Review von Burkhart von Klitzing (mail) | 20.05.2007
Weltkriegsshooter. Für viele ist das mittlerweile schon fast zu einem Schimpfwort geworden. Zu zahlreich sind die Vertreter dieser Szenario-Genre-Kombination und zu gleichförmig, doch ich habe bislang bis auf Medal of Honor Frontline und CoD in der N-Gage-Fassung keinen Kontakt mit WW II-Shootern gehabt. Das mag ein Grund dafür sein, dass mir Medal of Honor Vanguard so gut gefallen hat, aber es ist wahrscheinlich auch die beste Grundlage für ein weitgehend objektives Urteil.
So, wem das bekannt vorkommt, hat erstens ein gutes Gedächtnis und zweitens mein Wii Loft Special von vor knapp einem halben Jahr gelesen. Abgesehen von der Abänderung der Worte Call of Duty 3 in Medal of Honor Vanguard und einer kleinen kosmetischen Änderung ist in diesem Textsegment alles beim alten geblieben, doch es passt immer noch genauso gut wie damals. Warum aber habe ich das getan? Bin ich faul? Eventuell. Tatsächlich habe ich mich aber dafür entschieden, um EA nachzueifern, die ebenfalls auf Altes zurückgegriffen haben, es etwas aufgefrischt haben und damit ein innovationsfreies, aber möglicherweise dennoch gutes Spiel ablieferten.
Geschichte, Grafik, Geräusche - Dummer Stabreim, aber: Ganz gut gelungen
Normalerweise gebe ich an dieser Stelle gerne einen Überblick über die Story eines Spiels. Dabei ist mir schon so einiges an unkreativem Einerlei untergekommen, doch bei MoH Vanguard gibt es faktisch nicht viel zu sagen. Ihr übernehmt die Kontrolle über einen US-Soldaten namens Keegan im Zweiten Weltkrieg. Abgesehen von Story-Bröckchen in den eigentlichen Missionen, wie etwa dem Ableben des Squad-Sergeants, war es das bereits an Handlung. Ihr kämpft euch nun als Fallschirmjäger, begleitet von vier Schwarz-Weiß-Originalfilmen, durch vier bekannte Operationen wie Market Garden in ebenso vielen Regionen. Als da wären Sizilien, Frankreich, die Niederlande und letztendlich Deutschland, ohne dabei mehr über Keegan oder seine Kameraden zu erfahren oder ein Art Entwicklung festzustellen. Hier wäre sicherlich mehr möglich gewesen, aber es lässt sich damit entschuldigen, dass nun einmal der Fokus auf dem Krieg liegt, statt auf die einzelnen Männer.
Ein weiterer Punkt auf dem sichtlich der Fokus der Entwickler nicht lag, ist die Optik. Die Wii hat bereits deutlich schlechteres gesehen, beziehungsweise zum Sehen ausgegeben, doch eben auch merklich besseres als die oft öden Texturen und bescheidenen Raucheffekte. Clippingfehler, pixeliges Bitmap-Gras und gelegentlich hereinpoppende Bäume dürfen 62 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ebenfalls gerne in die Videospiele-Historie abgelegt werden. Auf der Habenseite stehen dagegen eine sehr gute (und auch wichtige) Weitsicht, flüssige Animationen, zumeist realistische Physik, wenn etwa Helme von den Köpfen fliegen und Treppen herunterrollen, eine konstant hohe Framerate auch bei zahlreichen Kombattanten, einige liebevoll designte Landstriche wie in Frankreichs Auen, sowie brillante Lichteffekte.
Ein Trend bei Wii-Software scheint das Vernachlässigen der Optik zugunsten der Akustik zu sein, was eigentlich bei nicht allzu leistungsstarker Hardware kombiniert mit optischen Datenträgern kein großes Wunder darstellt. Auch EAs WWII-Beitrag zum Wii-Ego-Shooter-Portfolio macht da keine Ausnahme. Die gelegentlich eingestreute klassische, orchestrale Musik passt perfekt zum Spielgeschehen und lässt etwa einen Sieg noch besser auf das eigene Ego wirken oder das Herz während einer beklemmenden Tunnel-Erkundung noch schneller schlagen. Sämtliche Soundeffekte wie vorbeizischende Kugeln, Kettenrasseln der Panzer und realitätsgetreue Schussabgabe verstärken die ohnehin dichte Kriegsatmosphäre. Etwas weniger gelungen und gerade für Electronic Arts’ Verhältnisse geradezu enttäuschend ist die Sprachausgabe. Generell kann man es nur begrüßen, wenn auch Nintendo-Jünger in den Genuß von Sprachausgabe kommen, vor allem, wenn wie hier sämtlicher Text innerhalb der Missionen und der Videos gesprochen wird, zumal sowohl Gegner als auch Kameraden ziemlich geschwätzig sind. Die Vielfalt der Mitteilungen geht dabei mehr als in Ordnung und auch die freie Wahl zwischen Deutsch und Englisch (wobei Italiener und Deutsche weiterhin Italienisch, bzw. Deutsch reden) gefällt, doch bleibt es mir ein absolutes Rätsel, weswegen einige Personen, die den Nazis ihre Stimme geliehen haben, keine Deutschen sind und infolgedessen mit amerikanischem Akzent daherkommen. Darüber hinaus sind einige der tatsächlich deutschen Sprecher dezent unmotiviert, weswegen man der englischen Sprachausgabe den Vorzug geben sollte, um die Atmosphäre zu wahren, auch wenn man in der englischen Sprache vielleicht nicht absolut fit ist.
Ist das ein Kompass oder ein Hightech-Rechner?
Nun wissen wir also, dass wir, kurz gesagt, als Fallschirmjäger im optisch mittelmäßig und audiotechnisch gut inszenierten Zweiten Weltkrieg für den Sieg der Alliierten kämpfen. Trotz der einigen technischen Macken wird dabei eine Atmosphäre aufgebaut, die so auf der Wii noch äußerst rar ist. In neun der zehn Missionen ist Keegan fast permanent mit mindestens zwei und bis zu an die zehn (CPU-gesteuerten) Kameraden unterwegs, die mit ihren Kommentaren, Rufen und Befehlen in Kombination mit Fliegereinsätzen und Kampfgetümmel im Hintergrund für ein großartiges Mittendrin-Gefühl sorgen, auch wenn es nie zu wahrlich großen Schlachten kommt, da man eben nun einmal einen Soldaten hinter den feindlichen Linien steuert. Bis auf gelegentliche Ruhepausen bleibt stets die Angst vor der nächsten Ecke, die ein von Deutschen bemanntes MG-42 oder einen Tiger Panzer verbergen könnte und jeder gewonnene Meter wird damit belohnt, dass die eigenen Mannen vorrücken zum nächsten Versteck. Sehr gut gelungen ist in der Hinsicht auch das Trefferfeedback: Wer zu nah an einer Explosion steht, bekommt dies mit kurzzeitiger verschwommener und nachziehender Sicht, sowie dumpfer klingenden Sounds quittiert. Wer zu viele Treffer kassiert, sieht buchstäblich rot und hört sein Herz rasen. Nun gilt es, sich schnell zu verstecken und für einige Sekunden keinen Schaden zu erleiden um spontan wieder zu genesen. Das mag nicht allzu realistisch sein, doch mal ehrlich: Sind die Genre-typischen Erste-Hilfe-Koffer, die sofortige Heilung versprechen realistisch? Nein, aber dieser nette, wenn auch nicht ganz neue, Kniff der EA-Jungs erhöht zumindest den Spielfluss, da ewige Rückmärsche zu Lebenspunktespendern entfallen.
Ein weiterer Effekt dessen ist, dass MoH Vanguard nicht unbedingt zu den schwierigsten Genre-Vertretern gehört, da mit vorsichtigem Vorgehen theoretisch unendlich viel Lebensenergie zur Verfügung steht. Ebenfalls das Leben erleichternd ist der Kompass, der neben den Missionszielen auch alliierte Soldaten in grün und Achsen-Mächte-Soldaten in rot anzeigt. So können auch mal Gegner gezielt gesucht werden, ohne, dass man sie normalerweise auch nur hätte erahnen können. Eher Angst-nehmend ist auch die gegnerische KI. Zwar bleibt der Feind gerne länger hinter Barrikaden und Mauern, doch mehr hat er nicht drauf. Fast im gesamten Spiel suchen sich die Deutschen, Italiener und Vichy-Franzosen einen Ort, der ihnen Schutz bietet und bleiben dort, abgesehen von kleinen Ausweichschritten. Koordinierte Manöver oder einfache Vorstöße sind Fehlanzeige.
Dermaßen einfach ist das neue Medal of Honor allerdings doch nicht, was an mehreren Faktoren liegt. Zum einen spawnen des Öfteren Faschisten um eine nahe gelegene Ecke und tauchen dementsprechend auch dann erst auf dem Kompass auf. Zum anderen sind nicht nur die Kontrahenten Bewegungs-Dadaisten, sondern auch die eigenen Kameraden, die ziemlich mies zielen (gelegentlich sogar mit voller Absicht auf die Decke um ein Ziel über ihnen zu treffen) und sich immer wieder in Keegans Sichtbereich schieben müssen, während er den Feind anvisiert. Insgesamt lässt sich sagen, dass auf dem niedrigsten der drei Schwierigkeitsgrade rücksichtsloses Vorpreschen zum Ziel führen kann, im mittleren halbwegs vorsichtiges Verhalten auch mit dem einen oder anderen Nahkampf kombiniert werden kann und im höchsten schließlich zwei aufeinander folgende Treffer bereits tödlich enden können, was genaueste Planung unabdingbar macht.
Dauerte der Zweite Weltkrieg nicht sechs Jahre?
Dennoch ist Vanguard recht schnell ausgereizt. Die zehn Missionen der vier Kampagnen sind äußerst linear aufgebaut, die einzelnen Areale bieten zwar häufiger einen gewissen Bewegungsspielraum, ohne dabei jedoch groß genug zu sein um wirklich zum Erforschen zu animieren und die Missionsziele erledigen sich praktisch im Vorbeigehen, so dass nach etwa sechs bis sieben Stunden der leidlich unspannende Abspann entgegenflimmert. Danach locken die in manchen Levels leicht versteckten Waffenupgrades wie Zielfernrohre oder größere Magazine und die Medaillen, welche Bestehen einer Mission ohne Ableben, 30 Kopfschüsse und ähnliches belohnen.
Diese kurze Spielzeit kommt dabei auch noch ohne allzu große Abwechslung daher. Die ersten 8 Missionen sind mit ihrem ständigen Vorpreschen, Verstecken, Zielen, Töten, weiter Vorpreschen unterhaltsam, aber eben sehr gleichförmig. Hier wird nichts geboten, an das man sich später noch erinnern würde. Die eine oder andere Schleicheinlage oder eine Fahrzeugfahrt hätten hier sicher Wunder gewirkt. Glücklicherweise gelang EA für die letzte Kampagne ein krönender Abschluss. Der erste Level in Deutschland brilliert mit einer fantastischen Schlachtfeldsimulation. Der Weg führt von einem stark umkämpften Strand mit der Zeit an zig MGs vorbei hinter die Barrikaden des Gegners. Das Areal wirkt ungemein groß und alles zeigt sich aus zwei Perspektiven; das MG-Net inmitten eines Tunnels im Hintergrund, das vor zehn Minuten noch das Vorankommen beinahe unmöglich machte, wird erobert und offenbart den offenen Blick auf die Ruinen, die einem vormals Schutz boten. Der letzte Einsatz schließlich erfordert die Ein-Mann-Armee im Spieler und zu guter Letzt ein starkes Nervenkostüm, wenn sich die eigene Einheit vor einer Unzahl an Deutschen samt Panzern verschanzt.
Parachuting for Dummies
Schafft Medal of Honor Vanguard denn tatsächlich das kleine Wunder der kompletten Innovationslosigkeit? Sagen wir es so: Etwa 30 Sekunden des gesamten Spiels bieten etwas wirklich neues, nämlich Fallschirmsprünge. Haltet bei den drei Sprüngen Wii-Remote und Nunchuk senkrecht, um quasi die Seile des Schirms festzuhalten und euren Landepunkt relativ frei zu bestimmen. Was zu Beginn äußerst cool wirkt, stellt sich bedauerlicherweise als praktisch unsteuerbar und wesentlich zu kurz heraus. Schade: Daraus hätte man mehr machen können.
Ansonsten geht die Wii-Steuerung gut von der Hand. Wie zu erwarten zielt ihr per Wii-Remote-Pointer, was nach kurzer Zeit schnelles Visieren und präzise Kopfschüsse am laufenden Band ermöglicht. Auch analoge Granatenwürfe funktionieren erstaunlich gut. Ein Großteil der anderen Aktionen lässt sich wahlweise jederzeit entweder per Bewegungssensoren oder Knopfdruck ausführen. Nachladen per Nunchuk-Schwung nach rechts (Hand zum Magazin) und Schlag per Wiimote-Stoß gelingen dabei beispielsweise sehr ordentlich, während etwa das Ducken per Abwärtsbewegung des Nunchuk in hitzigen Situationen besser durch C-Druck ersetzt werden sollte. Fazit: Wer einen anspruchslosen, atmosphärisch dichten Shooter ohne nennenswerten Story-Ballast sucht, der dürfte mit Medal of Honor Vanguard glücklich werden.
Und wieder habe ich es getan: Ich habe ein Teil des Wii-Loft-Specials geringfügig erneuert und einen neuen Titel eingefügt. Und wieder einmal passt es. Genau das gleiche ist bei MoH Vanguard der Fall. EA hat ein altes, bewährtes Konzept aufgewärmt, einen neuen Untertitel an die Worte Medal of Honor angefügt und damit ein gutes Spiel abgeliefert, das sich jeder anschauen sollte, der weder dem Genre noch dem Setting abgeneigt ist. Es mag weder der technisch beeindruckendste Wii-Titel sein, noch der kreativste (ganz sicher sogar), der abwechslungsreichste oder der anspruchsvollste, doch es bietet atmosphärisch dichte, spannende Action-Kost. Subjektiv mag so mancher das große Grauen kriegen, wenn er das x-te immer gleiche MoH sieht, doch objektiv für sich gesehen ist es eine gelungene Erweiterung des Wii-Spieleangebots, der es an Umfang mangelt, weswegen man sich den Kauf zum Vollpreis eventuell doch zwei Mal überlegen sollte.
Von Burkhart von Klitzing
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| Wertung für das Spiel Medal of Honor: Vanguard | |
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| 6.7 | Grafik Öde Texturen treffen auf exzellente Weitsicht und Lichteffekte. | |
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| 8.2 | Sound 1a Musik und Sound gepaart mit teils bescheidenem Sprecher-Aufgebot. | |
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| 8.4 | Steuerung Manch eine Nunchuk-Bewegung wird falsch erkannt; dennoch waren Ego-Shooter auf Konsolen kaum besser spielbar. | |
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| 7.0 | Gameplay Bekannt, routiniert, gut. Kurzum: Nichts Besonderes. | |
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| 7.6 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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