Review von Andreas Held (mail) | 28.06.2010
DS-Besitzern, die sich gerne noch eine Straßenecke weiter hinter dem allseits bekannten Mainstream umsehen, dürfte der Name "5th Cell" durchaus ein Begriff sein. Der Entwickler ist bekannt dafür, für den Nintendo DS hochinnovative Spielkonzepte zu entwickeln, die jedoch aufgrund der eher mangelhaften Spielbarkeit gemischte Reaktionen hervorrufen - insbesondere das im Vorfeld ordentlich gehypte Scribblenauts war hiervon betroffen. Ein anderes Konzept der Entwickler, Drawn to Life, bekam nun schon seinen Nachfolger und im Zuge dessen auch eine Wii-Version spendiert. Drawn to Life: The Next Chapter wäre das erste Wii-Spiel von 5th Cell, wenn nicht aus irgendeinem Grund ein anderes Studio mit dessen Entwicklung beauftragt worden wäre. Wie die Planet Moon Studios, die sich mit Battle of the Bands nicht gerade einen Namen gemacht haben, sich bei ihrem zweiten Wii-Projekt geschlagen haben, kann nun jeder zum Schnäppchenpreis herausfinden, denn der Titel ist in Deutschland unter dem leider sehr kindlichen Namen "Der Magische Stift" (ein Schelm, wer Zweideutigkeiten erkennt) seit einiger Zeit für 19,99€ zu haben - mancherorts auch für noch weniger. Wir halten uns im Review an den englischen Originaltitel "Drawn to Life".
Mal' dein eigenes 2D-Jump'n'Run!
Die Hauptinnovation von Drawn to Life ist, dass ihr auf die Spielwelt - zumindest teilweise - kreativen Einfluss nehmen könnt, indem ihr bestimmte Elemente selbst malt. Dafür bekommt ihr ein Zeichen-Tool gestellt, das euch allerlei Methoden zur Verfügung stellt, in denen ganz klar ein Trade-Off zwischen Kreativität und Arbeitsaufwand zu erkennen ist. Ganz kreative Spieler können einen Freihandpinsel verwenden und dann in verschiedenen Zoomstufen von "Originalgröße" bis "Pixelraster" frei arbeiten. Tools zum Zeichnen von Linien, Formen, Kurven und dem Ausfüllen von Flächen erleichtern diese Arbeit etwas. Alternativ gibt es auch Stempel, mit denen ihr vordefinierte Teilbilder wie z.B. Sterne oder Augenpaare direkt auf eurer Kreation platzieren könnt. Faulenzer und unbegabte Spieler laden stattdessen die Templates der Entwickler, die nachbearbeitet oder auch unverändert übernommen werden können. Nachdem ihr in der Introsequenz erst mal die Welt und die Körperteile (Arme, Beine, Rumpf und Kopf) eurer Spielfigur malt bzw. übernehmt, werdet ihr danach an in den Levels verteilten Punkten dazu aufgefordert, Tiere, Dekorationen oder auch Spielelemente wie bewegliche Plattformen und Trampoline selbst zu malen. Einziger Wermutstropfen: Der Pointer der Wii-Remote ist ein eher ungenaues Werkzeug zum Malen, weshalb es schön gewesen wäre, wenn besonders ehrgeizige Spieler ihren DS mit der Wii verbinden und als eine Art Grafik-Tablet benutzen könnten. Hardwaretechnisch wäre ein solches Feature ja durchaus drin gewesen.

Gestalterische Elemente sind jedoch nicht die einzigen Dinge, die der Spieler in die Spielwelt hineinmalen muss. In vordefinierten Bereichen kann außerdem mit spezieller Tinte direkt in's Level gemalt werden: Blaue Tinte erschafft statische Plattformen, rote Tinte hingegen zweidimensionale Objekte, die an Gesetze wie Schwerkraft gebunden sind. Grüne Tinte erschafft Plattformen, die als Trampoline fungieren. Mit diesen Elementen erschafft das Spiel regelmäßig kleine Puzzles, in denen z.B. eine grüne Plattform angeschrägt gezeichnet werden muss, um danach rote Objekte wie ein Katapult auf entfernte Gegner schleudern zu können. Die Entwickler hatten hier einige gute Ideen, und die so entstandenen Rätsel zählen prinzipiell zu den größten Stärken von Drawn to Life.
Spielerisch simpel, aber mit Ecken und Kanten
Abgesehen von diesen Innovationen ist der Titel ein überraschend konventioneles 2D-Jump'n'Run. Der Charakter kann laufen, springen und mit dem B-Knopf Angriffe ausführen - mehr nicht. So ausgestattet, erforscht ihr in vier Welten jeweils sechs Levels, die alle etwa 15 Minuten lang sind. Bevor ihr ein Level spielen könnt, müsst ihr euch im Raposa-Dorf, das als Hub-Welt dient, aber erst die nächste Storymission holen. In jeder Welt gibt es außerdem noch ein spezielles Item, das dem Charakter weitere Fähigkeiten verleiht; beispielsweise ein paar Klauen, mit dem der Hauptheld hölzerne Wände hinaufklettern kann. Für Widerspielwert sorgen der nonlineare Levelaufbau und Items wie neue Stempel oder Vorlagen für den Helden, die in den Seitengassen versteckt sind. Außerdem gibt es von den Bewohnern des Dorfs ein paar Sidequests, für die ihr bereits absolvierte Levels wiederholen müsst, um versteckte Items zu bergen oder eine Zeitvorgabe zu unterbieten. Darüber hinaus kann man sich, gegen die KI oder einen menschlichen Gegner, in ein paar Sport-Minispielen austoben. Der Umfang geht also, insbesondere in Anbetracht des Kaufpreises, voll in Ordnung.

Wer Drawn to Life anspielt, wird wohl zunächst das Gefühl haben, ein wunderschönes Schnäppchen ergattert zu haben, doch ab dem fünften Level der ersten Welt offenbaren sich immer mehr Probleme. Eines der Hauptprobleme rührt dabei aus dem Spieldesign selbst: Eure Gemälde passen grundsätzlich in eine vorgegebene, meist rechteckige Fläche, die ihr aber nur selten wirklich ausfüllt. Die Kollisionsabfrage des Spiels geht aber trotzdem von der gesamten Fläche aus, was vor allem beim Haupthelden oft zu Frust führen kann, der um sich herum eben noch eine kleine, unsichtbare Trefferzone hat - diese Kritik klingt übertrieben, aber wenn man sieht, wie wenige Pixel vor dem Fuß der Hauptfigur eine Falle hinunterkracht und die Spiel-Engine auf virtuelles Ableben entscheidet, merkt man, wie gravierend sich das auswirken kann. Die Steuerung ist meist wunderbar direkt, wirkt in manchen Situationen aber auch einfach etwas übernervös, was das Frustpotential in solchen Situationen noch steigern kann.
Auch die Levels selbst müssen manchmal kritisiert werden. Die ständig respawnenden Gegner, die die Lust auf das Erforschen der nichtlinearen Levels schmälern, sind da noch die Spitze des Eisbergs. Das Design der Rätsel, in deren Rahmen man mit Tinte in die Levels hineinmalen muss, ist insgesamt inkonsistent: Oft gibt es eine klar definierte Lösungsidee und damit zusamenhängend ein Erfolgserlebnis, wenn man eben diese erkennt; gelegentlich wirken die Denksport-Einlagen aber auch etwas unkoordiniert und man hat als Spieler danach das Gefühl, sich "irgendwie durchgewurschtelt" zu haben. Das gilt insbesondere dann, wenn es einen offensichtlich nicht vorgesehenen, aber viel einfacheren Lösungsweg gibt - Speedrunner sollten sich hierüber freuen können, aber in Drawn to Life sind solche Schleichwege einfach zu oft zu offensichtlich. Wirklich schlimm sind aber die technischen Fehler - in sich wiederholenden Fällen hat der Titel einfach keine Hintergrundmusik geladen oder ist mitten im Spielgeschehen für eine Sekunde eingefroren. Einmal wurden nach einem Neustart an einem der zahlreichen Checkpoints keine Steuerungskommandos mehr angenommen, sodass als einzige Möglichkeit blieb, die Wii zu resetten und das komplette Level zu wiederholen. Wenn sie funktionieren, befinden sich Grafik und Sound auf einem befriedigenden Niveau.Fazit: Drawn to Life: The Next Chapter auf Wii ist also sicherlich kein Meilenstein der Spielgeschichte, muss dies aus heutiger Sicht aber auch nicht mehr sein. Denn was erwartet man schon, wenn man in einem deutschen Geschäft nach einem Impulskauf zwanzig Euro ärmer ist und dafür ein Wii-Cover in der Hand hält, auf dem "Der Magische Stift" steht? Sicherlich etwas deutlich schlechteres als das, was man letztendlich bekommt. Drawn to Life ist ein klassisches 2D Jump'n'Run, das neben den Malbuch-Features wenig Innovation bietet, sondern sich auf ein sehr simples Grundkonzept besinnt, das dafür zumindest im Groben funktioniert. Der Feinschliff fehlt jedoch an vielen Stellen und man hat dann auch mal den Eindruck, dass den Entwicklern noch etwas Zeit oder Geld fehlte, oder dass ein Leveldesigner an einem warmen Freitag Nachmittag gerne früh nach Hause wollte. Deshalb gilt unter'm Strich: Als Geschenk für jüngere Spieler, die durch die Features und den insgesamt niedrig angesetzten Schwierigkeitsgrad ohnehin die Hauptzielgruppe sind, ist Drawn to Life uneingeschränkt empfehlenswert. Fußballmuffel, die für kleines Geld Beschäftigung für die Sommertage suchen, während draußen alle am Tröten sind, können auch zugreifen, müssen aber akzeptieren, dass es einen Grund gibt, warum sie für ein Super Mario Galaxy mehr als doppelt so viel bezahlen müssten. Wer Lust auf ein klassisches 2D-Jump'n'Run hat, ist generell jedenfalls gut beraten.
Von Andreas Held
|
|
| Wertung für das Spiel Drawn to Life - The Next Chapter | |
| |
 |  | |  |
|  | |
| 7.0 | Grafik Schöne Farben und ausreichend viele Details sorgen für ein ansprechendes Gesamtbild, das man mit seinen eigenen Zeichnungen verunstalten kann. | |
|  | |
| 7.0 | Sound Nette Hintergrundmusik, die in der ersten Welt positiv auffällt und danach lediglich ihren Zweck erfüllt. | |
|  | |
| 7.0 | Steuerung Wunderbar simpel und direkt, manchmal aber auch etwas übereifrig, was zusammen mit der problematischen Kollisionsabfrage für ein schwammiges Spielgefühl sorgen kann. | |
|  | |
| 7.0 | Gameplay Seichtes 2D Jump'n'Run mit nettem Umfang und ein paar Nebenaufgaben, das viele innovative Ideen umsetzt, deren Potential durch das oft ungeschliffen wirkende Leveldesign aber nicht voll ausschöpfen kann. | |
|  | |
| 7.0 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
|

|