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Review von Andreas Held (mail) | 26.05.2010
Der japanische Videospielemarkt öffnet sich immer mehr dem Rest der Welt. Früher war es selbst bei großen Namen wie Seiken Densetsu nicht selbstverständlich, dass der Westen eine englische Version bekam, doch heute schaffen es neben großen Franchises auch immer mehr Nischentitel in westliche Gefilde - Publishern wie Atlus oder Nippon Ichi Software, die sich in den USA auf die Lokalisierung von Spielen kleiner japanischer Entwickler spezialisiert haben, sei Dank. Ein Tabuthema ist dabei bis heute ein Genre, das selbst in Japan eher ein Nischendasein fristet: Visual Novels, die gerne auch mal auf die Bezeichnung "Dating Simulation" hören, sind im Westen komplett verschrien. Einen ersten Versuch wagt nun Nippon Ichi Software, die sich den fünften Teil der "Sakura Taisen"-Serie angeeignet haben und nun für PS2 und Wii im Westen veröffentlichen - nachdem das Spiel fünf Jahre lang nur in Japan erhältlich war.
Die Geschichte von Sakura Taisen
Wer im Westen den übersetzten Namen "Sakura Wars" hört, denkt wahrscheinlich an die Anime-Serie, die in Amerika ausgestrahlt wurde und auch in Europa relativ bekannt ist - und liegt damit überraschenderweise falsch. Sakura Taisen erblickte tatsächlich auf dem Sega Saturn das Licht der Welt. Der von Overworks (Skies of Arcadia) entwickelte Titel drehte sich um eine Reihe weiblicher Charaktere, die in einem Theater regelmäßig auftraten und bei Gefahr in riesige Kampfroboter einstiegen, um ihre mächtigen Gegner zu besiegen. Der männliche Hauptcharakter musste dann in ausgedehnten, fast ausschließlich aus Text bestehenden Passagen Bündnisse mit den Pilotinnen schließen. Gute Freundschaften, die in diesen Passagen geschlossen wurden, verschafften den Charakteren dann Statusboni für die rundenbasierten Kämpfe, die mit den Robotern absolviert werden mussten. Die Anime-Serie erschien erst vier Jahre nach dem ersten Videospiel. Volle Serien gab es danach zwar nicht mehr (einige OVAs und ein Film folgten jedoch), aber die Videospieleserie lief neun Jahre lang weiter: Nach einem direkten Nachfolger auf dem Sega Saturn und zwei Dreamcast-Ablegern erschien der fünfte Teil der Serie, der die Handlung nach New York verlegte, nur noch für die Playstation 2. Danach erschien noch Sakura Wars V: Episode 0, bis sich die Franchise im Sand verlief. Overworks hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits von der Serie verabschiedet; der dritte und der fünfte Teil wurden von RED Entertainment entwickelt, die sich Sakura Taisen von Sega lizensieren ließen. Knapp fünf Jahre später wurde der vorletzte Titel aus der Franchise nun von Nippon Ichi USA lokalisiert und nebenbei auch gleich auf Nintendos Wii portiert - und die Wii-Version schaffte es sogar bis zu uns nach Europa.

Heute: Sakura Taisen V auf Wii
Auch beim fünften Teil der Serie hat sich am traditionellen Gameplay nicht viel geändert. Das Spiel startet mit Shinjiro Taiga, der gleich zu Beginn des Spiels nach New York geschickt wird, um dort der New York Combat Revue beizutreten - eine zu diesem Zeitpunkt aus drei Kämpferinnen bestehende Gabelung der Einheit, die unter dem Deckmantel eines Theaters gegen das Böse kämpft. Im Laufe des Spiels kommen noch drei weitere Verbündete hinzu - zwei weitere Mitarbeiterinnen, die nicht aktiv an den Kämpfen teilnehmen, hinzugezählt, gibt es also insgesamt acht Protagonistinnen, mit denen ihr im Laufe des Spiels interagieren könnt. Die Interkation läuft dabei fast ausschließlich über Texte ab, und regelmäßig werdet ihr dazu aufgefordert, dem Hauptcharakter vorzugeben, was er sagen soll. Das erfolgt dann entweder nach einem simplen Multiple-Choice-Prinzip mit normalerweise drei Auswahlmöglichkeiten, oder ihr müsst einen Regler irgendwo zwischen zwei Extremen platzieren. Auffällig ist dabei, dass ihr eure Antwort fast immer innerhalb eines recht knappen Zeitlimits wählen müsst - ansonsten geht die Szene ohne einen Kommentar des Hauptchrakaters weiter. Ab und zu gibt es auch kleine Quick-Time-Events. Wenn ihr mal nicht mit dem Lesen von automatisch scrollenden Texten beschäftigt seid, könnt ihr insgesamt fünf Stadtteile von New York frei erkunden und lauft dabei ständig euren Bekannten über den Weg, was mehr Gesprächsmöglichkeiten gibt.
So etwas kann natürlich nur funktionieren, wenn die Texte sehr gut sind - und das sind sie bei Sakura Wars zum Glück. Wer schon mal einen vergleichbaren Anime gesehen hat, wird die Kunst der Japaner kennen, Geschichten zu erzählen, die oft unglaublich witzig, an den richtigen Stellen aber auch sehr berührend sein können. Sakura Wars haut in dieselbe Kerbe und setzt seine exzentrischen Charaktere dazu ein, allerlei Unfug zu treiben, beschäftigt sich aber auch mit tiefgreifenderen psychologischen Problemen, die überraschend glaubhaft vorgestellt und gelöst werden. Überhaupt ist Sakura Wars nicht annähernd so kitschig, wie man vielleicht befürchten würde, und ist daher auch für erwachsene Spieler, die mit der Materie etwas anfangen können, durchaus interessant. Selbiges gilt aber nicht für den roten Faden der Story: Die zugrunde liegende Handlung um böse Dämonen könnte klischeehafter nicht sein und war offensichtlich nicht das Hauptaugenmerk der Entwickler.

Positiv ist dagegen, dass eure Antworten in den Gesprächen allerlei Auswirkungen auf das Spielgeschehen haben. Zum einen erfahrt ihr anhand von Jingles, wie eure Gesprächpartnerin eure Antwort aufgefasst hat - das verschafft nicht nur Sympathiepunkte (die man auch wieder verspielen kann), sondern hat auch Auswirkungen auf die Leistung eurer Mitstreiterinnen im Kampf. Ferner nehmen eure Antworten mittelfristig Einfluss auf den Verlauf von Gesprächen, und selbst beim ersten Durchgang scheint durch, dass die letzten Minuten komplett anders verlaufen wären, wenn ihr euch an einer bestimmten Stelle anders entschieden hättet. Die komplette Story kann man aber nicht umdrehen - Sakura Wars endet immer auf die gleiche Weise, wobei es verschiedene Endsequenzen gibt, je nachdem, mit welcher der acht Charaktere ihr euch am besten versteht. Unabhängig von der Qualität eurer Antworten bleibt der Titel übrigens immer jugendfrei, sodass Sakura Wars selbst im prüden Amerika eine Freigabe für Teenager bekommen hat. Zwar gibt es allerlei Anspielungen, aber man hat schon deutlich schlimmeres gesehen bzw. gelesen in Spielen, die keine ausgewiesenen Dating-Sims waren.
Secret! Blade! Skill!
Etwa ein Drittel der Spielzeit verbringt ihr in Sakura Wars innerhalb der sogenannten STARs - typische, japanische Kampfroboter. Die Kämpfe sind dabei komplett rundenbasiert, wobei jede Einheit einzeln zum Zug kommt, wenn sie an der Reihe ist. Der Hauptunterschied zu anderen RPGs liegt darin, dass es keine Levels und keine Erfahrungspunkte gibt - die Statuswerte hängen allein davon ab, wie gut ihr euch im vorangegangenen Kapitel mit euren Kolleginnen verstanden habt. Allgemein gilt: Gut gelaunte Frauen kämpfen besser.
Ist eine eurer Einheiten am Zug, übernehmt ihr direkte Kontrolle. Mit dem Analogstick kann die Einheit frei bewegt werden und braucht dabei eine "Mobility"-Anzeige auf. Auch alle anderen Basisaktionen (Angriffe, Joint-Angriffe, Super-Angriffe und Heilung) brauchen einen Abschnitt dieser Anzeige auf. Normale Angriffe können ansonsten jederzeit ausgeführt werden, wobei Kombos aus bis zu fünf Angriffen zur Verfügung stehen - eine vollständige Kombo ist dabei natürlich effektiver, als fünf einzelne Angriffe. Darüber hinaus stehen euch noch zwei Sonderkommandos zur Verfügung, über die ihr Fokus-Punkte aufladen oder eine defensive Haltung einnehmen könnt. Fokus-Punkte, die sonst nur aufgeladen werden, wenn eure Einheit angegriffen wird, können wiederum für stärkere Angriffe und Reparaturen verwendet werden - Super-Angriffe sind die Spezialangriffe jedes einzelnen Charakters, und Joint-Angriffe müssen von zwei Einheiten kooperativ ausgeführt werden. Der Schaden hängt dabei von der Enge der Freundschaft zwischen den beiden ausführenden Einheiten ab, weshalb Joint-Angriffe anfangs wenig bringen, am Ende aber mächtige Werkzeuge sind, um große Gruppen feindlicher Roboter mit einem Schlag loszuwerden. Shinjiro kann darüber hinaus noch ein paar taktische Entscheidungen treffen und zum Beispiel einen anderen STAR beschützen, was gegnerische Angriffe bis zu drei mal in einem Kampf wirkungslos macht.
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Kämpfe sind zwar sehr lang - die Schlachten am Ende eines Kapitels erstrecken sich oft über mehrere Gebiete und werden von einem Bosskampf abgeschlossen, der meist in der Luft stattfindet. Sonderlich schwierig wird Sakura Wars aber nie - der zweite Endgegner ist überraschend happig, danach steigt der Schwierigkeitsgrad aber schon nicht mehr wirklich an und flaut eher noch ab, sobald man sich mit dem Kampfsystem vertraut gemacht hat. Stattdessen unterhält der Titel mit abwechslungsreichen Missionszielen und riesigen Endgegnern, die aus mehreren Komponenten bestehen und Stück für Stück zerstört werden können, und ist dabei gerade so fordernd, dass die Kämpfe Spaß machen. In Anbetracht des Genres ist der Schwierigkeitsgrad aber völlig angemessen - wer als Stratege gefordert werden will, greift stattdessen zu einem mehr auf Kämpfe ausgelegten Spiel wie Fire Emblem.
Zeitlose Technik, unsaubere Portierung
Obwohl Sakura Wars V ein fünf Jahre altes PS2-Spiel ist, fällt die Grafik nicht negativ auf, sondern überzeugt mit zeitlosen 2D-Grafiken, die sehr schön gezeichnet sind und auch heute noch sehr gut aussehen. Zu jedem wichtigen Charakter gibt es dutzende Artworks, die teilweise mit Sprechanimationen versehen sind, und für alle Gebiete in New York wurden ebenfalls mehrere Artworks erstellt. Selbst die komplett in 3D gehaltenen Kämpfe sehen, einer Fülle an Details sei dank, nicht schlecht aus - die riesigen Endgegner wissen sogar selbst heute noch zu gefallen. Ähnlich schön ist der Soundtrack: Stimmungsvolle Melodien mit Ohrwurmcharakter und das japanische Titellied verwöhnen die Ohren und unterstützen das Spielgeschehen, und zum Setting passende Musikstücke mit Bigband-Einflüssen sorgen für Abwechslung. Die englische Sprachausgabe ist solide, auch wenn sich Nippon Ichi bei der Auswahl der Sprecher leider ein paar Fehltritte erlaubt hat und teils zu sehr auf nervige Akzente setzt. Leider wurde nur ein Bruchteil der Dialoge vertont und Shinjiro bleibt sogar während dieser Szenen stumm, obwohl er in den kurzen Anime-Sequenzen ebenfalls vertont wurde. Japanische Sprachausgabe gibt es nur in der PlayStation 2-Version, die nur in Amerika erhältlich ist.
Weniger schön ist die Wii-Portierung; Framerateeinbrüche sind hier noch das kleinste Übel. Sakura Wars unterstützt neben der gewöhnlichen Steuerung den Classic Controller, und da in manchen Quicktime-Events schnelle Drehungen des rechten Analogsticks ausgeführt werden sollen, ist ein Classic Controller zum Bestehen dieser Events fast Pflicht. Leider beziehen sich selbst bei Verwendung der Zusatzhardware alle Spielhilfen und selbst die Tutorials auf die Wiimote-Steuerung, weshalb man ständig umdenken muss, wenn zwar der Z-Knopf eingeblendet wird, man aber eigentlich auf die Y-Taste drücken muss. Wirklich grob daneben gegangen ist die Quicksave-Funktion, die es euch eigentlich erlauben soll, jederzeit zu speichern und später neu einzusteigen, was vor allem während langer Schlachten manchmal nötig wäre. Diese Funktion ist aber derart kaputt, dass ein von einem Quicksave-Spielstand wiederhergestelltes Spiel meist nach wenigen Minuten abstürzt, da gewisse Daten grundsätzlich falsch geladen werden. Somit muss zum Speichern auf den Zwischenbildschirm zurückgegriffen werden, der manchmal rund eine Stunde lang auf sich warten lässt. Ebenfalls bemängelt werden muss der fehlende 16:9-Modus - zwar kann man nicht erwarten, dass alle Artworks in 480p neu gezeichnet werden, aber zumindest ein Bilderrahmen wie in Mario Party 8 hätte drin sein dürfen, damit man im 16:9-Modus nicht vor einem in der Breite gestreckten Bild sitzt (zumindest so lange, bis man seinen Fernseher umgeschaltet hat).Fazit: Insgesamt betrachtet ist Sakura Wars: So Long, My Love aber trotzdem ein sehr gutes Wii-Spiel, das ein für Europäer nahezu komplett unbekanntes Genre bedient. Die oft witzigen, manchmal aber auch berührenden und auch in der englischen Fassung sehr guten Dialoge wissen zu unterhalten und sind nicht derart kitschig, wie es in manchen Animes teilweise der Fall ist. Durch die Multiple-Choice-Auswahlen, die den Spielverlauf zumindest mittelfristig beeinflussen und die oft schnelles Denken erfordern, macht das extrem textlastige Spiel sogar überraschend viel Spaß und kann getrost auf eine Stufe mit anderen textbasierten Spielen wie Phoenix Wright oder Another Code R gestellt werden. Die rundenbasierten Kämpfe hingegen fordern mit abwechslungsreichen Missionszielen und riesigen Endgegnern, die aus mehreren Komponenten bestehen. Da auch die technische Seite gut gealtert ist, kann Sakura Wars getrost allen empfohlen werden, die mit der Materie etwas anfangen können - und hier liegt wohl das Hauptproblem des Titels: Die "Dating-Simulation" hat es selbst in Japan schwer, von der Masse akzeptiert zu werden, und ist im Westen wohl zu einem krassen Nischendasein verdammt. Wer nach dem Durchspielen von Fire Emblem nach weiteren taktischen Herausforderungen sucht, sollte also tunlichst die Finger von Sakura Wars lassen. Bedenkenlos zugreifen können hingegen diejenigen, die Interesse am Genre und an der Thematik haben und sich auch von viel Text nicht abschrecken lassen.
Von Andreas Held
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| Wertung für das Spiel Sakura Wars: So Long, My Love | |
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| 8.4 | Grafik Eine vielzahl schöner 2D-Artworks weiß zu gefallen, und der hohe Detailgrad täuscht über die veraltete Technik hinweg. | |
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| 8.9 | Sound Schöne, Stimmungsvolle Melodien mit Ohrwurmcharakter und insgesamt solide Sprachausgabe | |
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| 7.5 | Steuerung Die Menüs sind nach einer kurzen Einarbeitungszeit komfortabel zu bedienen. | |
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| 7.9 | Gameplay Ein sehr textlastiges, aber ebenso unterhaltsames Spiel, das bei der Wii-Portierung leider ein paar Kratzer abbekommen hat | |
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| 8.0 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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Review: Sakura Wars: So Long, My Love
HerstellerRED Entertainment
GenreVisual Novel
VersionPAL
Controller-VoraussetzungWii-Remote, Nunchuk oder Classic-Controller
Spieler1
SchwierigkeitsgradLeicht
Altersempfehlung
Ab 12 Jahren
60-Hz Modus
Ja
480p Modus
Nein
Widescreen Modus
Nein
DS Connectivity
Nein
Dolby Pro Logic II
Nein
Wifi-Connection
Nein
WiiConnect24 Support
Nein
Releaseerschienen
Preis (€)39,95
Innovationsfaktor
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