Review von Kamil Witecy (mail) | 06.11.2010
Die Fußball Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika ist seit knapp vier Monaten vorüber, dafür rollt das runde Leder seit mehreren Wochen wieder im nationalen Liga-Alltag. Dies gilt natürlich auch besonders für die Bundesliga, die derzeit von den jungen Wilden aus Mainz und Dortmund gehörig aufgemischt wird, während einige etablierte Mannschaften noch nicht richtig warmgelaufen sind und derzeit noch im Niemandsland der Tabelle herumdümpeln. Grund genug also, dass auch Electronic Arts wieder zum virtuellen Kick einlädt und die alljährliche FIFA-Version in die Läden bringt. Wir haben Wii-Remote und Nunchuk startklar gemacht, und uns auf den grünen Rasen begeben.
Historische Randpunkte
Während FIFA für die PS3 und Xbox360 in den letzten Jahren von Jahr zu Jahr besser wurde, haben die Wii-Ableger so einige Höhen und Tiefen hinter sich, die mit dem ernüchternden FIFA WM 2010 ihren vorläufigen Tiefpunkt erreicht hatten. Mit FIFA 11 wollen die Entwickler wieder zu alter Stärke zurückfinden und auch auf Nintendos Heimkonsole ein ausgereiftes Fußball-Gesamtpaket mit einem großen Umfang abliefern. Das geht bei Electronic Arts natürlich zunächst über die umfangreichen Fußball-Lizenzen. Die Zahlen sprechen auch dieses Mal eine eindeutige Sprache: Mit 30 lizenzierten Ligen und mehr als 500 Teams, in denen mehr als 12.500 virtuelle Profispieler ihr fußballerisches Talent unter Beweis stellen, ist FIFA in dieser Hinsicht jeglicher Konkurrenz meilenweit voraus und somit bestens gerüstet.
Spielerisch bleibt es auch in FIFA 11 dabei, dass auf der Wii weniger Realität gewünscht ist. Als Arcade-Kick konzipiert, geht es vor allem um leicht zugänglichen Fußball-Spaß, in dem viele Tore fallen. Erzeugt wird das Ganze wieder durch die hohe Spielgeschwindigkeit und die gute Bewegungserkennung, die einen tadellosen Spielablauf zulässt. Zudem gesellen sich eine auf hohem Schwierigkeitsgrad ziemlich fordernde KI und unzählige neue Tricks der virtuellen Ballkünstler. Gerade das Tricksystem wurde noch etwas verfeinert, sodass ihr einen noch direkteren Zugriff auf die zahlreichen Finten, Übersteiger oder Marseille-Pirhouetten aus dem Spieler-Repertoire habt, was dem schnellen Spielverlauf sichtlich gut tut. Lediglich die im Vergleich zum normalen Spielertempo nur minimal schnellere Spurtbewegung, wirkt ein klein wenig unglücklich.

Die Steuerung ist wie gehabt in den verschiedensten Varianten möglich. Ob mit Wii-Remote und Nunchuk, Classic Controller oder ganz simpel nur mit der Wii-Remote, es ist für jeden Spieltypen wieder etwas dabei. Vor allem die Steuerung mit Wii-Remote und Nunchuk, die den Wii-Pointer für die Pass- und Schussrichtung nutzt (Passsteuerung per Nunchuk ist ebenfalls möglich), hat sich etabliert, aber auch die traditionelle Steuerung mit dem Classic-Controller sollte viele Anhänger finden. Zu erwähnen ist noch, dass bei der Wii-Remote und Nunchuk-Kombination glücklicherweise auf die meist nervigen „Schüttel-Aktionen“ fast komplett verzichtet wurde, nur noch beim Ausführen von harten Grätschen müsst ihr eure Wii-Fernbedienung schwingen. Somit präsentiert sich die ohnehin schon gelungene Steuerung von FIFA 10 noch ein kleines Stückchen geschliffener. Die „Wii-Remote Only“-Steuerung ist weiterhin die leichteste Variante und eindeutig nur für absolute Einsteiger konzipiert. Hier schaut man einfach dem Spielgeschehen zu und muss im richtigen Moment einen Pass oder Schuss abgeben.
Der Ball rollt wieder
Trotz des Arcade-Einschlages muss der geneigte Fußball-Fan in FIFA 11 nicht auf die wichtigsten genretypischen Spielmodi verzichten. Im Turnier-Modus kann man entweder an zahlreichen Pokalwettbewerben (z.B. DFB-Pokal, F.A. Cup, Copa de Espana) teilnehmen oder aber auch komplette Saisons (z.B. Deutsche Bundesliga, Premier League) von diversen Ligen nachspielen. Vorab empfiehlt es sich jedoch immer, einen Blick auf das Team-Management zu werfen, um der Mannschaft in punkto Aufstellung, Strategie und Spielerverhalten den letzten Feinschliff zu verpassen. Wer darüber hinaus noch ein wenig unerfahren ist und noch etwas Übung benötigt, kann den umfangreichen Trainings-Modus nutzen, um sich auf eine Saison vorzubereiten. Egal ob es darum geht, sich an eine der Steuerungsarten zu gewöhnen oder sich im Intensivtraining zum Freistoß-Experten zu mausern – schon im Training kann man Dutzende von Spielstunden verbringen.
Im wie immer umfangreichen Mehrspielermodus kann schließlich ausgefochten werden, wer der bessere Spieler ist. Dabei ist es FIFA-typisch auch wieder möglich, mit insgesamt vier Spielern in einer Mannschaft gegen den Computer anzutreten und so auch sämtliche Liga- und Pokalspiele zu bestreiten. Auch 2 vs. 2-Matches sowie Turniere mit mehreren spielergesteuerten Mannschaften sind natürlich wieder möglich. Wer keinen Mitspieler parat hat, kann auch dieses Jahr wieder online zeigen, was er an fußballerischer Klasse vorzuweisen hat, und sich mit Spielern aus aller Welt messen. Im neuen 2 vs. 2 Online-Spiel besteht sogar die Möglichkeit, gemeinsam mit einem Freund gegen zwei andere Kontrahenten online zu spielen. Ein zusätzlicher Ansporn ist auch die internationale Bestenliste, die es zu erklimmen gilt. Zudem erweist sich der gesamte Online-Part zumeist absolut problemlos und kommt ohne lästige Freundescodes daher. Hiervon kann sich der ein oder andere Publisher und Entwickler eine gehörige Scheibe abschneiden.
Spielspaß auf der Straße und in der Halle
Schon alleine wegen der unterschiedlichen Gameplayausrichtung – Arcade vs. Realismus – liegen die Unterschiede der Wii-Version im Vergleich zu den Versionen für die beiden HD-Konsolen auf der Hand. Darüber hinaus enthält die Wii-Version weiterhin keine Unterstützung der wöchentlichen (aber kostenpflichtigen) Live Season-Updates, das Erschaffen wirklich eigener „Virtual Pros“ ist aufgrund der Technik nur bedingt möglich, auf die Creation-Center-Applikation, mit der eigene Teams erstellt werden können, kann nicht zurückgegriffen werden, und auch EAs größte Gameplay-Neuerung in diesem Jahr, Personality +, welche den einzelnen Kickern wesentlich mehr Individualität verleiht, bleibt den Versionen für die PS3 und XBOX360 vorbehalten. Dies gilt auch für die neu eingeführte manuelle Torwart-Steuerung, die von Electronic Arts medial gepusht wird, auf der Wii jedoch in der aktuellen Version nicht enthalten ist.

Im Gegenzug kommt die Wii-Version mit einigen exklusiven Spielmodi und Features daher, die den Spielspaß in diesem Jahr endlich wieder weiter nach oben schrauben. Im wieder Wii-exklusiven „Weg zum Ruhm“-Managermodus, der dieselbe Aufmachung und Punkteverteilung wie auch schon in FIFA 10 enthält, verhilft man seinem Team als Manager zu Ruhm und Erfolg. Um puren Spielspaß geht es vor allem im gänzlich neuen „Ab auf die Straße“-Modus, der an EAs sonst eigenständige FIFA-Street-Reihe erinnert. Auf fünf Spieler reduzierte Mannschaften, entsprechende Spielorte und Spieler in Streetwear bringen das nötige Flair für einen gelungenen Straßen-Kick. Sogar das Spielen in der Halle ist seit dem für damalige Verhältnisse noch glorreichen FIFA 98 wieder möglich! Die minimalistischen Regeln, Hindernisse wie Mauern, die im Spiel genutzt werden können, zusätzliche Power-Ups und diverse Herausforderungen bringen eine ganze Ladung Spielspaß. Eine wirklich gelungene Modi-Erneuerung! „Von der Straße ins Stadion“ geht es für den eigens erstellten Profi-Fußballer. Zwar kann der Spieler hier nicht wie auf der PS3 sein eigenes Gesicht ins Spiel transportieren, dafür stehen eine Vielzahl von Optionen zum individuellen Anpassen zur Verfügung: Gesichtsform, Körpertyp, Hautfarbe, Frisur, Augenfarbe, Trick-Attribute, individuelle Torjubel, zusätzliche Accessoires und vieles mehr. Mit seinem eigenen Pro geht es dann darum, konstant gute Leistungen zu bringen, in den Matches Erfahrungspunkte zu sammeln, dadurch immer stärker zu werden und seinen Verein letztlich zur nationalen Meisterschaft zu schießen, um dann auch international Erfolge zu feiern. Insgesamt können hier fünf Saisons in Folge absolviert werden, die genügend Zeit bieten, um euren Kicker zur absoluten Höchstform zu bringen.
Die Präsentation in den Stadien
Auch diesmal setzt EAs Fußball-Titel wieder auf einen bunten Comic-Look. So tummeln sich Stars wie Lionel Messi, Cristiano Ronaldo, Cesc Fabregas oder Bastian Schweinsteiger in überspitzten Staturen auf dem grünen Rasen und können mit abwechslungsreichen und zugleich geschmeidigen Animationen punkten. Dies ändert allerdings weiterhin nichts an der insgesamt eher ernüchternden Gesamtoptik. Viele der Kicker sind nicht wirklich wiederzuerkennen, nur bekannte Weltstars sind trotz ihrer übertriebenen Darstellungsform gut getroffen. Und überhaupt fehlt es den Spielern nach wie vor an zusätzlichen Details und Finessen. Zudem haben die Spielermodelle mit teils starkem Kantenflimmern zu kämpfen, gerade wenn die Wii an einen HD-fähigen TV angeschlossen ist. Die zahlreichen lizenzierten Stadien sind dagegen wieder einmal schön anzusehen, wohingegen die Zuschauermodelle und -animationen weiterhin absolut erbärmlich daherkommen und einfach nicht mehr zeitgemäß sind. Dies geht leider spürbar zu Lasten der Atmosphäre. Dafür läuft das Spiel stets flüssig über den Bildschirm, was heutzutage immer noch nicht selbstverständlich ist.
Weniger diskussionswürdig als die Optik präsentiert sich die akustische Untermalung. Im kompakt und übersichtlich gehaltenen Menü, bekommt ihr aktuelle Musikstücke aus verschiedenen Genres auf die Ohren, während in den Arenen das Publikum die Aktionen der Spieler fachgerecht mit tosendem Applaus honoriert und (leider nur vereinzelt) vereinsspezifische Gesänge erklingen. Zudem besteht voller Dolby Pro Logic II-Support. Was hingegen ebenfalls wieder nicht verbessert wurde, ist das mittlerweile ausgelutschte, unmotiviert wirkende Kommentatoren-Duo mit Tom Bayer und Sebastian Hellmann. Ob jedoch die neuen Kommentatoren mit Manni Breuckmann und Frank Buschmann, die in den anderen FIFA 11-Versionen zum Einsatz kommen, erträglicher rüberkommen, muss wohl jeder Spieler für sich selbst entscheiden. Zumindest bringen sie frischen Wind, der eigentlich auch gut in die Wii-Version gepasst hätte. In der Halle wird hingegen auf einen Kommentar verzichtet. Stattdessen kommen Fußball-typische Ausrufe wie „Aufpassen, Aufpassen!“, „Schieß doch!“, „Ich bin frei, spiel ab!“oder „Guter Torwart!“ zum Einsatz. Das wirkt im ersten Moment sehr gewöhnungsbedürftig, entwickelt aber in Kombination mit den quietschenden Hallen seine eigene Atmosphäre und sorgt für den einen oder anderen Lacher. Schade ist hingegen auch hier, dass sich die Rufe auf Dauer viel zu schnell wiederholen. Fazit: Nachdem die FIFA-Serie auf der Wii allmählich ins absolute Mittelmaß zu fallen drohte, hat EA mit dem aktuellen Ableger wieder eine Schippe draufgelegt und ein insgesamt gutes Fußball-Spiel in die Läden gebracht. Zwar sind die Neuerungen im direkten Vergleich mit FIFA 10 alles andere als bahnbrechend und liegen zumeist im Detail, lassen das Gesamtpaket für Genrefreunde aber durchaus rund wirken. Mit einem wieder gestärkten Umfang im Vergleich zu FIFA WM 2010, den neuen Spielmodi und vor allem dem gelungenen Straßen- und Hallen-Modus kommen Fußball-Freunde, die es mit der Realität nicht allzu genau nehmen, auf ihre Kosten. Wer hingegen mehr Wert auf den realistischen Fußball-Sport legt, eine packende Optik und eine authentische Stadionatmosphäre schätzt, kommt um einen Kauf der sehr gelungenen FIFA 11-Versionen für die HD-Konsolen nicht herum.
Von Kamil Witecy
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| Wertung für das Spiel FIFA 11 | |
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| 6.0 | Grafik Weiterhin gewöhnungsbedürftiger Comic-Look, der Spielerdetails und Schärfe vermissen lässt, dafür aber immerhin flüssig über den Bildschirm läuft. | |
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| 8.0 | Sound Ein guter Soundtrack und eine nette Stadionkulisse treffen auf zwei Kommentatoren, die viel, aber nur selten wirklich Interessantes zu sagen haben. Ein altbekanntes FIFA-Problem. | |
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| 8.9 | Steuerung Die Point'n'Click-Steuerung geht mit ein wenig Eingewöhnung sehr gut von der Hand und lässt das Kreieren von tollen Spielzügen zu, der „Schüttel-Faktor“ wurde bereinigt. Zudem werden für Traditionalisten optionale Steuerungsmöglichkeiten geboten, sodass jeder Spielertyp auf seine Kosten kommt. | |
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| 7.7 | Gameplay Statt auf Realismus wird wieder vorrangig auf Arcade-Gebolze gesetzt: Die einen fluchen, die anderen sind glücklich. Spielerisch zeigt sich der Titel nur im Detail verbessert, kann aber vor allem mit dem gelungenen Straßen-Modus punkten. | |
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| 7.9 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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