwaffen wählt man mit dem Steuerkreuz und mit dem B-Knopf verwendet man Fleisch. Fleisch ist gesund, weckt Vitalität und es füllt eure Lebensenergie.
Kommen wir zum zweiten Spielaspekt, welches das Spiel endgültig ins Piratengrab schickt: Die Steuerung. Wenn man für Wii entwickelt, dann ist man quasi gezwungen, irgendwelche speziellen Steuerungsmechaniken einzubauen, damit jeder denkt "Hui, wie innovativ, next generation of gaming!". Das haben die Entwickler von Eurocom, die ebenfalls die PSP-Version entwickelt haben - nur um darauf noch einmal zurück zu kommen - irgendwie zu wörtlich genommen. Denn sie haben einfach ein 08/15-Wii-Setting auf die Steuerung gesetzt. Geschlagen wird jetzt nicht mehr via Button, sondern per Schwung der Wii-Fernbedienung nach links oder rechts. Bewegt ihr die Wii-Fernbedienung nach vorn, kann im Laufe einer Combo der Gegner gestochen werden. Der Witz an der Sache ist, dass das Spiel erst auf die Bewegungen der Wii-Fernbedienung reagiert, wenn ich eine bestimmte Schlaggeschwindigkeit anwende. Und genau dieser Umstand führt dazu, dass mir spätestens in einem gegnerlastigen Level nach fünf Minuten der Arm weh tut und ich deswegen fast dazu gezwungen werde, das Spiel auszuschalten. Auch der linke Arm kommt nicht zu kurz. Wer einen Gegner greifen will, der muss das Nunchuck zunächst gefühlte zwei Meter nach oben reißen. In Anbetracht der Tatsache, dass die zweite Software-Generation für Wii anrückt - in der es die Kinderkrankheiten von Launch-Titeln nicht mehr geben sollte -, dürfen wir ja so langsam mal erwarten, dass die Entwickler wissen, wie man eine gute Wii-Steuerung entwickelt.

Der Vollständigkeit halber: weitere Features
Auch wenn so ziemlich jedem Spieler jetzt klar sein sollte, dass Spiderman 3 gegen dieses Spiel ein göttlicher Segen ist, so seien doch noch einige Features dieses Machwerks angesprochen. Neben 480p und 60Hz gibt es nämlich einige weitere Spielfeatures.
Zum einen die Untermissionen. Diese lassen sich im Rahmen einer Mission ausführen, sind selbsterklärend und eigentlich völlig unspektakulär. Allerdings bieten sie nach erfolgreichem Abschluss Items für den geneigten Piraten, um das Level besser abzuschließen. Zweites Feature ist der Jackanismus. Hier handelt es sich um interaktive Videosequenzen, ähnlich wie in Resident Evil 4. Jack führt irgendeine Aktion aus, wie beispielsweise das Vorbeischleichen an Soldaten. Dabei werden im Laufe der Sequenz Knöpfe angezeigt, die man drücken muss, damit Jack die Aktion nicht versaut. Das Ganze ist eine nette Idee. Und wer dabei erfolgreich ist, kriegt eine Belohnung (z.B. Geld, das man in den Minispielen Piratenwürfeln und Piratenpoker verjubeln kann). Erstgenanntes Minispiel kennt man bereits aus dem zweiten Kinofilm, in dem Will Turner gegen Davy Jones spielt. Man tippt wie viele Würfel einer Augenzahl gewürfelt wurden. Dabei zählen alle Augen. Es wird sich solange gegenseitig überboten bis alle Spieler passen oder einer den Einsatz des vorherigen Spielers als Lüge bezeichnet. Je nachdem gewinnt der Lügenentdecker oder der, der mit seinem Einsatz richtig lag. Das Piratenpoker basiert schlicht auf der echten Pokervariante „Texas Hold 'em“. Einziger Unterschied hier ist, dass - genau wie beim Piratenwürfeln - mit Spezialfähigkeiten ein Schummeln möglich ist.
Abschließend findet sich noch der Herausforderungs-Modus im Hauptmenü, in dem man diverse Bonusaufgaben aus den insgesamt 12 Levels des Spiels erledigen darf. Hat man das geschafft, gibt es noch den Duell-Modus. Falls gewünscht kann auch noch ein zweiter Pirat ins Spiel einsteigen. Ansonsten ist damit dieses Spiel erschlagen und könnte theoretisch als durchschnittliches Actionspiel mit einigen netten Ideen bezeichnet werden. Wären da nicht die offensichtliche PSP-zu-Wii-Umsetzung mit der grausigen Grafik, die schlecht aufgesetzte Steuerung und als letzter Punkt die Atmosphäre. Viele Sequenzen wurden nämlich so zweckentfremdet, dass das Spiel nicht mehr so viel mit dem Storyablauf der Filmvorlagen zu tun hat. Und während die Hintergrundmusik noch halbwegs in Ordnung ist, so ist doch die deutsche Synchronisation der Charaktere alles andere als gelungen.
Fazit: „Sagt mir, WiiX-Redakteur: Fürchtet ihr den Tod?“ würde Davy Jones mich jetzt fragen. Nein, den Tod fürchte ich nicht - aber dieses Spiel. Der einzig uneingeschränkt positive Aspekt ist, dass man nach knappen 20 Spielminuten weiß, dass dieses Spiel schlecht ist. Im Kinofilm würde man für so eine Schlussfolgerung immerhin erst 170 Filmminuten ausharren müssen. Eine miserable Grafikleistung, eine miserable Steuerung und viele Mittelmäßigkeiten machen dieses Spiel zum ultimativen Griff ins Piratenklo. Wer unbedingt mit Jack Sparrow ans Ende der Welt segeln möchte, der greift lieber zu den besser gelungenen PSP- und DS-Varianten des Spiels. Von dieser Version aber bitte die Finger weg lassen und das Geld lieber gesparen. Es erscheinen in naher Zukunft sicherlich genug weitere Spiele, deren Qualität den voraussichtlichen Vollpreis dann uneingeschränkt rechtfertigen.
Von Lars Peterke
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| Wertung für das Spiel Fluch der Karibik: Am Ende der Welt | |
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| 3.2 | Grafik Im Prinzip eine Umsetzung von der PlaystationPortable-Version. | |
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| 5.3 | Sound Musik und Effekte gehen noch in Ordnung, lausige deutsche Sprachausgabe. | |
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| 2.9 | Steuerung Nicht einmal die elementarsten Funktionen der Wii-Steuerung wurden (klug) in das Spiel integriert. | |
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| 5.0 | Gameplay Schlechte Filmadaption und miese Steuerung rauben dem Spieler den Spielspaß. | |
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| 3.8 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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