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Review von Andreas Held (mail) | 12.07.2010
In den späten Neunzigern gelang einem bis dahin unbekannten Entwickler der Durchbruch mit einem Spielkonzept, das auf dem Papier nach etwas klingt, das beim besten Willen nicht funktionieren kann: Harvest Moon. Seitdem wurde die Reihe ordentlich gemolken und musste sich mit der Zeit immer häufiger die Kritik anhören, dass das Spielprinzip langsam ausgelutscht sei. Die Entwickler ließ das nicht kalt, und so folgten einige Variationen des Spiels: Nach einer Schwerpunktverlagerung auf die Interaktion mit den Dorfbewohnern in Harvest Moon: A Wonderful Life bekam die Serie mit Innocent Life auf der PSP ein komplett neues, futuristisches Setting spendiert. Beide Konzepte stießen bei den Fans auf gemischtes Feedback. Der große Wurf gelang dann mit Rune Factory, das zunächst auf dem DS das bewährte Spielkonzept mit einem klassischen Action-RPG verknüpfte. Das Farmleben rückte in den Hintergrund, und stattdessen musste der Hauptcharakter der Reihe nach verschiedene Dungeons besuchen und dort einen Endgegner besiegen. Damit war Rune Factory auch das erste Harvest Moon-Spiel mit einem klar erkennbaren roten Faden.
Rune Factory auf Wii
Der mittlerweile dritte Teil der Rune Factory-Serie, Rune Factory Frontier, besinnt sich wieder etwas mehr auf die Wurzeln der Serie zurück. Die Geschichte des Wii-exklusiven Titels beginnt damit, dass Raguna, die Hauptfigur der Vorgänger, seiner (wahlweise platonischen) Freundin Mist, die in der deutschen Version aus offensichtlichen Gründen Tau heißt, in das Dörfchen Trampoli folgt. Sie ist ohne Worte dorthin aufgebrochen, weil ihr im Traum eine Gestalt erschienen ist, die sie um Hilfe bat. Zufällig gibt es in Trampoli eine leerstehende Farm – ein Storyelement, das für die Harvest Moon-Serie genauso obligatorisch ist wie ein Haufen Stroh in einem Erotikfilm, und genauso unlogisch. Natürlich lässt sich Raguna auf dieser Farm nieder, um bei der Ergründung dieser Traumerscheinung zu helfen.

Danach bleibt der Titel aber sehr offen. Anders als in den DS-Teilen wird der Spieler nicht in eine Bahn gelenkt, sondern muss die Spielwelt größtenteils selbst erforschen, um Fortschritte zu erzielen. Ab und zu gibt es aber auch eindeutige Hinweise von den Dorfbewohnern, damit zumindest niemand stundenlang ratlos durch die Spielwelt irrt. Trotzdem gibt es aber eigentlich nie eine Situation, in der nicht gleich mehrere offene Fragen ausstehen, sodass wieder für reichlich Motivation gesorgt ist, sofern man sich mit dem Konzept der Serie anfreunden kann.
Die Farm in Rune Factory Frontier
Wer bereits irgendeinen Teil der Harvest Moon-Serie gespielt hat, wird sich sofort zurechtfinden. Dem Spieler steht ein rechteckiges Feld zur Verfügung, welches nach wie vor mit einer Axt, einem Hammer, einer Harke und einer Sichel bearbeitet werden kann – Werkzeuge, die seit über zehn Jahren die gleiche Funktion haben. Auf jedem unbebauten Feld kann jeden Tag zufällig ein Item entstehen – das kann dann eine nützliche, essbare Pflanze sein, reines Unkraut oder gar ein großer Stein, der die Arbeit behindert. Sobald ein Feld einmal beharkt wird, gilt es als bebaut und verändert sich dann in der Regel nicht mehr von selbst, sondern kann zum Heranziehen von Erntegut benutzt werden, das je nach Jahreszeit auf den Feldern wächst und gegossen werden muss. Ebenfalls wieder mit dabei ist die Scheune, in der ihr diesmal in den Dungeons gezähmte Monster unterbringt, die dann entweder wie gewohnt Eier oder Milch geben, oder euch bei bestimmten Aufgaben automatisch helfen können.
Wer nun nach Neuerungen schreit, ist nicht ganz auf verlorenem Posten. Zum einen schließt sich Rune Factory dem in mittlerweile fast jedem RPG vorherrschenden Trend der Item-Synthese an, sodass ihr nun in eurem Haus neben einer Küche mit vier verschiedenen Kochutensilien auch eine Schmiede und ein Labor einrichten könnt. In der Schmiede verbessert ihr eure Farm-Werkzeuge und stellt Waffen sowie Ausrüstungsgegenstände her; im Labor könnt ihr Heiltränke oder Tinkturen, die das Wachstum von Pflanzen beschleunigen, brauen. Alle hergestellten Items können entweder zum Eigenbedarf eingesetzt oder teurer verkauft werden, als ihre Zutaten.

Eine innovativere Neuerung sind die Runeys - Geisterwesen, die wie bunte Glühwürmchen über den neun Teilgebieten von Trampoli schweben. Relativ früh im Spielverlauf erhaltet ihr eine Art Geister-Staubsauger, mit dem ihr die Runeys einsammeln und dann woanders wieder freilassen könnt. Alternativ könnt ihr auch kleine Wunder damit vollbringen, zum Beispiel das Wetter beeinflussen (was in der realen Welt momentan sehr nützlich wäre) oder euch Wünschen, dass am nächsten Tag viele große Fische in den Gewässern herumschwimmen. Die Runeys bilden außerdem eine Nahrungskette, können sich je nach Ausgangslage vermehren oder gar aussterben und stellen den Spieler somit noch vor die Aufgabe, die Bestände zu überwachen und Förster zu spielen.
Selbst diese Neuerung ist aber nicht so bahnbrechend, dass alteingesessene Fans der Serie deshalb in Jubelstürme ausbrechen würden. Hauptsächlich konzentriert sich Rune Factory darauf, mit den Dungeons Abwechslung zum traditionellen Gameplay zu bieten.
Die Dungeons in Rune Factory
Dafür bietet euch der Titel eine Reihe großer Dungeons, die nach eigenem Ermessen erforscht werden können. Jeder Dungeon ist in mehrere Ebenen eingeteilt, die ihr über ein Treppenhaus erreichen könnt, sobald ihr dieses auf der jeweiligen Etage ein mal von der anderen Seite aus erreicht habt. Am Ende wartet dann ein großes Boss-Monster, das nach seiner Niederlage viele wertvolle Items fallen lässt. Auch die Dungeons selbst stecken voller Schatzkisten und beinhalten sogar Felder, die bebaut werden können. Vorteil dieser Felder ist, dass sich die Jahreszeit in den Dungeons nicht ändert, weshalb ihr dort selbst im Winter Pflanzen heranziehen könnt.
Spielerisch bekommt ihr eine isometrische Perspektive samt fixierter Kamera geboten, sodass sich Rune Factory sehr nahe an klassischen Action-RPGs wie Secret of Mana oder Terranigma befindet, was viele Spieler sehr freuen dürfte. Über die Dungeons verteilt sind Portale, die Monster in die Dungeons hineinteleportieren, welche den Spieler daraufhin angreifen. Die Portale lassen sich mit Waffengewalt zerschlagen. Damit das ganze mehr oder weniger gewaltfrei bleibt, werden die Monster von euren Waffen übrigens nicht getötet, sondern lediglich in ihre Heimat zurückgeschickt, aus der sie von den Portalen entrissen wurden.

Jedes Monster verfügt über klar erkennbare Angriffe, die ihr vorhersehen und ihnen somit bewusst ausweichen könnt. Insgesamt richtet sich der Schwierigkeitsgrad aber nach der verfügbaren Ausrüstung. Um in späteren Dungeons zu überleben, müsst ihr eure Schmiede ausbauen, die nötigen Items und Rezepte zur Herstellung beschaffen und die Gegenstände selbst schmieden. Habt ihr erst mal eine gute Ausrüstung beisammen, können euch die Monster nur noch wenig anhaben; bis dieser Punkt erreicht ist, ist aber etwas Geduld nötig, da ihr viele der besseren Komponenten erst in gefährlicheren Regionen der Dungeons bzw. von stärkeren Monstern bekommt.
Worte zu Gameplay und Technik
Rune Factory objektiv zu beurteilen, ist kaum möglich und wahrscheinlich auch etwas unfair. Oberflächlich betrachtet ist die Serie seit ihren Anfängen sehr abwechslungsarm und zwingt den Spieler, an jedem virtuellen Tag auf's neue die gleichen Abläufe zu wiederholen. Fans der Serie werden aber wissen, dass dies kein Problem darstellt, und der Titel stattdessen sogar extrem motivieren kann, da man eigentlich zu jedem Zeitpunkt auf gleich mehrere Ziele hinarbeiten kann, die man sich selbst gesetzt hat. Wer sich mit dem Gameplay anfreunden kann, bekommt jedenfalls eine sehr solide Umsetzung davon: Die Steuerung ist über jeden Zweifel erhaben, unterstützt den Classic Controller und verzichtet optional auf Bewegungskommandos. Auch die Menüführung ist nach einer kurzen Einarbeitungszeit sehr bequem und flott. Der Umfang ist nach wie vor enorm: Rune Factory ist darauf ausgelegt, sehr lange gespielt zu werden, und die Entwickler legen auch sehr viel Vertrauen in ihre Spieler, da viele Inhalte sich erst nach dutzenden Spielstunden offenbaren. Angst davor, dass die meisten Spieler diese Inhalte deshalb erst gar nicht zu Gesicht bekommen, hatte man bei der Entwicklung scheinbar nicht, und somit freuen sich diejenigen, die die Langzeitmotivation des Titels voll auskosten wollen.
Etwas objektive Kritik muss dennoch geäußert werden. Zum einen sind die Tage in Rune Factory in der Regel zu lang, was insbesondere daran liegt, dass die Zeit nur in Dungeons und in Außenbereichen vergeht, und auch dort nur recht langsam. Natürlich ist hier die Absicht der Entwickler zu erkennen, den Spielern zum erforschen der großen Dungeons genug Zeit zu geben; wer sich aber lieber seiner Farm widmen will, steht möglicherweise schon sehr früh mit einem völlig erschöpften Hauptcharakter da und muss dann entweder Spielzeit verschwenden, indem er sehr früh wieder ins Bett geht, oder warten, bis die Heiße Quelle öffnet, was jedoch erst am späten Nachmittag passiert. Darüber hinaus hat Rune Factory Frontier keine Hemmungen davor, die Farm des Spielers gehörig zu verwüsten – das frustet und zeugt nicht von gutem Spieldesign. Schwer zu übersehen sind außerdem ein paar kleine Bugs – allen voran ein reproduzierbarer Fehler, der das Spiel immer dann abstürzen lässt, wenn ihr sofort nach dem Öffnen des Menüs mit der Plus-Taste zwei mal schnell hintereinander auf den Minus-Knopf drückt.

Auch objektiv sehr gut sind jedoch Grafik und Sound. Rune Factory Frontier kommt ohne einen 480p-Modus aus, macht aber trotzdem selbst auf großen Fernsehern eine gute Figur und überzeugt vielleicht nicht durch seine Technik, aber definitiv durch den beeindruckenden Detailgrad. Auch stilistisch sind die Umgebungen sehr schön gestaltet. Deplatziert wirken nur die Runeys, die von nahem aussehen wie Kinderzeichnungen, sowie die fast durchweg lächerlichen Kopfbedeckungen für den Hauptcharakter, die aber nötig sind, um in den Dungeons Schaden abzuwehren. Warum ein männlicher Protagonist Hasenohren aufziehen oder einen Mundschutz tragen soll, um sich gegen Monster zu schützen, bleibt aber fraglich.
Der Soundtrack von Rune Factory Frontier ist überraschend schön, stimmig und atmosphärisch. Auf der Farm und im Dorf läuft zur jeweiligen Jahreszeit passende, akustische Easy-Listening-Musik, während die Dungeons auf mythisch angehauchte, aber ebenfalls eher ruhige Musikuntermalung setzen. Einen groben Fehltritt erlaubt sich der Soundtrack trotzdem – und zwar mit der Zirkusmusik, die den Spielern während Festival-Tagen zugemutet wird. Ansonsten sind die Soundeffekte ebenfalls sehr stimmig und die nur sehr spärlich vorhandene Sprachausgabe geht in Ordnung, kann aber wahlweise auch abgestellt werden.Fazit: Zu guter letzt bleibt also nur die Folgerung, dass Rune Factory Frontier insgesamt vielleicht der bisher beste Teil der Harvest Moon-Serie ist. Die Dungeons bescheren der Serie nicht nur eine lange überfällige, grundlegende Neuerung, sondern überzeugen durch ihr klassisches Gameplay. Ein reines Acion-RPG mit diesem Kampfsystem wäre wahrscheinlich immer noch ein gutes Spiel. Das für die Serie sonst typische Farm-Gameplay bleibt intakt, auch wenn es insgesamt auf ein Minimum reduziert wurde und für sich genommen wohl nicht mehr überzeugen könnte. Trotzdem motiviert Rune Factory weiterhin mit der Hintergrundstory und dem Drang, dass man immer das nächstbessere Item oder die nächste Ausbaustufe seines Hauses sein Eigen nennen will. Die Dorfbewohner verleihen dem Spiel Persönlichkeit und RPG-Charakter. Da Grafik und Sound auf einem sehr hohen Niveau sind, kann über leichte objektive Schwächen also gerne hinweggesehen und Rune Factory Frontier allen Serienfans bedenkenlos empfohlen werden, insbesondere zum niedrigen Verkaufspreis von 39,99€. Wer ein Fan werden will, muss wohl etwas risikobereit sein, denn das Gameplay ist nicht jedermanns Sache. Wer Gefallen daran findet, wird aber wochenlang damit beschäftigt sein.
Von Andreas Held
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| Wertung für das Spiel Rune Factory Frontier | |
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| 8.8 | Grafik Technisch sauber, aber unbeeindruckend. Dafür überzeugen die unzähligen, liebevoll ausgearbeiteten Details und der stimmige Grafikstil. | |
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| 9.0 | Sound Teils wunderschöne, immer stimmige und atmosphärische Hintergrundmusik. | |
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| 8.5 | Steuerung Dank Classic Controller ist die Bedienung immer sehr komfortabel, und das Kampfsystem in den Dungeons ist überraschend ausgereift und mit SNES-Klassikern konkurrenzfähig. | |
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| 8.6 | Gameplay Wer sich mit dem Konzept anfreunden kann, wird mit Rune Factory Frontier wochenlang beschäftigt sein. Ein paar kleine Verbesserungen im Spieldesign wären jedoch noch drin gewesen. | |
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| 8.7 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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Review: Rune Factory Frontier
HerstellerRising Star Games
GenreRPG
VersionPAL
Controller-VoraussetzungWii-Remote, Nunchuck oder Classic Controller
Spieler1
SchwierigkeitsgradMittel
Altersempfehlung
Ab 6 Jahren
60-Hz Modus
Ja
480p Modus
Nein
Widescreen Modus
Ja
DS Connectivity
Nein
Dolby Pro Logic II
Nein
Wifi-Connection
Nein
WiiConnect24 Support
Nein
Releaseerschienen
Preis (€)39,99
Innovationsfaktor
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