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LEGO Harry Potter
Review von Tim Herrmann (mail) | 06.07.2010

Über die Imposanz der Harry-Potter-Reihe muss in der Einleitung zu einem Harry-Potter-Videospiel eigentlich nicht mehr viel gesagt werden. Die Serie ist sowohl in gedruckter als auch in verfilmter Form ein Phänomen ohnegleichen und zu einem Lebensbestandteil einer ganzen heranwachsenden Generation geworden. Die regelmäßig zu den neuen Filmen erscheinenden Videospiele von EA unterdessen haben es bislang nicht geschafft, die Spieler auf der emotionalen Ebene mitzunehmen und sie wirklich zu begeistern. Auch LEGO Harry Potter wird das mit kleinen Knubbelmännchen und sprachloser Quietschlautkomik nicht schaffen. Aber will das neue Videospiel mit der Potter-Lizenz, LEGO Harry Potter – Die Jahre 1 - 4, das überhaupt?

LEGO, wie man es immer kannte
Wer schon irgendein anderes LEGO-Abenteuer von Traveller’s Tales gespielt hat, wird vom Spielprinzip von LEGO Harry Potter relativ wenig überrascht sein. Das Kernkonzept, das Titel wie LEGO StarWars, LEGO Indiana Jones oder LEGO Batman so beliebt gemacht hat, wurde nämlich einfach beibehalten – warum sollte man es auch verändern? Ihr lauft in der bekannten Potter-Clique bestehend aus Ron, Hermine und eben Harry (deren Zusammensetzung aber je nach Spielsituation variiert) durch Hogwarts und andere Schauplätze aus der Zaubererwelt und beschreitet bestimmte Pfade zu einem vorgegebenen Ziel.

Spieler, die sich vorgenommen haben, möglichst schnell von A nach B zu kommen, brauchen allerdings nicht einmal an den Kauf von LEGO Harry Potter denken. Denn es geht mitnichten darum, ein Ziel zu erreichen und die Geschichte voranzutreiben. Bei kaum einem anderen Spiel gilt die Weisheit „Der Weg ist das Ziel“ so bedeutend wie bei LEGO Harry Potter. Ihr könnt nämlich mit der gesamten Umwelt interagieren, kaum ein Objekt steht nur zur Dekoration in der Botanik. In LEGO Harry Potter interagiert man natürlich ausschließlich mit dem Zauberstab und lässt verschiedene Zaubersprüche auf unterschiedliche Objekte wirken.



Das hebt LEGO Harry Potter auch maßgeblich von vorangegangenen Abenteuern ab, wo die Interaktion beispielsweise auf Fäuste und Peitsche beschränkt war. Ihr habt mit Wingardium Leviosa, Lumos, Petrifico Totalo und Expecto Patronum gleich mehrere Möglichkeiten, auf eure Umwelt zu reagieren und sie zu beeinflussen. So ist die Reaktion von Gegenständen nach der Interaktion nicht unbedingt, dass sie in ihre Klötzchen-Bestandteile zerfallen. Oft sieht man auch einfach nur lustige Animationen: Sofas, die auf ihnen sitzende Schüler verschlingen, Porträts, die mit Quietscheentchen werfen, oder Fackeln, die zu Feuerwerksraketen werden. Im Vordergrund stehen dabei nach wie vor die Studs, silberne und goldene Münzen, die immer irgendwo herausspringen, wenn ein Zauberspruch eine Reaktion hervorgerufen hat.

In dieses Konzept eingebettet sind auch kleine Extraaufgaben, die sich am Ende gut in einer akribisch geführten Statistik machen. Ihr könnt Mitschülern in Hogwarts helfen, bestimmte Rätsel lösen oder eine vorgegebene Anzahl an z.B. Kerzen entzünden oder Flaggen hissen. Ab und zu müsst ihr mithilfe der Zauberei kleinere Rätsel lösen, um im Spielverlauf voranzukommen, doch diese Rätsel werden schnell alltäglich, weil man sowieso ständig in der Landschaft herumzaubert.

Vier Jahre in einem Spiel
LEGO Harry Potter behandelt die Geschichte der ersten vier Teile der Potter-Saga – und das wohl auch ganz bewusst, denn nach Band 4 wird es bekanntlich ziemlich düster in Hogwarts. Damit ist LEGO Harry Potter wieder genauso umfangreich wie seine Vorgänger, die ja mit z.B. Star Wars und Indiana Jones auch gleich ganze Serien und nicht einzelne Teile daraus abgearbeitet haben. Dieser Umfang kann nur gestemmt werden, weil die Geschichte rasend schnell und nur ziemlich oberflächlich nacherzählt wird. Die charakteristischen LEGO-Zwischensequenzen sind wieder mit dabei, die ohne Sprache auskommen und dafür alle Emotionen mithilfe merkwürdiger Quietschgeräusche und aussagekräftiger Niedlichmimik und –gestik präsentieren. Diese Zwischensequenzen präsentieren die Kernereignisse der Geschichte, ändern sie ab und zu nach eigenem Belieben ab und reduzieren sie auf ein Minimum. Liefe man also tatsächlich einfach so durch die Levels und von Zwischensequenz zu Zwischensequenz, wäre das Spiel trotz der scheinbar epischen Geschichtsausmaße relativ schnell vorbei (und dabei trotzdem noch länger als 70% der restlichen Spiele). Die Spiellänge rührt tatsächlich fast ausschließlich vom Gameplay her, mit dem man sich ewig lange beschäftigen kann.



Es gibt überall Geheimnisse zu entdecken, immer wieder kleine Interaktionspunkte, die man nicht erforscht hat, und ständig neue Rätsel und kleine Herausforderungen anzunehmen. Was damit einhergeht, ist aber natürlich leider auch eine gewisse Armut an spielerischer Abwechslung. Wer ständig Blumen zum Blühen, Fackeln zum Leuchten und Bücher zum selbstständigen Sortieren bringt, hat sich an den netten Effekten und dem Klingeln der in Unmengen vorhandenen Silbermünzen auch irgendwann sattgesehen und lechzt nach neuem Futter. Das gibt einem das Spiel manchmal in speziellen Gameplay-Sequenzen, die sich allerdings nie wirklich rabiat vom Rest des Spiels abheben.

Klötzchen ohne Ende
Auch einen weiteren LEGO-Pluspunkt nimmt LEGO Harry Potter wieder auf: Das Spiel ist vollgepackt mit allen möglichen Extras. Es gibt mehr als 100 spielbare Charaktere oder freie Spielmodi – doch alles das will erst einmal freigeschaltet werden. Und dazu muss man sich in den Levels penibel genau umsehen, alle Geheimnisse aufdecken und möglichst viele Aufträge des Spiels erledigen. Eine Herkulesaufgabe, denn selbst wenn man meint, wirklich viel entdeckt und gelöst zu haben, zeigt einem die Spielstatistik am Ende des Levels oft nur lächerliche 39% an. Die ganze Welt wartet einfach darauf, verzaubert zu werden. Schade, dass es innerhalb der Levels keine Speicherfunktion gibt. So muss man entweder den ganzen Level in einem Rutsch durchspielen und dabei gewisse Schludrigkeiten in Kauf nehmen oder nach Abbruch wieder ganz von vorne anfangen.

Wer an dem LEGO-Potter-Gameplay also wirklich Gefallen findet und den Ehrgeiz hat, möglichst viel freizuspielen und viele Punkte zu sammeln, kann LEGO Harry Potter noch über Jahre hinweg weiterspielen und wird dann wahrscheinlich immer noch nicht alles gefunden haben.

Auch diesmal wieder essenziell ist der Multiplayer-Modus, der kooperativ abläuft. Ein zweiter Spieler kann sich jederzeit einschalten und einem Freund mit Rat und Tat und Zaubersprüchen zur Seite stehen. Das wird ab und zu nötig, wenn man an bestimmte Extras kommen möchte oder Beistand in einem Kampf gebrauchen kann. Das Problem der zickigen Kamera haben die Entwickler von Traveller's Tales wie schon bei LEGO Indiana Jones 2 durch einen Split-Screen-Modus ausgemerzt, der jedem Spieler seine eigene Kamera schenkt, sobald die zwei sich zu weit voneinander entfernen. Online-Kooperationsmodi gibt es aber nicht.



Auf der technischen Ebene dient der LEGO-Stil übrigens weiterhin als gute und plausible Ausrede für eigentlich nicht besonders beeindruckende Technik. Oft sieht man in Hogwarts schön und liebevoll gestaltete Umgebungen in realistischem Stil, mindestens genauso oft aber auch einfarbig gefärbte, strukturlose, platte, flache und noch dazu an den Kanten flimmernde Modelle von Charakteren, Zügen oder Gebäuden. Aber das ist halt LEGO und die Modelle sollen eben genau so aussehen wie einfarbig gefärbte, strukturlose, platte, flache Klötzchen.

Beim Sound hört man bekannte Melodien, die die Filme vorgegeben und die Warner Bros. und Traveller’s Tales gekonnt übernommen und eingebaut haben. Sie geben ein wenig traditionellen Harry-Potter-Charme in die Mischung, der normalerweise dem vordergründigen LEGO-Humor weichen muss. Die oft an Slapstick erinnernden Sequenzen sind Fans des LEGO-Spielefranchises bereits bekannt und dort auch sehr beliebt. Jedermanns Sache sind sie aber wohl nicht unbedingt.

Fazit:
LEGO Harry Potter ist genau das, was die Fans der LEGO-Spiele erwarten, und darüber hinaus das bisher wohl beste LEGO-Spiel: Das Gameplay setzt weiterhin auf das Motto „Der Weg ist das Ziel“ und bietet eine komplett veränderbare und interaktive Umwelt an, die sich immer wieder neu zur Überraschung des Spielers verwandelt und für Extra-Punkte, neu entstehende Rätsel und Herausforderungen oder einfach einen kurzen Lacher sorgt. Auch wenn das Gameplay diesmal mit verschiedenen Zaubersprüchen, die abwechslungsreiche Interaktion mit der Umwelt ermöglichen, ordentlich aufgewertet wurde, ist es dennoch nicht mehr so frisch wie zu Beginn des Franchises. Es zeigt leichte Abnutzungserscheinungen und ist den meisten wohl schon hinreichend bekannt, was aber natürlich nur dann gilt, wenn man den Titel im Kontext zu seinen Vorgängern sieht. Unterdessen befriedigt LEGO Harry Potter auch das Herz der Potter-Freunde in angemessener Weise. Es bewegt die Fans sicherlich nicht so wie die Bücher oder die Filme dazu, spricht sie dafür aber auf einer anderen Ebene an und bietet einen anderen Blick auf die allseits bekannten Geschehnisse – anders als die herkömmlichen Lizenzspiele, die eher weniger erfolgreich versucht haben, den Film in ein Videospiel zu pressen. So bleibt mit LEGO Harry Potter eine weitere erfolgreiche Versoftung, die den LEGO Charme wunderbar mit Harry Potter kombiniert und dabei ein ausdehnendes Spielerlebnis mit vielem bietet, was es neben dem eigentlichen Pfad zu entdecken gibt.

Von Tim Herrmann
Wertung für das Spiel LEGO Harry Potter
Wertungen Beschreibung
7.7Grafik
Die schön gestalteten Umgebungen treffen auf viele nicht besonders beeindruckenden (Charakter-)Modelle, die aber damit entschuldigt werden können, dass es halt LEGO-Stil sein soll.
8.5Sound
Schöne Melodien aus den Potter-Filmen treffen auf wieder einmal niedliche, aber dabei trotzdem recht ausdrucksstarke Quietschgeräusche in den Zwischensequenzen, die Sprachausgabe ersetzen.
8.2Steuerung
Ziemlich unproblematische Steuerung, die nur ab und zu mit den bekannten Kameraproblemen zu kämpfen hat, ansonsten meist aber alle angepeilten Objektive automatisch richtig auswählt, damit man sie anzaubern kann.
8.2Gameplay
Der Weg ist das Ziel und der Weg ist immer voller Überraschungen. Ihr könnt so gut wie jedes Objekt verzaubern und dann sehen, was passiert. So werden intelligente Rätsel gelöst und Extras freigeschaltet. Altbewährt, aber immer noch gut.
8.2Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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