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Prince of Persia - Die vergessene Zeit
Review von Tim Herrmann (mail) | 30.05.2010

Mit Prince of Persia – The Sands of Time und dessen zwei Nachfolgern schmiedete Ubisoft in der letzten Konsolengeneration eine viel beachtete Action-Trilogie der Extraklasse. Die von Ubisoft Montreal entwickelten Meisterwerke brachten den schon etwas betagteren Prinzen von Persien eindrucksvoll (wenn auch nicht das allererste Mal) in die 3.Dimension, ließen ihn wagemutige Akrobatik vollführen und bezaubernde Abenteuer in arabischen Nächten verbringen. Doch der Prinz konnte sich dort oben nicht auf Dauer halten: 2008 erschien ein HD-Ableger, der zwar gut war, bei den Verkaufszahlen die Millionengrenze aber nicht überspringen konnte. Und in der Zwischenzeit entwickelte sich Assassin’s Creed mehr und mehr zu Ubisofts neuem und noch dazu viel profitablerem Prince of Persia.
Mit Prince of Persia – Die vergessene Zeit erscheint nun der nächste Teil der Serie, der an die Sands-of-Time-Trilogie anschließen soll und für alle aktuellen Konsolen unter dem gleichen Namen erscheint. Die Wii-Version wurde „exklusiv“ in Québec entwickelt. Doch was heißt das eigentlich?

Eine Exklusiventwicklung!
Im Vorfeld war zu hören, dass „Die vergessene Zeit“ handlungsmäßig an den ersten Teil anschließen und eine Geschichte erzählen soll, die zwischen „The Sands of Time“ und „Warrior Within“ angesiedelt ist. Davon ist zunächst aber nicht besonders viel zu erkennen, wenn man den Titel startet. Eigentlich gar nichts. Weder sieht der Prinz der Version von 2003 besonders ähnlich, noch nimmt er in seinen Kommentaren (die diesmal noch dazu auch weniger frech und etwas zaghafter sind als früher) Stellung zu den Abenteuern, die er mit dem Dolch der Zeit bereits erlebt hat. Stattdessen wird er von einem Dschinn namens Zarah begleitet, der ihn in noch viel gefährlichere Abenteuer lockt, an deren Ende ein florierendes Königreich und eine Prinzessin stehen sollen – die aber natürlich beide erst einmal vor bösen Flüchen und einer fiesen Hexe gerettet werden wollen.



Guckt man sich Prince of Persia – Die vergessene Zeit allerdings auf den HD-Konsolen an, wird einem vieles klar. Denn hier spielt die Geschichte tatsächlich zwischen Teil 1 und 2. Und auch ansonsten scheint die HD-Umsetzung der wirkliche neue Eintrag in die Sands-of-Time-Trilogie zu sein. Wenn man normalerweise aus den Entwicklerstudios etwas hört wie: „Wir entwickeln eine Wii-Version exklusiv in einem externen Studio“, dann heißt das meistens lediglich, dass der für Wii angepasste Titel grafisch zumindest kein Totalausfall wird und einige gut durchdachte Bewegungsfeatures und Party-Modi bekommt. Nicht so beim neuen Prinzen: Die Wii-Version ist keine Umsetzung und schon gar keine Portierung. Sie bietet eine völlig andere Geschichte, andere Levels, eine andere Spielwelt, andere Gameplay-Features, es ist schlichtweg ein ganz anderes Spiel.

Es ist deswegen etwas unverständlich, warum die Spiele dann noch denselben Namen tragen, wo sie doch kaum etwas miteinander zu tun haben. Spieler werden sich denken, die Wii-Version sei wie üblich eine verwässerte Umsetzung der großen HD-Versionen mit weniger guter Grafik. Das ist hier nicht der Fall und dem Spiel wird sicherlich in vielen Fällen Unrecht durch solche Vermutungen getan, auch wenn sie in 90% der Fälle zutreffen würden.

Beim Gameplay (fast) alles beim Alten
Die HD- und die Wii-Version des Spiels mögen sich in allem Möglichen unterscheiden, aber beim Gameplay bleibt Prince of Persia sich treu und Freunde des Prinzen fühlen sich sofort heimisch. Der agile Protagonist verfügt nach wie vor über ein beeindruckendes Repertoire an akrobatischen Kunststückchen und Moves und kommt so immer auf irgendeine Weise von A nach B: Er muss an Wänden entlanglaufen, Vorsprünge ergreifen, wagemutige Sprünge riskieren und Fallen ausweichen.



Neu dazu kommen im aktuellen Wii-Ableger zahlreiche sogenannte Sandkräfte, die das Aktivieren von Schaltern, Griffen und bestimmten Plattformen ermöglichen, euch in die Höhe katapultieren oder in der Luft auffangen können. Nach und nach erhält der Prinz immer mehr solcher Kräfte, die er im Spielverlauf miteinander kombinieren muss, um auch die schwierigsten Platforming-Passagen zu meistern.

All diese Sandkräfte werden mit dem Pointer ausgelöst. Bekommt man zu Beginn des Spiels noch feste Pfade durch aktivierbare Schalter vorgegeben, ist es später möglich, immer und überall Griffe zu kreieren und sich mit Sandwirbeln in die Luft stoßen zu lassen. Zunächst ist der alte Prince-of-Persia-Freund dabei skeptisch, denn erst einmal sieht es so aus, als könne man nun fast gar nicht mehr verlieren, weil man immer irgendwo etwas zum Schweben oder Festhalten herbeizaubern kann. Tatsächlich ist die Neuerung aber eine sehr gute Idee, denn sie fordert den Spielern aktives Mitdenken beim Lösen der Jump & Run Rätsel ab und lässt sie nicht nur stur nach der nächsten Anlaufmöglichkeit suchen.

Das Sterben ist in Prince of Persia bekanntlich kein allzu großes Problem. Beim riskanten Jump-&-Run-Gameplay ist der Tod praktisch an der Tagesordnung, doch die Entwickler sind seit jeher schlau genug, auf aufwändige Todesanimationen zu verzichten und stattdessen innerhalb einer Sekunde einen neuen Versuch zu ermöglichen. Wo man in der ursprünglichen Sands-of-Time-Trilogie die Zeit zurückdrehen konnte, gibt es nun sogenannte Sand-Orbs, die einem eine bestimmte Anzahl an Leben geben. Sind sie verbraucht, wird der Prinz nach dem Ableben nicht mehr an den letzten Punkt vor dem verheerenden Sprung, sondern an die letzte Speicherstation zurückversetzt. In den HD-Versionen ist das Zurückspulen übrigens weiterhin möglich, ein weiterer gravierender Unterschied zwischen den beiden.



Der Sand der Zeit spielt in „The Forgotten Sands“ auf Wii (!) also keine Rolle mehr, anders als in den anderen Versionen – ein wenig befremdlich, wenn man das Spiel durch den Namen als Erweiterung der Sands-of-Time-Trilogie präsentiert. Doch mit Sand oder ohne: Die kniffligen Jump & Run-Passagen sind so knifflig und einfallsreich wie eh und je. Man wundert sich immer wieder darüber, wie geschickt der Prinz selbst die unmöglichsten Sprünge meistern kann und wenn man die einzelnen Elemente der Jump & Run Passagen schnell erkennt und schnell wie der Wind um die Ecken kraxeln kann, fühlt sich das einfach gut an.

Einsteigerfreundlich
Dass es sich bei der Wii-Version um eine Exklusiventwicklung handelt, sollte im Laufe dieses Tests bereits durchgesickert sein. Das merkt man nicht nur am völlig anderen Spiel, sondern auch an der guten Lernkurve, die auch neuen Spielern den Einstieg ermöglicht. Das Spiel beginnt sehr einfach, gibt viele Tipps und markiert durch blaue Streifen, wo man hinspringen kann, ohne im Abgrund zu landen.

Gegen Ende zieht der Schwierigkeitsgrad aber nicht unerheblich an. Dann kämpft ihr gegen knackige Gegner, müsst über mörderische Fallen wirbeln, dürft den Boden teilweise gar nicht mehr berühren oder werdet von Fleisch fressenden Skarabäuskäfern verfolgt. Dann sind eure Sand-Orbs (= Leben) ganz schnell weg und ihr müsst von der letzten Speicherstation neu beginnen. Diese sind aber sehr fair und großzügig verteilt, sodass man nie weiter als drei bis fünf Minuten im Spielverlauf zurückgeschleudert wird, nachdem man gestorben ist.



Was spielerisch leider nicht besonders anspruchsvoll geworden ist, ist das Kampfsystem. Dem Prinzen stehen lediglich normale Schläge durch Fuchteln der Wii-Remote und einige Sprung- und Drehattacken zur Verfügung, die man allerdings nicht miteinander kombinieren kann und die nur recht wahllos auf die Gegner niederprasseln, bis sie erledigt sind. Die Kämpfe stoppen den flüssigen Spielablauf ein wenig und hätten ein wenig sorgfältiger ausgefeilt sein können. Gleichzeitig fehlt es ein wenig an spielerischen Highlights. Große Bosskämpfe gibt es nur sehr wenige und auch die Geschichte ist ziemlich dünn gehalten. Anders als damals mit dem Sand der Zeit könnte man aus „Die vergessene Zeit“ wohl keinen Kinofilm drehen.

Auch technisch top
Bei der Technik kommen die Vorteile einer Exklusiventwicklung besonders gut zum Tragen. Denn Prince of Persia auf Wii sieht wirklich klasse aus. Das Spiel läuft immer mit flüssigen 60 Bildern pro Sekunde und stellt eine liebevoll detaillierte Spielwelt mit scharfen Texturen, guten Prinzenanimationen und schicken Effekten dar. Lediglich einige Gegnermodelle wirken etwas zu uninspiriert und sind auch nicht perfekt ausmodelliert, wirken etwas matschig.

Beim Sound macht man mit orientalischen Klängen und dunklen Geräuschkulissen keine Fehler. Positiv fällt auch auf, dass der gesamte Titel auf Deutsch synchronisiert ist – und das auch noch ziemlich hochwertig.

Fazit:
Prince of Persia – Die vergessene Zeit müsste eigentlich einen anderen Namen tragen. Denn es ist keine Umsetzung, es ist ein völlig eigenständiges Spiel. Und dabei wird es nicht zu einer Wischiwaschi-Franchise-Verwurstung zum Sinne der Exklusivität, sondern zu einem Prince of Persia, wie man es kennt und mag. Das Platforming-Gameplay ist so schnell, eingängig und fordernd wie eh und je, die Lernkurve sehr angenehm und die neuen Gameplay-Elemente sinnvoll und intelligent integriert. Auch der technischen Ebene kann man nur Lob aussprechen, sodass am Ende ein klasse Titel und würdiger Vertreter der Reihe bleibt, der aufgrund kleinerer Mängel (Kampfsystem, fehlende Opulenz in der Geschichte) nicht ganz an seine brillanten Vorgänger heranreicht, aber nichtsdestotrotz ein empfehlenswertes Wii-Exklusivspiel bleibt.

Von Tim Herrmann
Wertung für das Spiel Prince of Persia - Die vergessene Zeit
Wertungen Beschreibung
8.5Grafik
Extrem flüssige und sehr detaillierte, sauber ausgestaltete Grafik mit kleineren Unansehnlichkeiten im Gegnerdesign.
8.7Sound
Orientalische Klänge treffen auf passende Geräuschuntermalung, die der Situation stets angemessen ist, und werden ergänzt durch gute Synchronisierung.
8.2Steuerung
Gute Steuerung, die den Pointer sinnvoll einbindet, gleichzeitig aber manchmal ein wenig mit der Kamera kämpft, die verhältnismäßig oft nachjustiert werden muss. Das Fuchteln in den Kämpfen hätte nicht unbedingt sein müssen.
8.6Gameplay
Der Prinz, wie er leibt und lebt. Das klassische Gameplay der Reihe vermischt sich angenehm mit neuen Ideen und bleibt dabei nicht hinter den Vorgängern zurück.
8.5Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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