Review von Andreas Held (mail) | 17.05.2007
Bevor ich anfange, sollte ich dieses Review vielleicht mit einem Geständnis beginnen: Meine einzigen bisherigen Kontakte mit Spider-Man beschränken sich auf ein Gameboy-Spiel, welches ich vor über zehn Jahren gespielt hatte. Ich habe keinen seiner Filme gesehen, keines seiner Comics gelesen und auch keines der aktuelleren Spiele gespielt. Trotzdem wollte ich Spider-Man 3 unbedingt mal anspielen, da es zwar von der Fachpresse zerrissen wurde, aber trotzdem bei den Spielern gut ankam. Und da ich eher selten mit der Fachpresse einer Meinung bin, und nach Ice Age 2 sehr gute Erfahrungen mit Filmumsetzungen gemacht hatte, landete das Spiel letztendlich auch in meiner Konsole, um zu zeigen, was es zu bieten hat.
Worum geht's hier eigentlich?
Auf der Verpackung wirbt Activision mit "fünf verschiedenen Handlungssträngen", von denen einer die Story des Films sein soll. Davon merkt man anfangs absolut gar nichts, da Spider-Man nach einem etwa zehnsekündigen Intro in ein brennendes Gebäude springt, in dem es dann auch direkt losgeht. Nach einer kurzen, mündlichen Einweisung in die Steuerung werden erste Gegner verprügelt und Zivilisten gerettet, es wird an Wänden entlang gekrabbelt und letztendlich die Flucht aus dem Gebäude angetreten. Aber alles der Reihe nach.
Das Kampfsystem von Spider-Man wirkt anfangs sehr stumpfsinnig. Wie schon so oft wird durch Bewegungen mit der Wii-Remote angegriffen. Wer jedoch bis jetzt immer wild mit der Wiimote geschüttelt hat, um beispielsweise in Zelda seine Feinde zu verprügeln, wird sich in Spider-Man 3 umstellen müssen. Hier registriert das Spiel nämlich jede Bewegung und wer einfach nur unkontrolliert herumwackelt, wird bereits bei den ersten Gegnern den Kürzeren ziehen. Anfangs steht Spidey nur die Nahkampfcombo zur Verfügung, die durch die erwähnten Bewegungen mit der Remote eingeleitet und durch einen starken Angriff abgeschlossen wird, indem sowohl die Remote als auch der Nunchuk schnell nach unten bewegt werden. Im weiteren Spielverlauf kann Spidey seine Gegner überspringen und von hinten angreifen, mit Spinnweben verlangsamen, ihnen die Waffen wegnehmen, auf sie drauf springen und vieles mehr. Diese Angriffe werden teilweise durch Bewegungen mit Wiimote und Nunchuk, teilweise jedoch auch durch klassische Tastendrücke aktiviert. Einige der Angriffsarten sind optional, andere wiederum müssen regelmäßig eingesetzt werden, um gegen die verschiedenen Gegnertypen zu bestehen. Abgerundet wird das gute Kampfsystem von den zahlreichen Bossen, die manchmal nur stärkere Versionen normaler Gegner darstellen; meistens jedoch sind die Bosskämpfe recht interessant gestaltet und heben sich gut von den Straßenkämpfen ab.

Der zweite Bestandteil des Spiels, der in Spider-Man ebenfalls seine Bedeutung hat, ist das Reisen von A nach B. Hierzu hat Spidey natürlich zum einen die Möglichkeit, sich an Hauswänden entlangzuschwingen. Netze können mit beiden Händen verschossen werden, indem entweder der B- oder der Z-Knopf gedrückt gehalten werden, und dann zum gewünschten Zeitpunkt die jeweilige Steuereinheit bewegt wird. Die zweite Möglichkeit ist der Netz-Seilzug, welcher durch gleichzeitiges Drücken der B- und Z-Tasten ausgelöst wird. In diesem Fall schießt Spidey einen Faden klebriges Eiweiß nach vorne, um dann an selbigem zu ziehen, was ihm einen Geschwindigkeitsschub verleiht. Der Seilzug ist vor allem beim Erklettern von Hochhäusern praktisch.
Gameplaytechnisch zeigt sich Spider-Man als GTA-Klon, was für eine Filmumsetzung recht ungewöhnlich ist. Nachdem das Tutorial abgeschlossen ist, kann sich Spidey frei in Manhattan bewegen und dann entweder die nächste Storymission beginnen oder bei einem der unzähligen Informanten eine Nebenmission annehmen. Ganz ähnlich wie in GTA San Andreas befinden sich nämlich auch in Spider-Man 3 vier verschiedene Gangs in einem ewigen Konflikt mit sich selbst und mit der Polizei. Bei erfolgreichem Abschluss einer Mission gewinnt die Polizei etwas an Macht; versagt Spidey, hat die entsprechende Gang ihren Coup durchführen können und wird in nächster Zeit stärker werden. Zusätzlich zu diesen Missionen kommen über einen Pager regelmäßig sehr kurze Missionen hinein, die sehr stark an die Zufallsmissionen aus True Crime erinnern. Die größeren Nebenmissionen bestehen eigentlich nur aus einer Aneinanderreihung dieser kleineren Missionen und sind ebenfalls zufallsgeneriert.
Höhen und Tiefen
Spider-Man 3 kann in jedem Fall mit einer Handvoll Pluspunkten aufwarten. Der Story-Modus kann in zehn Stunden beendet werden und ist somit für heutige Verhältnisse durchschnittlich umfangreich. Auch danach kann theoretisch endlos viel Zeit mit Nebenmissionen oder der Suche nach insgesamt 150 versteckten Items verbracht werden. Leider werden die Nebenmissionen selbst während des Durchspielens der Story schon sehr eintönig. Es gibt zwar verschiedene Ziele wie das Entschärfen von Bomben oder das Suchen von Beweisen - diese wiederholen sich allerdings sehr schnell und meistens geht es ohnehin nur darum, innerhalb eines Zeitlimits zum nächsten Brennpunkt zu kommen und dort alle Aufständischen zu verprügeln. Die Storymissionen sind wesentlich abwechslungsreicher, nicht zuletzt, da auch Peter Parkers Beruf als Reporter hier und da eine Rolle spielt und sich einige Missionen um das Schießen von Fotos drehen.
Ähnlich verhält es sich mit der Steuerung. Auf der einen Seite ist diese sehr interessant gestaltet, auch wenn die Einbindung der Bewegungssensoren nicht immer Sinn macht (warum z.B. muss ich den Nunchuk nach unten bewegen, um über einen Gegner zu springen?). Allgemein wirkt die Steuerung nicht sehr ausgereift. Während das Schwingen sehr viel Spaß macht, ist es fast unmöglich, genau um Ecken zu fliegen, und Spidey landet öfter in einer Hauswand als einem vielleicht lieb ist. Meistens macht das keine Probleme, manchmal fängt er jedoch auch an, an der Wand zu klettern, was absolut nicht beabsichtigt war. Der Netz-Seilzug funktioniert generell sehr schlecht und reagiert nur in der Hälfte der Fälle. Und insgesamt sind manche Elemente der Steuerung einfach überbelegt: Die besagte Bewegung des Nunchuks nach unten löst z.B. entweder den Sprung über einen Gegner, ein Ausweichmanöver oder einen starken Angriff aus. Welches dieser drei Manöver gemeint ist, kann die Konsole dabei eigentlich nur erraten. Die Folge ist, dass Kämpfe nur selten wirklich unter Kontrolle sind. Glücklicherweise ist das Spiel sehr leicht und Items, die den Lebensbalken komplett wiederherstellen, sind großzügig verteilt. Wirklich anspruchsvoll wird das Spiel nur bei Bosskämpfen.
Spinnen, Käfer und andere Insekten
Das alles wäre gar nicht mal so schlimm, wenn Spider-Man nicht so unglaublich verbuggt wäre. Solange alles funktioniert, kann die Verbrechensbekämpfung eine Menge Spaß machen, aber man merkt dem Spiel leider sehr deutlich an, dass die Verträge eine Veröffentlichung zum Release des Films erzwungen haben. Standardfehler, wie ins Leere führende Zielmarker bei generierten Missionen, oder unsichtbare Objekte sind an der Tagesordnung. Noch schlimmer wird es, wenn bereits während des Briefings die Meldung kommt, die Mission sei gescheitert, ohne dass man etwas tun konnte. Den absoluten Knaller leistete sich das Spiel jedoch, als es die Textur eines Polizeiwagens auf ein Tausendfaches ihrer Größe anwachsen lies und in etwa 50 Metern Höhe darstellte. In riesigen Nummernschildern verschwindende Wolkenkratzer sind ein einmaliger Anblick.

Während sich gerade unsere Kollegen von IGN über die Optik des Spiels aufregten und schockierende Screenshots veröffentlichten, die eher an Superman 64 erinnerten als an alles andere, frage ich mich, welches Spiel die Amerikaner überhaupt gespielt haben. In jedem Fall sieht Spider-Man nicht mal annähernd so schlecht aus, wie es von ihnen dargestellt wird. Bei Tag ist die Optik zwar eher dürftig, aber zumindest noch auf durchschnittlichem Niveau, auch wenn vor allem die Grastexturen im Central Park wirklich eine Frechheit sind. Dafür gibt sich Spider-Man 3 bei Nacht absolut beeindruckend, was vor allem an den tausenden Fenstern liegt, die unterschiedlich stark oder auch gar nicht beleuchtet sind. Wenn Spidey sich dann noch mit sehr hohen Geschwindigkeiten durch dieses Lichtermeer schwingt und nirgendwo eine Spur von PopUps oder Slowdowns zu sehen ist, kann man hier ohne zu zögern von einem der besten Grafikerlebnisse sprechen, das die Wii momentan zu bieten hat. Außerdem fallen hier die schlechten Texturen nicht ins Gewicht, da sowieso alles dunkel ist. Leider wird es viel zu schnell wieder Tag.
Akustisch steht Spider-Man 3 der Filmsoundtrack einer Hollywoodproduktion zur Verfügung. Leider wurde er nicht benutzt. Eine Hintergrundmusik gibt es fast nie und wenn doch, wird sie nach zehn Sekunden wieder ausgeblendet - schade eigentlich, denn was es zu hören gibt, macht Lust auf mehr. Stattdessen bietet das Spiel durchschnittliche Soundeffekte, zu denen es wirklich nichts zu sagen gibt. Nur das Surren der Luft, wenn sich Spider-Man über die Straßen schwingt, ist hier eine Erwähnung wert, da es das Geschwindigkeitsgefühl sehr gut unterstreicht. Die deutsche Sprachausgabe ist nichts anderes als nervig, da sich die selben dummen Sprüche ständig wiederholen. Zumindest ist der Humor teilweise so schlecht, dass man zwar nicht über die Witze selbst lachen kann, aber wenigstens darüber, wie schlecht sie sind. Beispiel aus dem Tutorial: "Was wäre Spider-Man ohne seine Spinnenkräfte? - Man!" Auch auf die Tatsache, dass Spider-Man mit einem Bindestrich geschrieben wird, wird ständig hingewiesen.
Fazit: Letztendlich fällt mir die Bewertung von Spider-Man 3 ähnlich schwer wie die von Ice Age 2. Um es einfach auszudrücken, ist es ein Titel, der trotz einiger technischer Fehler Spaß macht. Das relativ gute Gameplay, und die immer noch neuartige Steuerung, schlagen einige Pluspunkte für das Spiel heraus. Dies wird jedoch wieder durch Bugs zunichte gemacht, durch die manche Nebenmissionen unlösbar sind und die Steuerung wieder versaut wird, und häßliche Grafikfehler tun ihr Übrigens. Mit ein bis zwei Monaten zusätzlicher Entwicklungszeit, hätten uns Vicarious Visions hier einen grundsoliden Titel präsentieren können, was ihnen jedoch durch die Verträge vermutlich vergönnt war. Aus meiner Sicht hat es jedenfalls keine sieben Wertungspunkte verdient, da es einfach zu fehlerhaft ist, und außer dem Spielspaß bei der Bewertung noch andere Faktoren eine Rolle spielen sollten. Trotzdem sollten selbst Spieler, die noch nie etwas mit Spider-Man zu tun hatten, mit diesem Spiel etwas anfangen und einige Stunden totschlagen können.
Von Andreas Held
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| Wertung für das Spiel Spider-Man 3 | |
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| 7.0 | Grafik Bei Tag absolut durchschnittlich, bei Nacht ein schönes Grafikerlebnis. | |
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| 5.9 | Sound Sehr wenig Hintergrundmusik, dafür sehr viel nervige Sprachausgabe. | |
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| 6.9 | Steuerung An sich sehr gut gelungen, jedoch oft zu fehlerhaft und ungenau. | |
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| 6.4 | Gameplay Netter GTA-Klon mit angemessenem Umfang und relativ viel Abwechslung, leider sehr verbuggt. | |
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| 6.8 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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